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EuGH-Vorlage zur Steuerbefreiung medizinischer Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik

EuGH-Vorlage zur Steuerbefreiung medizinischer Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik: 1. Beurteilt sich die Steuerfreiheit von Heilbehandlungen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik im Bereich der Humanmedizin unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL? - 2. Setzt die Anwendbarkeit von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL - falls diese Bestimmung anwendbar ist - ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und der behandelten Person voraus? - Urt.; BFH 11.10.2017, XI R 23/15; SIS 17 22 19

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Umsatzsteuer-Freiheit
Fundstellen
  1. BFH 11.10.2017, XI R 23/15 (ECLI:DE:BFH:2017:VE.111017.XIR23.15.0)
    BStBl 2018 II S. 109
    DStR 2017 S. 2730

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 15.1.2018
    -/- in NWB 51/2017 S. 3917
    M. Brill in DStZ 4/2018 S. 89
    A. Erdbrügger in MwStR 4/2018 S. 177
    W. Tausch in UVR 2/2019 S. 38
    A. Treiber in BFH/PR 3/2018 S. 69
Normen
[UStG] § 4 Nr. 14 Buchst. a, § 4 Nr. 14 Buchst. b
[RL 2006/112/EG] Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Berlin-Brandenburg, 10.11.2015, SIS 16 01 79, Umsatzsteuerbefreiung, Heilbehandlung, Laborarzt
  • nach: EuGH, 18.09.2019, SIS 19 15 33, EG, EU, Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer, Steuerbefreiung medizinische Analysen, Facharzt klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG München 18.10.2023, SIS 24 02 43, Umsatzsteuerfreiheit privater Krankenhäuser: 1. Umsätze aus dem Betrieb eines Krankenhauses, das nicht na...
  • OFD Karlsruhe 14.4.2023, SIS 23 07 55, Vorlagen an den EuGH, die seit dem 1.1.2009 ergangen sind: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit ...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 17.5.2022, SIS 22 13 73, Umsatzsteuerfreiheit von ärztlichen Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausleistungen: 1. Ärztliche He...
  • BFH 21.4.2021, SIS 21 17 33, Zur Kleinunternehmerregelung im Jahr der Neugründung und zur Steuerpflicht von Intensivpflegeleistungen e...
  • OFD Karlsruhe 3.3.2021, SIS 21 03 65, Umsatzsteuer, EuGH-Vorlagen: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit dem 1. Januar 2009 eingegangen...
  • BFH 23.9.2020, SIS 20 21 33, Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung medizinischer Telefonberatung (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urte...
  • Niedersächsisches FG 11.6.2020, SIS 21 06 96, Verhältnis zwischen den Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG, Steuerbefreiung...
  • FG Münster 19.12.2019, SIS 19 21 75, Frage der Steuerbefreiung von medizinischen Leistungen einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie: 1....
  • BFH 18.12.2019, SIS 20 02 17, Zur Steuerbefreiung medizinischer Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnos...
  • OFD Karlsruhe 13.8.2019, SIS 19 13 20, Umsatzsteuer, EuGH-Vorlagen: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit dem 1. Januar 2009 eingegangen...
  • BFH 23.1.2019, SIS 18 22 65, Verfahrensaussetzung bei EuGH-Vorlage: Zwar kommt es durch eine EuGH-Vorlage noch nicht zu einer Änderung...
  • BFH 23.1.2019, SIS 19 03 97, Steuerfreiheit von Leistungen einer Privatklinik mit Belegärzten: 1. Hat das FG nach dem Tenor und den En...
  • BFH 11.1.2019, SIS 18 22 47, Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Gesundheitszentrums: Werden Leistungen eines Gesundheitszentru...
  • BFH 18.9.2018, SIS 18 21 02, EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung medizinischer Telefonberatung: 1. Liegt unter Umständ...
  • BFH 13.12.2017, SIS 18 05 11, Zur Berufung auf das Unionsrecht bei Bezug von Reisevorleistungen aus einem anderen Mitgliedstaat der EU:...

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Beurteilt sich die Steuerfreiheit von Heilbehandlungen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik im Bereich der Humanmedizin unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem?

2. Setzt die Anwendbarkeit von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - falls diese Bestimmung anwendbar ist - ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und der behandelten Person voraus?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.

 

1

I. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

 

 

 

 

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik, führte in den Streitjahren (2009 bis 2012) ab dem 1.10.2009 ausschließlich Umsätze an die X-GmbH, ein Laborunternehmen, aus. Die X-GmbH erbrachte Laborleistungen an niedergelassene Ärzte, Rehakliniken, Gesundheitsämter und Krankenhäuser.

 

 

 

 

3

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) erbrachte der Kläger gegenüber der X-GmbH - von dieser monatlich mit ... EUR vergütete - Leistungen der Befunderhebung mit dem Ziel konkreter laborärztlicher Diagnosen sowie ärztliche Hilfestellungen bei transfusionsmedizinischen Maßnahmen für konkrete Behandlungsverhältnisse, die sich als Bestandteile von Gesamtverfahren darstellten, die konkreten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienten. Soweit er im Übrigen der X-GmbH organisatorisches Wissen zur Verfügung stellte, die Optimierung von labororganisatorischen Abläufen unterstützte und bei Bedarf in einer Transfusionskommission mitarbeitete, hat das FG dies dahingehend gewürdigt, dass solche Leistungen als Nebenleistungen dem Zweck dienten, dass die X-GmbH die Hauptleistungen des Klägers unter optimalen Bedingungen hat in Anspruch nehmen können.

 

 

 

 

4

Der Kläger ging davon aus, dass diese Umsätze gegenüber der X-GmbH als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008, Bundesgesetzblatt, Teil I 2008, 2794 - UStG - ) steuerfrei seien, und gab folglich für die Streitjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab.

 

 

 

 

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) behandelte die betreffenden Umsätze dagegen als steuerpflichtig und erließ für die Streitjahre Schätzungsbescheide über Umsatzsteuer auf Basis der Nettohonorare. Leistungen von klinischen Chemikern und Laborärzten beruhten nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten, das aber Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sei.

 

 

 

 

6

In den jeweiligen Einspruchsverfahren berücksichtigte das FA in Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Vorsteuerbeträge und wies die Einsprüche im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 2.12.2013 als unbegründet zurück.

 

 

 

 

7

Das FG gab der Klage statt und setzte unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Änderung der angefochtenen Steuerbescheide die Umsatzsteuer für die Streitjahre jeweils auf 0 EUR fest.

 

 

 

 

8

Es führte zur Begründung u.a. aus, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG setze kein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient voraus.

 

 

 

 

9

Das Urteil des FG ist in EFG 2016, 240 = SIS 16 01 79 veröffentlicht.

 

 

 

 

10

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

 

 

11

Es macht im Wesentlichen geltend, der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sei mit seinen Urteilen L.u.P. vom 8.6.2006 C-106/05 (EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72) und Verigen Transplantation Service International vom 18.11.2010 C-156/09 (EU:C:2010:695, UR 2011, 215 = SIS 10 39 09) nicht von seiner früheren Rechtsprechung abgewichen, wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen nur dann gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei sind, wenn sie im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses erbracht worden seien.

 

 

 

 

12

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

 

 

13

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

 

 

14

Er verteidigt das FG-Urteil.

 

 

 

 

15

II. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen

 

 

 

 

16

1. Nationales Recht

 

 

 

 

17

Für die Beurteilung des Streitfalls sind die folgenden Vorschriften des UStG maßgebend:

 

 

 

 

18

a) § 1 Steuerbare Umsätze

 

 

“(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. ...“

 

 

 

 

19

b) § 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

 

 

“Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ...

 

 

 

 

 

14.

a) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. ...

 

 

 

 

 

 

 

b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von

 

 

 

...

 

 

 

bb) Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,

 

 

 

...

 

 

 

erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, ...“

 

 

 

 

20

2. Unionsrecht

 

 

 

 

 

 

21

Unionsrechtlich sind die folgenden Bestimmungen der MwStSystRL von Bedeutung:

 

 

 

a) Art. 2 Steueranwendungsbereich

 

 

 

“Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

 

a) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt tätigt; ...“

 

 

 

b) Art. 132 Steuerbefreiungen dem Gemeinwohl dienender Umsätze

 

 

 

“(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

 

 

...

 

 

b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden;

 

 

 

 

 

c) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden; ...“

 

 

 

22

III. Zur Anrufung des EuGH

 

 

 

 

23

1. Die gemäß § 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerbaren Leistungen des Klägers erfüllen den Tatbestand der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Es handelt sich um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt durchgeführt wurden.

 

 

 

 

24

a) § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ist im Lichte des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (vormals: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG - ) unionsrechtskonform auszulegen.

 

 

 

 

25

Dies war für § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG alte Fassung (a.F.) anerkannt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.12.2002 V R 28/00 = SIS 03 19 06, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 201, 330, Bundessteuerblatt, Teil II - BStBl II - 2003, 532; vom 1.4.2004 V R 54/98, BFHE 205, 505, BStBl II 2004, 681 = SIS 04 27 05; vom 7.2.2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126 = SIS 13 08 44; vom 5.11.2014 XI R 11/13, BFHE 248, 389, UR 2015, 180 = SIS 14 33 26, Rz 17). Gleiches gilt für die gesetzliche Neufassung nach dem Jahressteuergesetz 2009, da nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (Bundestags-Drucksache - BTDrucks - 16/10189, S. 74) „die bisherige Steuerbefreiung in § 4 Nr. 14 UStG ... - unter Übernahme der Terminologie des Artikels 132 Abs. 1 Buchstabe c MwStSystRL – in dem neuen 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG fortgeführt werden“ soll. Weil Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG sowie Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in gleicher Weise auszulegen sind, kann auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG weiterhin zur Auslegung herangezogen werden (vgl. EuGH-Urteil Future Health Technologies vom 10.6.2010 C-86/09, EU:C:2010:334, UR 2010, 540 = SIS 10 26 07, Rz 26 f.).

 

 

 

 

26

b) Der Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff (vgl. EuGH-Urteile Unterpertinger vom 20.11.2003 C-212/01, EU:C:2003:625, UR 2004, 70 = SIS 04 01 34, Rz 35; D’ Ambrumenil und Dispute Resolution Services vom 20.11.2003 C-307/01, EU:C:2003:627, UR 2004, 75 = SIS 04 01 35, Rz 53). Sowohl der Begriff „ärztliche Heilbehandlung“ als auch der Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (vgl. EuGH-Urteile L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 27; CopyGene vom 10.6.2010 C-262/08, EU:C:2010:328, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz 28; BFH-Urteile vom 12.8.2004 V R 27/02 = SIS 05 16 20, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 2005, 583; in BFHE 248, 389, UR 2015, 180 = SIS 14 33 26, Rz 19).

 

 

 

 

27

c) Medizinische Analysen, die von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden, können zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, da sie ebenso wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. In Anbetracht des mit den betreffenden Steuerbefreiungsregelungen verfolgten Zweckes, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, und im Einklang mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln, können medizinische Analysen, die der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienen, „ärztliche Heilbehandlungen“ oder „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b bzw. c der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL) sein (vgl. EuGH-Urteile L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 30 bis 32; CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz 30).

 

 

 

 

28

Dementsprechend hat das FG den Sachverhalt für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) dahingehend gewürdigt, dass der Kläger als Arzt derartige Heilbehandlungen ausgeführt hat. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

 

 

 

 

29

2. Fraglich ist aber, ob bei medizinischen Analysen wie im Streitfall die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL deshalb (von vornherein) nicht anwendbar ist, weil sie durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL verdrängt wird.

 

 

 

 

30

a) Der Gesetzgeber hat sich bei der Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG davon leiten lassen, dass „Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände in Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b und c MwStSystRL ... weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung [ist]. Der EuGH hat festgestellt, dass solche Leistungen nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien sind, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlichen Gesundheit bestehen, während Buchstabe c auf Leistungen anwendbar ist, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z.B. in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 6.11.2003, C-45/01, ... Rn. 47). ... Der Kreis der [in dem neuen § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG] ausdrücklich aufgeführten ärztlichen und arztähnlichen Berufe bleibt grundsätzlich unverändert; ausgeklammert aus der Befreiungsvorschrift des Buchstaben a wird aber ausdrücklich die Tätigkeit als klinischer Chemiker. Da dessen Leistungen nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und behandelnder Person beruhen, werden diese von dem neuen Buchstaben b Satz 2 Doppelbuchstabe cc mit erfasst ...“ (BTDrucks 16/10189, S. 74).

 

 

 

 

31

„In § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz 1 UStG wird die bisherige Befreiung des § 4 Nr. 16 Buchstabe a UStG für die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betriebenen Einrichtungen fortgeführt. ... Durch den Doppelbuchstaben bb werden die Zentren der ärztlichen ... Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 [des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V - ] teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 SGB V gelten, als steuerbegünstigte Einrichtungen anerkannt. Unter diese Befreiungsvorschrift können, unabhängig von ihrer Rechtsform, z.B. medizinische Versorgungszentren, Einrichtungen von Laborärzten oder klinischen Chemikern sowie Praxiskliniken fallen ...“ (BTDrucks 16/10189, S. 75).

 

 

 

 

32

b) Der Klärung durch den EuGH bedarf, ob es sich hierbei um eine zutreffende Interpretation seiner Rechtsprechung durch den nationalen Gesetzgeber handelt, dass bei medizinischen Analysen die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ausgeschlossen ist und dementsprechend medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, nicht aber auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL steuerfrei sind (so BFH-Urteil vom 24.8.2017 V R 25/16, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, DStR 2017, 2174 = SIS 17 16 49, Rz 9).

 

 

 

 

33

aa) Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL hat der EuGH im Urteil L.u.P. (EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72) entschieden, dass bei medizinischen Analysen, die von - in privatrechtlicher Form organisierten - Laboren außerhalb der Praxisräume des praktischen Arztes durchgeführt werden, der sie angeordnet hat, zu prüfen ist, ob die Analysen unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG fallen können (Leitsatz 1, Rz 39). Der EuGH hat dies bejaht, da derartige Labore als Einrichtung „gleicher Art“ wie „Krankenanstalten“ und „Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik“ anzusehen sind (EuGH-Urteil L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 35).

 

 

 

 

34

bb) Andererseits hat der EuGH mit Urteil Klinikum Dortmund vom 13.3.2014 C-366/12 (EU:C:2014:143, UR 2014, 271 = SIS 14 08 08, Rz 25) entschieden, dass Heilbehandlungen, die Ärzte erbringen, die gegenüber einem Klinikum selbständig, aber innerhalb des Krankenhausbetriebs tätig sind, gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG von der Mehrwertsteuer befreit sind, obwohl die Heilbehandlungen in den Räumen des Krankenhauses ausgeführt wurden. „Anderer Ort“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL kann danach auch eine Einrichtung i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL sein.

 

 

 

 

35

3. Ferner stellt sich, falls Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL anwendbar ist, die Frage, ob die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Behandelndem voraussetzt.

 

 

 

 

36

a) Nach den EuGH-Urteilen Kommission/Vereinigtes Königreich vom 23.2.1988 C-353/85 (EU:C:1988:82, HFR 1989, 401, Rz 33) und Dornier vom 6.11.2003 C-45/01 (EU:C:2003:595, UR 2003, 584 = SIS 04 01 38, Rz 47) ist das Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL) weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Entsprechend hat der EuGH denjenigen Leistungen, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlichen Gesundheit bestehen (Buchst. b), diejenigen Leistungen gegenübergestellt, die außerhalb von Krankenhäusern - im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem - erbracht werden (Buchst. c).

 

 

 

 

37

b) Das Merkmal „im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem“ findet sich jedoch in den später ergangenen EuGH-Urteilen Kügler vom 10.9.2002 C-141/00 (EU:C:2002:473, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10, Rz 36), L.u.P. (EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 22), CopyGene (EU:C:2010:328, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz 27), Future Health Technologies (EU:C:2010:334, UR 2010, 540 = SIS 10 26 07, Rz 36), PFC Clinic vom 21.3.2013 C-91/12 (EU:C:2013:198, UR 2013, 335 = SIS 13 11 68, Rz 24) und De Fruytier vom 2.7.2015 C-334/14 (EU:C:2015:437, UR 2015, 636 = SIS 15 15 60, Rz 19) nicht mehr wieder.

 

 

 

 

38

c) Ferner lagen den Rechtssachen L.u.P. (EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72) und Verigen Transplantation Service International (EU:C:2010:695, UR 2011, 215 = SIS 10 39 09) Sachverhalte zu Grunde, in denen ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Leistungserbringer nicht bestand.

 

 

 

 

39

d) Nach Auffassung des Senats hat das Merkmal „im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem“ für den Ort der Leistung als dem nach der EuGH-Rechtsprechung entscheidenden Abgrenzungsmerkmal zwischen den Befreiungstatbeständen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL keine entscheidende Bedeutung.

 

 

 

 

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aa) In den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 16/10189, S. 74) zitiert der Gesetzgeber zwar zutreffend die EuGH-Rechtsprechung, dass Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung ist. Soweit er jedoch in Bezug auf § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG die Tätigkeit als klinischer Chemiker aus der Befreiungsvorschrift ausklammert, da dessen Leistungen nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und behandelnder Person beruhen (ebenso die in Abschn. 4.14.1 Abs. 1 und Abschn. 4.14.5 Abs. 9 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses sowie im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.11.2013, Bundessteuerblatt, Teil I 2013, 1581 zum Ausdruck kommende Verwaltungsauffassung zu Leistungen klinischer Chemiker und von Laborärzten), fußt dies nach Auffassung des Senats auf einer unzutreffenden Interpretation der EuGH-Rechtsprechung.

 

 

 

 

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bb) Der Senat ist bereits davon ausgegangen, dass das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient keine (zwingende) Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.6.2011 XI R 52/07, BFHE 234, 461, BStBl II 2013, 971 = SIS 11 28 12, Rz 27; siehe auch FG Hamburg, Urteil vom 23.10.2013 2 K 349/12, EFG 2014, 383 = SIS 14 03 02). Vielmehr bildet ein solches Vertrauensverhältnis lediglich einen typischen Anwendungsfall der Befreiungsvorschrift. Dafür, dass das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient kein Abgrenzungsmerkmal zwischen einer Krankenhausbehandlung und einer außerhalb von Krankenhäusern erbrachten Heilbehandlungsleistung ist, spricht ferner, dass auch Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG a.F. bzw. des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG regelmäßig auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beruhen.

 

 

 

 

42

4. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

 

 

 

 

43

5. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 FGO.