1
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I. Streitig ist, ob der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern - BZSt - )
den Antrag der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) auf Vergütung von Vorsteuern für den
Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 zu Recht abgelehnt hat.
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Die Klägerin ist ein in der Schweiz
ansässiges Unternehmen in der Rechtsform einer AG, das
Schuhhandel betreibt. Am 31.1.2007 stellte sie einen beim BZSt am
2.2.2007 eingegangenen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern
für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 in Höhe von
36.391,94 EUR. Der Antrag ging in Kopie ein und enthielt auf Seite
2 das Ausstellungsdatum „20.04.2006“, den Firmenstempel
der Klägerin sowie die Unterschrift „H.B.“. In dem
Begleitschreiben gab die Klägerin an, dass sie das Original
des Antrags am 20.4.2006 beim BZSt eingereicht habe.
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3
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Nachdem das BZSt der Klägerin am
23.4.2007 mitgeteilt hatte, dass kein Antrag vom 20.4.2006 vorliege
und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand hingewiesen hatte, reichte die Klägerin mit einem am
3.5.2007 beim BZSt eingegangenen Schreiben vom 30.4.2007 eine
weitere Kopie des Antragsformulars vom 20.4.2006 sowie
Rechnungskopien ein. Zum Antrag vom 20.4.2006 trug die
Klägerin vor, dass dieser mit normaler Post versandt worden
und ein Postabsendevermerk nicht erstellt worden sei.
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4
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Mit Bescheid vom 17.10.2007 lehnte das BZSt
die beantragte Vergütung ab und verwies zur Begründung
darauf, dass der Vergütungsantrag erst nach Ablauf der
Antragsfrist eingegangen sei und die Voraussetzungen für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen.
Außerdem sei der Antrag nicht eigenhändig vom
Unternehmer, sondern von der Prokuristin des Unternehmens (H.B.)
unterschrieben worden. Hiergegen legte die Klägerin am
6.11.2007 Einspruch ein. Mit dem am 20.3.2008 beim BZSt
eingegangenen Schreiben vom 18.3.2008 reichte die Klägerin
weitere Unterlagen ein und beantragte Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand. Dem Schreiben war nunmehr ein vom gesetzlichen
Vertreter der Klägerin (Verwaltungsrat T.M.) eigenhändig
unterschriebener Vergütungsantrag beigefügt.
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5
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Das BZSt wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 21.5.2008 als unbegründet
zurück, weil der Vergütungsantrag verspätet
eingegangen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne
nicht gewährt werden, denn die versäumte Handlung
(„eigenständig vom gesetzlichen Vertreter
unterschriebener Antrag“) sei erst am 18.3.2008 und damit
nach Ablauf der Monatsfrist des § 110 der Abgabenordnung (AO)
beim BZSt eingegangen.
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6
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Die dagegen eingelegte Klage wies das
Finanzgericht (FG) mit dem - nur als Leitsatz - in EFG 2011, 841 =
SIS 11 07 91 veröffentlichten Urteil als unbegründet
ab.
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Der Gewährung von Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand stehe der Ablauf der Jahresfrist des § 110
Abs. 3 AO entgegen, da die Klägerin erstmals am 20.3.2008 und
damit nach Ablauf der Jahresfrist einen ordnungsgemäß
von ihrem gesetzlichen Vertreter (Verwaltungsrat T.M.)
unterschriebenen Vergütungsantrag eingereicht habe. Die
innerhalb der Jahresfrist eingegangenen Anträge vom 2.2.2007
und vom 3.5.2007 seien lediglich von der Prokuristin der
Klägerin und damit nicht „eigenhändig“ i.S.
von § 18 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes in der im
Vergütungszeitraum geltenden Fassung (UStG) unterschrieben
worden.
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8
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Von dem Erfordernis der eigenhändigen
Unterschrift des gesetzlichen Vertreters könne auch nicht im
Hinblick auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben abgesehen werden. Der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe zwar mit Urteil
vom 3.12.2009 C-433/08 (Slg. 2009, I-11487 = SIS 10 02 38) in der
Sache Yaesu Europe BV entschieden, dass das Erfordernis der
Eigenhändigkeit in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG gegen Art. 6
der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6.12.1979 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuer – Verfahren zur Erstattung der
Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige
(Achte EG-Richtlinie) verstoße. Der Streitfall betreffe
jedoch ein im Drittland (Schweiz) ansässiges Unternehmen,
für das nicht die Achte EG-Richtlinie, sondern die Dreizehnte
Richtlinie 86/560/EWG des Rates zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer
– Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im
Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Dreizehnte
EG-Richtlinie) gelte. In der unterschiedlichen Behandlung von im
Drittland zu im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern
liege kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art.
12 des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft - EGV - (nunmehr Art. 18 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - ).
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Die Klägerin könne sich im Rahmen
der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) auch
nicht darauf berufen, von der Versäumung der Jahresfrist
infolge eines fehlenden Hinweises des BZSt auf die nicht
ordnungsgemäße Unterzeichnung des Vergütungsantrags
keine Kenntnis gehabt zu haben. Denn sie sei nicht durch ein
aktives Verhalten des BZSt von einer ordnungsgemäßen
Antragstellung abgehalten worden.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, ihr sei vom FG zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand versagt worden:
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Das FG habe übersehen, dass der
nationale Gesetzgeber in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG das
Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift sowohl für
Unternehmer mit Ansässigkeit im Gemeinschaftsgebiet als auch
für Unternehmer mit Ansässigkeit in Drittstaaten
einheitlich geregelt habe und im Hinblick auf
gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in beiden Fällen von dem
Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift abzusehen
sei.
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Eine unterschiedliche Behandlung könne
weder dem Gesetzestext noch den -materialien entnommen werden. In
§ 18 Abs. 9 Sätze 6 bis 8 UStG habe der Gesetzgeber
lediglich Sonderregelungen für Unternehmer getroffen, die
nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind. Auch die
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) sehe für den
Streitzeitraum keine Unterscheidung vor. In § 59 UStDV werde
einheitlich von „im Ausland ansässigen
Unternehmern“ gesprochen, § 60 UStDV regele den
Vergütungszeitraum einheitlich und § 61 UStDV den
Vordruck für das Vergütungsverfahren. § 61 Abs. 2
UStDV regele eine Differenzierung nur für den Mindestbetrag
der Erstattung. Die Gesetzessystematik zeige somit, dass der
deutsche Gesetzgeber von einer Gleichbehandlung der im Ausland
ansässigen Unternehmer ausgehe und abweichende Regelungen nur
dort getroffen habe, wo er es für notwendig gehalten habe.
Für eine Gleichbehandlung spreche auch die Präambel der
Dreizehnten EG-Richtlinie, wonach eine harmonische Entwicklung der
Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den
Drittländern dadurch gewährleistet werden solle, dass man
sich an der Achten EG-Richtlinie ausrichte und dabei den
unterschiedlichen Verhältnissen in den Drittländern
Rechnung trage.
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Das EuGH-Urteil Yaesu Europe BV in Slg.
2009, I-11487 entfalte Rechtswirkungen auch für solche
Fälle, in denen das Vergütungsverfahren auf der
Dreizehnten EG-Richtlinie beruhe. Demnach genüge die
Unterschrift eines Bevollmächtigten des Unternehmens und es
liege innerhalb der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO ein
ordnungsgemäßer Antrag auf Vorsteuervergütung
vor.
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Im Hinblick auf die versäumte
Ausschlussfrist sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
gewähren. Die Versäumnis beruhe ausschließlich auf
einem Postversehen und sei deshalb von der Klägerin nicht zu
vertreten. Dies und genaue Angaben dazu, wann, in welcher Weise und
von welcher Person die Unterlagen zur Post gegeben worden sind,
habe die Klägerin durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft
gemacht. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei auch innerhalb eines
Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt und die
versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt
worden. Sie habe bereits am 20.4.2006 ordnungsgemäß
unter Verwendung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden
Formblattes unter Beifügung der Originalbelege die
Vergütung der Umsatzsteuer beantragt. Da diese per Post
versandten Unterlagen beim BZSt nie eingetroffen seien, habe sie am
2.2.2007 und am 30.4.2007 die kopierten Unterlagen nachgereicht.
Damit hätten spätestens ab dem 2.2.2007 alle zu
beurteilenden Unterlagen vorgelegen. Die vom BZSt am 23.4.2007
angeforderten Nachweise zu den Umständen der Postversendung
seien mit Schreiben vom 30.4.2007 dargelegt worden. Dem BZSt
hätten somit die für die Frage der Wiedereinsetzung
entscheidungserheblichen Tatsachen spätestens am 30.4.2007 und
damit innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses
vorgelegen.
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Hilfsweise sei Wiedereinsetzung zu
gewähren, weil die Fristversäumnis im Hinblick auf die
Eigenhändigkeit der Unterschrift des Antrags auf einer
Verletzung des § 89 Abs. 1 AO durch das BZSt beruhe. Dieses
habe seine Hinweis- und Auskunftspflicht nicht im erforderlichen
Maße wahrgenommen und dadurch den Rechtsirrtum der
Klägerin bezüglich des Eigenhändigkeitsgebots
aufrechterhalten. Das BZSt habe den bereits in früheren
Veranlagungszeiträumen aufgetretenen Unterschriftmangel nicht
beanstandet und so gegen seine Hinweispflicht aus § 89 AO
verstoßen. Die für eine Wiedereinsetzung sprechenden
Tatsachen seien vor Ablauf der Jahresfrist aus den vorliegenden
Akten erkennbar gewesen. Bei sofortiger Entscheidung des BZSt
hätte daher eine Wiedereinsetzung gewährt werden
müssen.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG Köln vom 9.11.2010 2 K 2047/08 und die
Einspruchsentscheidung vom 21.5.2008 aufzuheben und das BZSt zu
verpflichten, Vorsteuern für den Vergütungszeitraum
Oktober bis Dezember 2005 entsprechend dem Antrag der Klägerin
zu vergüten.
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Das BZSt beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Es schließt sich der Begründung
des FG an und führt ergänzend aus: Soweit die
Klägerin geltend mache, der deutsche Gesetzgeber habe durch
§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG Antragsteller aus Mitgliedstaaten und
solche aus Drittstaaten nicht unterschiedlich behandeln wollen,
lasse die Gesetzessystematik einen solchen Schluss nicht zu. Es
fänden sich keine Anhaltspunkte für eine bewusste
Gleichbehandlung von beiden Gruppen von Antragstellern. Vielmehr
sei aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG abzuleiten,
dass alle Antragsteller das besondere Formerfordernis der
eigenhändigen Unterschrift des Unternehmers erfüllen
müssten. Obwohl § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG nach der
EuGH-Entscheidung Yaesu Europe EV in Slg. 2009, I-11487 dahingehend
auszulegen sei, dass Antragsteller aus den Mitgliedstaaten auch
durch einen Bevollmächtigten den Vergütungsantrag wirksam
zeichnen könnten, habe der Gesetzgeber nicht geregelt, dass
§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG keine Anwendung mehr beanspruchen
sollte, vielmehr habe er für Drittstaaten unverändert an
der gesetzlichen Regelung festgehalten.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat
innerhalb der Ausschlussfrist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG
keinen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag gestellt
und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
nach § 110 AO liegen nicht vor.
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1. Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur
Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der
Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die
Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im
Ausland ansässige Unternehmer abweichend von § 16 und von
§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG in einem besonderen Verfahren regeln;
von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in
§§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht.
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21
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Der Vergütungsantrag ist nach § 18
Abs. 9 Satz 3 UStG binnen sechs Monaten nach Ablauf des
Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch
entstanden ist. Bei dieser Frist handelt es sich nicht nur um eine
sog. Ordnungsfrist, sondern um eine nicht verlängerbare
Ausschlussfrist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.10.1999
V R 76/98, BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214 = SIS 00 04 03;
EuGH-Urteil vom 21.6.2012 C-294/11, Elsacom, BFH/NV 2012, 1404 =
SIS 12 19 41 zur sechsmonatigen Frist nach Art. 7 Abs. 1 der Achten
EG-Richtlinie). Der Antrag ist ferner eigenhändig zu
unterschreiben (§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG).
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22
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Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschriften
ist für die Vorsteuervergütung an im Gemeinschaftsgebiet
ansässige Unternehmer die Achte EG-Richtlinie, für die
Vorsteuervergütung an nicht im Gemeinschaftsgebiet
ansässige Unternehmer wie die Klägerin dagegen die
Dreizehnte EG-Richtlinie.
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23
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a) Da juristische Personen zwar
antragsberechtigte Unternehmer, verfahrensrechtlich aber nicht
handlungsfähig sind, ist die eigenhändige Unterschrift
ihres gesetzlichen Vertreters oder eines besonders Beauftragten
erforderlich (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 AO).
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24
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Gesetzlicher Vertreter ist bei einer
juristischen Person deren Vorstand oder Geschäftsführer
(vgl. BFH-Urteil vom 30.10.2008 III R 107/07, BFHE 223, 571, BStBl
II 2009, 352 = SIS 09 05 65, unter II.2.). Unter
„besonders Beauftragte“ fallen diejenigen
natürlichen Personen, die nicht zu den gesetzlichen Vertretern
natürlicher oder juristischer Personen i.S. von § 34 Abs.
1 AO gehören und die kraft Steuerverfahrensrecht die
steuerlichen Pflichten sonstiger verfahrenshandlungsunfähiger
Steuerrechtssubjekte erfüllen müssen und deren Rechte
wahrnehmen. Das sind die Geschäftsführer
nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen und
Vermögensmassen i.S. von § 34 Abs. 2 und 3 AO, die
entsprechende Pflichten zu erfüllen haben. Dementsprechend
handeln für juristische Personen und Personenvereinigungen,
soweit sie gesetzliche Vertreter haben, diese (vgl. BFH-Urteil vom
15.10.1998 III R 58/95, BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237 = SIS 99 04 93 zur Investitionszulage). Ein Antrag durch einen Prokuristen -
wie im Streitfall - ist daher unwirksam (vgl. BFH-Urteil vom
16.5.2002 III R 27/01, BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668 = SIS 02 84 81 zur Investitionszulage).
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b) Vom Erfordernis der eigenhändigen
Unterschrift bei in Drittstaaten ansässigen Unternehmern kann
weder aufgrund der EuGH-Rechtsprechung in der Sache Yaesu Europe BV
in Slg. 2009, I-11487 noch aufgrund der Gesetzessystematik des
§ 18 Abs. 9 UStG und auch nicht nach der Dreizehnten
EG-Richtlinie abgesehen werden.
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aa) Im Urteil Yaesu Europe BV in Slg. 2009,
I-11487 hat der EuGH entschieden, dass das Erfordernis einer
„eigenhändigen Unterschrift“ nach § 18
Abs. 9 Satz 5 UStG in der für 2006 gültigen Fassung gegen
Art. 6 i.V.m. Anhang A der Achten EG-Richtlinie verstoße. Die
Unterschrift eines Bevollmächtigten sei ausreichend, weil der
Begriff der Unterschrift in der Achten EG-Richtlinie nicht
definiert und daher gemeinschaftsrechtlich einheitlich auszulegen
sei. Da in der Achten EG-Richtlinie lediglich eine nicht näher
spezifizierte „Unterschrift“ gefordert werde,
die Mitgliedstaaten aber keine über die Richtlinie
hinausgehenden Erfordernisse aufstellen dürften, seien sie
nicht berechtigt, eine „eigenhändige“
Unterschrift des Unternehmers zu fordern. Diese Grundsätze
führen jedoch nicht dazu, dass auch im Streitfall eine
Vertretung durch einen Bevollmächtigten (Prokuristen)
zulässig wäre. Denn der dem EuGH-Urteil zugrunde liegende
Sachverhalt betraf einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen
Unternehmer, während es sich bei der Klägerin um eine im
Drittlandgebiet ansässige Unternehmerin handelt, für
deren Vergütungsanspruch nicht die Achte EG-Richtlinie,
sondern die Dreizehnte EG-Richtlinie gilt.
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bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin
ergibt sich aus der Gesetzessystematik des § 18 Abs. 9 Satz 5
UStG nicht, dass in Drittstaaten ansässige Unternehmer ihren
Vergütungsantrag nicht eigenhändig unterzeichnen
müssen. Das zu Unternehmern in Mitgliedstaaten ergangene
EuGH-Urteil Yaesu Europe BV in Slg. 2009, I-11487 ändert
nichts an der Wirksamkeit des Eigenhändigkeitserfordernisses
für Unternehmen aus Drittstaaten.
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§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG ist im Hinblick
auf die unionrechtswidrige Regelung für Mitgliedstaaten nicht
nichtig, sondern insoweit lediglich unanwendbar. Denn das
supranationale Recht der Europäischen Union entfaltet keine
rechtsvernichtende Wirkung gegenüber dem mitgliedstaatlichen
Recht, sondern drängt nur dessen Anwendung insoweit
zurück, wie es die Verträge erfordern und es die durch
das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben.
Mitgliedstaatliches Recht wird somit lediglich im Umfang der
Unionsrechtswidrigkeit unanwendbar (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 19.7.2011 1 BvR 1916/09,
Le Corbusier, BVerfGE 129, 78 = SIS 12 00 97, Leitsatz 1e sowie Rz
81). Der Anwendungsvorrang führt im Rahmen der
unionsrechtskonformen Auslegung zur Zurückdrängung des
Eigenhändigkeitserfordernisses nur für Unternehmer mit
Sitz in den Mitgliedstaaten, nicht aber für Unternehmer mit
Sitz in Drittstaaten. Eine vom nationalen Recht abweichende
Auslegung aufgrund Unionsrecht kommt für Unternehmer in
Drittstaaten daher nicht in Betracht. Das EuGH-Urteil Yaesu Europe
BV in Slg. 2009, I-11487 schränkt somit lediglich den
Anwendungsbereich des Eigenhändigkeitserfordernisses in §
18 Abs. 9 Satz 5 UStG für Unternehmen mit Sitz im
Gemeinschaftsgebiet ein.
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cc) Ein Absehen vom
Eigenhändigkeitserfordernis des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG
zugunsten der im Drittland ansässigen Klägerin käme
nur dann in Betracht, wenn nach der für Drittlandunternehmen
geltenden Dreizehnten EG-Richtlinie dieselbe Rechtslage wie nach
der für Gemeinschaftsunternehmen geltenden Achten
EG-Richtlinie bestünde. Dies ist indes nicht der Fall: Zwar
weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Präambel
der Dreizehnten EG-Richtlinie eine „harmonische
Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und
den Drittländern“ beabsichtigt und zur Erreichung
dieses Ziels eine Ausrichtung an der Achten EG-Richtlinie
vorgesehen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass die beiden
Vergütungsverfahren gleich ausgestaltet sind.
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Während die Achte EG-Richtlinie regelt,
dass die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen außer den in
Art. 3 und 4 bezeichneten Pflichten keine anderen Pflichten
auferlegen dürfen, geht die Dreizehnte EG-Richtlinie weit
darüber hinaus. Denn die Mitgliedstaaten können nach Art.
4 Abs. 2 der Dreizehnten EG-Richtlinie den Ausschluss bestimmter
Ausgaben vorsehen oder die Erstattung von
„zusätzlichen Bedingungen“ abhängig
machen. Hinzu kommt, dass Art. 3 der Dreizehnten EG-Richtlinie den
Mitgliedstaaten ermöglicht, die Modalitäten des
Erstattungsverfahrens (z.B. Antragstellung einschließlich
Antragsfristen, Erstattungszeitraum, zuständige
Erstattungsbehörden, Mindestbeträge, Erstattungsfristen,
Nachweis der Unternehmereigenschaft) selbst zu bestimmen, soweit
sie beachten, dass die Erstattungsbedingungen für
Drittlandunternehmen nicht günstiger sind als für
Unternehmer, die in der EU ansässig sind. Im Hinblick auf
diese Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten schreibt die
Dreizehnte EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten - im Unterschied zur
Achten EG-Richtlinie (Anhang A) - kein zu verwendendes
Antragsmuster mit der Rubrik „Unterschrift“ vor.
Schließlich ergibt sich aus Art. 2 Abs. 3 der Dreizehnten
EG-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten die Benennung eines
steuerlichen Vertreters verlangen können. Diese Regelung
spricht nicht, wie teilweise im Schrifttum vertreten wird (Slapio
in Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht - EWS - 2010, 153
ff.; Burgmaier, UR 2010, 146 ff., 150), für die
Zulässigkeit einer Bevollmächtigtenunterschrift, sondern
bedeutet lediglich, dass es den Mitgliedstaaten frei steht, von
dieser Möglichkeit durch nationales Recht Gebrauch zu machen
oder stattdessen die eigenhändige Unterschrift des
antragstellenden Unternehmers zu verlangen. Machen sie von der
Ermächtigung - wie die Bundesrepublik Deutschland - keinen
Gebrauch und fordern die Eigenhändigkeit der Unterschrift,
kann nicht von einem Wahlrecht des Unternehmers ausgegangen werden.
Vielmehr ist trotz des EuGH-Urteils Yaesu Europe BV in Slg. 2009,
I-11487 für Drittlandunternehmen am Erfordernis der
Eigenhändigkeit des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG festzuhalten
(vgl. auch Treiber in Sölch/Ringleb, § 18 Rz 154; Leonard
in Bunjes, UStG, 11. Aufl., § 18 Rz 43; Huschens in
Plückebaum/Widmann, UStG, § 18 Abs. 9 Rz 58 und Rz 140;
Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, UStG, § 214 Rz 307;
Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Rz 714 und 224
f.; Nieskens, EU-Umsatzsteuer-Berater 2010, 4; Burgmaier, UR 2010,
146; a.A. Prätzler/Bach, Umsatzsteuer-Berater 2010, 341;
Slapio in EWS 2010, 153; Haupt, UR 2007, 602, 606).
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31
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c) Das Erfordernis der eigenhändigen
Unterschrift des Unternehmers verstößt nicht gegen das
unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es
ist zur Erreichung eines legitimen Zieles geeignet und geht nicht
über das erforderliche Maß hinaus:
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aa) Das Unterschriftserfordernis ist zur
Erreichung eines legitimen Zieles geeignet. Nach der Präambel
der Dreizehnten EG-Richtlinie sowie Art. 4 Abs. 1 der Dreizehnten
EG-Richtlinie müssen bestimmte Formen der Steuerhinterziehung
und Steuerumgehung vermieden werden. Durch die eigenhändige
Unterschrift übernimmt der vergütungsberechtigte
Unternehmer - wie allgemein bei Steuererklärungen - die
Verantwortung für die Richtigkeit der erklärten Tatsachen
und eingereichten Belege (vgl. BFH-Urteile in BFHE 198, 283, BStBl
II 2002, 668 = SIS 02 84 81; vom 13.12.2001 III R 24/99, BFHE 196,
464, BStBl II 2002, 159 = SIS 02 05 70; in BFHE 187, 141, BStBl II
1999, 237 = SIS 99 04 93 zum Erfordernis der Eigenhändigkeit
bei Anträgen auf Investitionszulage). Das Erfordernis der
Eigenhändigkeit geht mit der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit des Unternehmers für die erklärten
Tatsachen einher und trägt daher zur Vermeidung von
Steuerhinterziehungen bei.
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33
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bb) Das Erfordernis der Eigenhändigkeit
der Unterschrift ist nicht unverhältnismäßig, denn
es gilt nach nationalem Recht nicht ausnahmslos, vielmehr sieht
§ 150 Abs. 3 Satz 1 AO Ausnahmen hiervon vor, wenn der
Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen
Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift
gehindert ist.
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34
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d) Die Unterscheidung zwischen Unternehmen in
den Mitgliedstaaten und solchen in Drittstaaten führt weder zu
einem Verstoß gegen unionsrechtliche noch gegen
abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote.
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aa) Die dem Anwendungsbereich der Dreizehnten
EG-Richtlinie unterliegenden Unternehmer in Drittländern
werden hinsichtlich des Unterschriftserfordernisses zwar anders
behandelt als die dem Anwendungsbereich der Achten EG-Richtlinie
unterliegenden Unternehmer im Unionsgebiet. Dies
verstößt aber nicht gegen das Verbot der Diskriminierung
nach Art. 12 EGV; nunmehr Art. 18 AEUV. Danach ist unbeschadet
besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem
Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der
Staatsangehörigkeit verboten. Dieses Diskriminierungsverbot
setzt voraus, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats nur
aufgrund seiner Staatsangehörigkeit gegenüber den
Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats anders behandelt
wird. Das Verbot findet somit - wie im Streitfall - keine Anwendung
im Falle einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen der
Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen (vgl. EuGH-Urteil
vom 4.6.2009 C-22/08 und C-23/08, Vatsouras Koupatantze, Slg. 2009,
I-4585 Rdnr. 52).
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bb) Der Senat kann offen lassen, ob die in der
Schweiz ansässige und Schuhhandel betreibende Klägerin
aus dem Inland Waren oder Dienstleistungen bezieht und damit in den
Anwendungsbereich des General Agreement on Tariffs and Trade - GATT
1994 - (BGBl II 1994, 1438) oder des General Agreement on Trade in
Services - GATS - (BGBl II 1994, 1643) fällt, da beide
Abkommen inhaltsgleiche Diskriminierungsverbote enthalten (Art. 1
Abs. 1 GATT 1994, Art. 2 Abs. 2 GATS). Diese Abkommen gewähren
jedoch dem Einzelnen keine subjektiven Rechte. Denn etwaige
Verstöße sind nur im Rahmen eines von den
Mitgliedstaaten einzuleitenden Verfahrens zu überprüfen
(vgl. Keil, IStR 1996, 561, 563, unter 5., m.w.N.), während
sich der Einzelne vor nationalen Behörden und Gerichten nicht
auf das GATT oder andere Welthandelsorganisations-Regeln berufen
oder ihre Verletzung geltend machen kann (vgl. Herdegen,
Internationales Wirtschaftsrecht, 9. Aufl., München 2011,
§ 10 Rz 100; zum GATT: EuGH-Urteil vom 9.9.2008 C-120/06 P und
C-121/06 P, Slg. 2008, I-6513 = SIS 08 38 53-6618, Leitsatz 3,
sowie grundlegend EuGH-Urteil vom 5.10.1994 C-280/93, Slg. 1994,
I-4973, Deutschland/Rat Rdnrn. 103 ff., 108/109, m.w.N., sog.
Bananenstreit, HFR 1995, 48, Leitsatz 9).
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cc) Auch aus Art. 25 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen (DBA-Schweiz)
vom 19.1.1973 (BGBl II 1973, 74) ergibt sich nichts Anderes; denn
dieser regelt ebenso wie Art. 11 Abs. 1 des Abkommens zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik
Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete
der Nachlass- und Erbschaftsteuern (BGBl II 1980, 1341, BStBl I
1980, 786), dass die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates
in dem anderen Vertragsstaat weder einer Besteuerung noch einer
damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden
dürfen, die anders oder belastender sind als die Besteuerung
und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen die
Staatsangehörigen des anderen Staates unter den gleichen
Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden
können. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon
ausgeht, dass das Diskriminierungsverbot nach Art. 25 Abs. 1
DBA-Schweiz auch im Bereich der Umsatzsteuer gilt (vgl. Hardt in
Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 25 DBA-Schweiz Rz 67),
scheidet ein Verstoß gegen diese Diskriminierungsverbote
jedoch bereits deswegen aus, weil § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG
hinsichtlich des Eigenhändigkeitserfordernisses nicht an die
Staatsangehörigkeit anknüpft, sondern auf die
Ansässigkeit des Unternehmens abstellt. Die Ansässigkeit
richtet sich gemäß Art. 1 Nr. 1a der Dreizehnten
EG-Richtlinie sowie nach Art. 1 der Achten EG-Richtlinie nicht nach
der Staatsangehörigkeit des Unternehmers, sondern nach dem
Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens, dem Ort
der Niederlassung oder dem Wohnsitz oder dem üblichen
Aufenthaltsort des Unternehmers. Dementsprechend gilt das
Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift auch für
deutsche Staatsangehörige, die ihr Unternehmen in der Schweiz
betreiben und dort ansässig sind.
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dd) Nach Art. 2 des Abkommens zwischen der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits
und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über
die Freizügigkeit vom 2.9.2001 (BGBl II 2001, 810 ff.)
dürfen Staatsangehörige einer Vertragspartei, die sich
rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei
aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den
Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer
Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Dieses
Diskriminierungsverbot betrifft nur natürliche Personen und
ist damit im Falle einer juristischen Person - wie im Streitfall -
nicht anwendbar. Im Übrigen läge auch kein Verstoß
gegen das Gebot der Nichtdiskriminierung vor, da sich die
unterschiedliche Behandlung aus der Nichtansässigkeit der
Klägerin im Gemeinschaftsgebiet ergibt.
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e) Schließlich kommt auch ein
Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) schon deshalb nicht in
Betracht, weil Art. 19 Abs. 3 GG eine Anwendung von Grundrechten
nur für inländische juristische Personen vorsieht. Nach
dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 129, 78 = SIS 12 00 97
erstreckt sich die Grundrechtsberechtigung des Art. 19 Abs. 3 GG
aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt
(Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots
wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) zwar auch auf
juristische Personen aus dem EU-Raum, nicht dagegen auf im
Drittland ansässige Personen - wie hier die Klägerin -
(vgl. BFH-Beschluss vom 24.1.2001 I R 81/99, BFHE 195, 119, BStBl
II 2001, 290 = SIS 01 07 28, unter II.1. betreffend
Kapitalgesellschaft mit Sitz in Hongkong).
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Im Übrigen ist Art. 3 Abs. 1 GG nur
verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der
Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die
gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt, also zwischen
den Vergleichsgruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung
rechtfertigen können (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 8.6.2004
2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 = SIS 04 36 31, unter C.II.1., und vom
21.7.2010 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400 = SIS 10 22 40, unter
B.I.2.b bb). Das ist nicht der Fall, denn in Bezug auf Unternehmen,
die in einem Drittland ansässig sind, sind die
Kontrollmöglichkeiten beschränkt, während in Bezug
auf die in den Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen deren
Verwaltungsbehörden zur Zusammenarbeit, insbesondere auch zur
Betrugsbekämpfung, verpflichtet sind (vgl. die Verordnung (EU)
Nr. 904/2010 des Rates vom 7.10.2010, Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 268/1 bzw. die VO
Nr. 1798/2003 vom 7.10.2003, ABlEG Nr. L 264, jeweils über die
Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die
Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer).
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2. Die Klägerin hat, wie das FG zu Recht
entschieden hat, innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist keinen
ordnungsgemäßen Vergütungsantrag beim BZSt
gestellt.
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Für den Vergütungszeitraum Oktober
bis Dezember 2005 hätte die Klägerin einen formal
ordnungsgemäßen Vergütungsantrag bis zum 30.6.2006
beim BZSt einreichen müssen. Dies ist nach den mit einer
Revision nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden
Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht geschehen. Ein
Vergütungsantrag vom 20.4.2006 ist beim BZSt nicht
eingegangen.
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3. Die Versäumung der rechtzeitigen
Einreichung eines Vergütungsantrags kann nicht durch
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden.
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Nach § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand
ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist
einzuhalten. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des
Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die
Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der
Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu
machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung
nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Satz 3 AO). Ist dies geschehen, kann
Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 110
Abs. 2 Satz 4 AO). Nach einem Jahr seit Ende der versäumten
Handlung kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die
versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer
wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt
unmöglich war (§ 110 Abs. 3 AO).
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a) Wie das FG zu Recht entschieden hat, liegen
die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
(§ 110 AO) in die von der Klägerin versäumte
Ausschlussfrist hinsichtlich der Wiedereinsetzungsanträge vom
31.1.2007 und vom 30.4.2007 nicht vor, denn diese waren nicht
formwirksam, da sie nicht vom gesetzlichen Vertreter der
Klägerin oder einem besonders Beauftragten i.S. von § 79
Abs. 1 Nr. 3 AO unterschrieben wurden.
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aa) Gesetzlicher Vertreter (§ 79 Abs. 1
Nr. 3 Alt. 1 AO) einer in der Schweiz gegründeten
Aktiengesellschaft ist der Verwaltungsrat, der die Gesellschaft
nach außen vertritt (Art. 718 Abs. 1 des Schweizerischen
Obligationenrechts). Nach den von der Klägerin nicht
angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG
war dies Herr T.M. als Präsident des Verwaltungsrats. Die o.g.
Vergütungsanträge sind nicht von diesem, sondern von Frau
H.B. unterzeichnet, die nicht dem Verwaltungsrat der Klägerin
angehörte, sondern gemäß Art. 721 des
Schweizerischen Obligationenrechts vom Verwaltungsrat ernannt
worden und als Prokuristin tätig war.
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bb) Prokuristen gehören nicht zu den
besonders Beauftragten i.S. von § 79 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AO
(s.o. unter II.1.a). Ein durch einen Prokuristen - wie im
Streitfall von Frau H.B. - für eine juristische Person
gestellter Antrag ist daher nicht als Antrag des gesetzlichen
Vertreters dieser juristischen Person anzusehen.
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cc) Die versäumte Handlung in Gestalt
eines eigenhändig unterschriebenen Vergütungsantrags
wurde nicht innerhalb eines Monats nachgeholt. Die Klägerin
hat erst am 28.3.2008 und damit nach Ablauf der bis 30.6.2007
laufenden Jahresfrist einen „eigenhändig“
unterschriebenen Vergütungsantrag eingereicht.
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dd) Die Voraussetzungen des § 150 Abs. 3
AO zur ausnahmsweise zulässigen Unterschrift des
Bevollmächtigten liegen nicht vor. Der dauernde Aufenthalt des
gesetzlichen Vertreters der Klägerin in der Schweiz, am
Unternehmerort der Klägerin, begründet keine längere
Abwesenheit i.S. von § 150 Abs. 3 Satz 1 AO, da sich aus
§ 150 Abs. 3 Satz 2 AO ergibt, dass die vom Gesetz genannten
Hinderungsgründe von vorübergehender Natur sein
müssen.
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b) Auch die Voraussetzungen des § 110
Abs. 3 AO lagen nicht vor.
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aa) Am 28.3.2008 hat die Klägerin zwar
einen „eigenhändig“ unterschriebenen
Vergütungsantrag eingereicht und damit die versäumte
Handlung nachgeholt. Dies geschah jedoch erst nach Ablauf der
Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO.
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bb) Die Jahresfrist gilt nach § 110 Abs.
3 AO nur dann nicht, wenn vor deren Ablauf die Einlegung des
Rechtsbehelfs infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen
ist. Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches
Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch die
äußerste, nach Lage der Sache von dem Betroffenen zu
erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte. Darunter
fällt zwar auch ein Umstand, der dem Beteiligten die
rechtzeitige Vornahme einer fristgebundenen Handlung unzumutbar
macht und damit aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Bereich
der höheren Gewalt zuzuordnen ist, wie z.B., wenn ein
Verfahrensbeteiligter durch ein - über die fehlerhafte
Rechtsmittelbelehrung hinausgehendes - Verhalten eines Gerichts
oder einer Behörde von einer Prozesshandlung abgehalten wird
(vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24.1.2008 XI R 63/06, BFH/NV
2008, 606 = SIS 08 14 44; vom 28.10.2004 III R 53/03, BFH/NV 2005,
374 = SIS 05 12 63, m.w.N.). Der Rechtsirrtum der Klägerin,
die Unterschrift eines Prokuristen reiche aus, erfüllt diese
Voraussetzungen jedoch nicht, denn das Erfordernis der
eigenhändigen Unterschrift ergibt sich sowohl aus § 18
Abs. 9 Satz 5 UStG selbst als auch aus dem amtlichen Vordruck
(„Eigenhändige Unterschrift und
Firmenstempel“).
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cc) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin
darauf, das BZSt habe den Mangel der Eigenhändigkeit in
früheren Veranlagungszeiträumen nicht beanstandet und sie
sei unter Verstoß gegen die Hinweispflicht der Behörde
aus § 89 AO von weiteren Erkundigungen abgehalten worden. Ob
ein treuwidriges Verhalten der Behörde, das eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnte,
vorläge, wenn die Behörde den Mangel der Unterschrift in
den Vorjahren erkannt und gleichwohl die beantragte Vergütung
rechtswidrig festgesetzt hätte, kann offenbleiben. Denn ein
derartiger Sachverhalt ist jedoch weder von der Klägerin
vorgetragen worden noch aus den Akten ersichtlich. Nach den von der
Klägerin nicht angegriffenen und den Senat daher bindenden
Feststellungen des FG auf Seite 19 des Urteils ist vielmehr dem
zuständigen Sachbearbeiter des BZSt der Mangel der
eigenhändigen Unterschrift erst im Rahmen einer Recherche zu
den gesetzlichen und bevollmächtigten Vertretern der
Klägerin vom 19.7.2007 und damit nach Ablauf der Jahresfrist
(30.6.2007) aufgefallen.
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