Änderungsbescheid, Berichtigung im Einspruchsverfahren: 1. Die Verwertung von Prüfungsfeststellungen, die ohne wirksame Prüfungsanordnung getroffen worden sind, ist nicht generell unzulässig. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Feststellungen im Rahmen eines erstmaligen Steuerbescheids oder einer Änderung gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 verwertet werden (Anschluss an BFH-Rechtsprechung). - 2. Ist in einem Steuerbescheid die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung versehentlich unterblieben, so muss das FA den Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO 1977 berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO 1977 ändern zu können. Vielmehr kann der Bescheid in diesem Fall unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert werden (Bestätigung des Senatsurteils vom 27.3.1996 I R 83/94, BFHE 180 S. 227, BStBl 1996 II S. 509 = SIS 96 20 57). - 3. Die Berichtigung nach § 129 AO 1977 kann auch im Rahmen einer Entscheidung erfolgen, in der über den Einspruch gegen den auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid entschieden wird. Darin liegt jedenfalls dann keine "Verböserung" gegenüber jenem Bescheid, wenn der Nachprüfungsvorbehalt in dem Änderungsbescheid aufgehoben wurde und in der Einspruchsentscheidung nicht erneut angebracht wird. - Urt.; BFH 22.2.2006, I R 125/04; SIS 06 16 59
I. Die Sache befindet sich im zweiten
Rechtsgang. Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Beklagten
und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) erlassene
Feststellungsbescheide gemäß § 18 des
Außensteuergesetzes (AStG) wegen Ablaufs der
Feststellungsfrist rechtswidrig sind.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist Alleinerbin ihres im Jahr 1994 verstorbenen
Ehemannes (B). Dieser war im Streitjahr (1990) zu 80 v.H. am
Grundkapital der in der Schweiz domizilierenden S-AG beteiligt. Die
S-AG war ihrerseits Gesellschafterin der schweizerischen R-AG und
der deutschen S-GmbH. Die R-AG war wiederum zu 100 v.H. an der
inländischen R-GmbH beteiligt.
Mit Vertrag vom 20.4.1990 verkaufte die
S-AG ihre Anteile an der R-AG und an der S-GmbH. Die Höhe des
Veräußerungsgewinns ist zwischen den Beteiligten
streitig. Weder B noch die Klägerin gaben für das
Streitjahr eine Erklärung zur gesonderten Feststellung nach
§ 18 AStG ab.
In den Jahren 1993 und 1994 wurde bei B
eine Außenprüfung durchgeführt. Grundlage
dafür war eine Prüfungsanordnung vom 30.12.1992, die eine
voraufgegangene, die Prüfungsjahre 1986 bis 1989 betreffende
Prüfungsanordnung vom 26.11.1990 ergänzte. Beide
Prüfungsanordnungen enthalten die Angabe, dass die
Einkommensteuer geprüft werden solle, während das im
Vordruck vorgesehene Kästchen „Feststellung der
Einkünfte“ jeweils nicht ausgefüllt ist. In der
Prüfungsanordnung vom 30.12.1992 heißt es
zusätzlich, dass die Prüfung sich „im Wege der
vorgezogenen Teilprüfung auf die Prüfung der
Vorgänge nach dem AStG bei der X-Gruppe“ erstrecke. Dem
war ein Telefonat zwischen einem Vertreter des
Prüfungsfinanzamts und dem damaligen steuerlichen Berater des
B vorausgegangen, in dem ein solches Vorgehen vereinbart worden
war.
In dem nach Abschluss der Prüfung
erstellten Prüfungsbericht ist u.a. ausgeführt, dass die
R-AG im Streitjahr passive Einkünfte erzielt habe und dass
dies zu einer Hinzurechnung in Höhe von 720.000 DM
gegenüber B führe. Diese Sachbehandlung ist zwischen den
Beteiligten nicht streitig. Zur Hinzurechnung von
Veräußerungsgewinnen enthält der
Prüfungsbericht den Hinweis, „die Frage der
inländischen Steuerpflicht der durch die S-AG in 1990 aus dem
Verkauf von inländischen Beteiligungen (S-GmbH bzw. R-GmbH)
erzielten Veräußerungsgewinne“ sei „noch
nicht abschließend entschieden“.
Im Anschluss an den Bericht erließ
das FA am 6.12.1994 gegenüber der Klägerin als
Rechtsnachfolgerin des B einen Feststellungsbescheid
gemäß § 18 AStG, in dem es dem B Einkünfte in
Höhe von 720.000 DM und eine anzurechnende Steuer (§ 12
AStG) in Höhe von 120.000 DM zurechnete. Der Bescheid
enthält im Abschnitt „Begründung und
Nebenbestimmungen“ den handschriftlichen Zusatz: „Die
Feststellung resultiert aus der Betriebsprüfung B (s.
Bp-Bericht vom 5.10.1994).“ Die in der Akte befindliche
Durchschrift des Bescheids enthält ferner den Stempelaufdruck
„Nach § 164 Abs. 1 AO 1977 unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung“. Auf dem der Klägerin bekannt
gegebenen Bescheid fehlt dieser Zusatz.
Im weiteren Verlauf fand bei der
Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1991 bis
1993 statt, die sich ausweislich der Prüfungsanordnung auf die
Feststellung nach § 18 AStG erstreckte. In dem dazu
gefertigten Prüfungsbericht vertrat der Prüfer die
Ansicht, die im Jahr 1990 erfolgte Veräußerung von
Gesellschaftsanteilen durch die S-AG führe zur Hinzurechnung
von Einkünften gegenüber B. Dementsprechend erließ
das FA am 14.8.1997 einen geänderten Feststellungsbescheid
für 1990, in dem es B Einkünfte in Höhe von
10.085.672 DM gemäß § 7 AStG zurechnete.
Verfahrensrechtlich wurde dieser Bescheid auf § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO 1977) gestützt; zugleich wurde der
Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Die Klägerin legte gegen den
Änderungsbescheid Einspruch ein und machte u.a. geltend, dass
ihr der ursprüngliche Feststellungsbescheid ohne
Nachprüfungsvorbehalt bekannt gegeben worden sei. Das FA
führte dazu in der Einspruchsentscheidung aus, das Fehlen des
entsprechenden Vermerks im Original-Bescheid sei eine offenbare
Unrichtigkeit, die nach § 129 AO 1977 berichtigt werden
könne. Im Ergebnis wies es den Einspruch zurück.
Die Klägerin focht daraufhin den
Änderungsbescheid mit einer Klage an, der das Finanzgericht
(FG) Münster stattgab. Auf die Revision des FA hin hob der
erkennende Senat das erstinstanzliche Urteil vom 16.12.2002 4 K
8102/98 F (EFG 2003, 504 = SIS 03 19 71) auf und verwies die Sache
an das FG zurück (Senatsurteil vom 19.11.2003 I R 14/03,
BFH/NV 2004, 1072 = SIS 04 30 08); er hielt für
aufklärungsbedürftig, ob die S-AG ein vom Kalenderjahr
abweichendes Wirtschaftsjahr gehabt habe. Im zweiten Rechtsgang hat
das FG festgestellt, dass das Wirtschaftsjahr der S-AG für
1989/90 am 3.6.1990 geendet habe. Daraufhin hat es der Klage erneut
stattgegeben; sein Urteil vom 10.11.2004 4 K 2475/04 F ist in EFG
2005, 580 = SIS 05 20 03 abgedruckt.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision
rügt das FA eine Verletzung der § 129, § 164 und
§ 171 AO 1977 sowie hilfsweise des § 169 Abs. 2 und des
§ 370 AO 1977. Es beantragt, das erstinstanzliche Urteil
aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt
gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) erneut zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen
Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung der
Rechtslage nicht zu.
1. Das FA hat in dem angefochtenen Bescheid eine Hinzurechnung von
Einkünften gemäß § 7 ff. AStG vorgenommen.
Hinzurechnungssubjekt ist der im Jahr 1994 verstorbene B. Die
Klägerin ist nach den Feststellungen des FG, die nicht mit
zulässigen und begründeten Revisionsrügen
angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind
(§ 118 Abs. 2 FGO), Alleinerbin des B. Als solche ist sie
dessen Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 1922 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs), weshalb das FA den Bescheid zu
Recht ihr gegenüber erlassen hat. Darüber besteht
zwischen den Beteiligten kein Streit.
2. Nach den ebenfalls bindenden Feststellungen des FG beruht die
vorgenommene Hinzurechnung auf Erkenntnissen, die das FA
anlässlich einer Außenprüfung gewonnen hat. Die
Verwertung dieser Erkenntnisse scheitert entgegen der Ansicht der
Klägerin nicht an einem steuerrechtlichen Verwertungsverbot.
Das gilt unabhängig davon, ob sich die vom FA erlassene
Prüfungsanordnung auf die hier streitige Feststellung
gemäß § 18 AStG bezog oder nicht:
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterliegen
Feststellungen anlässlich einer Außenprüfung
grundsätzlich einem Verwertungsverbot, wenn der Prüfung
keine wirksame Prüfungsanordnung zu Grunde lag (BFH-Beschluss
vom 4.10.1991 VIII B 93/90, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59 = SIS 91 23 25; BFH-Urteil vom 1.12.1992 VII R 53/92, BFH/NV 1993, 515).
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn die
Prüfungsfeststellungen im Rahmen einer erstmaligen
Steuerfestsetzung verwertet werden (BFH-Urteile vom 13.12.1995 XI R
43–45/89, BFHE 179, 353, 360 f. = SIS 96 12 07, BStBl II
1996, 232, 235; vom 25.11.1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, 263 f. =
SIS 98 06 37, BStBl II 1998, 461, 465 f.) oder wenn ein zuvor
erlassener Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stand und nunmehr nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert wird
(BFH-Urteil vom 28.4.1998 IX R 24/94, BFH/NV 1998, 1192 = SIS 98 17 48; BFH-Beschluss vom 15.5.2002 V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279 = SIS 02 93 69; Ruban, DStZ 1998, 354, 355 f., m.w.N.). In beiden
Fällen besteht ein Verwertungsverbot nur dann, wenn entweder
die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer
Außenprüfung nicht gegeben waren oder wenn im Rahmen der
Prüfung schwerwiegende Verfahrensfehler unterlaufen sind und
die Prüfungsfeststellungen hierauf beruhen. Anderenfalls sind
bei einer Außenprüfung festgestellte Tatsachen mithin
auch dann verwertbar, wenn sie durch Prüfungshandlungen
aufgedeckt wurden, die nicht auf einer (wirksamen)
Prüfungsanordnung beruhen (BFH-Urteil in BFHE 184, 255, 263,
BStBl II 1998, 461, 466 = SIS 98 06 37; vgl. auch Tipke in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 196
AO Tz. 37; Gosch in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht,
§ 196 AO Rz. 143; Ruban, DStZ 1998, 354, 355).
b) Im Streitfall war zu Beginn der Prüfung gegenüber B
noch kein Feststellungsbescheid i.S. des § 18 AStG ergangen.
Die Prüfung diente mithin der erstmaligen Durchführung
eines entsprechenden Feststellungsverfahrens. Dass es im Verlauf
der Prüfung zu schweren Verstößen gegen das
Verfahrensrecht gekommen wäre, ist weder von der Klägerin
geltend gemacht worden noch sonst erkennbar. Deshalb dürfen
die Prüfungsfeststellungen selbst dann, wenn sie nicht von
einer ausreichenden Prüfungsanordnung getragen wurden, im
Besteuerungsverfahren verwertet werden. Dass im Verlauf der
Prüfung ein Steuerbescheid erlassen worden und die
Prüfung anschließend fortgesetzt worden ist, ändert
daran nichts. Angesichts dessen muss die zwischen den Beteiligten
streitige Frage, ob die vom FA erlassene Prüfungsanordnung
sich mit hinreichender Deutlichkeit auf das Feststellungsverfahren
nach § 18 AStG bezieht oder nicht, hier nicht
abschließend erörtert werden.
3. Das FG hat den angefochtenen Bescheid gleichwohl für
rechtswidrig gehalten und dazu ausgeführt, der voraufgegangene
Feststellungsbescheid vom 6.12.1994 habe keinen wirksamen Vorbehalt
der Nachprüfung enthalten und deshalb nicht nach § 164
Abs. 2 AO 1977 geändert werden dürfen. Diese Beurteilung
wird von den bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen
nicht getragen.
a) Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 können Steuern unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden. Der
Vorbehalt entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft
(§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO 1977). Solange er wirksam ist, kann
die Steuerfestsetzung geändert werden (§ 164 Abs. 2 AO
1977), ohne dass es dafür weiterer Voraussetzungen
bedarf.
b) Im Streitfall ist der Bescheid vom 6.12.1994 nicht unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Zwar enthält nach den
Feststellungen des FG die in den Steuerakten befindliche
Ausfertigung des Bescheids einen entsprechenden Vorbehaltsvermerk.
In dem der Klägerin bekannt gegebenen Bescheid ist dieser
Vermerk aber nicht enthalten. Allein darauf kommt es bei der
Bestimmung des Bescheidinhalts an (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO
1977).
c) Nach § 129 Satz 1 AO 1977 kann die Finanzbehörde
jedoch offenbare Unrichtigkeiten, die bei dem Erlass eines
Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Eine
offenbare Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt u.a. dann
vor, wenn in einem Steuerbescheid die von der Behörde
beabsichtigte Anordnung eines Nachprüfungsvorbehalts
versehentlich unterblieben ist. Das wiederum ist
regelmäßig anzunehmen, wenn ein in der
Aktenverfügung enthaltener Vorbehaltsvermerk nicht in den
bekannt zu gebenden Bescheid übernommen wurde (BFH-Urteile vom
22.8.1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; vom 17.11.1998 III R
2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62 = SIS 99 03 11). Sofern
keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Vorgehen auf
einer bewussten Entscheidung des den Bescheid erstellenden
Bearbeiters beruht, kann deshalb die Anordnung des Vorbehalts im
Wege der Berichtigung nachgeholt werden. Dass der unterlaufene
Fehler aus dem bekannt gegebenen Bescheid selbst ersichtlich ist,
verlangt § 129 Satz 1 AO 1977 nicht (BFH-Urteile in BFH/NV
1990, 205, und in BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62 = SIS 99 03 11;
vom 31.3.1987 VIII R 46/83, BFHE 149, 478, BStBl II 1987, 588 = SIS 87 16 56; vom 21.10.1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277; vom
16.7.2003 X R 37/99, BFHE 203, 14, BStBl II 2003, 867 = SIS 03 46 52; Senatsurteil vom 29.1.2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139 = SIS 03 36 72, jeweils m.w.N.).
d) Im Streitfall durfte deshalb die Anordnung des
Nachprüfungsvorbehalts gemäß § 129 Satz 1 AO
1977 nachgeholt werden, wenn sich erstens der vom FG festgestellte
Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der
Aktenverfügung befand und zweitens nicht erkennbar ist, dass
die Abweichung zwischen bekannt gegebenem Bescheid und
Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen
Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte.
Ersteres hat die Klägerin bestritten; weder hierzu noch zu den
Gründen für eine etwa vorhandene Abweichung zwischen
beiden Ausfertigungen des Bescheids hat das FG indessen
Feststellungen getroffen. Es ist deshalb möglich, dass die
Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO 1977 hier
vorliegen.
e) War dies der Fall, so war das FA nicht gehalten, zunächst
den ursprünglichen Bescheid förmlich nach § 129 Satz
1 AO 1977 zu berichtigen und erst anschließend den - nunmehr
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden - Bescheid nach
§ 164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern. Vielmehr kann, wenn die
Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts unterblieben ist und
insoweit die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO 1977
vorliegen, der versehentlich ohne Nachprüfungsvorbehalt
erlassene Bescheid unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO 1977
geändert werden (Senatsurteil vom 27.3.1996 I R 83/94, BFHE
180, 227, BStBl II 1996, 509 = SIS 96 20 57). Diese Änderung
schließt dann die Wahrnehmung der
Berichtigungsmöglichkeit ein.
Das alles gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - dem FA beim
Erlass des Änderungsbescheids nicht bekannt war, dass in dem
ursprünglichen Bescheid die Anordnung des
Nachprüfungsvorbehalts fehlte. Denn die rechtlich
vorgeschaltete Berichtigung des Bescheids nach § 129 AO 1977
(vgl. dazu BFH-Urteil vom 8.3.1989 X R 116/87, BFHE 156, 59, BStBl
II 1989, 531, 533 = SIS 89 14 39) ist nur ein Element der
Begründung des Änderungsbescheids, die ggf.
nachträglich gegeben werden kann (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO
1977). Soweit dem FA hinsichtlich der Berichtigung ein Ermessen
eingeräumt ist, kann dieses bis zum Abschluss des
Einspruchsverfahrens gegen den Änderungsbescheid ausgeübt
werden (Senatsurteil in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 = SIS 96 20 57). In dieser Weise ist das FA nach den Feststellungen des FG
im Streitfall verfahren.
f) Entgegen der Ansicht des FG scheitern die Wahrnehmung der
Berichtigungsmöglichkeit und die darauf gestützte
Bescheidänderung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 nicht am
Ablauf der Feststellungsfrist. Zwar sind, wenn diese Frist
abgelaufen ist, weder eine Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
oder deren Änderung (§ 181 Abs. 1 i.V.m. § 169 Abs.
1 Satz 1 AO 1977) noch eine Berichtigung nach § 129 AO 1977
zulässig (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1
Satz 2 AO 1977). Jedoch war bei Ergehen der Einspruchsentscheidung,
in der sich das FA auf die Berichtigungsmöglichkeit berufen
hat, die maßgebliche Feststellungsfrist nicht
verstrichen.
aa) Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 gelten für die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, um die es im
Streitfall geht, die Vorschriften über die Besteuerung
sinngemäß. Dazu zählen namentlich die Regelungen
über die Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO
1977).
bb) Nach § 170 Abs. 1 AO 1977 beginnt die Festsetzungsfrist
mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die festzusetzende Steuer
entstanden ist. Im Streitfall wurde jedoch der Beginn der
Feststellungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m.
§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 um drei Jahre herausgeschoben, da
nach den Feststellungen des FG weder B noch die Klägerin
für das Streitjahr eine Erklärung zur Feststellung nach
§ 18 AStG abgegeben haben. Im Ergebnis begann die hier
maßgebliche Feststellungsfrist mithin mit Ablauf des Jahres
1993.
cc) Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 beträgt die
Festsetzungsfrist, abgesehen von den hier nicht einschlägigen
Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977,
grundsätzlich vier Jahre. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977
sieht zwar längere Festsetzungsfristen für diejenigen
Fälle vor, in denen eine Steuer vorsätzlich oder
leichtfertig verkürzt wurde. Eine Steuerverkürzung in
diesem Sinne hat das FG jedoch nicht festgestellt. Soweit das FA
sich in der Revisionsbegründung auf eine Steuerverkürzung
seitens des B beruft, handelt es sich um neues tatsächliches
Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt
werden kann. Deshalb ist in diesem Verfahren davon auszugehen, dass
die Feststellungsfrist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände
mit Ablauf des Jahres 1997 geendet hätte. Diese Frist hat das
FA bei dem Erlass des angefochtenen Bescheids, der nach den
Feststellungen des FG am 14.8.1997 ergangen ist,
gewahrt.
dd) Der Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid
führte nach § 171 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AO 1977 in
der - hier maßgeblichen - Fassung vor der Geltung des
Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22.12.1999
(BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) zu einer weiteren Hemmung des
Fristablaufs: Nach der genannten Vorschrift läuft im Fall der
Anfechtung eines Steuerbescheids die Festsetzungsfrist insoweit
nicht ab, bis über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden
ist. Das gilt unabhängig davon, ob der Bescheid
rechtmäßig oder rechtswidrig ist (BFH-Urteil vom
12.12.2000 VIII R 12/00, BFHE 193, 505, BStBl II 2001, 218, 221 =
SIS 01 05 79). Die demnach eingetretene Ablaufhemmung dauert im
Streitfall, da das von der Klägerin eingeleitete
Rechtsbehelfsverfahren nach wie vor nicht abgeschlossen ist,
weiterhin an. Erst recht war dies im Zeitpunkt des Ergehens der
Einspruchsentscheidung der Fall. Die in jener Entscheidung
ausgesprochene Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO 1977 ist
folglich innerhalb der Feststellungsfrist und damit rechtzeitig
erfolgt.
ee) Entgegen der Ansicht des FG ergibt sich keine abweichende
Rechtsfolge daraus, dass die Klägerin mit ihrem Einspruch
gegen den Änderungsbescheid nur eine Herabsetzung der Steuer,
nicht aber eine Berichtigung des Bescheids nach § 129 AO 1977
angestrebt hat. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin,
dass § 171 Abs. 3a AO 1977 in der heute geltenden Fassung im
Streitfall nicht einschlägig ist, da diese Vorschrift erst
durch das StBereinG 1999 in die AO 1977 eingefügt wurde und
nur Vorgänge aus der Zeit nach Verkündung jenes Gesetzes
erfasst (Art. 28 Abs. 2 StBereinG 1999). Richtig ist auch, dass
nach der Gesetzesfassung vor In-Kraft-Treten der Neuregelung
(§ 171 Abs. 3 AO 1977 a.F.) ein Rechtsbehelf gegen einen
Steuerbescheid den Ablauf der Festsetzungsfrist - und damit auch
der Feststellungsfrist - nicht in vollem Umfang, sondern nur im
Rahmen des gestellten Antrags hemmte. Deshalb war, wenn der
Rechtsbehelf auf eine Herabsetzung der Steuer gerichtet war, eine
Erhöhung der Steuer nach Ablauf der Festsetzungsfrist
unzulässig (Senatsurteil vom 8.7.1998 I R 112/97, BFHE 186,
496, BStBl II 1999, 123 = SIS 99 02 03; Hartmann in Beermann/Gosch,
a.a.O., AO § 171 Rz. 31, m.w.N.). Um eine solche Gestaltung
geht es aber im Streitfall nicht.
Denn das FA hat in der Einspruchsentscheidung nicht höhere
Besteuerungsgrundlagen als in dem angefochtenen
(Änderungs-)Bescheid festgestellt. Es hat vielmehr die in
jenem Bescheid enthaltenen Feststellungen bestätigt und durch
die zugleich vorgenommene Berichtigung lediglich eine neue
verfahrensrechtliche Grundlage für die vorgenommene
Änderung geschaffen. Die Höhe des geltend gemachten
Steueranspruchs wurde hierdurch nicht berührt. Ebenso hat das
FA nicht, worin eine nach damaligem Recht unzulässige
„Verböserung“ hätte liegen können
(vgl. dazu BFH-Urteile vom 12.6.1980 IV R 23/79, BFHE 130, 370,
BStBl II 1980, 527, 528 = SIS 80 02 76; vom 30.10.1980 IV R
168-170/79, BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150 = SIS 81 10 39), die
angefochtenen Feststellungen nachträglich mit einer
Nebenbestimmung versehen und sich so eine weitere Erhöhung der
Steuer vorbehalten; insoweit blieb es vielmehr bei der
zwischenzeitlich - im Bescheid vom 14.8.1997 - verfügten
Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts. Im Ergebnis wurde die
Rechtsposition der Klägerin, verglichen mit derjenigen nach
Ergehen des angefochtenen Bescheids, durch die
Einspruchsentscheidung mithin nicht verändert. Die
Einspruchsentscheidung bewegte sich damit innerhalb des
„Streitprogramms“, das durch den angefochtenen
Bescheid einerseits und das Begehren der Klägerin andererseits
abgesteckt war. Innerhalb des so gezogenen Rahmens war aber die
Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F. gehemmt
(vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 193, 505, BStBl II 2001, 218,
221 = SIS 01 05 79) und damit für die Berichtigung
gemäß § 129 Satz 1 AO 1977 Raum.
ff) Der Senat vermag schließlich nicht der Ansicht der
Klägerin zu folgen, dass eine Hemmung des Ablaufs der
Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F. deshalb
ausscheide, weil der - ohne Vorbehalt der Nachprüfung
ergangene - ursprüngliche Feststellungsbescheid (vom
6.12.1994) nicht angefochten worden sei. Denn die Regelungen
über die Festsetzungsfrist, an die § 169 Abs. 1 Satz 2 AO
1977 die zeitliche Begrenzung der Berichtigungsmöglichkeit
anknüpft, beziehen sich immer auf den gesamten Steueranspruch
(vgl. auch § 47 AO 1977). Sie sind nicht in dem Sinne
„bescheidbezogen“ anzuwenden, dass hinsichtlich
jedes einzelnen Steuerbescheids eine eigenständige
Festsetzungsfrist läuft, für die das Vorliegen von
Hemmungs- oder Unterbrechungstatbeständen gesondert zu
prüfen ist. Dass ein bestimmter Bescheid nicht angefochten
worden und deshalb insoweit keine Ablaufhemmung eingetreten ist,
kann daher weder zu einem vollständigen noch zu einem
teilweisen Fristablauf führen, solange - wie im Streitfall -
hinsichtlich der betreffenden Steuer andere Gründe für
eine Ablaufhemmung vorliegen. So lange kann die Finanzbehörde
deshalb auch alle einschlägigen Bescheide nach § 129 Satz
1 AO 1977 berichtigen.
4. Im Ergebnis hängt die verfahrensrechtliche Beurteilung des
angefochtenen Bescheids mithin zunächst davon ab, ob der
voraufgegangene, ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassene
Bescheid in diesem Punkt eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des
§ 129 Satz 1 AO 1977 aufweist. Das kann anhand der bislang
getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht
abschließend beurteilt werden. Diese Feststellungen
können in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden,
weshalb die Sache an das FG zurückverwiesen wird.
Zum weiteren Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das FA die
objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Richtigkeit
seines Vortrags trägt, die Aufnahme des Vorbehalts der
Nachprüfung in den Bescheid vom 6.12.1994 sei versehentlich
unterblieben. Sofern dem FA dieser Nachweis gelingen sollte, wird
das FG zudem über die materielle Rechtmäßigkeit des
Bescheids befinden müssen. Sollte es dagegen zu dem Ergebnis
gelangen, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung des
ursprünglichen Bescheids nicht vorliegen, könnte zwar
eine Änderung dieses Bescheids nicht auf § 164 Abs. 2 AO
1977 gestützt werden. In diesem Fall wäre aber zu
prüfen, ob im Streitfall § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977
eingreift.