I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union
werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Beurteilt sich die Steuerfreiheit von
Heilbehandlungen eines Facharztes für klinische Chemie und
Laboratoriumsdiagnostik im Bereich der Humanmedizin unter
Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nach Art. 132 Abs.
1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem oder nach Art. 132
Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem?
2. Setzt die Anwendbarkeit von Art. 132 Abs. 1
Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - falls diese
Bestimmung anwendbar ist - ein Vertrauensverhältnis zwischen
dem Arzt und der behandelten Person voraus?
II. Das Revisionsverfahren wird bis zur
Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union
ausgesetzt.
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I. Sachverhalt des
Ausgangsverfahrens
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2
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), ein Facharzt für klinische Chemie und
Laboratoriumsdiagnostik, führte in den Streitjahren (2009 bis
2012) ab dem 1.10.2009 ausschließlich Umsätze an die
X-GmbH, ein Laborunternehmen, aus. Die X-GmbH erbrachte
Laborleistungen an niedergelassene Ärzte, Rehakliniken,
Gesundheitsämter und Krankenhäuser.
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3
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Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) erbrachte der Kläger gegenüber der X-GmbH - von
dieser monatlich mit ... EUR vergütete - Leistungen der
Befunderhebung mit dem Ziel konkreter laborärztlicher
Diagnosen sowie ärztliche Hilfestellungen bei
transfusionsmedizinischen Maßnahmen für konkrete
Behandlungsverhältnisse, die sich als Bestandteile von
Gesamtverfahren darstellten, die konkreten Heilbehandlungen im
Bereich der Humanmedizin dienten. Soweit er im Übrigen der
X-GmbH organisatorisches Wissen zur Verfügung stellte, die
Optimierung von labororganisatorischen Abläufen
unterstützte und bei Bedarf in einer Transfusionskommission
mitarbeitete, hat das FG dies dahingehend gewürdigt, dass
solche Leistungen als Nebenleistungen dem Zweck dienten, dass die
X-GmbH die Hauptleistungen des Klägers unter optimalen
Bedingungen hat in Anspruch nehmen können.
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4
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Der Kläger ging davon aus, dass diese
Umsätze gegenüber der X-GmbH als Heilbehandlungen im
Bereich der Humanmedizin gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a
Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (in der Fassung des
Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008, Bundesgesetzblatt, Teil I
2008, 2794 - UStG - ) steuerfrei seien, und gab folglich für
die Streitjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab.
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5
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) behandelte die betreffenden Umsätze dagegen
als steuerpflichtig und erließ für die Streitjahre
Schätzungsbescheide über Umsatzsteuer auf Basis der
Nettohonorare. Leistungen von klinischen Chemikern und
Laborärzten beruhten nicht auf einem persönlichen
Vertrauensverhältnis zu den Patienten, das aber Voraussetzung
für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14
Buchst. a Satz 1 UStG sei.
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6
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In den jeweiligen Einspruchsverfahren
berücksichtigte das FA in Änderungsbescheiden für
die Streitjahre vom Kläger hilfsweise geltend gemachte
Vorsteuerbeträge und wies die Einsprüche im Übrigen
mit Einspruchsentscheidung vom 2.12.2013 als unbegründet
zurück.
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7
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Das FG gab der Klage statt und setzte unter
Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Änderung der
angefochtenen Steuerbescheide die Umsatzsteuer für die
Streitjahre jeweils auf 0 EUR fest.
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8
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Es führte zur Begründung u.a.
aus, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG
setze kein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen
Arzt und Patient voraus.
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9
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Das Urteil des FG ist in EFG 2016, 240 =
SIS 16 01 79 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es macht im Wesentlichen geltend, der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sei mit seinen
Urteilen L.u.P. vom 8.6.2006 C-106/05 (EU:C:2006:380, UR 2006, 464
= SIS 06 29 72) und Verigen Transplantation Service International
vom 18.11.2010 C-156/09 (EU:C:2010:695, UR 2011, 215 = SIS 10 39 09) nicht von seiner früheren Rechtsprechung abgewichen,
wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin außerhalb
von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen nur dann
gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei sind, wenn sie im
Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses
erbracht worden seien.
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12
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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13
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Er verteidigt das FG-Urteil.
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II. Die maßgeblichen Vorschriften und
Bestimmungen
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1. Nationales Recht
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Für die Beurteilung des Streitfalls
sind die folgenden Vorschriften des UStG maßgebend:
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a) § 1 Steuerbare Umsätze
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“(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die
folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im
Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
...“
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b) § 4 Steuerbefreiungen bei
Lieferungen und sonstigen Leistungen
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“Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1
fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ...
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14.
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a) Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit
als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder
einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit
durchgeführt werden. ...
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b) Krankenhausbehandlungen und
ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der
Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe
und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die
von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die
in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie
von
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...
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bb) Zentren für ärztliche
Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der
vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen
nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
gelten,
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...
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erbracht werden und es sich ihrer Art nach
um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder
die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht,
...“
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2. Unionsrecht
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Unionsrechtlich sind die folgenden
Bestimmungen der MwStSystRL von Bedeutung:
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a) Art. 2 Steueranwendungsbereich
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“Der Mehrwertsteuer unterliegen
folgende Umsätze:
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a) Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt tätigt; ...“
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b) Art. 132 Steuerbefreiungen dem
Gemeinwohl dienender Umsätze
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“(1) Die Mitgliedstaaten befreien
folgende Umsätze von der Steuer:
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...
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b) Krankenhausbehandlungen und
ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene
Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese
Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von
Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung
und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten
Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt
werden;
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c) Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem
betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und
arztähnlichen Berufe durchgeführt werden;
...“
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III. Zur Anrufung des EuGH
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1. Die gemäß § 1 UStG, Art. 2
Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerbaren Leistungen des Klägers
erfüllen den Tatbestand der Steuerbefreiung des § 4 Nr.
14 Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Es
handelt sich um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die
im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt
durchgeführt wurden.
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24
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a) § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ist
im Lichte des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (vormals: Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG
- ) unionsrechtskonform auszulegen.
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25
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Dies war für § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG
alte Fassung (a.F.) anerkannt (ständige Rechtsprechung, vgl.
z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.12.2002 V R 28/00
= SIS 03 19 06, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -
BFHE - 201, 330, Bundessteuerblatt, Teil II - BStBl II - 2003, 532;
vom 1.4.2004 V R 54/98, BFHE 205, 505, BStBl II 2004, 681 = SIS 04 27 05; vom 7.2.2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126 =
SIS 13 08 44; vom 5.11.2014 XI R 11/13, BFHE 248, 389, UR 2015, 180
= SIS 14 33 26, Rz 17). Gleiches gilt für die gesetzliche
Neufassung nach dem Jahressteuergesetz 2009, da nach dem
erklärten Willen des Gesetzgebers (Bundestags-Drucksache -
BTDrucks - 16/10189, S. 74) „die bisherige Steuerbefreiung
in § 4 Nr. 14 UStG ... - unter Übernahme der Terminologie
des Artikels 132 Abs. 1 Buchstabe c MwStSystRL – in dem neuen
4 Nr. 14 Buchstabe a UStG fortgeführt werden“ soll.
Weil Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG
sowie Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in gleicher Weise
auszulegen sind, kann auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG weiterhin zur
Auslegung herangezogen werden (vgl. EuGH-Urteil Future Health
Technologies vom 10.6.2010 C-86/09, EU:C:2010:334, UR 2010, 540 =
SIS 10 26 07, Rz 26 f.).
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26
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b) Der Begriff „Heilbehandlungen im
Bereich der Humanmedizin“ ist ein autonomer
unionsrechtlicher Begriff (vgl. EuGH-Urteile Unterpertinger vom
20.11.2003 C-212/01, EU:C:2003:625, UR 2004, 70 = SIS 04 01 34, Rz
35; D’ Ambrumenil und Dispute Resolution Services vom
20.11.2003 C-307/01, EU:C:2003:627, UR 2004, 75 = SIS 04 01 35, Rz
53). Sowohl der Begriff „ärztliche
Heilbehandlung“ als auch der Begriff
„Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“
erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie
möglich, Heilung von Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen dienen (vgl. EuGH-Urteile L.u.P.,
EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 27; CopyGene vom
10.6.2010 C-262/08, EU:C:2010:328, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz
28; BFH-Urteile vom 12.8.2004 V R 27/02 = SIS 05 16 20, Sammlung
amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs 2005, 583; in BFHE 248, 389, UR 2015, 180 = SIS 14 33 26, Rz 19).
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27
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c) Medizinische Analysen, die von praktischen
Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden,
können zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit
beitragen, da sie ebenso wie jede vorbeugend erbrachte
ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die
Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es
erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu
behandeln oder zu heilen. In Anbetracht des mit den betreffenden
Steuerbefreiungsregelungen verfolgten Zweckes, die Kosten
ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, und im Einklang mit dem
Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es verbietet,
gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende
Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu
behandeln, können medizinische Analysen, die der vorbeugenden
Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienen,
„ärztliche Heilbehandlungen“ oder
„Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“
im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b bzw. c der Richtlinie
77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL)
sein (vgl. EuGH-Urteile L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 30 bis 32; CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz 30).
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28
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Dementsprechend hat das FG den Sachverhalt
für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ) dahingehend gewürdigt, dass
der Kläger als Arzt derartige Heilbehandlungen ausgeführt
hat. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
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2. Fraglich ist aber, ob bei medizinischen
Analysen wie im Streitfall die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14
Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL deshalb
(von vornherein) nicht anwendbar ist, weil sie durch Art. 132 Abs.
1 Buchst. b MwStSystRL verdrängt wird.
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30
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a) Der Gesetzgeber hat sich bei der Neufassung
des § 4 Nr. 14 UStG davon leiten lassen, dass
„Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs
der beiden Befreiungstatbestände in Artikel 132 Abs. 1
Buchstabe b und c MwStSystRL ... weniger die Art der Leistung als
vielmehr der Ort ihrer Erbringung [ist]. Der EuGH hat festgestellt,
dass solche Leistungen nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b
MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien sind, die aus einer
Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen
mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlichen
Gesundheit bestehen, während Buchstabe c auf Leistungen
anwendbar ist, die außerhalb von Krankenhäusern oder
ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen
Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem,
z.B. in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des
Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden (vgl.
EuGH-Urteil vom 6.11.2003, C-45/01, ... Rn. 47). ... Der Kreis der
[in dem neuen § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG] ausdrücklich
aufgeführten ärztlichen und arztähnlichen Berufe
bleibt grundsätzlich unverändert; ausgeklammert aus der
Befreiungsvorschrift des Buchstaben a wird aber ausdrücklich
die Tätigkeit als klinischer Chemiker. Da dessen Leistungen
nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis
zwischen Patienten und behandelnder Person beruhen, werden diese
von dem neuen Buchstaben b Satz 2 Doppelbuchstabe cc mit erfasst
...“ (BTDrucks 16/10189, S. 74).
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31
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„In § 4 Nr. 14 Buchstabe b Satz
1 UStG wird die bisherige Befreiung des § 4 Nr. 16 Buchstabe a
UStG für die von juristischen Personen des öffentlichen
Rechts betriebenen Einrichtungen fortgeführt. ... Durch den
Doppelbuchstaben bb werden die Zentren der ärztlichen ...
Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der
vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 [des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch - SGB V - ] teilnehmen oder für die
Regelungen nach § 115 SGB V gelten, als steuerbegünstigte
Einrichtungen anerkannt. Unter diese Befreiungsvorschrift
können, unabhängig von ihrer Rechtsform, z.B.
medizinische Versorgungszentren, Einrichtungen von Laborärzten
oder klinischen Chemikern sowie Praxiskliniken fallen
...“ (BTDrucks 16/10189, S. 75).
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32
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b) Der Klärung durch den EuGH bedarf, ob
es sich hierbei um eine zutreffende Interpretation seiner
Rechtsprechung durch den nationalen Gesetzgeber handelt, dass bei
medizinischen Analysen die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c
MwStSystRL durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL
ausgeschlossen ist und dementsprechend medizinische Analysen, die
von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor
außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden
praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr.
14 Buchst. b UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, nicht aber
auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c
MwStSystRL steuerfrei sind (so BFH-Urteil vom 24.8.2017 V R 25/16,
zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, DStR 2017, 2174 = SIS 17 16 49, Rz 9).
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33
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aa) Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche von
Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL hat der EuGH im Urteil
L.u.P. (EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72) entschieden,
dass bei medizinischen Analysen, die von - in privatrechtlicher
Form organisierten - Laboren außerhalb der Praxisräume
des praktischen Arztes durchgeführt werden, der sie angeordnet
hat, zu prüfen ist, ob die Analysen unter Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG fallen können (Leitsatz
1, Rz 39). Der EuGH hat dies bejaht, da derartige Labore als
Einrichtung „gleicher Art“ wie
„Krankenanstalten“ und „Zentren
für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik“
anzusehen sind (EuGH-Urteil L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464 =
SIS 06 29 72, Rz 35).
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bb) Andererseits hat der EuGH mit Urteil
Klinikum Dortmund vom 13.3.2014 C-366/12 (EU:C:2014:143, UR 2014,
271 = SIS 14 08 08, Rz 25) entschieden, dass Heilbehandlungen, die
Ärzte erbringen, die gegenüber einem Klinikum
selbständig, aber innerhalb des Krankenhausbetriebs tätig
sind, gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der
Richtlinie 77/388/EWG von der Mehrwertsteuer befreit sind, obwohl
die Heilbehandlungen in den Räumen des Krankenhauses
ausgeführt wurden. „Anderer Ort“ i.S. des
Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL kann danach auch eine
Einrichtung i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL sein.
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35
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3. Ferner stellt sich, falls Art. 132 Abs. 1
Buchst. c MwStSystRL anwendbar ist, die Frage, ob die Anwendung des
Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL ein persönliches
Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Behandelndem
voraussetzt.
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36
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a) Nach den EuGH-Urteilen
Kommission/Vereinigtes Königreich vom 23.2.1988 C-353/85
(EU:C:1988:82, HFR 1989, 401, Rz 33) und Dornier vom 6.11.2003
C-45/01 (EU:C:2003:595, UR 2003, 584 = SIS 04 01 38, Rz 47) ist das
Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden
Befreiungstatbestände in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c
der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c
MwStSystRL) weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer
Erbringung. Entsprechend hat der EuGH denjenigen Leistungen, die
aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in
Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der
menschlichen Gesundheit bestehen (Buchst. b), diejenigen Leistungen
gegenübergestellt, die außerhalb von Krankenhäusern
- im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und
Behandelndem - erbracht werden (Buchst. c).
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37
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b) Das Merkmal „im Rahmen eines
Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und
Behandelndem“ findet sich jedoch in den später
ergangenen EuGH-Urteilen Kügler vom 10.9.2002 C-141/00
(EU:C:2002:473, UR 2002, 513 = SIS 02 97 10, Rz 36), L.u.P.
(EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72, Rz 22), CopyGene
(EU:C:2010:328, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz 27), Future Health
Technologies (EU:C:2010:334, UR 2010, 540 = SIS 10 26 07, Rz 36),
PFC Clinic vom 21.3.2013 C-91/12 (EU:C:2013:198, UR 2013, 335 = SIS 13 11 68, Rz 24) und De Fruytier vom 2.7.2015 C-334/14
(EU:C:2015:437, UR 2015, 636 = SIS 15 15 60, Rz 19) nicht mehr
wieder.
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38
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c) Ferner lagen den Rechtssachen L.u.P.
(EU:C:2006:380, UR 2006, 464 = SIS 06 29 72) und Verigen
Transplantation Service International (EU:C:2010:695, UR 2011, 215
= SIS 10 39 09) Sachverhalte zu Grunde, in denen ein
persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und
Leistungserbringer nicht bestand.
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39
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d) Nach Auffassung des Senats hat das Merkmal
„im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen
Patient und Behandelndem“ für den Ort der Leistung
als dem nach der EuGH-Rechtsprechung entscheidenden
Abgrenzungsmerkmal zwischen den Befreiungstatbeständen des
Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL keine entscheidende
Bedeutung.
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40
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aa) In den Gesetzesmaterialien (BTDrucks
16/10189, S. 74) zitiert der Gesetzgeber zwar zutreffend die
EuGH-Rechtsprechung, dass Kriterium für die Abgrenzung des
Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände weniger
die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung ist.
Soweit er jedoch in Bezug auf § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG die
Tätigkeit als klinischer Chemiker aus der Befreiungsvorschrift
ausklammert, da dessen Leistungen nicht auf einem persönlichen
Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und behandelnder
Person beruhen (ebenso die in Abschn. 4.14.1 Abs. 1 und Abschn.
4.14.5 Abs. 9 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses sowie im
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.11.2013,
Bundessteuerblatt, Teil I 2013, 1581 zum Ausdruck kommende
Verwaltungsauffassung zu Leistungen klinischer Chemiker und von
Laborärzten), fußt dies nach Auffassung des Senats auf
einer unzutreffenden Interpretation der EuGH-Rechtsprechung.
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41
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bb) Der Senat ist bereits davon ausgegangen,
dass das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt
und Patient keine (zwingende) Voraussetzung für die
Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung
im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ist (vgl.
BFH-Urteil vom 29.6.2011 XI R 52/07, BFHE 234, 461, BStBl II 2013,
971 = SIS 11 28 12, Rz 27; siehe auch FG Hamburg, Urteil vom
23.10.2013 2 K 349/12, EFG 2014, 383 = SIS 14 03 02). Vielmehr
bildet ein solches Vertrauensverhältnis lediglich einen
typischen Anwendungsfall der Befreiungsvorschrift. Dafür, dass
das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und
Patient kein Abgrenzungsmerkmal zwischen einer
Krankenhausbehandlung und einer außerhalb von
Krankenhäusern erbrachten Heilbehandlungsleistung ist, spricht
ferner, dass auch Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG a.F.
bzw. des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG regelmäßig auf
einem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient
beruhen.
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4. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union.
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5. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 FGO.
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