Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 29.10.2014 5 K
115/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
1
|
A. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) unterlag im Streitjahr 2008 gemäß § 2
des Außensteuergesetzes der erweiterten beschränkten
Steuerpflicht und erzielte gewerbliche Einkünfte aus
Beteiligungen an Personengesellschaften. Er war alleiniger
Kommanditist der A KG (A). Diese wiederum war als Kommanditistin an
der B KG (B) beteiligt. Die B ihrerseits war Kommanditistin der C
KG (C).
|
|
|
2
|
Sowohl die B als auch die C hatten
Gewerbesteuer zu zahlen. Der Rechtsvorgänger des Beklagten und
Revisionsbeklagten (beide im Folgenden bezeichnet als Finanzamt -
FA - ) berechnete mit mehrfach geänderten
Einkommensteuerbescheiden für das Streitjahr 2008 die
Steuerermäßigung nach § 35 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) prinzipiell in der Weise, dass er
die Begrenzung nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG für jede der
beiden Gesellschaften gesondert vornahm. Der Kläger hingegen
war der Auffassung, sie sei nicht getrennt für jeden Betrieb,
sondern auf Ebene des Mitunternehmers zu berechnen. Einen
zwischenzeitlich zu Gunsten des Klägers ergangenen Bescheid
hatte das FA nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung wieder
geändert. Die letzten Änderungsbescheide sind
während des finanzgerichtlichen Klageverfahrens
ergangen.
|
|
|
3
|
Der Bescheid vom 22.7.2014 des
Feststellungsfinanzamts (F-FA) über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die B
wies für die Beteiligte A u.a. Folgendes aus (Beträge in
EUR):
|
|
|
|
|
|
|
4
|
Anteil am Gewerbesteuermessbetrag der
Gesellschaft
|
58,98 %
|
|
|
Anteiliger Gewerbesteuermessbetrag der
Gesellschaft
|
204.702,41
|
|
|
Anteiliger Gewerbesteuermessbetrag aus
Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften
|
73.753,19
|
|
|
Summe der anteiligen
Gewerbesteuermessbeträge der Mitunternehmerschaft
|
278.455,60
|
|
|
Für den Feststellungszeitraum
tatsächlich anteilig zu zahlende Gewerbesteuer der
Gesellschaft
|
634.577,46
|
|
|
Für den Feststellungszeitraum
tatsächlich anteilig zu zahlende Gewerbesteuer aus Beteiligung
an anderen Personengesellschaften
|
440.041,47
|
|
|
Summe der tatsächlich anteilig zu
zahlenden Gewerbesteuer der Mitunternehmerschaft
|
1.074.618,93
|
|
|
|
5
|
Der Bescheid vom 19.9.2014 ebenfalls des
F-FA über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für die A wies für den Kläger
als Beteiligten u.a. Folgendes aus:
|
|
|
|
|
|
|
6
|
Anteil am Gewerbesteuermessbetrag der
Gesellschaft
|
100
%
|
|
|
Anteiliger Gewerbesteuermessbetrag der
Gesellschaft
|
0,00
|
|
|
Für den Feststellungszeitraum
tatsächlich anteilig zu zahlende Gewerbesteuer der
Gesellschaft
|
0,00
|
|
|
Anteiliger Gewerbesteuermessbetrag aus
Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften
|
278.455,60
|
|
|
Für den Feststellungszeitraum
tatsächlich anteilig zu zahlende Gewerbesteuer aus Beteiligung
an anderen Personengesellschaften
|
1.074.618,93
|
|
|
Auf Beteiligungen an anderen
Personengesellschaften entfallende, individuell ermittelte
Höchstbeträge (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG)
|
914.839,58
|
|
|
|
7
|
Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom
6.10.2014 berücksichtigte eine Steuerermäßigung
für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 914.840 EUR.
Dieser Betrag ist dadurch entstanden, dass das FA die
Steuerermäßigung für jede Beteiligung, auch
Unterbeteiligung, gesondert errechnet und die Beträge
anschließend addiert hat:
|
|
|
8
|
Gesellschaft
|
Anteiliger
Gewerbesteuer-Messbetrag
|
Faktor 3,8
|
Anteilige Ge-werbesteuer
|
Steuerermäßigung
(FA)
|
|
|
B
|
204.702,41
|
777.869,16
|
634.577,46
|
634.577,46
|
|
|
C
|
73.753,19
|
280.262,12
|
440.041,47
|
280.262,12
|
|
|
Summe
|
278.455,60
|
1.058.131,28
|
1.074.618,93
|
914.839,58
|
|
|
|
9
|
Im Klageverfahren beantragte der
Kläger eine Steuerermäßigung von 1.058.131,28 EUR,
die dem 3,8-fachen der Summe der beiden
Gewerbesteuer-Messbeträge und damit dem
Ermäßigungshöchstbetrag entspricht. Das FA hatte
sich demgegenüber in erster Linie darauf berufen, dass die
zuletzt genannte Feststellung des F-FA betreffend die auf
Beteiligungen an anderen Personengesellschaften entfallenden,
individuell ermittelten Höchstbeträge in Höhe von
914.839,58 EUR als Grundlagenbescheid bindend sei.
|
|
|
10
|
Das Finanzgericht (FG) hat mit in EFG 2015,
986 = SIS 15 11 63 veröffentlichtem Urteil die Klage
abgewiesen. Zwar entfalte der Gewinnfeststellungsbescheid 2008
für die A hinsichtlich der individuell ermittelten
Höchstbeträge keine Bindungswirkung, da es dafür in
§ 35 Abs. 2 bis 4 EStG an einer gesetzlichen Grundlage fehle.
Tatsächlich aber habe das FA den
Steuerermäßigungsbetrag zutreffend betriebsbezogen
ermittelt. Dies lasse sich nicht dem Wortlaut der Vorschrift, wohl
aber einer systematischen Betrachtungsweise entnehmen. Insbesondere
entspreche dies dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, an die
§ 35 EStG anknüpfe. Der
Ermäßigungshöchstbetrag nach § 35 Abs. 1 Satz
2 EStG und die Begrenzung nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG
stünden unabhängig nebeneinander.
|
|
|
11
|
Die Einbeziehung der aus einer Beteiligung
aus einer Mitunternehmerschaft stammenden anteiligen
Gewerbesteuermessbeträge sowie der tatsächlich gezahlten
Gewerbesteuer nach § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG i.V.m. § 35
Abs. 4 EStG bedeute nicht, dass eine Zusammenfassung in einem
Betrag stattzufinden habe, sondern könne auch als nochmalige
gesonderte Feststellung im Rahmen des Feststellungsbescheids der
Obergesellschaft verstanden werden. Dies entspreche dem Sinn und
Zweck der Regelung, die zwar die kumulierte Belastung von
Einkommensteuer und Gewerbesteuer mildern, aber mit der
Pauschalierung der Ermäßigung keinen vollständigen
Ausgleich der gewerbesteuerlichen Belastung bewirken und auch nicht
Steuerpflichtige mit mehreren selbständigen Gewerbebetrieben
oder Beteiligungen in unterschiedlichen Gemeinden privilegieren
wolle. Schließlich sei der Gesetzgeber bereits bei
Einführung des § 35 EStG von einer betriebsbezogenen
Betrachtungsweise ausgegangen und habe diese beibehalten.
|
|
|
12
|
Mit seiner Revision verfolgt der
Kläger sein Begehren weiter, § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG
unternehmerbezogen auszulegen.
|
|
|
13
|
Aus der Gesetzgebungsgeschichte sei nichts
für die Auffassung des FA und des FG herzuleiten. § 35
EStG sei eingeführt worden, um im Sinne rechtsformneutraler
Besteuerung die Doppelbelastung mit Einkommensteuer und
Gewerbesteuer zu vermeiden bzw. zu mindern, während § 35
Abs. 1 Satz 5 EStG Überkompensationen verhindern wolle. Eine
vollständige Entlastung von der Gewerbesteuer trete dadurch
bis zu einem Hebesatz von 400 % ein. Dies entspreche fast genau dem
gewogenen durchschnittlichen Hebesatz in der Bundesrepublik im
Jahre 2008 (leicht oberhalb von 401 %), als in § 35 Abs. 1
Satz 1 EStG der Faktor 3,8 sowie in Gestalt von § 35 Abs. 1
Satz 5 EStG die Begrenzung auf die tatsächlich zu zahlende
Gewerbesteuer eingeführt wurde. Augenscheinlich habe der
Gesetzgeber sich intensiv mit den rechtsformbezogenen
„Abgabeunwuchten“ und deren Ausgleich beschäftigt.
Die Behandlung mehrstöckiger Personengesellschaften sowie
mehrerer Beteiligungen an Personengesellschaften habe er aber nicht
explizit geregelt. Soweit es in der Begründung des
Gesetzentwurfs heiße, den Höchstbetrag bilde die
tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer des Unternehmens, sei
dies im Kontext des grundsätzlichen Rechtsformvergleichs zu
verstehen, nicht aber als konkrete Unternehmensbezogenheit.
|
|
|
14
|
Das Gesetz deute zwar nicht bereits im
Wortlaut, wohl aber in Aufbau und Terminologie auf eine
gesellschafterbezogene Betrachtungsweise hin. Abgesehen davon, dass
die Ermäßigung auf der Ebene der Einkommensteuer und
damit des Gesellschafters stattfinde, zeige bereits die mehrfache
Verwendung des Plurals bei den „Einkünften“ den
Bezug zum Gesellschafter statt zu den einzelnen Betrieben oder
Einkunftsquellen. Vor allem ergebe sich dies aus dem systematischen
Aufbau der Vorschrift. Bereits für die Ermittlung des
Ermäßigungshöchstbetrags nach § 35 Abs. 1 Satz
1 EStG i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 bis 4 EStG seien alle
Einkünfte aus gewerblichen Einzelunternehmen (§ 35 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG) sowie aus gewerblichen Mitunternehmerschaften
(§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zusammenzurechnen, ohne dass
dem eine isolierte Begrenzung der einzelnen
Ermäßigungsbeträge auf die tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer zu entnehmen wäre. Vielmehr sehe §
35 Abs. 2 Satz 5 EStG für Mitunternehmerschaften sowie
über die Verweisung in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
für Einzelunternehmen die Zusammenfassung von
Gewerbesteuermessbeträgen aus (Unter-)Beteiligungen
ausdrücklich vor. Erst nach Ermittlung des
Ermäßigungshöchstbetrags nach § 35 Abs. 1 Satz
1 bis 4 EStG mit allen dortigen Beschränkungen sei die
Begrenzung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer
vorzunehmen und könne sich daher nur auf einen durch
Aufsummierung ermittelten Ermäßigungshöchstbetrag
beziehen. Die Ermittlung der Summe regele § 35 Abs. 3, 4 EStG.
Hätte der Gesetzgeber eine betriebsbezogene Beschränkung
gewollt, wären diese Vorschriften entsprechend formuliert
worden.
|
|
|
15
|
Der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer
stehe dem nicht entgegen. § 35 EStG sei eine Tarifvorschrift
des Einkommensteuerrechts, die nur an das Gewerbesteuerrecht
anknüpfe, um die erforderlichen Daten zu ermitteln. Eine
quellen- bzw. betriebsorientierte Sichtweise sei dem
Einkommensteuerrecht im Grundsatz fremd und werde andernfalls, wie
etwa in § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG, ausdrücklich
vorgenommen.
|
|
|
16
|
Da der Anteil des Klägers an der
tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer nach diesen
Grundsätzen 1.074.618,93 EUR betrage, sei der
Ermäßigungshöchstbetrag in Höhe von
1.058.131,28 EUR abzuziehen.
|
|
|
17
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid vom 2.5.2011 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.5.2012 und des
Änderungsbescheids vom 6.10.2014 in der Weise zu ändern,
dass die Einkommensteuer nach § 35 EStG um weitere 143.291,70
EUR ermäßigt wird.
|
|
|
18
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
19
|
Tatsächlich sei der
Gesetzgebungsgeschichte eine betriebsbezogene Betrachtungsweise zu
entnehmen, nachdem die Gesetzesbegründung bei Einführung
des § 35 EStG von einer getrennten Ermittlung für jeden
Gewerbebetrieb ausgegangen sei und bei den Änderungen 2008
keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Gesetzgeber
davon habe abweichen wollen. Vielmehr sei von der tatsächlich
zu zahlenden Gewerbesteuer „des Unternehmens“ die Rede
gewesen. Die Gesetzessystematik gebe keine Anhaltspunkte für
die klägerische Auffassung, da die drei maßgebenden
Rechengrößen, das maximale Anrechnungsvolumen, der
Ermäßigungshöchstbetrag und die tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer, voneinander unabhängig seien.
Schließlich dürfe der Objektsteuercharakter der
Gewerbesteuer auch für die Auslegung des § 35 EStG als
einkommensteuerlicher Tarifvorschrift herangezogen werden, da diese
Bezug auf gewerbesteuerliche Größen nehme.
|
|
|
20
|
B. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die
Begrenzung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 35
Abs. 1 Satz 5 EStG betriebsbezogen zu ermitteln ist (unter I.). Der
Ansatz der zutreffenden Rechengrößen für die B und
die C war auch verfahrensrechtlich zulässig; einer
entsprechenden gesonderten Feststellung im Rahmen des Bescheids
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für die A bedurfte es nicht (unter
II.).
|
|
|
21
|
I. Der Steuerermäßigungsbetrag ist
betriebsbezogen zu ermitteln. Das folgt aus einer Zusammenschau der
Gesetzesfassung, der Gesetzgebungsgeschichte und des erkennbaren
Normzwecks.
|
|
|
22
|
1. § 35 EStG enthält für die
Einkommensteuer eine Steuerermäßigung bei
Einkünften aus Gewerbebetrieb. Sie kompensiert die Belastung
durch Gewerbesteuer durch partielle Anrechnung auf die
Einkommensteuer. Die Vorschrift ist in ihrer auch heute noch
aktuellen Fassung nach § 52 Abs. 50a Satz 2 EStG erstmals
für den Veranlagungszeitraum 2008 und damit für das
Streitjahr anzuwenden.
|
|
|
23
|
a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG
ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie
anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche
Einkünfte entfällt
(Ermäßigungshöchstbetrag), bei Einkünften aus
gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG (Nr. 1) sowie u.a. bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als
Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Nr. 2)
um das 3,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum
entsprechenden Erhebungszeitraum für das Unternehmen
festgesetzten (Nr. 1) bzw. festgesetzten anteiligen (Nr. 2)
Gewerbesteuer-Messbetrags. Nach der Formel in § 35 Abs. 1 Satz
2 EStG begrenzt der Ermäßigungshöchstbetrag die
Entlastung durch anteilige Zurechnung der Einkommensteuer auf die
Einkünfte aus Gewerbebetrieb des betreffenden
Steuerpflichtigen.
|
|
|
24
|
Die im Streitfall zentrale Vorschrift des
§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG lautet wörtlich: „Der Abzug
des Steuerermäßigungsbetrags ist auf die
tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer
beschränkt.“
|
|
|
25
|
Die Regelungen in § 35 Abs. 2 bis 4 EStG
betreffen die Verfahrensweise bei Mitunternehmerschaften
(gesonderte und einheitliche Feststellung des Betrags des
Gewerbesteuer-Messbetrags, der tatsächlich zu zahlenden
Gewerbesteuer und des auf die einzelnen Mitunternehmer entfallenden
Anteils).
|
|
|
26
|
b) Durch die Beschränkung auf das
3,8-fache des maßgebenden Gewerbesteuer-Messbetrags kommt es
bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb unter
Einbeziehung des Solidaritätszuschlages dann und nur dann zu
einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer, wenn der
maßgebende Gewerbesteuer-Hebesatz nicht höher als 400 %
ist (Schmidt/Wacker, EStG, 36. Aufl., § 35 Rz 2). Infolge der
zusätzlichen Begrenzung auf die tatsächlich zu zahlende
Gewerbesteuer in § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG kann umgekehrt die
Minderung der Einkommensteuer nicht höher sein als die
tatsächliche Gewerbesteuerbelastung. Niedrigere Hebesätze
werden so niemals überkompensiert, während die
Kompensation höherer Hebesätze gedeckelt ist.
|
|
|
27
|
c) Besitzt der Steuerpflichtige mehrere
gewerbliche Unternehmen oder gewerbliche mitunternehmerische
Beteiligungen in unterschiedlichen Gemeinden mit Hebesätzen,
die teilweise über, teilweise unter dem Schwellenwert von 400
% liegen, hängt der Entlastungsumfang von dem Verständnis
des § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ab.
|
|
|
28
|
aa) Wird die „tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer“ auf den einzelnen Betrieb bezogen
(betriebsbezogene Auslegung), ist der
Steuerermäßigungsbetrag für jeden Betrieb getrennt
zu ermitteln und entweder durch das 3,8-fache des jeweiligen
Gewerbesteuer-Messbetrags oder bei niedrigeren Hebesätzen
durch die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzt.
Treffen in der Hand eines Steuerpflichtigen Betriebe bzw.
Beteiligungen mit Sitz in Niedrighebesatz- und
Hochhebesatzgemeinden zusammen, bleibt es für
Niedrighebesatzgemeinden bei der Abziehbarkeit der tatsächlich
zu zahlenden Gewerbesteuer. Für Hochhebesatzgemeinden ist die
Differenz zwischen dem 3,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags und
der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer für die
Steuerermäßigung nach § 35 EStG verloren.
|
|
|
29
|
bb) Wird die „tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer“ hingegen auf den Steuerpflichtigen
bezogen (unternehmerbezogene Auslegung), so ist der
Höchstbetrag für alle Betriebe oder Mitunternehmeranteile
des Steuerpflichtigen gemeinsam zu ermitteln. Die Addition der
tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer in Niedrighebesatz- und
Hochhebesatzgemeinden kann Verrechnungsvolumen schaffen, das ggf.
eine Entlastung bis hin zum 3,8-fachen aller
Gewerbesteuer-Messbeträge erlaubt.
|
|
|
30
|
cc) Die Frage, ob § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG
betriebsbezogen oder unternehmerbezogen auszulegen ist, ist
höchstrichterlich bisher weder ausdrücklich noch inzident
entschieden worden. Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat
in seinem Urteil vom 23.6.2015 III R 7/14 (BFHE 250, 369, BStBl II
2016, 871 = SIS 15 20 54) die Frage auch nicht konkludent
beantwortet. Wie dem Tatbestand zu entnehmen ist, war in dem dort
zu beurteilenden Sachverhalt das auf die jeweilige Beteiligung
entfallende 3,8-fache niedriger als die insoweit tatsächlich
zu zahlende Gewerbesteuer. Auf die Begrenzung des § 35 Abs. 1
Satz 5 EStG kam es nicht an.
|
|
|
31
|
Die Finanzverwaltung geht von einer
betriebsbezogenen Betrachtungsweise aus (vgl. Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 24.2.2009 i.d.F. vom 3.11.2016,
BStBl I 2016, 1187 = SIS 16 22 99, dort unter Rz 9, 25), ebenso die
Finanzgerichte (neben der Vorinstanz im Streitfall FG Münster,
Urteil vom 24.10.2014 4 K 4048/12 E, EFG 2015, 49 = SIS 14 34 02,
Rev. X R 62/14). Die Literatur ist uneinheitlich (für
betriebsbezogene Berechnung Schmidt/Wacker, a.a.O., § 35 Rz
41; Blümich/Rohrlack-Soth, § 35 EStG Rz 56; Gosch in
Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 35 Rz 28; Michel, DStR 2011, 611;
für unternehmerbezogene Auslegung Cordes, DStR 2010, 1416;
wohl auch Levedag in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Rz
23).
|
|
|
32
|
2. Bereits die Fassung des Gesetzes spricht
für ein betriebsbezogenes Verständnis.
|
|
|
33
|
a) Eine Legaldefinition des
„Steuerermäßigungsbetrags“ enthält
§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht. Soweit der Betrag gemeint sein
sollte, um den die Einkommensteuer nach Anwendung aller
Begrenzungen gemäß § 35 EStG schlussendlich zu
mindern ist, wäre er zwar eine personenbezogene
Größe. Die denknotwendig vorgelagerte Frage, wie er zu
ermitteln ist, ist damit aber nicht beantwortet.
|
|
|
34
|
b) Unergiebig ist die Formulierung „die
tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer“ in § 35 Abs.
1 Satz 5 EStG. Einerseits wird die Gewerbesteuer für jeden
einzelnen Betrieb gezahlt, was eine betriebsbezogene
Betrachtungsweise nahelegt. Andererseits wird sie dem einzelnen
Einkommensteuerpflichtigen zugerechnet, was eine
unternehmerbezogene Betrachtungsweise erlaubt.
|
|
|
35
|
c) Dasselbe gilt für die vorangestellte
Wendung „Abzug des Steuerermäßigungsbetrags“
im Zusammenhang des Gesetzes. Der
Steuerermäßigungsbetrag ist weder begrifflich noch
inhaltlich identisch mit dem in § 35 Abs. 1 Satz 1, Satz 2
EStG statuierten Ermäßigungshöchstbetrag. Dieser
muss für die anteilige Zurechnung der Einkommensteuer die
Einkünfte etwaiger verschiedener gewerblicher Tätigkeiten
des einzelnen Steuerpflichtigen zusammenfassen und ist daher keine
betriebsbezogene, sondern eine personenbezogene Größe
(BFH-Urteil in BFHE 250, 369, BStBl II 2016, 871 = SIS 15 20 54,
unter II.5.). Wie sich bereits an der abweichenden Begrifflichkeit
zeigt, ist der „Steuerermäßigungsbetrag“ in
§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG jedoch nicht dieser
Ermäßigungshöchstbetrag. Dessen personenbezogene
Ermittlung lässt deshalb keine Rückschlüsse auf die
Berechnung des Steuerermäßigungsbetrags zu.
|
|
|
36
|
d) Die äußere Reihenfolge der
Sätze in § 35 Abs. 1 EStG gibt keine Rechenreihenfolge
vor. § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG knüpft tatbestandlich gerade
nicht an das Ergebnis der Anwendung von § 35 Abs. 1 Sätze
1 bis 4 EStG (den personenbezogenen und betriebsübergreifenden
Ermäßigungshöchstbetrag) an. Der
Ermäßigungshöchstbetrag nach § 35 Abs. 1
Sätze 1 bis 4 EStG sowie die Begrenzung nach § 35 Abs. 1
Satz 5 EStG können unabhängig voneinander und in
beliebiger Reihenfolge ermittelt werden. Maßgebend ist der
jeweils niedrigere Wert.
|
|
|
37
|
e) Ebenfalls keinen Hinweis auf das
zutreffende Verständnis bietet die Verwendung des Plurals
„Einkünfte“ in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Einkünfte können schon sprachlich nur im Plural
formuliert werden, auch wenn nur von einer Einkunftsart aus einer
Einkunftsquelle die Rede ist.
|
|
|
38
|
f) Die gesetzliche Systematik, in die §
35 Abs. 1 Satz 5 EStG eingebettet ist, fordert jedoch eine
betriebsbezogene Betrachtung. Wenn auch in § 35 EStG
betriebsbezogene und personenbezogene Elemente zusammentreffen, so
prägen doch die betriebsbezogenen Elemente den Charakter der
Vorschrift.
|
|
|
39
|
aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen der
Vorschrift (das gewerbliche Unternehmen bzw. die gewerbliche
Mitunternehmerschaft, der diesbezügliche
Gewerbesteuer-Messbetrag) sind Kategorien der Gewerbesteuer, die
ihrerseits nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)
betriebsbezogen ist. Die Rechtsfolge (Minderung der tariflichen
Einkommensteuer) ist hingegen als Element der Einkommensteuer
personenbezogen. Aus der Verknüpfung betriebsbezogener
Tatbestandsvoraussetzungen und personenbezogener Rechtsfolge ist
indes das zutreffende Verständnis des § 35 Abs. 1 Satz 5
EStG noch nicht abzuleiten, weil die in dieser Vorschrift
enthaltene betragsmäßige Beschränkung
grundsätzlich sowohl als (negative) Tatbestandsvoraussetzung
der Steuerminderung als auch als Rechtsfolgenbegrenzung verstanden
werden kann.
|
|
|
40
|
bb) Jedoch beherrschen die betriebsbezogenen
Elemente das Normengefüge, so dass die Vorschrift einen
betriebsbezogenen Grundcharakter besitzt. Die beiden
Tatbestände des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG
sind das Herzstück der gesamten Regelung. Sie haben das
3,8-fache des jeweils (...) festgesetzten (...)
Gewerbesteuer-Messbetrags zum Ausgangspunkt. Damit ist Ausgangs-
und Anknüpfungspunkt der gesamten Steuerermäßigung
der jeweilige Betrieb bzw. Mitunternehmeranteil, für den der
Gewerbesteuer-Messbetrag festgesetzt ist. Das grundlegend
betriebsorientierte Konzept der Vorschrift zeigt sich auch in den
detaillierten flankierenden Regelungen über das Verfahren zur
Feststellung der (betriebsbezogenen) Ausgangsgrößen der
Ermäßigung in § 35 Abs. 2 bis 4 EStG. Andere
Teilstücke der Norm sind deshalb ebenfalls grundsätzlich
betriebsbezogen zu verstehen, solange sie nicht umgekehrt nach
Wortlaut oder Sinn eindeutig personenbezogen zu verstehen sind. Das
ist bei § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG gerade nicht der Fall.
|
|
|
41
|
g) Aus der betriebsbezogenen Auslegung ergibt
sich kein Wertungswiderspruch zu den Verhältnissen bei
Zerlegung nach § 28 ff. GewStG.
|
|
|
42
|
Erstrecken sich Zerlegungsfälle nach
§ 28 Abs. 1 GewStG auf Niedrighebesatz- und
Hochhebesatzgemeinden, so kann, da die betreffenden
Betriebsstätten einen einzigen Betrieb darstellen, auch bei
betriebsbezogener Auslegung von § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ein
gemeindeübergreifendes Verrechnungsvolumen entstehen.
Allerdings ist kein Grund ersichtlich, im Rahmen von § 35 EStG
eine Gleichbehandlung von selbständigen Betrieben mit
Betriebsstätten herbeiführen zu müssen.
|
|
|
43
|
h) Das betriebsbezogene Verständnis
beansprucht auch für mehrstöckige Beteiligungen Geltung.
Ein sachlicher Grund, insoweit zu differenzieren, besteht nicht.
Auch die verfahrensrechtliche Einbeziehung mehrerer
Gewerbesteuer-Messbeträge in eine einheitliche Feststellung
nach § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG zwingt unabhängig von ihrer
Gestaltung nicht zu einer materiell-rechtlichen Verschmelzung der
eingegangenen Beträge (dazu i.E. unter B.II.).
|
|
|
44
|
3. Wenn auch eindeutige Aussagen des
historischen Gesetzgebers zu dem Verständnis des § 35
Abs. 1 Satz 5 EStG fehlen, so bestätigt die
Gesetzgebungsgeschichte doch die betriebsbezogene Grundstruktur der
Vorschrift, aufgrund derer einzelne Elemente der Norm im Zweifel
betriebsbezogen zu verstehen sind.
|
|
|
45
|
a) Die einkommensteuerliche
Tarifermäßigung für gewerbliche Einkünfte ist
dem Grunde nach durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze
und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz -
StSenkG - ) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) eingeführt
worden. § 35 EStG in der durch dieses Gesetz geschaffenen und
bis zum 17.8.2007 geltenden Fassung enthielt eine
Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um das
1,8-fache des jeweiligen Gewerbesteuer-Messbetrags. Gleichzeitig
war bis zum Jahre 2007 die Gewerbesteuer grundsätzlich von der
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer sowie der
Körperschaftsteuer als Betriebsausgabe abziehbar.
|
|
|
46
|
Das Unternehmensteuerreformgesetz (UntStRefG)
2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) hat die Abziehbarkeit der
Gewerbesteuer als Betriebsausgabe durch Einfügung von § 4
Abs. 5b EStG beendet. Gleichzeitig hat es § 35 EStG neugefasst
und die Ermäßigung der Einkommensteuer auf das 3,8-fache
des Gewerbesteuer-Messbetrags erhöht. § 35 Abs. 1 Satz 2
EStG i.d.F. des UntStRefG entsprach dem heutigen § 35 Abs. 1
Satz 5 EStG. Mit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I
2007, 3150) wurde der bisherige § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG
unverändert zu § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der im
Streitjahr und noch heute geltenden Fassung.
|
|
|
47
|
b) Das StSenkG sollte u.a. auf eine
rechtsformneutrale Besteuerung von Kapitalgesellschaften auf der
einen Seite und Personengesellschaften und Einzelunternehmen auf
der anderen Seite hinwirken (vgl. Begründung zum
Gesetzentwurf, BTDrucks 14/2683, S. 97). Der Gesetzgeber ging davon
aus, dass die Ermäßigung für jeden Gewerbebetrieb
getrennt ermittelt werde (BTDrucks 14/2683, S. 116).
|
|
|
48
|
Der Gesetzgeber des UntStRefG 2008 hielt an
dem Ziel der Belastungsneutralität der unterschiedlichen
Rechtsformen fest. Die Abschaffung des Betriebsausgabenabzugs
für die Gewerbesteuer auf der einen Seite und die
Erhöhung des Anrechnungsfaktors von 1,8 auf 3,8 sollte
einerseits zu Transparenz und Entflechtung beitragen, andererseits
die für geboten erachtete Entlastung der Personenunternehmen
sicherstellen, ohne das Steueraufkommen der Gemeinden zu mindern
(vgl. Begründung zum Gesetzentwurf BTDrucks 16/4841, S. 31
f.). § 35 EStG bezweckte bei einem bundesweit
durchschnittlichen Hebesatz von 400 % eine vollständige
Entlastung von der Gewerbesteuer mit der tatsächlich zu
zahlenden Gewerbesteuer des Unternehmens als Höchstbetrag
(BTDrucks 16/4841, S. 65).
|
|
|
49
|
c) Zwar kannte § 35 EStG i.d.F. des
StSenkG eine Vorschrift, wie sie heute in § 35 Abs. 1 Satz 5
EStG enthalten ist, noch nicht. Zudem enthielt die Begründung
des Gesetzentwurfs zum UntStRefG die in der Gesetzesbegründung
zum StSenkG noch enthaltene Formulierung, die Ermäßigung
werde für jeden Gewerbebetrieb getrennt ermittelt, nicht mehr.
Sie zeigte aber auch keine Abkehr von diesen Grundsätzen. Die
Vorstellung, es liege eine Begrenzung auf die tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer des Unternehmens vor, bestätigt
vielmehr, dass der Gesetzgeber sich nicht von der dem StSenkG
zugrundeliegenden betriebsbezogenen Denkweise distanzieren
wollte.
|
|
|
50
|
4. Schließlich gewährleistet nur
eine betriebsbezogene Auslegung das gesetzgeberische Ziel des
§ 35 EStG, eine Entlastung der gewerblichen Einkünfte in
den dort definierten Grenzen zu bewirken. Sie vermeidet
einkommensteuerliche Belastungsdifferenzen, die auf Umständen
allein in der Person des Steuerpflichtigen beruhen.
|
|
|
51
|
a) § 35 EStG will Einkünfte aus
Gewerbebetrieb entlasten, aber nicht den Gewerbetreibenden. Bereits
die Überschrift des § 35 EStG spricht nur von einer
Steuerermäßigung „bei Einkünften aus
Gewerbebetrieb“. Das bedeutet, dass der Entlastungsgegenstand
des § 35 EStG die gewerblichen Einkünfte sind, nicht die
Person dessen, der sie erzielt. Für eine solche Sichtweise
spricht auch das sowohl dem StSenkG als auch dem UntStRefG
zugrundeliegende Leitmotiv der Rechtsformneutralität, mit dem
es grundsätzlich nicht gut vereinbar wäre, ein
steuerliches Ergebnis von den persönlichen Verhältnissen
des Betriebsinhabers abhängig zu machen.
|
|
|
52
|
b) Sollen aber Einkünfte aus
Gewerbebetrieb entlastet werden, weil und soweit sie mit
Gewerbesteuer belastet sind, so dürfen und müssen auch
die typusprägenden Merkmale der Gewerbesteuer bei der
Auslegung der Entlastungsvorschrift herangezogen werden.
Andernfalls bestünde die Gefahr einer zumindest partiellen
Zweckverfehlung. Die Gewerbesteuer ist eine von der Person des
Betriebsinhabers unabhängige Objektsteuer, die nur den Betrieb
als solchen, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten
Rechtsträger, erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 26.3.2015 IV R
3/12, BFHE 249, 233, BStBl II 2016, 553 = SIS 15 12 93, unter
II.2.c aa). Eine Verschonungsvorschrift, die die Härten einer
Objektsteuer abzumildern sucht, muss der Objektbezogenheit dieser
Steuer folgen, soweit es möglich ist, damit die
Entlastungswirkung mit Art und Umfang der Belastung
korrespondiert.
|
|
|
53
|
Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass
§ 35 EStG eine Tarifvorschrift des Einkommensteuerrechts ist
und als solche eine personenbezogene Rechtsfolge besitzt. In einer
Schnittstelle zwischen betriebsbezogener Gewerbesteuer und
personenbezogener Einkommensteuer hindert der Objektsteuercharakter
der Gewerbesteuer nicht personenbezogene Folgerungen in der
Einkommensteuer, der Personenbezug der Einkommensteuer aber auch
nicht die Anknüpfung an objektbezogene Momente. Der
Entlastungszweck der Vorschrift setzt diese vielmehr voraus.
|
|
|
54
|
c) Diesem Objektbezug widerspräche es,
einem Gewerbetreibenden, der Betriebe oder Mitunternehmeranteile in
Niedrighebesatz- und Hochhebesatzgemeinden besitzt, insgesamt eine
höhere Steuerermäßigung zu gewähren als sie
insgesamt gewährt werden könnte, wenn die Betriebe oder
Anteile in der Hand verschiedener Gewerbetreibender wären. Die
steuerliche Entlastung für die aus einem bestimmten Betrieb
oder Mitunternehmeranteil fließenden gewerblichen
Einkünfte wäre der Höhe nach davon abhängig, ob
der Betriebsinhaber über weitere Betriebe oder Anteile mit
Hebesätzen verfügt, die einen internen Ausgleich
erlauben.
|
|
|
55
|
Sowohl im Hinblick auf die Einkünfte, um
die es geht, als auch im Hinblick auf den Steuerpflichtigen, der
diese bezieht, entstünden Ungleichbehandlungen, für die
gemessen am Gesetzeszweck keine innere Rechtfertigung zu erkennen
ist.
|
|
|
56
|
aa) Wenn auf zwei oder mehr Betrieben oder
Mitunternehmeranteilen entsprechend divergierende
Gewerbesteuer-Messbeträge lasten, stiege der insgesamt zu
gewährende Steuerermäßigungsbetrag, wenn beide sich
zufällig in der Hand ein und desselben Steuerpflichtigen
befänden. Es käme zu einer stärkeren Entlastung
gewerblicher Einkünfte allein wegen der weiteren
unternehmerischen Aktivitäten der Person, die sie erzielt. Das
ist für eine Entlastung gewerblicher Einkünfte, die um
der Einkünfte willen stattfindet, ein zweckwidriger
Faktor.
|
|
|
57
|
bb) Eine weitere nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung betrifft verschiedene Steuerpflichtige mit
mehreren Betrieben oder Mitunternehmeranteilen. Auf der einen Seite
sind diejenigen Steuerpflichtigen zu betrachten, die mehrere
Betriebe oder Mitunternehmeranteile besitzen, die aber
sämtlich in Gemeinden mit Hebesätzen entweder = 400 %
oder aber = 400 % belegen sind. Auf der anderen Seite stehen
diejenigen Steuerpflichtigen, von deren Betrieben oder
Mitunternehmeranteilen wenigstens einer in einer Gemeinde mit einem
Hebesatz von = 400 %, ein anderer in einer Gemeinde mit einem
Hebesatz von = 400 % belegen ist. Die zuletzt genannten
Steuerpflichtigen erhalten für wenigstens eines ihrer Objekte
eine höhere Steuerentlastung als diejenigen Steuerpflichtigen,
deren unternehmerisches Portfolio eine derartige Mischung nicht
aufweist. Eine derartige spezielle personenbezogene Entlastung ist
nicht Ziel des § 35 EStG.
|
|
|
58
|
II. Es war verfahrensrechtlich zulässig
und geboten, die betriebsbezogene Ermittlung in der dargestellten
Weise vorzunehmen. Einer bindenden Feststellung der auf die
jeweiligen Mitunternehmerschaften entfallenden Beträge im
Rahmen des Feststellungsbescheides vom 19.9.2014 für die A
bedurfte es nicht. Es sind materiell-rechtlich zutreffend die mit
Feststellungsbescheid vom 22.7.2014 für die B festgestellten
Beträge anzusetzen.
|
|
|
59
|
1. § 35 Abs. 2 EStG regelt das Verfahren,
um die Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer der an
einer Personengesellschaft beteiligten natürlichen Personen zu
ermöglichen, wenn die Gesellschaft mit Gewerbesteuer belastet
worden ist. Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG ist bei
Mitunternehmerschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
der Betrag des Gewerbesteuermessbetrags, die tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer und der auf die einzelnen Mitunternehmer
entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen.
|
|
|
60
|
a) Für mehrstöckige Gesellschaften
(Mitunternehmerschaften) bestimmt § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG,
dass bei der Feststellung nach Satz 1 anteilige
Gewerbesteuermessbeträge, die aus einer Beteiligung an einer
Mitunternehmerschaft stammen, einzubeziehen sind. Es sind
sämtliche bei den Gesellschaften festgestellten
Messbeträge beim „Schlussgesellschafter“ anteilig
zu berücksichtigen. Bei Beteiligung einer
Personenobergesellschaft an einer Personenuntergesellschaft werden
die bei letztgenannter Gesellschaft festgestellten, aber insoweit
nicht bei der Einkommensbesteuerung ihrer Gesellschafter nach
§ 35 Abs. 1 EStG „verwertbaren“
Gewerbesteuer-Messbeträge an die Personenobergesellschaft
„weitergereicht“, um eine Berücksichtigung bei den
Gesellschaftern jener Gesellschaft
(„Schlussgesellschafter“) zu ermöglichen.
Bindungswirkung entfaltet die gesonderte und einheitliche
Feststellung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG lediglich für
den Mitunternehmer der Personengesellschaft, auf die sich die
Feststellung bezieht. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften
bindet der jeweilige Feststellungsbescheid daher nur auf der
entsprechenden Beteiligungsstufe (vgl. BFH-Urteil vom 22.9.2011 IV
R 8/09, BFHE 235, 287, BStBl II 2012, 183 = SIS 11 37 31, unter
B.II.4.c).
|
|
|
61
|
b) Verfahrenstechnisch wird dies dadurch
bewirkt, dass zunächst nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG auf
der Ebene der Untergesellschaft eine gesonderte Feststellung des
auf die Obergesellschaft entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrags
stattfindet. Bei der Feststellung der anteiligen
Gewerbesteuer-Messbeträge der Obergesellschaft (wiederum nach
§ 35 Abs. 2 Satz 1 EStG) wird dieser Betrag dem
Gewerbesteuer-Messbetrag der Obergesellschaft nach § 35 Abs. 2
Satz 5 EStG hinzugerechnet, um dann die Summe auf die
Gesellschafter der Obergesellschaft zu verteilen. Bei mehrstufigen
Beteiligungsverhältnissen (mehrstöckigen
Personengesellschaften) erfolgt die „Weiterleitung“ so
lange, bis eine Zuordnung an „Schlussgesellschafter“
als natürliche Personen erfolgen kann (vgl. zu alledem im
Einzelnen BFH-Urteil vom 22.9.2011 IV R 3/10, BFHE 235, 346, BStBl
II 2012, 14 = SIS 11 37 29, unter B.II.2.a aa; die dort genannten
Vorschriften sind solche des EStG 2002, das die Verfahrensregeln
zur Mitunternehmerschaft noch in § 35 Abs. 3 enthielt).
|
|
|
62
|
c) In einer derartigen mehrstöckigen
Personengesellschaft setzt sich der für Zwecke des § 35
Abs. 2 EStG festzustellende Gewerbesteuermessbetrag aus dem
für die Obergesellschaft selbst festgesetzten
Gewerbesteuermessbetrag und dem im Verfahren nach § 35 Abs. 2
EStG bei der Untergesellschaft festgestellten Anteil der
Obergesellschaft am Gewerbesteuermessbetrag der Untergesellschaft
zusammen. Dies folgt aus der in § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG
angeordneten Einbeziehung der aus einer Beteiligung an einer
Mitunternehmerschaft stammenden anteiligen
Gewerbesteuermessbeträge. Die Anteile an der Untergesellschaft
fließen in die Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages der
Obergesellschaft ein. Erst der aus beiden Bestandteilen
zusammengesetzte Betrag für die Obergesellschaft wird dann auf
die Mitunternehmer der Obergesellschaft verteilt. Der
Gewerbesteuermessbetrag i.S. des § 35 Abs. 2 EStG ist mithin
zusammengefasst als einheitlicher Betrag festzustellen, auch wenn
er aus verschiedenen Untergesellschaften gespeist wird (vgl.
BFH-Urteile vom 28.5.2015 IV R 27/12, BFHE 249, 544, BStBl II 2015,
837 = SIS 15 16 24, unter II.2.b bb; vom 14.1.2016 IV R 5/14, BFHE
253, 67, BStBl II 2016, 875 = SIS 16 09 17, unter II.1.).
|
|
|
63
|
d) Dem entsprechend enthielt der
Feststellungsbescheid vom 19.9.2014 für die A keine
gesonderten Feststellungen über die jeweiligen Anteile des
Klägers an den Gewerbesteuermessbeträgen sowie der
tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer gesondert für B
und C. Er enthielt unter den Rubriken „Anteiliger
Gewerbesteuermessbetrag aus Beteiligungen an inländischen
Personengesellschaften“ sowie „Für den
Feststellungszeitraum tatsächlich anteilig zu zahlende
Gewerbesteuer aus Beteiligung an anderen
Personengesellschaften“ die für B und C kumulierten
Werte, hatte diese jedoch nicht aufgeschlüsselt.
|
|
|
64
|
2. Der einheitlich festgestellte Betrag ist
jedoch materiell-rechtlich für die Berechnung nach § 35
Abs. 1 Satz 5 EStG aufzuspalten.
|
|
|
65
|
a) Der Senat folgt dem FG insoweit, als die
als „Auf Beteiligungen an anderen Personengesellschaften
entfallende, individuell ermittelte Höchstbeträge (§
35 Abs. 1 S. 5 EStG)“ bezeichnete gesonderte Feststellung
über 914.839,58 EUR, die sich aus den betriebsbezogen
errechneten Höchstbeträgen zusammensetzt, mangels
entsprechender gesetzlicher Grundlage keine Bindungswirkung
entfaltet. Da das FA dies im Revisionsverfahren nicht mehr
aufgegriffen hat, sieht der Senat von weiteren Ausführungen
hierzu ab und verweist auf diejenigen des FG.
|
|
|
66
|
b) Der einheitlich festgestellte Betrag
entfaltet aber umgekehrt auch keine Bindungswirkung in der Weise,
dass er es untersagte, materiell-rechtlich für Zwecke des
§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG nach den Quellen der in ihn
eingeflossenen Beträge zu differenzieren. Wenn in eine
bestimmte Feststellung verschiedene Beträge einzubeziehen
sind, bedeutet das noch nicht, dass Ausgangsgröße jeder
weiteren Rechtsprüfung nur noch der einheitliche,
festgestellte Betrag sein dürfte. Die lediglich
zusammengefasste Feststellung bedeutet vielmehr, dass für die
materiell-rechtlich aus den unter B.I. dargestellten Gründen
wesentliche Frage, wie sich dieser Betrag zusammensetzt, eine
gesonderte und einheitliche und bindende Feststellung nicht
vorgesehen ist. Über diese Frage ist vielmehr nach
Maßgabe des materiellen Rechts zu entscheiden. Wenn das
Verfahrensrecht eine gesonderte Feststellung bestimmter
materiell-rechtlich maßgebender Rechengrößen (hier
der jeweiligen anteiligen Gewerbesteuer-Messbeträge) nicht
vorsieht, bedeutet das nicht etwa im Umkehrschluss, dass diese
Rechengrößen materiell-rechtlich keine Bedeutung
hätten und haben dürften. Es bedeutet lediglich, dass
über sie nicht im gesonderten und einheitlichen
Feststellungsverfahren, sondern unmittelbar im jeweiligen
Folgebescheidsverfahren (hier im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzung) zu entscheiden ist. Das ist zutreffend
geschehen.
|
|
|
67
|
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §
135 Abs. 2 FGO.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|