1
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I. Die Beteiligten streiten über die
Festsetzung eines Verzögerungsgelds.
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2
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist seit dem 2.12.2008 Rechtsnachfolgerin der A-OHG
(OHG), die ihrerseits im November 2008 durch Rechtsformwechsel der
A-Bauträger GbR (GbR) entstanden ist. Der Ort der
Geschäftsleitung der GbR sowie der OHG und der Klägerin
lag zunächst im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und
Revisionsklägers (Finanzamt - FA - ).
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3
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Mit Bescheid vom 8.10.2008 ordnete das FA
bei der GbR eine Außenprüfung hinsichtlich der
Umsatzsteuer, der Feststellung der Einkünfte und der
Gewerbesteuer für die Jahre 2002 bis 2004 an. Die Prüfung
sollte am 2.12.2008 beginnen.
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4
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Den gegen die Prüfungsanordnung
eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom
16.3.2009, gerichtet an die GbR, als unbegründet zurück.
Der Prüfungsbeginn wurde allerdings, wie von der Klägerin
gewünscht, auf Mai 2009 verschoben.
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5
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Das gegen die Prüfungsanordnung
angestrengte Klageverfahren (Az. 13 K 13107/09) erledigte sich
durch entsprechende Erledigungserklärungen der Beteiligten,
nachdem das FA eingeräumt hatte, dass die
Einspruchsentscheidung dem falschen Inhaltsadressaten und damit
nicht wirksam bekanntgegeben worden sei.
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6
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Im Anschluss an ein Telefonat vom 25.8.2009
mit der damaligen steuerlichen Vertreterin der Klägerin
über die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens teilte die
Klägerin mit Schreiben vom 22.9.2009 mit, dass sie den Ort der
Geschäftsleitung am 20.6.2009 in die B-Straße 45 in F
und damit in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamts F (FA F)
verlegt habe.
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7
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Auf Ersuchen des FA vom 23.11.2009 erteilte
das FA F mit Schreiben vom selben Tag dem FA den Auftrag zur
Durchführung der Außenprüfung nach § 195 Satz
2 der Abgabenordnung (AO). Des Weiteren stimmte das FA F am
19.1.2010 der Fortführung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen
die Prüfungsanordnung vom 8.10.2008 nach § 26 Satz 2 AO
zu. Hierüber informierte das FA die Klägerin mit
Schreiben vom 25.1.2010.
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8
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Auf Grundlage der Ergebnisse einer
Umsatzsteuer-Nachschau am 15.2.2010 in den
Geschäftsräumen der Klägerin in F lehnte das FA F
mit Schreiben vom 19.2.2010 die Übernahme der die
Klägerin betreffenden Steuerakten ab. Es sei unwahrscheinlich,
dass sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin in F
befinde. Eine entsprechende Erklärung gab auch das Finanzamt D
(FA D) mit Schreiben vom 24.2.2010 ab. Das FA D hatte am 17.11.2009
für die OHG eine Steuernummer erteilt und zunächst die
Übernahme der Besteuerung erklärt.
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9
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Bereits zuvor teilte das FA der
Klägerin mit Schreiben vom 9.12.2009 unter Verweis auf den
Prüfungsauftrag des FA F mit, dass mit der
Außenprüfung am 11.1.2010 begonnen werde, und forderte
dazu die in einer Anlage bezeichneten Unterlagen an (u.a.
Buchführungs- und Abschlussunterlagen sowie Belege,
Verträge, Lohnkonten). Sollten diese Unterlagen nicht bis zum
11.1.2010 eingereicht werden, werde ein Verzögerungsgeld
festgesetzt.
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10
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Eine mit Schreiben vom 22.12.2009
beantragte Verschiebung des Prüfungsbeginns wegen
Erziehungsurlaubs der zuständigen Bearbeiterin und
unvorhergesehenen Ausfalls weiterer Mitarbeiter lehnte das FA am
4.1.2010 ab.
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11
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Daraufhin legte die Klägerin mit
Schreiben vom 8.1.2010 „gegen die geänderte
Prüfungsanordnung vom 09.12.2009“ Einspruch ein und
beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV), da das FA F für
die noch nicht begonnene Prüfung zuständig sei.
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12
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Das FA lehnte den AdV-Antrag mit Bescheid
vom 28.1.2010, der Klägerin bekanntgegeben am 31.1.2010, ab,
da keine geänderte Prüfungsanordnung und damit auch kein
wirksamer Einspruch vorlägen. Vielmehr sei die Festlegung des
Prüfungsbeginns als eigenständiger Verwaltungsakt
anzusehen. Die Klägerin stellte insoweit keinen gerichtlichen
AdV-Antrag nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung
(FGO).
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13
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Die Klägerin legte dem FA die
angeforderten Unterlagen nicht vor.
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14
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Mit Bescheid vom 3.3.2010 setzte das FA
gegenüber der Klägerin ein Verzögerungsgeld in
Höhe von 4.800 EUR fest.
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15
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Den gegen die Festsetzung des
Verzögerungsgelds gerichteten Einspruch wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 30.7.2010 als unbegründet
zurück. Da die Klägerin die im Schreiben vom 9.12.2009
angeforderten Unterlagen nicht bis zum 11.1.2010 vorgelegt habe,
seien die Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO erfüllt.
Mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds solle
regelmäßig ein Verzögerungsverhalten sanktioniert
werden. Im Streitfall sei das Verhalten der Klägerin
darüber hinaus weder gerechtfertigt noch entschuldbar.
Spätestens durch das Schreiben des FA vom 9.12.2009 habe der
Klägerin klar sein müssen, dass sie einer Prüfung
durch das FA nicht mehr habe ausweichen können. Bei der
Ausübung des Auswahlermessens zur Höhe des
Verzögerungsgelds habe sich das FA an der Dauer der
Verzögerung orientiert, wobei für den Zeitraum vom
11.1.2010 bis zum 1.3.2010 (48 Tage) 100 EUR pro Tag angesetzt
worden seien. Unter Berücksichtigung der Dauer der
Verzögerung und im Hinblick auf das Verhalten der
Klägerin seit der Anordnung der Außenprüfung, das
darauf gerichtet sei, eine Prüfung durch das FA zu vermeiden
bzw. zu verzögern, sowie des Umfangs der fehlenden Unterlagen
sei die festgesetzte Höhe des Verzögerungsgelds
ermessensgerecht, zumal dadurch nicht einmal 2 % des Maximalbetrags
erreicht würden.
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16
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Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung
seines in EFG 2011, 1945 = SIS 11 25 03 veröffentlichten
Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus,
dass die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 146
Abs. 2b AO zwar vorlägen, das FA aber jedenfalls sein
Auswahlermessen bei der Bemessung der Höhe des festzusetzenden
Verzögerungsgelds fehlerhaft ausgeübt habe. Es sei im
Rahmen seiner diesbezüglichen Ermessenserwägungen
unzutreffend von einer Verzögerung ab dem 11.1.2010
ausgegangen. Für die Dauer der Fristüberschreitung
dürften Zeiten, in denen - wie hier - ein zulässiger
AdV-Antrag gestellt und noch nicht beschieden worden sei, nicht
berücksichtigt werden. Die Ablehnung des AdV-Antrags sei der
Klägerin erst am 31.1.2010 bekanntgegeben worden. Die
Nichtberücksichtigung der Zeit bis zur Bekanntgabe der
Entscheidung über die AdV gebiete das Erfordernis eines
umfassenden und effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes (GG), da die Vorlage der Unterlagen nicht wieder
rückwirkend beseitigt werden könne.
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17
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG und der §§ 5, 146 Abs.
2b AO. Die Prüfungsanordnung und die Festlegung des
Prüfungsbeginns seien Verwaltungsakte, an die Rechtsfolgen
geknüpft werden könnten, solange die AdV nicht
gewährt worden sei. Die Folgen einer rechtswidrig angeordneten
Außenprüfung würden insoweit rückgängig
gemacht, als die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel
nicht verwertet werden dürften. Ein verfahrenswidriges
Verhalten des FA, welches in den Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4
GG eingreifen könnte, sei im Streitfall nicht ersichtlich. Der
von der Klägerin gestellte AdV-Antrag sei unzulässig
gewesen, da die Klägerin keinen Einspruch gegen die Festlegung
des Prüfungsbeginns eingelegt habe. Das Mitwirkungsverlangen
und die festgesetzten Fristen seien daher verbindlich gewesen. Die
Klägerin sei durch ein mögliches Verwertungsverbot
ausreichend geschützt. Auf die Entscheidung über den
AdV-Antrag könne daher im Rahmen der Ermessensentscheidung
nicht abgestellt werden, da es der Steuerpflichtige ansonsten in
der Hand hätte, durch die Stellung eines solchen Antrags die
Außenprüfung faktisch zum Erliegen zu bringen.
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18
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Ungeachtet einer fehlerhaften
Ermessensausübung sei jedenfalls ein Verzögerungsgeld in
Höhe von 2.500 EUR verwirkt. Da es sich um den Mindestbetrag
handele, sei eine Begründung des Auswahlermessens insoweit
nicht erforderlich. Eine Aufhebung des im Streitfall festgesetzten
Verzögerungsgelds sei deshalb allenfalls insoweit in Betracht
gekommen, als der Mindestbetrag überschritten worden
sei.
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19
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Die Bemessung des Verzögerungsgelds
sei aber jedenfalls deshalb zutreffend erfolgt, da auch die Zeiten
der Verzögerung bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung mit
zu berücksichtigen seien. Diese weitere Verzögerung
könne nicht durch ein weiteres Verzögerungsgeld
sanktioniert werden.
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20
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Das FA habe auch sein
Entschließungsermessen ordnungsgemäß
ausgeübt. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten
trotz angemessener Fristsetzung nicht nachgekommen, so dass die
Ermessensentscheidung, ihr ein Verzögerungsgeld aufzuerlegen,
bereits vorgeprägt gewesen sei. Einer näheren
Begründung habe es daher nicht bedurft.
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21
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Das FA beantragt (sinngemäß),
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet
abzuweisen.
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22
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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23
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Unter Bezugnahme auf die Ausführungen
in der Vorentscheidung ist sie weiterhin der Auffassung, dass das
FA sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen
fehlerhaft ausgeübt habe.
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24
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II. Die Revision ist nicht begründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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25
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Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass
zwar die formellen Voraussetzungen erfüllt sind und auch die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO
vorliegen, aber das FA sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt
hat (§ 102 FGO).
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26
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1. Zutreffend hat das FG im Ergebnis
ausgeführt, dass der Bescheid über die Festsetzung des
Verzögerungsgelds formell rechtmäßig ist und
insbesondere das FA für den Erlass dieses Bescheids
zuständig war.
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27
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a) Die Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen
i.S. des § 200 Abs. 1 AO nebst der Androhung der Festsetzung
eines Verzögerungsgelds und die anschließende
Festsetzung des Verzögerungsgelds sind Verfahrenshandlungen im
Rahmen der Außenprüfung und folgen damit der
örtlichen Zuständigkeit für die
Außenprüfung selbst. Letztere ist ein Vorgang des
Besteuerungsverfahrens, weshalb sich die örtliche
Zuständigkeit nach den §§ 17, 18 ff. AO richtet
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.1.1989 X R 158/87, BFHE
156, 18, BStBl II 1989, 483 = SIS 89 11 40). Maßgebend
für die Zuständigkeit für die
Außenprüfung sind die Umstände im Zeitpunkt der
Bekanntgabe der Prüfungsanordnung.
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28
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b) Für die gesonderte Feststellung der
Einkünfte und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags
einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ist das
Finanzamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich sich
die Geschäftsleitung befindet (§§ 18 Abs. 1 Nr. 2,
20 Abs. 1, 22 Abs. 1 AO). Für die Umsatzsteuer ist das
Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus das Unternehmen
ganz oder vorwiegend betrieben wird (§ 21 Abs. 1 AO), was in
der Regel der Ort der Geschäftsleitung sein wird (BFH-Urteil
vom 19.12.2000 VII R 86/99, BFH/NV 2001, 742 = SIS 01 65 95; Lange
in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 21 AO Rz
176).
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29
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c) Im Streitfall besteht zwischen den
Beteiligten kein Streit, dass das FA für die
Außenprüfung, die sich auf die gesonderte Feststellung,
die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer erstreckte, im Zeitpunkt des
Erlasses der Prüfungsanordnung vom 8.10.2008 örtlich
zuständig war. Auch der Senat hat nach Aktenlage an der
Zuständigkeit keinen Zweifel und sieht insoweit von weiteren
Ausführungen ab.
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30
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d) Die Zuständigkeit des FA ist auch
nicht während des Verfahrens auf das FA F übergegangen.
Ändern sich die die Zuständigkeit begründenden
Umstände, wechselt nach § 26 Satz 1 AO die
Zuständigkeit in dem Zeitpunkt, in dem eine der betroffenen
Finanzbehörden hiervon tatsächlich erfährt. Ein
Kennenkönnen oder Kennenmüssen genügt für einen
Zuständigkeitswechsel nach § 26 Satz 1 AO nicht. Die
Vorschrift verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit und
Praktikabilität überschaubare, eindeutige
Verhältnisse, damit Unsicherheiten vermieden werden, die zu
Kompetenzstreitigkeiten führen. Die die Zuständigkeit
ändernden Umstände müssen daher aus der Sicht der
betroffenen Finanzämter zweifelsfrei feststehen (BFH-Urteil in
BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483 = SIS 89 11 40).
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31
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Davon ausgehend ist im Streitfall die
Zuständigkeit des FA für die Durchführung der
Außenprüfung und damit auch für das
Mitwirkungsverlangen sowie die Festsetzung des
Verzögerungsgelds nicht auf das FA F übergegangen, da
eine Veränderung der die Zuständigkeit begründenden
Umstände für die beteiligten Finanzämter nicht
zweifelsfrei feststand. Zwar will die Klägerin nach eigenen
Angaben den Ort der Geschäftsleitung im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Rechtsformwechsel am 20.6.2009 in die
B-Straße 45 in F und damit in den Bezirk des FA F verlegt
haben. Das FA F hielt es aber auf Grund von Ortsbesuchen im Rahmen
einer Umsatzsteuer-Nachschau für unwahrscheinlich, dass die
Klägerin ihre Geschäftsleitung tatsächlich an den
besagten Ort verlegt hatte und lehnte deshalb die Übernahme
der Akten ab.
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32
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Die dadurch begründeten Zweifel an den
die Zuständigkeit ändernden Umständen sind derart
gewichtig, dass sie einem Zuständigkeitswechsel i.S. des
§ 26 AO entgegenstehen, ohne dass es der Klärung bedarf,
ob die Geschäftsleitung tatsächlich in den Bezirk des FA
F verlegt worden ist.
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33
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e) Angesichts der obigen Ausführungen
brauchte der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die
Zuständigkeit des FA sowohl für den Erlass des Bescheids
über die Festsetzung des Verzögerungsgelds als auch
für die Einspruchsentscheidung durch den
„vorsorglichen“ Prüfungsauftrag des FA F
vom 23.11.2009 gemäß § 195 Satz 2 AO begründet
worden ist.
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34
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2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 146 Abs. 2b AO sind im Streitfall erfüllt.
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35
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Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein
Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR u.a.
festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Pflichten
nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des
Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von
Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des
§ 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung
innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe
durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt.
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36
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a) In der Rechtsprechung des BFH ist
anerkannt, dass, ungeachtet der Entstehungsgeschichte des §
146 Abs. 2b AO im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das
Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794)
geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, ein
Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift
sowie der Intention des Gesetzgebers auch dann festgesetzt werden
kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und
Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der
ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden
Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur
Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb
angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Urteil vom 28.8.2012 I R
10/12, BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266 = SIS 13 02 20;
BFH-Beschlüsse vom 16.6.2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl
II 2011, 855 = SIS 11 23 95, und vom 28.6.2011 X B 37/11, BFH/NV
2011, 1833 = SIS 11 32 93).
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37
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b) Die Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen
i.S. des § 200 Abs. 1 AO ist im Rahmen der
Außenprüfung ergangen.
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38
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Das Tatbestandsmerkmal „im Rahmen
einer Außenprüfung“ setzt lediglich voraus,
dass eine Außenprüfung und der Prüfungsbeginn
wirksam angeordnet worden sind. Der Wirksamkeit der Anordnung der
Außenprüfung und des Prüfungsbeginns steht
grundsätzlich nicht entgegen, dass diese Bescheide mit
Rechtsmitteln angegriffen worden sind oder die AdV dieser Bescheide
beantragt worden ist. Denn weder durch die Einlegung des Einspruchs
noch durch den Antrag auf AdV wird die Vollziehung des
angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt (§ 361 Abs. 1, Abs. 2
AO). Maßgeblich ist allein, dass die Prüfungsanordnung
und die Bestimmung des Prüfungsbeginns im Zeitpunkt der
Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen vollziehbar waren.
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39
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Letzteres war vorliegend der Fall, was auch
zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.
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40
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c) Der Festsetzung des Verzögerungsgelds
steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die Aufforderung zur
Vorlage der im einzelnen bezeichneten Unterlagen bereits vor dem
Beginn der Außenprüfung ergangen und das Fristende zur
Abgabe der angeforderten Unterlagen auf den Beginn der
Außenprüfung festgesetzt worden ist. Denn die
Außenprüfung sollte nicht, wie in der
Prüfungsanordnung vom 8.10.2008 vorgesehen, in den
Geschäftsräumen der Klägerin, sondern ausweislich
des Bescheids vom 9.12.2009 in den Räumlichkeiten des FA
durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund war es für
eine sachgerechte und zeitnahe Durchführung der
Außenprüfung erforderlich, dass die angeforderten
Unterlagen bereits zu Prüfungsbeginn dem FA bereitgestellt
werden.
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41
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Der Senat hält auch die in der
Aufforderung gesetzte Frist von einem Monat zur Vorlage der
Unterlagen für angemessen. Dies ungeachtet des Umfangs der
Unterlagen schon deshalb, weil bereits in der
Prüfungsanordnung vom 8.10.2008 um die Bereithaltung dieser
Unterlagen bei Prüfungsbeginn gebeten worden ist.
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42
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d) Ebenfalls ist es nicht zu beanstanden, dass
die Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen mit dem Bescheid
über die Festsetzung des Prüfungsbeginns vom 9.12.2009
verbunden worden ist.
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43
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e) Schließlich steht der Festsetzung des
Verzögerungsgelds nicht entgegen, dass die Klägerin die
Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen mit Rechtsmitteln
angegriffen hat, wovon das FG unter Berücksichtigung der
Rechtsschutz gewährenden Auslegung des Einspruchs und des
AdV-Antrags gegen den zusammengefassten Bescheid vom 9.12.2009
zutreffend ausgegangen ist. Maßgeblich ist allein, dass die
Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen im Zeitpunkt des Erlasses
der Einspruchsentscheidung am 30.7.2010 vollziehbar war (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 = SIS 11 23 95).
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44
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f) Im Streitfall bedarf es keiner
Ausführungen dazu, ob und inwieweit § 146 Abs. 2b AO eine
Vervielfachung der Festsetzung des Verzögerungsgelds dadurch
ermöglicht, dass sich die Aufforderung auf eine Vielzahl von
Unterlagen erstreckt. Denn das FA hat in dem Bescheid vom 3.3.2010
die Höhe des Verzögerungsgelds nicht unter Heranziehung
eines Vervielfältigers im Hinblick auf die einzelnen nicht
vorgelegten Unterlagen bemessen, sondern für alle nicht
vorgelegten Unterlagen einen einheitlichen Gesamtbetrag von 100 EUR
für jeden Tag der Verzögerung festgesetzt (insgesamt
4.800 EUR). Daher stellt sich das Problem einer Vervielfachung des
Verzögerungsgelds im Streitfall nicht.
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45
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g) Der Bescheid über die Festsetzung des
Verzögerungsgelds ist ebenso wie die Aufforderung zur Vorlage
der Unterlagen zutreffend an die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin der GbR (Inhaltsadressatin) gerichtet worden.
Insoweit kann für diese Bescheide nichts anderes gelten als
für die Prüfungsanordnung. Unterhält eine
Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 193 Abs. 1 AO),
ist sie selbst Prüfungssubjekt und damit Inhaltsadressatin der
Prüfungsanordnung nicht nur für die Steuern, die sie
persönlich schuldet (z.B. Gewerbesteuer und Umsatzsteuer),
sondern gleichermaßen im Hinblick auf die gesondert und
einheitlich festzustellenden Einkünfte ihrer Gesellschafter
(BFH-Beschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 = SIS 11 23 95). Auch im Streitfall war die Prüfungsanordnung zutreffend
an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GbR
(Inhaltsadressatin) gerichtet. Entsprechend oblagen ihr auch die
Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der
Außenprüfung.
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46
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3. Das FA hat aber sein
Entschließungsermessen im Hinblick auf das Ob einer
Festsetzung des Verzögerungsgelds und auch sein
Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden
Verzögerungsgelds fehlerhaft ausgeübt.
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47
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a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds
erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den tatbestandlichen
Voraussetzungen (hier die Nichterfüllung der
Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO innerhalb
einer angemessenen Frist, s. unter II.2.) eine zweifache
Ermessensentscheidung des FA: erstens im Hinblick darauf, ob im
jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird
(sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens - falls das
Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen
ausgeübt wird - eine Entscheidung über die Höhe des
Verzögerungsgelds innerhalb des gesetzlich vorgegebenen
Rahmens von mindestens 2.500 EUR bis höchstens 250.000 EUR
(sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE
233, 317, BStBl II 2011, 855 = SIS 11 23 95, und in BFH/NV 2011,
1833 = SIS 11 32 93, sowie unter Hinweis auf die
Gesetzesmaterialien BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266 =
SIS 13 02 20).
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48
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b) Die von dem FA zu treffende
Ermessensentscheidung bei der Anwendung des § 146 Abs. 2b AO
ist durch die Finanzgerichte gemäß § 102 FGO nur
eingeschränkt überprüfbar. Nach § 102 Satz 1
FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden
sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem
Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch)
bzw. ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog.
Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die
verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung,
insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
missachtet hat (BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266 = SIS 13 02 20; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94
ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).
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49
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen.
Zwar kann die Finanzbehörde gemäß § 102 Satz 2
FGO ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts
bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.
§ 102 Satz 2 FGO gestattet es der Finanzbehörde aber nur,
bereits an- oder dargestellte Ermessenserwägungen zu
vertiefen, zu verbreitern oder zu verdeutlichen. Nicht dagegen ist
die Behörde befugt, Ermessenserwägungen im
finanzgerichtlichen Verfahren erstmals anzustellen, die
Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig
nachzuholen. Eine Heilung der behördlichen Entscheidung bei
fehlerhaftem Entschließungs- oder Auswahlermessen, Über-
oder Unterschreitung des Ermessens sowie bei erheblichen
Mängeln in der Sachverhaltsermittlung ist im Wege einer
Ergänzung nach § 102 Satz 2 FGO nicht möglich
(BFH-Urteil vom 11.3.2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004,
579 = SIS 04 18 37).
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50
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c) Da § 146 Abs. 2b AO mit Ausnahme der
Ermessensgrenzen hinsichtlich der Höhe des
Verzögerungsgelds keine konkreten Ermessensvorgaben
enthält, hat das FA die doppelte Ermessensentscheidung
gemäß § 5 AO entsprechend dem Zweck der Regelung
und unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben.
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51
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Die Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert, dass das
eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur
erforderlich und geeignet ist, sondern hierzu auch in einem
angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren
Verhältnis stehen muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl
II 2013, 266 = SIS 13 02 20).
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52
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Ausweislich der gesetzgeberischen Intention
wird mit dem Verzögerungsgeld ein doppelter Zweck verfolgt. So
soll der Steuerpflichtige zur zeitnahen Erfüllung seiner
Mitwirkungspflichten angehalten werden (BTDrucks 16/10189, S. 81,
sog. Beugecharakter), des Weiteren soll aber auch die Verletzung
der Mitwirkungspflichten sanktioniert werden (BFH-Urteil in BFHE
239, 1, BStBl II 2013, 266 = SIS 13 02 20; Klein/Rätke, AO,
11. Aufl., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO
Rz 48). Die Ermessenserwägungen zur Festsetzung des
Verzögerungsgelds sind daher insbesondere an der Dauer der
Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der
Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der
Außenprüfung auszurichten (BFH-Urteil in BFHE 239, 1,
BStBl II 2013, 266 = SIS 13 02 20; ebenso auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 28.9.2011, Referat IV A 4,
Fragen und Antworten zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs.
2b AO, zu Frage 16; abrufbar unter
www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/
Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/BMF_Schreiben_
Allgemeines/001.html).
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Diese Ermessenserwägungen sind sowohl bei
der Ausübung des Entschließungsermessens als auch bei
der Ausübung des Auswahlermessens anzustellen. Da das
Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 EUR
festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag
handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266 = SIS 13 02 20), bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, ob
gegenüber dem Steuerpflichtigen überhaupt ein
Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab dieser
Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand
ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die
Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der
Sanktionsmindestgrenze (2.500 EUR) mit Rücksicht auf die
Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das
Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen
ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des
Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen,
wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1
AO) - unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein
Schuldvorwurf trifft - grundsätzlich zur Festsetzung eines
Verzögerungsgelds führt (BFH-Urteil in BFHE 239, 1, BStBl
II 2013, 266 = SIS 13 02 20). Eine Vorprägung des
Entschließungsermessens ist aber auch dann zu verneinen, wenn
ausreichende Gründe für eine entschuldbare
Fristversäumnis weder vorgetragen noch festgestellt werden.
Auch wenn die angeforderten Unterlagen schuldhaft nicht innerhalb
der festgesetzten Frist vorgelegt werden, folgt daraus nicht, dass
ein Verzögerungsgeld nunmehr zwingend im Sinne einer
Ermessensreduzierung auf Null festzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil vom
28.3.2007 IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450 = SIS 07 23 74, zur
Ausübung des Entschließungsermessens hinsichtlich der
Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei schuldhafter
Säumnis). Auch bei schuldhafter Nichtvorlage der Unterlagen
ist stets eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 EUR)
auszurichtende Würdigung des Einzelfalls erforderlich. Anders
als das FA meint, ist die Ermessensentscheidung bei schuldhafter
Verletzung der Mitwirkungspflichten deshalb nicht schon so
vorgeprägt - „intendiert“ -, dass es einer
näheren Begründung der Ermessenserwägung nur bedurft
hätte, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
Ausnahmefalls vorlägen.
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d) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
das FA bereits sein Entschließungsermessen fehlerhaft
ausgeübt. Das FA ist im Rahmen der Ausübung des
Entschließungsermessens ersichtlich von einer Vorprägung
ausgegangen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten,
sofern sie nicht gerechtfertigt und entschuldbar ist,
grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds
führt. So hat sich das FA in der Einspruchsentscheidung vom
30.7.2010 bei der Ausübung des Entschließungsermessens
lediglich damit auseinandergesetzt, ob die Fristüberschreitung
gerechtfertigt oder entschuldbar ist. Entsprechend hat es die
Festsetzung des Verzögerungsgelds dem Grunde nach allein damit
begründet, dass die vorgebrachten Rechtfertigungs- und
Entschuldigungsgründe nicht vorlägen bzw. diese die
verspätete Vorlage der Unterlagen nicht rechtfertigen oder
entschuldigen könnten. Diese Erwägungen allein reichen
aber, wie oben dargelegt, für eine sachgerechte und am
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete
Ermessensausübung nicht aus. Insoweit hätte das FA in
seine Ermessenserwägungen insbesondere einbeziehen
müssen, dass die Klägerin gegen den Bescheid vom
9.12.2009 Einspruch eingelegt und AdV beantragt hat und über
beide Rechtsbehelfe zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch nicht
entschieden worden war. Dabei folgt der Senat der Auslegung des FG,
dass sich der Einspruch wie auch der AdV-Antrag nicht nur auf die
wiederholende Prüfungsanordnung, sondern auf sämtliche
darin enthaltenen Regelungen, also auch auf die Festsetzung des
Prüfungstermins, die Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen
und die Prüfungsbeauftragung durch das FA F, bezogen hat. Der
Berücksichtigung im Rahmen der Ermessensausübung steht
nicht entgegen, dass weder der Einspruch noch der AdV-Antrag, wie
unter II.2.e ausgeführt, der Tatbestandsverwirklichung des
§ 146 Abs. 2b AO entgegenstehen.
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e) Schließlich hat das FA auch das
Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt. Wie dargelegt hat das FA
seine Ermessenserwägung auch hinsichtlich der Höhe des
Verzögerungsgelds an den gesamten Umständen der
Pflichtverletzung und insbesondere an der Dauer der
Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der
Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der
Außenprüfung auszurichten. Es ist dabei
grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der
Ermessensausübung einzelnen Umständen, wie vorliegend der
Dauer der Fristüberschreitung, ein besonderes Gewicht
beigemessen wird.
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Es spricht aber bereits viel dafür, dass
das FA die Anforderungen an das Auswahlermessen bereits deshalb
verkannt hat, weil es vorliegend für jeden Tag der
Verzögerung pauschal 100 EUR angesetzt hat. Für den
pauschalen Ansatz von 100 EUR für jeden Tag der
Fristüberschreitung kann das FA nicht analog auf die Regelung
in § 162 Abs. 4 Satz 3 AO zurückgreifen. Danach ist bei
der verspäteten Vorlage von Aufzeichnungen i.S. des § 90
Abs. 3 AO ein Zuschlag von mindestens 100 EUR für jeden Tag
der Fristüberschreitung festzusetzen. Die pauschale Bemessung
des Zuschlags ist als zwingend festzusetzender Mindestbetrag
ausgestaltet, wobei der Zuschlag insgesamt bis zu 1.000.000 EUR
betragen kann. Auch ist dieser Mindestzuschlag nur Teil eines sehr
differenzierten Regelungssystems in § 162 Abs. 4 AO.
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Letztlich kann der Senat dahinstehen lassen,
ob durch den pauschalen Ansatz von 100 EUR das Ermessen fehlerhaft
ausgeübt worden ist.
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Denn jedenfalls ermessensfehlerhaft hat das FA
das Verhalten der Klägerin seit der Anordnung der
Außenprüfung im Oktober 2008 in die Auswahlentscheidung
miteinbezogen. Dabei ist unerheblich, ob das bisherige Verhalten
der Klägerin darauf gerichtet war, den Beginn der
Außenprüfung zu verzögern. Dieses Verhalten der
Klägerin durfte bereits deshalb nicht berücksichtigt
werden, weil mit dem Verzögerungsgeld nur die fehlende
Mitwirkung, hier die Nichtvorlage der Unterlagen, und nicht
früheres Verhalten sanktioniert werden soll.
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Zutreffend hat das FG im Ergebnis auch eine
fehlerhafte Ausübung des Auswahlermessens insoweit bejaht, als
das FA für die Berechnung des Verzögerungsgelds von einer
relevanten Verzögerung ab dem 11.1.2010 ausgegangen ist,
obwohl gegen den Bescheid vom 9.12.2009, in dem der
Prüfungsbeginn festgesetzt worden und mit dem auch die
Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen bis zum 11.1.2010 verbunden
war, ein Antrag auf AdV gestellt und noch nicht beschieden worden
war. Allerdings folgt dies nicht, wie das FG meint, aus dem Gebot
des umfassenden und effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4
GG. Dieses wird regelmäßig ausreichend durch die
Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen die
Anordnung und Durchführung der Außenprüfung
gewahrt. Wird daraufhin die Rechtswidrigkeit der Anordnung der
Außenprüfung bzw. einer anfechtbaren Maßnahme im
Rahmen der Außenprüfung festgestellt, führt dies zu
einem Verwertungsverbot der dort getroffenen Feststellungen (vgl.
BFH-Urteile vom 7.6.1973 V R 64/72, BFHE 109, 500, BStBl II 1973,
716 = SIS 73 03 87, und vom 27.1.1994 IV R 93/91, BFH/NV 1995, 177,
mit umfangreichen Nachweisen).
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Gleichwohl hätte das FA den Umstand, dass
gegen die Anordnung des Prüfungstermins AdV beantragt und
darüber erst am 28.1.2010 entschieden worden ist, im Rahmen
des Auswahlermessens berücksichtigen müssen. Dies schon
deshalb, weil die Höhe des Verzögerungsgelds
ausschließlich nach dem Zeitraum der Verzögerung
zwischen dem 11.1.2010 und dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids
über die Festsetzung des Verzögerungsgelds und also nur
nach pauschalen Tagessätzen bemessen worden ist. Das FA musste
daher jedenfalls erwägen, ob es die Stellung des AdV-Antrags
und den Umstand, dass dieser im Zeitpunkt des Ablaufs der gesetzten
Vorlagefrist noch nicht beschieden war, bei der Bemessung der
Höhe des Verzögerungsgelds zu Gunsten der Klägerin
berücksichtigt.
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4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf
beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den
aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach
auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die
Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 239, 1, BStBl II 2013, 266 = SIS 13 02 20, m.w.N.), war der
angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen
einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines
Verzögerungsgelds jedenfalls in Höhe des Mindestbetrags
hätte gerechtfertigt sein können.
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