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Drittwirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung

Drittwirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung: 1. Hat ein Geschäftsführer einer GmbH namens der GmbH die Änderung eines ihr gegenüber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheids beantragt, ist er im Verfahren wegen Haftung für gegenüber der GmbH festgesetzte Steuer nicht mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung ausgeschlossen, solange der Vorbehalt wirksam ist. - 2. Vereinbaren Vertragsparteien rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer, ist der vereinbarte Betrag in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen. - Urt.; BFH 22.4.2015, XI R 43/11; SIS 15 13 69

Kapitel:
Verschiedenes > AO, Verschiedenes
Fundstellen
  1. BFH 22.04.2015, XI R 43/11
    BStBl 2015 II S. 755
    BFH/NV 2015 S. 1131
    BFHE 249 S. 315

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 4.9.2015
    H.F.L. in BFH/PR 9/2015 S. 316
    D. Rose in DStR 20/2016 S. 1152
Normen
[UStG] § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6 a, § 10 Abs. 1, § 18 Abs. 4
[AO 1977] § 34, § 35, § 69, § 149 Abs. 2 Satz 1, § 164, § 166, § 171 Abs. 3, § 233 a Abs. 3, § 238
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 13.10.2011, SIS 12 02 50, Geschäftsführerhaftung, Steuerbescheid, Unanfechtbarkeit, Vorbehalt der Nachprüfung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Düsseldorf 7.3.2023, SIS 23 05 50, Glaubhaftmachung der Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit des Prozessbevollmächtigten: 1. Einem Terminverl...
  • BFH 15.11.2022, SIS 23 04 13, Geschäftsführerhaftung, Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen: Der Geschäftsführer einer GmbH kann ...
  • FG Münster 12.8.2022, SIS 22 20 11, Haftungsinanspruchnahme einer nominellen Geschäftsführerin bzw. Liquidatorin für Steuerschulden: 1. Die S...
  • FG Köln 16.2.2022, SIS 22 19 23, Abgrenzung zwischen versicherungsteuerfreier Mitversicherung bei der Kautionsversicherung und versicherun...
  • BFH 26.8.2021, SIS 21 15 89, Drittwirkung der Steuerfestsetzung bei Organschaft: 1. Ist für eine Organgesellschaft entgegen § 2 Abs. 2...
  • FG Rheinland-Pfalz 23.1.2020, SIS 19 21 65, Ausschluss von Einwendungen gegen Insolvenztabelle gilt auch für Einkommensteuer des Geschäftsführers ein...
  • FG Münster 30.4.2019, SIS 19 10 80, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes i.H. von 6 %: Der Zinssatz in Höhe von 6 % gemäß § 238 AO ist auch an...
  • BFH 18.9.2018, SIS 18 19 28, Zum Einwendungsausschluss des Geschäftsführers einer GmbH bei unterlassenem Widerspruch gegen die Forderu...
  • BFH 29.8.2018, SIS 18 17 65, Zum Einwendungsausschluss des § 166 AO bei unterlassenem Widerspruch gegen eine Forderungsanmeldung des F...
  • FG Köln 19.7.2018, SIS 18 15 29, Haftung des Directors einer gelöschten britischen Limited für Steuerschulden einer eingetragenen deutsche...
  • BFH 11.7.2018, SIS 19 02 23, Aufspaltung einer unternehmerischen Tätigkeit zur Inanspruchnahme des § 19 UStG, Umsatzsteuersatz für Tau...
  • FG Köln 24.10.2017, SIS 18 16 26, Haftung für Lohnsteuer, Drittwirkung nach § 166 AO: Der ehemalige GmbH-Geschäftsführer ist im eigenen Ver...
  • BFH 27.9.2017, SIS 17 20 61, Haftungsbescheid, Einwendungsausschluss des Geschäftsführers einer GmbH bei unterlassenem Widerspruch geg...
  • Sächsisches FG 21.6.2017, SIS 18 03 73, Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das ...
  • OFD Karlsruhe 31.1.2017, SIS 17 04 32, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der im BStBl veröffentlichten Urteile ...
  • FG Hamburg 26.1.2017, SIS 17 07 24, Ablauf der Verjährungsfrist für den Erlass eines Haftungsbescheides: Ist die Steuer, für die gehaftet wer...
  • BFH 16.11.2016, SIS 17 04 52, Ort der Lieferung in ein Konsignationslager: 1. Für die Lieferortbestimmung nach § 3 Abs. 6 UStG muss der...
  • Thüringer FG 28.9.2016, SIS 17 09 58, Kein Verschulden des Vorstands einer AG als Voraussetzung für eine Lohnsteuerhaftung bei sicherem Vertrau...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 4.7.2016, SIS 16 19 97, Geschäftsführerhaftung für Lohnsteuer der GmbH, keine Einwendungen gegen den Haftungsbescheid bei Nichter...
  • BFH 14.6.2016, SIS 16 23 27, Berechnung der Haftungsquote: 1. Die Haftungsquote ist für das Unternehmen einheitlich - ohne Aufteilung ...
  • BFH 14.6.2016, SIS 16 23 28, Berechnung der Haftungsquote: Die Haftungsquote ist für das Unternehmen einheitlich - ohne Aufteilung auf...
  • OFD Karlsruhe 29.2.2016, SIS 16 04 70, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • FG Münster 9.12.2015, SIS 16 04 03, GF-Haftung einer österreichischen GmbH nach Durchführung eines zwischenstaatlichen Verständigungsverfahre...
  • FG Berlin-Brandenburg 26.11.2015, SIS 16 01 85, Haftung des ehemaligen Vertreters einer britischen Limited für Umsatzsteuerverbindlichkeiten und Säumnisz...
  • FG Berlin-Brandenburg 3.9.2015, SIS 15 24 66, Geschäftsführerhaftung bei ungekürzter Lohnzahlung trotz Kenntnis der Zahlungsschwierigkeiten der GmbH, k...

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13.10.2011 13 K 4121/07 betreffend Haftung für Umsatzsteuer 2002 und Nebenleistungen hierzu aufgehoben.

Der Haftungsbescheid vom 2.3.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.10.2007 wird aufgehoben, soweit die Klägerin wegen Umsatzsteuer 2002 mit mehr als ... EUR und Zinsen hierzu mit mehr als ... EUR in Haftung genommen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Klageverfahrens tragen die Klägerin zu 90 v.H. und der Beklagte zu 10 v.H., die Kosten des Revisionsverfahrens die Klägerin zu 87 v.H. und der Beklagte zu 13 v.H.

 

1

I. Am 24.1.2001 wurde die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als (alleinige) Geschäftsführerin der A GmbH (GmbH) im Handelsregister eingetragen. Sie war zugleich alleinige Gesellschafterin der B, die die Geschäftsanteile an der GmbH hielt und gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin Gesellschafterin der C war.

 

 

2

Da die GmbH keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Besteuerungsgrundlagen und setzte u.a. mit Bescheid vom 5.11.2004 die Umsatzsteuer für das Jahr 2002 auf ... EUR und Zinsen hierzu auf ... EUR fest. Aufgrund der im Einspruchsverfahren am 23.3.2005 vorgelegten Umsatzsteuererklärung für 2002, mit der die GmbH u.a. eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Höhe von „116“ anmeldete, setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 27.9.2005 die Umsatzsteuer 2002 - weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - auf ... EUR und Zinsen auf ... EUR fest; dabei folgte es den Angaben der GmbH, sah aber, nachdem es erfolglos Belege zu der erklärten innergemeinschaftlichen Lieferung angefordert hatte, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit dieser Lieferung nicht als erfüllt an und berechnete die diesbezügliche Steuer aufgrund einer Bemessungsgrundlage von „116“. In der - hernach dem FA übersandten - Rechnung vom 31.10.2002 an die C über „116“ ist weder Umsatzsteuer ausgewiesen noch ein Hinweis auf die Umsatzsteuerfreiheit bzw. auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung angebracht.

 

 

3

Mit - von der Klägerin namens der GmbH gestelltem - Antrag vom 24.11.2005, die Festsetzung der Umsatzsteuer 2002 gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und die steuerpflichtigen Umsätze um „116“ zu mindern, überließ die GmbH dem FA die betreffenden Lieferscheine, später übersandte sie eine auf den 19.5.2006 datierte Bestätigung der C, wonach diese das Material erhalten und es zur Baustelle in Belgien befördert habe.

 

 

4

Die GmbH leistete auf die Festsetzungen keine Zahlungen. Das FA pfändete das betriebliche Konto und beantragte am 16.3.2006 beim Amtsgericht X die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, die am 5.11.2007 im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

 

 

5

Auf das Schreiben des FA vom 19.1.2006, mit dem es der Klägerin seine Absicht mitgeteilt hatte, sie für die im Haftungszeitraum Januar 2002 bis Januar 2006 bestehenden Steuerschulden der GmbH in Haftung zu nehmen, und um entsprechende Auskünfte bat, reagierte die Klägerin nicht.

 

 

6

Mit Haftungsbescheid vom 2.3.2006 nahm das FA die Klägerin gemäß § 191 AO i.V.m. §§ 34, 35, 69 AO in Höhe von insgesamt ... EUR wegen rückständiger Steuern der GmbH und Nebenleistungen - darunter ... EUR für Umsatzsteuer 2002 nebst ... EUR an Säumniszuschlägen und ... EUR an Zinsen - in Anspruch. Die Haftungssumme wurde mit Einspruchsentscheidung vom 4.10.2007 auf insgesamt ... EUR reduziert, die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Umsatzsteuer 2002 der GmbH und Nebenleistungen hierzu blieb unberührt. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Steuererklärungen und zur Entrichtung der Steuern schuldhaft verletzt und dadurch bewirkt, dass die Steuern der GmbH nicht bzw. nicht rechtzeitig bezahlt worden seien. Die Umsatzsteuer 2002 der GmbH sei mit Einspruchsentscheidung vom 27.9.2005 bestandskräftig festgesetzt, was die Klägerin gemäß § 166 AO gegen sich gelten lassen müsse. Ihre Inanspruchnahme sei ermessensgerecht, weil Beitreibungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien und im Hinblick auf die Ablehnung des Insolvenzantrags keine Aussicht auf Erfolg hätten. Dabei werde berücksichtigt, dass eine Inanspruchnahme wegen Säumniszuschlägen nur soweit zulässig sei, als diese bis zum Zeitpunkt des Eintritts der nachweislichen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entstanden seien. Ob der Ehemann der Klägerin als faktischer Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen sei, bleibe einer weiteren Prüfung vorbehalten.

 

 

7

Mit der dagegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung des Haftungsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil aus den in EFG 2012, 195 = SIS 12 02 50 veröffentlichten Gründen ab. Die Klägerin könne mit ihrem Einwand, die Umsatzsteuer 2002 sei in großem Umfang zu Unrecht gegenüber der GmbH festgesetzt worden, im vorliegenden Verfahren gemäß § 166 AO nicht gehört werden. Abgesehen davon sei die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

 

 

8

Mit der - vom FG hinsichtlich der Frage, ob gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerbescheide unanfechtbar i.S. des § 166 AO sind, zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

9

Das FG habe die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gemäß § 166 AO unzutreffend beurteilt. Bei einem Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung trete die Bindungswirkung erst ein, wenn er nicht nur formell, sondern auch materiell bestandskräftig geworden sei, d.h. auch nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO nicht mehr geändert werden könne. Die GmbH habe einen Antrag auf Änderung gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO gestellt und alle notwendigen Nachweise für die Steuerbefreiung vorgelegt; es sei die Pflicht des FA gewesen, vor Erlass des Haftungsbescheides über den Änderungsantrag zu entscheiden.

 

 

10

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung betreffend Haftung für Umsatzsteuer 2002 der GmbH und Nebenleistungen hierzu den Haftungsbescheid vom 2.3.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.10.2007 dahingehend zu ändern, dass die Haftungssumme um die Umsatzsteuer 2002 in Höhe von ... EUR, diesbezügliche Zinsen von ... EUR und Säumniszuschlägen von ... EUR gemindert wird.

 

 

11

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

12

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 166 AO ergebe, stelle die Vorschrift auf die Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides und nicht auf dessen Unabänderbarkeit ab. Im Übrigen führe das Fehlen des Hinweises auf die Steuerfreiheit der Lieferung in der Rechnung vom 31.10.2002 dazu, dass die formelle Vollständigkeit der Beleg- und Buchangaben nicht gegeben sei.

 

 

13

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit diese die Haftung der Klägerin wegen Umsatzsteuer 2002 der GmbH und Nebenleistungen hierzu betrifft, sowie zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

14

Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass das FA die Klägerin dem Grunde nach zu Recht wegen Ansprüchen gegen die GmbH wegen Umsatzsteuer 2002 nebst Zinsen und Säumniszuschlägen hierzu - wogegen sich die Revision lediglich wendet - in Haftung genommen hat (vgl. dazu unter 1.). Das FG hat aber zu Unrecht die Klägerin mit ihren Einwendungen gegen die der Haftungsschuld zugrunde liegende Steuerschuld ausgeschlossen (vgl. dazu unter 2.). Allerdings greifen die Einwendungen der Klägerin gegen die Behandlung der streitbefangenen Lieferung(en) als steuerpflichtig nur hinsichtlich der Bemessungsgrundlage (vgl. dazu unter 3.).

 

 

15

1. Nach § 69 i.V.m. §§ 34, 35 AO haften die Geschäftsführer einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

 

 

16

Als Geschäftsführerin der GmbH war die Klägerin deren gesetzliche Vertreterin (vgl. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und hatte als solche gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen, insbesondere rechtzeitig Steuererklärungen abzugeben (§ 149 AO, § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - ) und die fälligen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 4 Satz 2 UStG) zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO).

 

 

17

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin, „bezüglich der Umsatzsteuer 2002 [seien] die Voraussetzungen für die Haftung eines Geschäftsführers, nämlich vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der ihm obliegenden Pflichten wegen der Untätigkeit des Beklagten nicht gegeben“, liegt ein Verstoß gegen beide Pflichten vor.

 

 

18

b) Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden Feststellungen des FG hat die Klägerin die Umsatzsteuer-Jahreserklärung der GmbH für 2002 nicht bis zum 31.5.2003 (vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO), sondern erst am 23.3.2005 abgegeben. Zudem hat die Klägerin für die GmbH die einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung fällige Umsatzsteuer (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 UStG) sowie die festgesetzten Zinsen nicht entrichtet, obwohl die Vollziehung der - nicht mit einem Rechtsbehelf angefochtenen - Bescheide nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung der Abgabe und der Nebenleistung nicht aufgehalten war (vgl. § 361 Abs. 1 Satz 1 AO).

 

 

19

Dass die Klägerin für die GmbH am 24.11.2005 die Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO beantragte, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn dieser Antrag vermag die bereits erfolgte Pflichtverletzung, nämlich die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2002 verspätet abgegeben zu haben, nicht entfallen zu lassen. Außerdem hätte die Klägerin, selbst wenn sie - unzutreffend (vgl. dazu unter 3.) - angenommen haben sollte, der betreffende Umsatz sei als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit, bei pflichtgemäßem Verhalten gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 AO gleichwohl dafür sorgen müssen, dass die festgesetzten Steuern aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.4.2014 IV R 25/11, BFHE 245, 499, BStBl II 2014, 819 = SIS 14 20 93, Rz 38). Denn durch ihren Antrag wurde die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht gehemmt.

 

 

20

Diese objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber der Klägerin zu erhebenden Schuldvorwurf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11.11.2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342 = SIS 09 06 84).

 

 

21

c) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO). Haften i.S. des § 191 AO bedeutet Einstehenmüssen für eine fremde Schuld, weshalb die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners durch Haftungsbescheid u.a. voraussetzt, dass die Steuerschuld, für die gehaftet wird, im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides materiell-rechtlich noch besteht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 12.10.1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486 = SIS 00 02 76; vom 11.7.2001 VII R 28/99, BFHE 195, 510, BStBl II 2002, 267 = SIS 01 12 55, jeweils m.w.N.).

 

 

22

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Klägerin nicht gehindert, Einwendungen gegen die Steuerschuld der GmbH geltend zu machen.

 

 

23

a) Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies nach § 166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

 

 

24

b) Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach Unanfechtbarkeit (formeller Bestandskraft) gemäß § 166 AO lässt bei einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den Anspruch des Steuerpflichtigen und seines Vertreters auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO unberührt; beide Vorschriften haben einen voneinander unabhängigen Regelungs- und Anwendungsbereich (BFH-Beschluss vom 4.6.1996 VII S 9/96, BFH/NV 1996, 915, unter 2.a). Dies hat das FG nicht beachtet.

 

 

25

aa) Auch wenn eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene (§ 164 AO) Steuerfestsetzung die Rechtsfolge des § 166 AO auslöst, wenn die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber „unanfechtbar“ festgesetzt worden ist - also mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) nicht (mehr) anfechtbar ist - kann eine solche Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO).

 

 

26

Ein in Haftung genommener Vertreter des Steuerpflichtigen kann auf eine Aufhebung/Änderung einer solchen Steuerfestsetzung hinwirken und trotz Unanfechtbarkeit der (noch wirksamen) Vorbehaltsfestsetzung uneingeschränkt Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Steuerfestsetzung und gegen die Höhe der gegen ihn festgesetzten Haftungsschuld geltend machen (BFH-Beschluss vom 28.3.2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217 = SIS 01 75 01, unter II.2.b und 3.; vgl. auch Buciek in Beermann/Gosch, AO § 166 Rz 18 f.; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 166 AO Rz 6; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 166 Rz 10; Koenig/ Cöster, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 166 Rz 9; Frotscher in Schwarz, AO, § 166 Rz 5; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 166 AO Rz 3).

 

 

27

bb) Aus dem BFH-Urteil vom 24.8.2004 VII R 50/03 (BFHE 207, 5, BStBl II 2005, 127 = SIS 04 41 16) sowie aus den BFH-Beschlüssen vom 4.2.2003 VI B 70/02 (BFH/NV 2003, 798 = SIS 03 24 43) und vom 25.7.2003 VII B 240/02 (BFH/NV 2003, 1540 = SIS 03 49 35) ergibt sich nichts anderes.

 

 

28

In den den Entscheidungen in BFH/NV 2003, 798 = SIS 03 24 43 und in BFHE 207, 5, BStBl II 2005, 127 = SIS 04 41 16 zugrunde liegenden Sachverhalten war die Vertretungsmacht des Dritten bereits vor Erlass des Steuerbescheides bzw. während des Laufs der Rechtsbehelfsfrist erloschen, so dass die Bindungswirkung des § 166 AO erst gar nicht hat eintreten können; für die Entscheidung in BFH/NV 2003, 1540 = SIS 03 49 35 kam es auf die Frage der materiellen Bestandskraft nicht an.

 

 

29

c) Danach ist die Klägerin nicht gehindert, Einwendungen gegen den Umsatzsteuerbescheid der GmbH für 2002 geltend zu machen, weil die Klägerin nach den Feststellungen des FG noch in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der GmbH am 24.11.2005 die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO beantragt hat. Über diesen Antrag wurde bislang nicht entschieden mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist und der Vorbehalt der Nachprüfung noch besteht (§ 164 Abs. 4 Satz 1, § 169, § 171 Abs. 3 AO).

 

 

30

3. Das FG hat zutreffend die streitbefangene(n) Lieferung(en) nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung(en) angesehen.

 

 

31

a) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) durch den Unternehmer nachzuweisenden Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei.

 

 

32

b) Sie liegen im Streitfall jedoch nicht vor.

 

 

33

aa) Vorliegend hat die GmbH den Belegnachweis nicht erbracht. Sie hat über die betreffende Lieferung keine den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) auch nicht den gemäß § 14a Abs. 1 Satz 1 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer den gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht führen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12.5.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957 = SIS 11 28 16, Rz 21; vom 14.11.2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596 = SIS 13 07 48, Rz 44).

 

 

34

bb) Zwar ist der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht belegmäßig nachweisen kann, grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 = SIS 13 07 48, Rz 55). Nach der den Senat bindenden Würdigung der Gesamtumstände durch das FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Rechtsfehlerfrei hat das FG dabei auch auf das sich ändernde Vorbringen der GmbH sowie deren mittelbare Verbundenheit mit der behaupteten Empfängerin der Leistung, der C, abgestellt; so ist auf den Lieferscheinen etwa vermerkt „Lieferung frei Baustelle“, „Lieferung mittels Kranwagen“, „frei Baustelle, Abladung durch den Auftraggeber“, „frei Baustelle gekippt“ o.ä., während die C unter dem 19.5.2006 bestätigte: „Das Material wurde von uns nach zu der oben benannten Baustelle befördert.“

 

 

35

c) Die Lieferung ist schließlich nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei, da dies voraussetzte, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 = SIS 13 07 48, Rz 63); dies ist nach obigen Ausführungen gerade nicht der Fall.

 

 

36

4. Jedoch hat das FG nicht beachtet, dass das FA die Steuer für die betreffende(n) Lieferung(en) nicht zutreffend berechnet hat.

 

 

37

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch, wenn die Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer vereinbaren. Der vereinbarte Betrag ist danach in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil vom 20.1.1997 V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716 = SIS 97 20 74, unter II.2.d).

 

 

38

b) Danach beträgt die Bemessungsgrundlage für die betreffende(n) Lieferung(en) nicht „116“, sondern abzüglich der in diesem Bruttobetrag enthaltenen Umsatzsteuer von 16 % (vgl. § 12 Abs. 1 UStG i.d.F. vom 21.2.2005, BGBl I 2005, 386) vielmehr „100“. Die Steuer auf diesen Umsatz reduziert sich danach von bisher berücksichtigten ... EUR auf ... EUR.

 

 

39

c) Da sich mithin die Umsatzsteuer 2002 um ... EUR mindert, reduziert sich entsprechend die in der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 27.9.2005 ausgewiesene Zahllast von ... EUR auf ... EUR. Dieser Betrag ist maßgebend für die Verzinsung (§ 233a Abs. 3 AO); die Zinsen berechnen sich nach § 233a Abs. 2 i.V.m. § 238 AO. Danach mindert sich die Zinsfestsetzung vom 27.9.2005 von ... EUR auf ... EUR.

 

 

40

d) Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO). Die verwirkten Säumniszuschläge bleiben von der Änderung der Steuer unberührt (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO).

 

 

41

5. Schließlich hat das FG die Betätigung des Entschließungs- und Auswahlermessens durch das FA zu Recht nicht beanstandet (vgl. § 102 FGO). Im Übrigen richtet sich die Revision der Klägerin nicht gegen ihre Haftungsinanspruchnahme dem Grunde nach, sondern nur gegen ihre Inanspruchnahme wegen Umsatzsteuer 2002 der GmbH sowie Nebenleistungen hierzu.

 

 

42

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

 

 

43

Da die Revision der Klägerin Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 30.4.2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014 = SIS 14 16 43, m.w.N.).