1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GbR, betreibt medizinische Fußpflege
durch ihre beiden Gesellschafterinnen (zwei zugelassene
Podologinnen); die Leistungen umfassten das fachgerechte Schneiden
der Nägel und das Entfernen der Hornhaut. Die Behandlungen
erfolgten teilweise auf der Grundlage von ärztlichen
Verordnungen und teilweise ohne Verordnung eines Arztes oder
Heilpraktikers.
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2
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Die Klägerin, die ihre Leistungen
ausnahmslos als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen ansah, reichte
auf Anforderung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt
- FA - ) für die Monate Januar bis Mai 2012
Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein, in denen sie die Behandlungen ohne
ärztliche Verordnung als umsatzsteuerpflichtig anmeldete,
legte aber dagegen Einsprüche ein und machte geltend, die
Umsätze seien - entgegen der vorab geäußerten
Auffassung des FA - auch ohne ärztliche Verordnung
umsatzsteuerfrei.
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3
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Das FA wies die Einsprüche mit
Einspruchsentscheidung vom 25.6.2012 als unbegründet
zurück.
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Im Laufe des Klageverfahrens legte die
Klägerin dem Finanzgericht (FG) eine Einzelaufstellung ihrer
Umsätze unter namentlicher Nennung der behandelten Patienten
vor und ordnete diese Patienten je nach deren Vorerkrankungen
folgenden 18 Kategorien zu: Bluter (Nr. 1), Chemotherapie (Nr. 2),
Cortison (Nr. 3), Diabetes (Nr. 4),
Durchblutungsstörungen/pAVK (Nr. 5), Hühneraugen (Nr. 6),
Immunsuppressiv (Nr. 7), Marcumar (Nr. 8), Nagelpilz (Nr. 9),
Neurodermitis (Nr. 10), Neuropathie/Polyneuropathie (Nr. 11),
Rheuma (Nr. 12), Schuppenflechte (Nr. 13), Rollnägel (Nr. 14),
Arthrose (Nr. 15), Hüftoperation (Nr. 16), pathologischer
Zustand (Nr. 17), Prävention (Nr. 18).
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5
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Sie verwies zum Beweis der Tatsache, dass
es sich bei ihren Leistungen gegenüber diesen Kategorien
zugeordneten Patienten um Heilbehandlungen gehandelt habe, u.a. auf
ein von ihr in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten.
Die Zuordnung der Patienten zu der jeweiligen
„Risikogruppe“ sei in ihrer Patientenkartei
dokumentiert und für das FA jederzeit nachvollziehbar. Das FA
teilte mit, dass von der Vorlage der Patientenkartei abgesehen
werden könne.
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6
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Das FG gab der Klage mit seinem in EFG
2014, 590 = SIS 14 10 09 veröffentlichten Urteil statt. Die
Leistungen der Klägerin seien überwiegend
gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei; die Umsatzsteuer auf die
verbleibenden Umsätze werde gemäß der Regelung
über die Besteuerung von Kleinunternehmern in § 19 Abs. 1
Satz 1 UStG nicht erhoben.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, eine
Steuerbefreiung für Leistungen von Gesundheitsfachberufen
komme grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn diese aufgrund
einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers oder im Rahmen
einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme
durchgeführt würden. Das deutsche Berufsrecht
unterscheide zwischen Heilberufen, die eigenverantwortlich
körperliche oder seelische Leiden behandeln dürften
(Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut, Heilpraktiker) und den
Gesundheitsfachberufen, die zur Krankenbehandlung
grundsätzlich nur aufgrund ärztlicher Verordnung befugt
seien. Die Ausbildung zum Podologen solle nach § 3 des
Podologengesetzes - PodG - (BGBl I 2001, 3320) dazu befähigen,
unter ärztlicher Anleitung oder auf ärztlicher
Veranlassung medizinisch indizierte podologische Behandlungen
durchzuführen. Führe ein Podologe derartige Behandlungen
weder unter ärztlicher Aufsicht noch auf ärztliche
Veranlassung durch, übe er damit nicht mehr den steuerlich
begünstigten Beruf des Podologen aus.
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8
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Das FA beantragt sinngemäß, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie bringt vor, sie habe an der
Prävention, Therapie und Rehabilitation von
Fußerkrankungen mitgewirkt. Der Begriff der Heilbehandlung
erfasse auch vorbeugende Leistungen. Sie habe fast
ausschließlich Risikopatienten behandelt, bei denen das
jeweilige Krankheitsbild aufgrund ärztlicher Diagnose
festgestellt worden sei. Die von der Finanzverwaltung angebotene
Alternative, sich ein Privatrezept ausstellen zu lassen, sei mit
Kosten für den Patienten verbunden: Ärzte würden
hierfür zwischen 10 EUR und 23 EUR pro Privatrezept, das nur
für eine begrenzte Anzahl von Behandlungen ausgestellt werde,
verlangen. Zudem sei die Ausstellung mit Wartezeiten in der
Arztpraxis verbunden.
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11
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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12
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Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass der
Nachweis dafür, dass eine fußpflegerische Leistung eines
Podologen therapeutischen Zwecken dient, nicht nur durch eine
ärztliche Verordnung in Form eines Kassen- oder Privatrezepts,
sondern auch durch andere Unterlagen mit einer gleichwertigen
Aussagekraft geführt werden kann. Allerdings hat das FG keine
ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um
beurteilen zu können, ob dies tatsächlich der Fall
ist.
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1. Die Vorentscheidung, die zu den
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für Januar bis Mai 2012
ergangen ist, ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen
aufzuheben, weil ihr nicht mehr wirksame Verwaltungsakte zugrunde
liegen.
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a) Der während des Revisionsverfahrens
ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2012 vom 7.8.2014
hat die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide, über die das FG
entschieden hat, ersetzt und ist gemäß § 121 Satz 1
i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden
(vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.11.2005
V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337 = SIS 06 12 75, unter
II.1.; vom 5.6.2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, UR 2014, 743 = SIS 14 21 64, Rz 26 ff., m.w.N.).
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b) Damit liegen dem FG-Urteil mehrere in ihrer
Wirkung suspendierte Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch
das FG-Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B.
BFH-Urteile vom 23.8.2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, BFH/NV 2007,
2217 = SIS 07 34 84, unter II.1.a; vom 12.2.2009 V R 61/06, BFHE
224, 467, BStBl II 2009, 828 = SIS 09 16 49, unter II.1.; vom
10.11.2011 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311 = SIS 10 42 41, Rz 23 ff.; vom 11.7.2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266 = SIS 13 01 92, Rz 28, jeweils m.w.N.).
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2. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG
umsatzsteuerfrei sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin,
die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt,
Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer
ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt
werden. Diese Vorschrift setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht
um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich
der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem
betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und
arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der
MwStSystRL sind in gleicher Weise auszulegen; daher kann auch die
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG
weiterhin zur Auslegung herangezogen werden (vgl. EuGH-Urteil vom
10.6.2010 C-86/09 - Future Health Technologies -, Slg. 2010,
I-5215, UR 2010, 540 = SIS 10 26 07, Rz 26 f.). § 4 Nr. 14
Buchst. a UStG ist im Lichte dieser Bestimmungen richtlinienkonform
auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom
19.12.2002 V R 28/00, BFHE 201, 330, BStBl II 2003, 532 = SIS 03 19 06; vom 1.4.2004 V R 54/98, BFHE 205, 505, BStBl II 2004, 681 = SIS 04 27 05).
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a) Der Begriff „Heilbehandlungen im
Bereich der Humanmedizin“ ist ein autonomer
unionsrechtlicher Begriff (vgl. EuGH-Urteile vom 20.11.2003
C-212/01 - Unterpertinger -, Slg. 2003, I-13859, BFH/NV Beilage
2004, 111 = SIS 04 01 34, Rz 35; vom 20.11.2003 C-307/01 - D’
Ambrumenil -, Slg. 2003, I-13989, BFH/NV Beilage 2004, 115 = SIS 04 01 35, Rz 53) und umfasst Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung
und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen dienen (EuGH-Urteil vom 8.6.2006 C-106/05
- L.u.P. -, Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442 = SIS 06 29 72, Rz 27; BFH-Urteil vom 12.8.2004 V R 27/02, BFH/NV 2005, 583 =
SIS 05 16 20). Doch folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die
therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung in einem besonders
engen Sinne zu verstehen ist (EuGH-Urteil vom 10.6.2010 C-262/08 -
CopyGene -, Slg. 2010, I-5053, UR 2010, 526 = SIS 10 26 08, Rz
29).
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b) Dagegen sind Leistungen, die keinem
therapeutischen Ziel dienen, keine Heilbehandlungen (vgl.
EuGH-Urteil vom 14.9.2000 C-384/98 - D. -, Slg. 2000, I-6795,
BFH/NV Beilage 2001, 31 = SIS 00 13 96, Rz 18 f.; BFH-Urteil vom
15.7.2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862 = SIS 04 35 29).
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c) Bei der Frage, ob eine Leistung
therapeutischen oder anderen Zwecken dient, geht es um die
Beurteilung einer medizinischen Frage, die auf medizinischen
Feststellungen beruhen muss, die von dem entsprechenden
Fachpersonal getroffen worden sind; die rein subjektive
Vorstellung, die der Patient von der Leistung hat, ist als solche
für die Beurteilung, ob diese einem therapeutischen Zweck
dient, nicht maßgeblich (vgl. EuGH-Urteil vom 21.3.2013
C-91/12 - PFC Clinic -, HFR 2013, 458, UR 2013, 335 = SIS 13 11 68,
Rz 34 f.; s. dazu auch BFH-Beschluss vom 19.6.2013 V S 20/13,
BFH/NV 2013, 1643 = SIS 13 25 66, Rz 17). Der Steuerpflichtige, der
sich auf die Steuerbefreiung beruft, trägt insoweit die
Feststellungslast (vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24.10.2011
XI B 54/11, BFH/NV 2012, 279 = SIS 12 00 83, Rz 9; vom 8.4.2014 V B
38/13, BFH/NV 2014, 1106 = SIS 14 16 26, Rz 10).
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20
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d) Außerdem muss der Leistungserbringer
über einen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen
(vgl. dazu allgemein EuGH-Urteil vom 27.4.2006 C-443/04 und
C-444/04 - Solleveld u.a. -, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage
2006, 299 = SIS 06 24 66; BFH-Urteile vom 12.8.2004 V R 18/02, BFHE
207, 381, BStBl II 2005, 227 = SIS 05 03 71; vom 11.11.2004 V R
34/02, BFHE 208, 65, BStBl II 2005, 316 = SIS 05 13 20).
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Bei Tätigkeiten im Rahmen des seit 2002
bundesweit gesetzlich geregelten Berufs des Podologen führt
bereits die erfolgreiche Ablegung der staatlichen Prüfung im
Regelfall zu der erforderlichen Berufsqualifikation (vgl.
BFH-Urteil vom 7.2.2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014,
126 = SIS 13 08 44, Rz 19 ff.; ebenso nunmehr Abschn. 4.14.4. Abs.
11 Satz 1 Nr. 10, Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).
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22
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3. Ausgehend davon hat das FG zu Recht
angenommen, dass der erforderliche Nachweis, dass eine
fußpflegerische Leistung eine Heilbehandlung ist, auch ohne
ärztliche Verordnung in Form eines Kassen- oder Privatrezepts
geführt werden kann, wenn andere Unterlagen mit derselben
Aussagekraft wie einer ärztlichen Verordnung vorgelegt werden,
aus denen sich der therapeutische Zweck der Leistung ebenso
eindeutig ergibt.
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a) Der Gesetzgeber hat in § 3 PodG die
Aufgabenstellung des Podologen sowie das Ausbildungsziel wie folgt
definiert:
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„Die Ausbildung soll entsprechend der
Aufgabenstellung des Berufs insbesondere dazu befähigen, durch
Anwendung geeigneter Verfahren nach den anerkannten Regeln der
Hygiene allgemeine und spezielle fußpflegerische
Maßnahmen selbständig auszuführen, pathologische
Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die
eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen, unter
ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung
medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen
und damit bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von
Fußerkrankungen mitzuwirken (Ausbildungsziel).“
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b) Zur Begründung hat der Gesetzgeber
ausgeführt, Ziel sei es, an die Seite der Ärzte einen
qualifizierten Podologen zu stellen, der insbesondere bei
Patienten, bei denen podologische Behandlungen mit erheblichen
Risiken verbunden sein können (wie. z.B. Patienten mit
Durchblutungsstörungen, Diabetes, Blutkrankheiten oder
besonderen Infektionsrisiken), wichtige Aufgaben in der
Prävention, bei der Therapie und der Rehabilitation auf dem
Gebiet der medizinischen Fußpflege übernimmt; daneben
stehe bei „selbstindizierten Behandlungen“ im
Bereich der medizinischen Fußpflege ein erkennbar
qualifizierter Beruf zur Verfügung (BRDrucks 672/00, S. 1,
unter A.). Das Spektrum der medizinischen Fußpflegepraxen
solle sich - orientiert am Ausbildungsziel des PodG - langfristig
auf ein breit gefächertes Tätigkeitsfeld ausrichten,
welches neben der „selbstindizierten Behandlung“
zunehmend durch „medizinisch indizierte“
Behandlungs- und Prophylaxemaßnahmen gekennzeichnet sei
(BRDrucks 672/00, S. 8). Gerade eine fundierte Ausbildung versetze
die Podologin oder den Podologen erst in die Lage, die Grenzen des
Arbeitsbereichs zu erkennen, um dem Patienten auf Veranlassung des
Arztes eine optimale Behandlung zukommen zu lassen (BRDrucks
672/00, S. 8). In Zukunft solle der Arzt für medizinisch
indizierte podologische Maßnahmen der Prävention,
Therapie und Rehabilitation auf einen Fachberuf zurückgreifen
können, dessen Leistungsqualität durch eine geregelte
Ausbildung und eine staatliche Anerkennung garantiert sei (BTDrucks
14/7107, S. 2). Mit der Untersagung der Verwendung der Bezeichnung
„Medizinischer Fußpfleger“ solle deutlich
gemacht werden, dass nur Podologen medizinisch indizierte
Fußpflege (podologische Behandlung auf ärztlicher
Veranlassung) ausüben können (BRDrucks 672/00, S. 15,
erster Absatz).
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c) Aus der Systematik des § 3 PodG und
den genannten Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass hinsichtlich
der Leistungen der Podologen zu differenzieren ist: Sie erbringen
einerseits „selbstindizierte“ Behandlungen, bei
denen sich der Patient dafür entscheidet, einen Podologen in
Anspruch zu nehmen, und außerdem „medizinisch
indizierte“ Behandlungen, bei denen die Leistung unter
ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung
erfolgt. Als Zwischenstufe besteht die Leistung des Podologen
außerdem darin, (z.B. bei Vornahme selbstindizierter
Maßnahmen) pathologische Veränderungen oder Symptome von
Erkrankungen am Fuß zu erkennen, die eine ärztliche
Abklärung erfordern (und nach erfolgter ärztlicher
Abklärung ggf. eine medizinisch indizierte Leistung auf
Veranlassung des Arztes nach sich ziehen können).
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d) Bei „medizinisch
indizierten“ Leistungen i.S. des § 3 PodG handelt es
sich um Heilbehandlungen, während „selbstindizierte
Behandlungen“ keine Heilbehandlungen sind.
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aa) Zwar wirken - wie die Klägerin
zutreffend geltend macht - nach dem Wortlaut des § 3 PodG
Podologen mit allen von ihnen erbrachten Leistungen, also auch den
„selbstindizierten Behandlungen“ i.S. des §
3 Alt. 1 PodG, bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation
von Fußerkrankungen mit.
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bb) Allerdings handelt es sich - insoweit
entgegen der Auffassung der Klägerin und des FG - sowohl beim
Schneiden der Fußnägel als auch beim Entfernen der
Hornhaut um Leistungen, die nicht nur therapeutischen, sondern auch
anderen Zwecken (nämlich der allgemeinen Körperpflege
oder kosmetischen Zwecken) dienen können.
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Deshalb müssen zur zutreffenden
Abgrenzung der steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen von
Podologen grundsätzlich für jeden einzelnen
Leistungsempfänger von dazu befähigtem Fachpersonal
medizinische Feststellungen zum Zweck der Leistung getroffen werden
(vgl. EuGH-Urteil - PFC Clinic - in HFR 2013, 458, UR 2013, 335 =
SIS 13 11 68, Rz 34 f.). Dafür spricht auch, dass der
Gesetzgeber bei Schaffung des PodG im Jahr 2001 davon ausgegangen
ist, dass ein Viertel der an Diabetes erkrankten Personen an
behandlungsbedürftigen Veränderungen am Fuß leiden
(BRDrucks 672/00, S. 9), also drei Viertel nicht. Dies zu
beurteilen ist Aufgabe des behandelnden Arztes oder
Heilpraktikers.
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cc) Selbstindizierte Behandlungen i.S. des
§ 3 Alt. 1 PodG scheiden danach als steuerfreie
Heilbehandlungen von Podologen aus; denn die rein subjektive
Vorstellung des Patienten vom Zweck der Leistung ist als solche
für die Beurteilung, ob der Eingriff einem therapeutischen
Zweck dient, nicht maßgeblich (vgl. EuGH-Urteil - PFC Clinic
- in HFR 2013, 458, UR 2013, 335 = SIS 13 11 68, Rz 34). Will der
Patient erreichen, dass eine Leistung umsatzsteuerfrei an ihn
erbracht werden kann, muss er jedenfalls in dem hier zu
beurteilenden Grenzbereich medizinische Feststellungen von dazu
befähigtem medizinischem Fachpersonal beibringen. Ob dies -
wie die Klägerin behauptet - für den Patienten mit Kosten
und Mühen verbunden ist, ist insoweit unerheblich.
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32
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Die zur Einstufung als Heilbehandlung
erforderlichen medizinischen Feststellungen können Podologen
(hier: die Gesellschafterinnen der Klägerin) nach dem
Berufsbild des § 3 PodG nicht selbst treffen; denn sie sind
aufgrund ihrer Ausbildung nicht dazu befähigt, die
Vorerkrankungen, an denen die Patienten leiden sollen (z.B.
Durchblutungsstörungen, eine laufende Chemotherapie oder
Cortisonbehandlung, die Einnahme von Marcumar oder Immunsuppresiva
oder eine „Bluterkrankheit“), zu
diagnostizieren.
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dd) Hingegen sind medizinisch indizierte
podologische Behandlungen Heilbehandlungen; denn sie erfolgen unter
ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung.
Beides setzt medizinische Feststellungen von dazu befähigtem
Fachpersonal voraus.
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e) Allerdings kann als Nachweis des
therapeutischen Zwecks von Leistungen der Podologen nicht nur, wie
das FA meint, eine ärztliche Verordnung in Form eines Kassen-
oder Privatrezepts dienen.
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aa) Eine vorherige ärztliche Verordnung
einer fußpflegerischen Leistung in Form eines Kassen- oder
Privatrezepts ist zwar ein tauglicher und für den Podologen
äußerst sinnvoller Nachweis des therapeutischen Zwecks
seiner Leistung; denn das Vorliegen oder Fehlen einer vorherigen
ärztlichen Verordnung gewährt dem Podologen
Rechtssicherheit, indem es ihm ermöglicht, seine
umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen zu erkennen, bevor er mit
dem Patienten das Geschäft abschließt, und zu diesem
Zeitpunkt zu wissen, ob er die Umsatzsteuer in den Preis seiner
Leistung einbeziehen muss oder nicht (vgl. dazu EuGH-Urteil vom
6.9.2012 C-273/11 - Mecsek-Gabona -, HFR 2012, 1121, UR 2012, 796 =
SIS 12 25 09, Rz 39, 41, m.w.N.).
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36
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bb) Indes schreibt - entgegen der Auffassung
des FA - weder das nationale Recht noch das Unionsrecht einem
Unternehmer mit beruflichem Befähigungsnachweis zwingend vor,
wie er den Nachweis des therapeutischen Zwecks der von ihm
erbrachten Leistung zu führen hat. Liegen die materiellen
Voraussetzungen einer Norm (hier: der Steuerbefreiung des § 4
Nr. 14 UStG) zweifelsfrei vor, darf deren Anwendung
grundsätzlich nicht allein aufgrund fehlender formeller
Nachweise (hier: eines Kassen- oder Privatrezepts) versagt werden
(vgl. allgemein zu Steuerbefreiungen EuGH-Urteile vom 27.9.2007
C-146/05 - Collée -, Slg. 2007, I-7861 = SIS 08 00 30, BStBl
II 2009, 78 = SIS 08 00 30, Rz 31; vom 27.9.2012 C-587/10 - VSTR -,
HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 = SIS 12 33 67, Rz 46; zum
Vorsteuerabzug s. EuGH-Urteile vom 8.5.2008 C-95/07 und C-96/07 -
Ecotrade -, Slg. 2008, I-3457, UR 2008, 512 = SIS 08 25 48, Rz 63;
vom 21.10.2010 C-385/09 - Nidera Handelscompagnie -, Slg. 2010,
I-10385, UR 2011, 27 = SIS 10 33 43, Rz 51 ff.; vom 1.3.2012
C-280/10 - Polski Trawertyn -, HFR 2012, 461, UR 2012, 366 = SIS 12 11 54, Rz 43; vom 6.2.2014 C-424/12 - Fatorie -, HFR 2014, 383,
Mehrwertsteuerrecht 2014, 125 = SIS 14 04 45, Rz 34 ff.).
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cc) Soweit die Mitgliedstaaten
gemäß Art. 131 der MwStSystRL Bedingungen zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen,
Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festlegen
dürfen, ist dies zwar grundsätzlich zu
berücksichtigen (EuGH-Urteil - PFC Clinic - in HFR 2013, 458,
UR 2013, 335 = SIS 13 11 68, Rz 38); jedoch dürfen sich solche
Maßnahmen nicht auf die Definition des Inhalts der
vorgesehenen Befreiungen erstrecken (vgl. EuGH-Urteile vom
19.1.1982 8/81 - Becker -, Slg. 1982, 53, UR 1982, 70 = SIS 82 04 19, Rz 32; vom 14.12.2006 C-401/05 - VDP Dental Laboratory -, Slg.
2006, I-12121, UR 2007, 104 = SIS 07 03 02, Rz 26; vom 15.11.2012
C-174/11 - Zimmermann -, HFR 2013, 84, UR 2013, 35 = SIS 13 02 30,
Rz 39).
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38
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dd) Dem kann das FA nicht mit Erfolg
entgegenhalten, dass ein Podologe mit Leistungen, die nicht auf
einer ärztlichen Verordnung in Form eines Kassen- oder
Privatrezepts beruhen, außerhalb seines Berufsbilds
tätig sei, das der Mitgliedstaat definieren dürfe; denn
das nationale Berufsrecht der Podologen enthält die vom FA
gesehene Begrenzung des Berufsbilds nicht. Für medizinisch
indizierte Leistungen, zu denen Podologen ebenfalls befähigt
sind, lässt § 3 Alt. 3 PodG eine ärztliche
Veranlassung genügen und verlangt keine ärztliche
Verordnung in Form eines Privat- oder Kassenrezepts, die das FA als
einzig mögliche Nachweise gelten lassen will.
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39
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ee) Unter den genannten Voraussetzungen
können Podologen deshalb den Nachweis des therapeutischen
Zwecks einer Leistung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1,
§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO mit allen zulässigen
Beweismitteln, die diesbezüglich eine vergleichbare
Aussagekraft wie eine ärztliche Verordnung haben, führen,
müssen dabei aber gewärtigen, dass es zu diesem Nachweis
medizinischer Feststellungen am Patienten durch medizinisch dazu
befähigtes Fachpersonal bedarf.
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4. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil
das FG § 3 PodG und damit den Umstand nicht beachtet hat, dass
fußpflegerische Leistungen durch Podologen auch anderen als
therapeutischen Zwecken dienen können und deshalb in jedem
Einzelfall entsprechende medizinische Feststellungen von dazu
befähigtem Fachpersonal zu treffen sind.
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5. Die Sache ist insoweit nicht
spruchreif.
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a) Die Klägerin hat zwar bereits vor
Erlass der angefochtenen Bescheide vorgetragen, dass in der
Patientenkartei das Krankheitsbild, die Grundbeschwerden und die
jeweilige Behandlung des Patienten dokumentiert seien, und im
Klageverfahren zum Beweis dem FG die Vorlage der Patientenkartei
angeboten, worauf das FA verzichtet hat. Allerdings reicht dies
für eine Steuerbefreiung nicht aus, weil sich daraus nicht
ergibt, wer das Krankheitsbild und die Grundbeschwerden
diagnostiziert hat.
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b) Soweit die Klägerin im
Revisionsverfahren geltend gemacht hat, das Krankheitsbild sei
„aufgrund ärztlicher Diagnose“ festgestellt
und die Patienten verfügten über einen „vom Arzt
ausgestellten Krankheitsausweis“, der in Kopie in der
jeweiligen Patientenkartei aufbewahrt werde, fehlen entsprechende
tatsächliche Feststellungen des FG. Diesen Nachweis wird die
Klägerin deshalb im zweiten Rechtsgang für jeden
einzelnen Patienten zu erbringen haben.
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c) Da von Podologen behandelte Zustände
nicht zwingend chronisch sind, muss die Klägerin
außerdem nachweisen, dass die medizinischen Feststellungen
von dem dazu qualifizierten Fachpersonal in den medizinisch
gebotenen zeitlichen Abständen erneuert wurden, damit
ersichtlich ist, dass der ursprünglich vorhandene
therapeutische Zweck trotz der mittlerweile erfolgten Behandlungen
immer noch fortbestand.
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d) Verbleibende Zweifel am therapeutischen
Zweck (etwa deshalb, weil der therapeutische Zweck im Zeitpunkt der
Behandlung im Nachhinein nicht mehr mit dem für eine
richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Grad an
Gewissheit festgestellt werden kann) gehen zu Lasten der
Klägerin, die insoweit in besonderem Maße
darlegungspflichtig ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1643 =
SIS 13 25 66, Rz 17).
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