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Sachverhaltsaufklärung bei offenbarer Unrichtigkeit

Sachverhaltsaufklärung bei offenbarer Unrichtigkeit: 1. Ob ein mechanisches Versehen die Ursache für einen unterbliebenen Nachprüfungsvorbehalt war und dieser ggf. wegen offenbarer Unrichtigkeit nachgeholt werden kann, ist anhand der objektiven Umstände beim Erlass des betroffenen Steuerbescheids zu beurteilen. - 2. Indizieren die bekannten objektiven Umstände ein mechanisches Versehen und ist ein Fehler bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung oder -würdigung ausgeschlossen, kann eine offenbare Unrichtigkeit ohne weitere diesbezügliche Sachaufklärung nicht allein deshalb verneint werden, weil die abstrakte Möglichkeit besteht, dass die Indizien erst nach Erlass des Bescheids geschaffen wurden. - Urt.; BFH 6.11.2012, VIII R 15/10; SIS 13 06 46

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 06.11.2012, VIII R 15/10
    BStBl 2013 II S. 307
    BFH/NV 2013 S. 612
    BFHE 239 S. 296
    LEXinform 0927627

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 17.4.2013
    -/- in NWB 11/2013 S. 742
    H.J.P. in BFH/PR 5/2013 S. 167
    R.N. in HFR 5/2013 S. 376
    TC in DStZ 8/2013 S. 257
Normen
[FGO] § 76 Abs. 1, § 118 Abs. 2
[AO 1977] § 129, § 164 Abs. 1, § 164 Abs. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 01.02.2010, SIS 10 13 74, Berichtigung, Offenbare Unrichtigkeit, Feststellungsbescheid, Vorbehalt der Nachprüfung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Münster 9.11.2023, SIS 24 04 45, Änderungsmöglichkeit gemäß § 129 AO bzgl. einer erklärungsgemäßen, aber unzutreffenden gesonderten Festst...
  • FG Berlin-Brandenburg 23.5.2023, SIS 23 13 16, Doppelerfassung eines Dividendenbezugs in der Einkommensteuererklärung: 1. Der Irrtum darüber, welche Div...
  • Niedersächsisches FG 16.5.2023, SIS 23 12 18, Anwendung von Korrekturnormen bei Veranlagungen unter Verwendung eines Risikomanagementsystems: 1. Das Me...
  • FG Münster 10.5.2023, SIS 23 10 17, Offenbare Unrichtigkeit bei Eintragung falscher Kennziffern im Rahmen der Umsetzung eines Betriebsprüfung...
  • FG des Saarlandes 20.4.2023, SIS 23 15 70, Offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO bei unzutreffender Angabe des steuerlichen Einlagekontos in...
  • FG Münster 30.6.2021, SIS 21 13 66, Erforderlichkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Veräußerungsgewinnen nach § 23 Abs....
  • BFH 14.1.2020, SIS 20 05 05, Offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO bei Einsatz eines Risikomanagementsystems: 1. Sind vom S...
  • FG Münster 5.12.2019, SIS 19 21 32, Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO: 1. Die zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gel...
  • FG Köln 27.3.2019, SIS 20 08 21, Selbständige Anfechtbarkeit einer Zinsfestsetzung, offenbare Unrichtigkeit einer Zinsfestsetzung, Rückgän...
  • FG München 17.9.2018, SIS 18 19 66, Keine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei Nichtberücksichtigung einer Einzahlung in die Kapitalrück...
  • FG Hamburg 9.8.2018, SIS 18 16 36, Kein Ausgleich nach § 174 AO bei unzutreffender Umsetzung der Wechselwirkung von KStG und GewStG: Wenn da...
  • FG Köln 14.6.2018, SIS 18 15 22, Berichtigung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit: 1. Unterläuft dem Sachbearbeiter des FA bei de...
  • FG Nürnberg 17.4.2018, SIS 18 16 49, Berichtigung nach § 129 AO bei rechtmäßigem Verwaltungsakt, mechanischer Fehler oder bewusstes Abweichen:...
  • Thüringer FG 31.1.2018, SIS 18 16 64, Nichterfassung eines in der Einkommensteuererklärung erklärten Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG bei der...
  • FG Baden-Württemberg 19.12.2017, SIS 20 16 97, Offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO bei Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG über die gesonderte Fest...
  • FG München 11.12.2017, SIS 17 25 64, Offenbare Unrichtigkeit bei fehlender Aufnahme eines Vorbehaltsvermerks, grobes Verschulden bei Mitteilun...
  • FG Münster 8.11.2017, SIS 18 05 66, Unzutreffende Feststellung des steuerlichen Einlagekontos mit 0,00 Euro, Nichtigkeit und Korrektur einer ...
  • FG Münster 19.10.2017, SIS 17 24 03, Berichtigung nach § 129 AO, elektronische Mitteilung von Renteneinkünften: Eine steuererhöhende Berichtig...
  • Thüringer FG 18.10.2017, SIS 18 16 61, Offenbare Unrichtigkeit der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, Erhöhung der handels...
  • FG Düsseldorf 17.10.2017, SIS 18 01 46, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, Übernahmefehler bei falscher Kennzifferwahl durch den Steuer...
  • FG Münster 13.10.2017, SIS 17 23 93, Offenbare Unrichtigkeit bei Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Eigenkapitals über...
  • FG Münster 13.10.2017, SIS 17 23 94, Offenbare Unrichtigkeit bei Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Eigenkapitals über...
  • FG Köln 30.3.2017, SIS 17 12 94, Übertragungsfehler bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG: Eine berichtigungsfähige ähnliche Unrichtig...
  • FG Düsseldorf 16.2.2017, SIS 17 13 47, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, Nichterfassung von Einkünften beim Einscannen der Steuererkl...
  • FG Hamburg 10.11.2016, SIS 17 01 01, Berichtigung von Steuerbescheiden in der Feststellungserklärung wegen offenbarer Unrichtigkeit, gesondert...
  • BFH 26.10.2016, SIS 17 01 66, Keine Berichtigungsmöglichkeit bei fehlerhafter Eintragung von Beiträgen an Versorgungswerke: 1. Wird ein...
  • BFH 3.8.2016, SIS 17 03 39, Offenbare Unrichtigkeit bei unvollständig ausgefülltem Steuererklärungsvordruck und unvollständigem Beleg...
  • FG München 26.7.2016, SIS 17 15 17, Auslegung eines Bescheids als Nachforderungsbescheid oder als Haftungsbescheid i.S. des § 27 Abs. 5 Satz ...
  • FG Köln 7.4.2016, SIS 16 12 66, Änderung von Steuerbescheiden, offensichtliche Unrichtigkeiten in Fällen fehlerhafter Eigenkapitalfestste...
  • FG Baden-Württemberg 5.2.2016, SIS 17 17 29, Tatbestandliche Voraussetzungen der Änderungsnorm des § 10 Abs. 2 a S. 8 EStG, offenbare Unrichtigkeit be...
  • FG Köln 26.6.2014, SIS 14 29 10, Berichtigung wegen ähnlicher offenbarer Unrichtigkeit: 1. Verwechselt der Bearbeiter des FA bei der Einga...
  • BFH 18.6.2014, SIS 14 29 92, Berichtigung nach § 129 AO: 1. Es ist aus der Sicht eines objektiven Dritten zu prüfen, ob die ernsthafte...
  • FG München 4.6.2014, SIS 15 04 29, Offenbare Unrichtigkeit bei vom Erklärungsformular abweichender Rechtsmeinung: Wurden Gewinne aus Stillha...
  • FG Münster 2.4.2014, SIS 14 23 71, "Übernommene" offenbare Unrichtigkeit: Zur Frage, ob im Streitfall eine durch das FA "übernommene" offenb...
  • FG Münster 25.2.2014, SIS 14 18 06, Aufnahme eines Vorbehaltsvermerks nach § 164 AO, Änderung der Höhe des steuerliches Einlagekonto nach § 2...
  • FG Hamburg 25.10.2013, SIS 14 03 11, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit bzw. neuer Tatsachen: 1. Die Vorlage einer Kinderfreibeträge ...
  • BFH 27.8.2013, SIS 13 30 40, Offenbare Unrichtigkeit, Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben: Übersieht das F...
  • FG Münster 22.3.2013, SIS 13 15 07, Günstigerprüfung, Antragsfrist: Ungeachtet der noch ungeklärten Frage, ob ein Antrag auf Günstigerprüfung...
  • Sächsisches FG 7.3.2013, SIS 13 12 88, Betreiber einer Internetseite als Leistender: 1. Auch bei über das Internet bezogenen kostenpflichtigen L...

 

1

I. Die Beteiligten streiten um die verfahrensrechtliche Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) befugt war, einen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) - i.V.m. § 129 AO - zu ändern, obwohl der zugrundeliegende bekanntgegebene Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

 

 

2

Materiell-rechtlich geht es um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahrs (2002) für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt.

 

 

3

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.

 

 

4

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 9.5.2007 einen auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

 

 

5

Den Einspruch, mit dem die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung bestritt, wies das FA als unbegründet zurück. Die Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids vom 26.9.2003 sei nach § 129 AO zulässig gewesen. Der fehlende Nachprüfungsvorbehalt im ursprünglichen Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit; aus einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin (auf einem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel) und der Speicherung des Steuerfalls als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im „Veranlagungsspiegel“ werde deutlich, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen wollen; die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen.

 

 

6

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, da das Finanzgericht (FG) in dem in EFG 2010, 838 = SIS 10 13 74 veröffentlichten Urteil eine Änderungsgrundlage verneinte. Zu Unrecht stütze sich das FA auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO.

 

 

7

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe im Streitfall die Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO bestanden.

 

 

8

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG Düsseldorf vom 1.2.2010 11 K 5113/08 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den geänderten Feststellungsbescheid vom 10.6.2010 aufzuheben.

 

 

10

Zu einer Änderung in der vom FA verfolgten Weise sei erforderlich, dass sich der Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befunden habe. Es dürfe nicht erkennbar sein, dass die Abweichung zwischen bekanntgegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte (BFH-Urteil vom 22.2.2006 I R 125/04, BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400 = SIS 06 16 59). Im Streitfall sei für eine außenstehende unbeteiligte Person nicht eindeutig erkennbar gewesen, wann der handschriftliche Vermerk angebracht worden sei. Somit sei auch nicht eindeutig erkennbar, ob die vorliegende Abweichung zwischen bekanntgegebenem Steuerbescheid und Aktenausfertigung nicht doch auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des zuständigen Sachbearbeiters beruht habe. Aus den Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids nicht zulässig gewesen.

 

 

11

Während des Revisionsverfahrens ist für das Streitjahr am 10.6.2010 ein geänderter Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für 2002 ergangen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass dadurch die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt werden.

 

 

12

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

13

1. Das FG-Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des zunächst angefochtenen Feststellungsbescheids ist während des Revisionsverfahrens der weitere Änderungsbescheid vom 10.6.2010 getreten, der gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrundeliegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Senatsurteile vom 11.4.2012 VIII R 28/09, BFHE 237, 100, BStBl II 2012, 496 = SIS 12 14 01, und vom 28.9.2011 VIII R 10/08, BFHE 235, 361, BStBl II 2012, 315 = SIS 11 40 04, m.w.N.). Auch wenn die Änderung nicht die Grundlagen des Streitstoffs berührt, kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, sondern muss die Sache zurückverweisen, weil das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.

 

 

14

2. Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 AO), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 164 Rz 8b, m.w.N.).

 

 

15

Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden (BFH-Urteile vom 22.8.1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; vom 27.3.1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 = SIS 96 20 57; vom 17.11.1998 III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62 = SIS 99 03 11; vom 1.7.2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004 = SIS 10 31 88), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler - ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern - beruht. Die Vorschrift des § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht (Klein/ Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 4) und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 18.8.1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539 = SIS 00 54 16, m.w.N.; vgl. Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 12). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 25.2.1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713 = SIS 92 20 38; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400 = SIS 06 16 59; vom 4.6.2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801 = SIS 08 37 86; in BFH/NV 2010, 2004 = SIS 10 31 88, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 129 Rz 38; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 6).

 

 

16

Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere - aber nicht nur - unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (s. etwa BFH–Urteile in BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713 = SIS 92 20 38; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400 = SIS 06 16 59; in BFH/NV 2010, 2004 = SIS 10 31 88, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, a.a.O., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 129 Rz 38; eher unentschlossen Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz 70; kritisch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 129 AO Rz 4 ff.).

 

 

17

Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen (BFH-Urteile in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400 = SIS 06 16 59, m.w.N.; in BFH/NV 2010, 2004 = SIS 10 31 88).

 

 

18

3. Die angefochtene Entscheidung des FG entspricht nicht diesen Maßstäben und hält damit revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

 

 

19

a) Das FG hat in seinen Urteilsgründen eine Reihe von Umständen aufgeführt, die auch aus seiner Sicht für eine gewollte Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in den ursprünglichen Feststellungsbescheid sprachen, nämlich dass der Steuerfall in der Vergangenheit durch die Betriebsprüfung geprüft worden war und in Zukunft wieder geprüft werden sollte, dass der Feststellungsbescheid im „Veranlagungsspiegel“ mit einem Nachprüfungsvorbehalt gespeichert wurde und dass auf der Feststellungserklärung 2002 ein Notizzettel mit einem entsprechenden Hinweis („VdN + vorl. wegen hoher Zinsen“) klebte. Das FG hat zudem festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung auf einer bewussten Entscheidung des Sachbearbeiters beruhen könnte.

 

 

20

b) Gleichwohl hat das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint mit der Begründung, dass die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt und damit der eigentliche Wille des FA nicht hinreichend zum Ausdruck komme. „Aus Gründen der Rechtssicherheit“ sei zu verlangen, dass das Versehen des FA zumindest so deutlich zu Tage trete wie im Falle der abgehefteten Durchschrift des Steuerbescheids mit Nachprüfungsvorbehalt in den Steuerakten, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ein angeblich mechanisches Versehen nachgeschoben werde, ohne dass sicher verifizierbar sei, ob es tatsächlich vorlag. Dieser Befund gehe nach Beweislastgrundsätzen zulasten des FA.

 

 

21

c) In der näheren Begründung geht das FG davon aus, dass die Speicherung der streitbefangenen Feststellung im „Veranlagungsspiegel“ - als unter Vorbehalt der Nachprüfung stehend - bei der Prüfung einer offenbaren Unrichtigkeit als nur verwaltungsinterner, nicht nach außen in Erscheinung tretender Umstand unbeachtlich bleiben müsse.

 

 

22

Diese Annahme ist keine den BFH bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 2 FGO), sondern sie beruht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben. Nach der Rechtsprechung des BFH sind alle bekannten Umstände - auch außerhalb der eigentlichen Steuerakten - zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein - ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes - Versehen klar und eindeutig ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 = SIS 96 20 57 zu einem Fehler im EDV-Programm; in BFH/NV 2000, 539 = SIS 00 54 16 zur Handakte des Prüfers; in BFH/NV 2010, 2004 = SIS 10 31 88 zum unterlassenen Vorbehaltsvermerk bei Stempelung der Feststellungserklärung mit einer den Vorbehalt bedeutenden Ziffer und trotz einer den Vorbehalt nahelegenden allgemeinen Dienstanweisung). Die entscheidende Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten, wie hier die Eintragung im Veranlagungsspiegel, gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende EDV-technische Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen. Insbesondere gibt es keinen Grund, bei der anhand des bekannten Sachverhalts vorzunehmenden Beurteilung einen vom FG festgestellten tatsächlichen und objektiven Umstand auszublenden, nur weil er EDV-technischer Natur ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der im vorliegenden Zusammenhang bemühten gedanklichen Hilfsfigur des unvoreingenommenen Dritten, für den das mechanische Versehen als solches offenbar sein muss, die Kenntnis dieses objektiven Umstands versagt bleiben soll, wenn gerade dieser Umstand geeignet ist, ein mechanisches Versehen zu offenbaren.

 

 

23

d) Der Entscheidung steht nicht das BFH-Urteil vom 8.12.2011 VI R 45/10 (BFH/NV 2012, 694 = SIS 12 10 01) entgegen. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis die Vorentscheidung, in der das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint hatte. Es stützt sich aber auf die bisherige, dort im Einzelnen zitierte Rechtsprechung des BFH und enthält keinen abstrakten Rechtssatz, der der hier getroffenen Entscheidung widerspräche. Soweit der BFH sich im Urteil in BFH/NV 2012, 694 = SIS 12 10 01 an die tatsächlichen Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung (Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6.5.2010 5 K 98/08, EFG 2010, 1757 = SIS 10 29 77) und die tatsächliche Würdigung der Umstände revisionsrechtlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sah, ist auch daraus keine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen zu entnehmen. Das FG hatte geurteilt, dass in seinem Fall weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar gewesen sei, dass die gebotene Eingabe von Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben sei. Vielmehr seien weitere - zum Teil rechtliche - Überlegungen „bzw.“ ein zusätzlicher (ergänze: rechnerischer) Abgleich mit den in der EDV gespeicherten Daten erforderlich, um auf eine fehlende Erfassung schließen zu können. Damit unterscheidet sich der dort entschiedene Fall wesentlich vom Streitfall, in dem es entscheidend darauf ankommt, ob der Schluss auf ein nur versehentliches Unterlassen aus den vom FG festgestellten Tatsachen zu ziehen ist. Ob der Senat im Übrigen der Rechtsauffassung des FG des Landes Sachsen-Anhalt in EFG 2010, 1757 = SIS 10 29 77 folgen könnte, kann dahingestellt bleiben.

 

 

24

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.

 

 

25

a) Auch wenn die festgestellte Eintragung im Veranlagungsspiegel geeignet erscheint, eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass des fraglichen Bescheids zu indizieren, ist eine abschließende Beurteilung im Streitfall noch nicht möglich, weil der maßgebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hat und ob dies „beim Erlass“ des betreffenden Bescheids geschehen ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen automatisch (programmgesteuert) erfolgen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im Veranlagungsspiegel im Streitfall (noch) persönlich vorgenommen worden sind.

 

 

26

b) Bei verbleibenden Ungewissheiten wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung ggf. zu klären haben, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde. Diese Frage betrifft nicht unmittelbar den Gesetzestatbestand des § 129 AO; Ausgangspunkt der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ist in diesem Fall vielmehr ein bereits festgestellter, offenkundiger tatsächlicher Umstand, nämlich ein inhaltlich auf den zu erlassenden Feststellungsbescheid bezogener Aktenvermerk, der als solcher für ein nur versehentliches Abweichen vom tatsächlich Gewollten und damit eine Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO spricht, dessen Vorliegen bei Erlass des Bescheids aber - ohne im erstinstanzlichen Urteil benannte konkrete Gründe - in Zweifel gezogen wird. Wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigung des Vermerks entscheidungserheblich, muss das FG versuchen, den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO; vgl. zur Sachverhaltsaufklärung in Fällen des § 129 AO BFH-Urteile vom 29.1.2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139 = SIS 03 36 72; vom 30.11.1989 IV R 76/88, BFH/NV 1991, 457), bevor es eine Beweislastentscheidung trifft, wie es dies im angefochtenen Urteil getan hat.