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Umsatzsteuer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen

Umsatzsteuer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen: 1. Ein Unternehmer, der aufgrund der Vorgaben des BMF-Schreibens in BStBl 2004 I S. 737 = SIS 04 21 91 zahlungsgestörte Forderungen unter "Vereinbarung" eines vom Kaufpreis abweichenden "wirtschaftlichen Werts" erwirbt, erbringt an den Forderungsverkäufer keine entgeltliche Leistung. - 2. Liegt beim Kauf zahlungsgestörter Forderungen keine entgeltliche Leistung an den Forderungsverkäufer vor, ist der Forderungserwerber aus Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt. - 3. Eine Rechnungsberichtigung lässt die Steuerschuld nach § 14 c UStG nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung entfallen. (Hinweis aus BStBl 2015 II S. 962 auf BMF-Schreiben vom 2. Dezember 2015 - III C 2 - S 7100/08/10010 = SIS 15 27 94) - Urt.; BFH 26.1.2012, V R 18/08; SIS 12 06 35

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Vorsteuerabzug
Fundstellen
  1. BFH 26.01.2012, V R 18/08
    BStBl 2015 II S. 962
    DStR 2012 S. 513
    LEXinform 0179020

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 2.12.2015
    -/- in NWB 11/2012 S. 876
    B.D./M.E. in BB 14/2012 S. 884
    S.M. in BFH/PR 5/2012 S. 166
    jh in StuB 10/2012 S. 412
    S.M. in StC 5/2012 S. 11
    M.M. in AktStR 2/2012 S. 264
    wt in UVR 5/2012 S. 133
    C.H./G.J. in DB 17/2012 S. 943
Normen
[RL 77/388/EWG] Art. 2, Art. 4, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a
[UStG 1999] § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 14 c, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 15.02.2008, SIS 08 23 64, Organgesellschaft, Factoring, Forderungskauf, Abschlag, Steuerbefreiung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 14.9.2020, SIS 21 11 23, Bemessungsgrundlage für im Zusammenhang mit Factoringgeschäften erzielte Umsätze: 1. Sowohl beim echten a...
  • FG Münster 21.2.2019, SIS 19 04 72, Inkassoleistung, Frage der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 c UStG: Im Streitfall handelte es sich nicht um...
  • FG Nürnberg 27.11.2018, SIS 19 21 80, Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer, tatsächliche Verhinderung des ...
  • BFH 12.6.2018, SIS 18 12 25, Insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot bei nachträglichem Verzicht auf Steuerfreiheit nach § 9 UStG: 1. ...
  • FG Münster 14.2.2017, SIS 17 07 40, Erlass von Nachzahlungszinsen: Es besteht kein Anspruch auf Erlass von Nachzahlungszinsen auf nach § 14 c...
  • OFD Karlsruhe 31.1.2017, SIS 17 04 32, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der im BStBl veröffentlichten Urteile ...
  • BFH 8.11.2016, SIS 16 28 23, Insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot bei unberechtigtem Steuerausweis i.S. des § 14 c Abs. 2 UStG: Für...
  • BFH 12.10.2016, SIS 16 27 90, Unrichtiger Steuerausweis in einer Rechnung, Berichtigung durch Abgabe einer Abtretungserklärung in einer...
  • BFH 14.4.2016, SIS 16 16 79, Umsatzsteuerbarkeit und Umsatzsteuerpflicht von Factoring-Dienstleistungen: Ein Unternehmer erbringt eine...
  • OFD Karlsruhe 29.2.2016, SIS 16 04 70, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
  • BMF 2.12.2015, SIS 15 27 94, Erwerb zahlungsgestörter Forderungen (sog. Non-Performing-Loans - NPL -): Unter Aufgabe der bisherigen Ve...
  • BFH 19.5.2015, SIS 15 15 37, Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Rechnungsberichtigung: Die Beric...
  • FG Münster 25.9.2014, SIS 17 09 47, Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen: Gemäß § 17 Abs. 1 UStG, der gem. § 14 Abs. 2 entsprechend anwend...
  • BFH 4.7.2013, SIS 13 24 87, Keine entgeltliche Factoring-Leistung beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen: 1. Ein Unternehmer, der ...
  • FG Hamburg 6.12.2012, SIS 13 13 53, Umsatzsteuer, Zeitpunkt der Berichtigung der Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer: Die Umsatzsteuer w...
  • BFH 15.5.2012, SIS 12 22 06, Keine steuerfreie Kreditgewährung bei echter Factoring-Leistung: Kauft ein Unternehmer Honorarforderungen...
Fachaufsätze
  • LIT 02 38 20 C. Höink/G. Janott, DB 17/2012 S. 943: Non-Performing Loans, Factoring und USt - Zugleich Anm. zu BFH-Urteil vom 26.1.2012, V R 18/08 = SIS 12 0...
  • LIT 02 39 69 M. Messner, AktStR 2/2012 S. 264: Vorsteuerabzug von Aufwendungen für Beteiligungen und Forderungskäufen - Anmerkungen zu den BFH-Urteilen ...

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26.10.2004 von einer Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70 gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen erwarb.

 

 

2

Kaufgegenstand des Vertrages, den die GmbH als Forderungskäufer (im Folgenden auch Käufer oder Forderungserwerber) mit der Bank abgeschlossen hatte, waren „Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und Ansprüche aus den in [der] Anlage Portfoliodaten aufgeführten Darlehensverträgen einschließlich der Darlehensforderungen, aller gegenwärtigen und/oder künftigen, bedingten und/oder befristeten Nebenforderungen wie Zinsen, Kosten und Gebühren, sämtlicher Zusatz- und Drittsicherheiten (z.B. Kautionen, Vorbehalts- und Sicherungseigentum, Anwartschaftsrecht, Pfandgegenstände, Sicherungsabtretungen, Verpfändungen von Lebensversicherungsansprüchen, Bürgschaften und sonstigen Mitverpflichtungen, Schuldanerkenntnisse), insbesondere der dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden Unterlagen wie Urkunden, Kundenakten, Korrespondenz und evtl. sonstigen Geschäftsunterlagen (im Folgenden zusammen als die ‘verkauften Gegenstände’ bezeichnet)“.

 

 

3

Der Vertrag sah eine Rückbeziehung auf einen Stichtag (29.4.2004) vor, ab dem die „verkauften Gegenstände“ für Rechnung und Risiko des Käufers „geführt bzw. gehalten“ wurden. Zahlungen auf die „verkauften Gegenstände“, die nach dem Stichtag erfolgten, sollten dem Käufer zustehen. Nach dem Vertrag war eine Haftung des Verkäufers für die Einbringlichkeit der Forderungen (Delkredererisiko) und den wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten ausdrücklich ausgeschlossen.

 

 

4

Zum Stichtag 29.4.2004 belief sich der Nennwert der verkauften Forderungen aus den 70 Darlehensverträgen auf ... EUR.

 

 

5

Aufgrund eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3.6.2004 IV B7 - S 7104 - 18/04 (BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91), das zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 26.6.2003 C-305/01, MKG (Slg. 2003, I-6729 = SIS 03 29 36, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36) und des Folgeurteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4.9.2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667 = SIS 03 46 57) ergangen ist, trafen die Parteien des Forderungskaufvertrages eine Regelung zum sog. wirtschaftlichen Nennwert der verkauften Forderungen. Die Parteien des Kaufvertrages gingen insoweit davon aus, dass der „voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert liegt und ... EUR beträgt“ (entspricht 57,8 %).

 

 

6

Die Vertragsparteien waren weiter der Auffassung, dass „der realisierbare Teil der abgetretenen Forderungen wegen der durchzuführenden Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsmaßnahmen über einen Zeitraum von ca. drei Jahren realisiert werden muss“. Im Hinblick hierauf und aufgrund eines von den Parteien angenommenen Zinssatzes von 5,97 % ergab sich nach Ansicht der Vertragsparteien eine Kreditgewährung des Käufers an den Verkäufer mit einem Zinsanteil von ... EUR, der zu einem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert von ... EUR (entspricht 54,2 %) führte.

 

 

7

Der Kaufpreis für die Forderungen betrug ... EUR (entspricht 51,8 %). Die Parteien waren der Auffassung, dass der Forderungserwerber an den Forderungsverkäufer keine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung gingen die Parteien davon aus, dass die Differenz zwischen dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert und dem Kaufpreis als Gegenleistung anzusehen sei.

 

 

8

Nach dem Kaufvertrag war keine nachträgliche Kaufpreisanpassung vorzunehmen, „wenn sich bei rückblickender Betrachtung herausstellen sollte, dass der realisierbare Teil der Forderungen höher oder niedriger ausfallen sollte oder die Realisierung der Forderungen schneller oder langsamer möglich ist“, als im Vertrag angenommen.

 

 

9

Dem Kaufvertrag entsprechend informierte die Bank durch sog. „good bye letters“ über Verkauf und Abtretung der Forderungen.

 

 

10

Die Klägerin gab für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2004 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung ab, in der sie - entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91, aber entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung - die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert als Vergütung für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Verkäufer der Forderung ansah. Dementsprechend behandelte sie den Abschlag von ... EUR als Gegenleistung, so dass sich ein Entgelt von ... EUR und eine Umsatzsteuerschuld von ... EUR ergab.

 

 

11

Die Klägerin erhob gegen ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung Einspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht (FG). Während des FG-Verfahrens erging der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 vom 24.5.2006, den das FA durch Bescheid vom 9.8.2007 änderte. Beide Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.

 

 

12

Das FG gab der Klage mit seinem in EFG 2008, 887 = SIS 08 23 64 veröffentlichten Urteil statt. Anders als beim echten Factoring führe die Übertragung zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung an den Verkäufer.

 

 

13

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

 

 

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 10.12.2010 V R 18/08 (BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654 = SIS 10 04 92) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 

 

15

„1. Zur Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG:

16

Liegt beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vor, wenn sich der Kaufpreis

17

nicht nach dem Nennwert der Forderungen unter Vereinbarung eines pauschalen Abschlags für die Übernahme von Forderungseinzug und des Ausfallrisikos bemisst, sondern

 

nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt?

 

 

18

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist, zur Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG:

 

 

19

a)

 

Ist die Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forderungskäufer beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen zu einem erheblich unter dem Nennwert der Forderungen liegenden Kaufpreis als Gewährung einer anderen Sicherheit oder Garantie steuerfrei?

 

 

20

b)

 

Falls eine steuerfreie Risikoübernahme vorliegt:

 

Ist der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als Nebenleistung steuerfrei oder als eigenständige Leistung steuerpflichtig?

 

 

21

3. Falls Frage 1 zu bejahen ist und keine steuerfreie Leistung vorliegt, zur Auslegung von Art. 11 Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG:

 

Bestimmt sich das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung nach den von den Parteien vermuteten oder nach den tatsächlichen Einziehungskosten?“

 

 

22

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 27.10.2011 C-93/10, GFKL (UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 = SIS 11 39 78) nur eine Antwort auf die erste Frage für erforderlich gehalten und diese wie folgt beantwortet:

 

 

23

„Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt.“

 

 

24

Das FA geht davon aus, dass auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 = SIS 11 39 78 eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin vorliege. Die Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderungen und dem Kaufpreis in Höhe von ... EUR habe sich nicht auf eine Wertminderung der Forderungen bezogen. Es habe sich daher insoweit um eine Gegenleistung für eine an den Forderungsverkäufer erbrachte Leistung gehandelt, da im Hinblick auf diesen Betrag eine Veräußerung unter dem von den Parteien angenommenen wirtschaftlichen Wert vorliege. Die dem Verkäufer erbrachte Dienstleistung bestehe in der Übernahme des Forderungseinzugs. Für die Annahme einer Gegenleistung komme es nicht darauf an, dass diese als Gebühr bezeichnet werde. Die Gegenleistung bestehe darin, dass der Forderungsverkäufer auf einen Teil des wirtschaftlichen Werts der Forderungen verzichtet habe, wie sich bei zutreffender Interpretation des EuGH-Urteils ergebe.

 

 

25

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

26

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

27

Die Parteien des Kaufvertrages hätten eine „Differenz“ zwischen dem (abgezinsten) wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis nur im Hinblick auf die Anforderungen der Finanzverwaltung im Vertrag ausgewiesen. Es habe keine Verpflichtung bestanden, gegenüber der Forderungsverkäuferin Dienstleistungen zu erbringen. Trotz des nichtwirtschaftlichen Charakters des Forderungserwerbs sei sie aus den Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitigen Forderungen entstanden seien, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür spreche, dass sie diese Leistungen nicht nur für den Forderungserwerb, sondern auch für den Forderungseinzug bezogen habe. Dem Forderungseinzug wurde im Ertragsteuerrecht gewerblicher und damit unternehmerischer, nicht aber vermögensverwaltender Charakter beigemessen. Eine ansonsten gebotene Vorsteueraufteilung habe im Streitfall nach § 43 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) zu unterbleiben. Im Übrigen werde sie „den in der Rechnung bislang ausgewiesenen Steuerbetrag von ... EUR unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 14c UStG entsprechend § 17 Abs. 1 UStG berichtigen“.

 

 

28

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit dem Ankauf der Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer erbracht hat. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das FG keine Feststellungen zur Frage eines Steuerausweises in einer Rechnung und zum Vorsteuerabzug getroffen hat.

 

 

29

1. Wie das FG zu Recht entschieden hat, erbrachte die Klägerin als Organträgerin der GmbH mit dem Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer.

 

 

30

Der EuGH hat im Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 = SIS 11 39 78 die erste Vorlagefrage des erkennenden Senats, ob beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vorliegt, wenn sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt, mit der Begründung verneint, dass im „Ausgangsverfahren ..., anders als in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, der Erwerber der Forderungen vom Veräußerer keine Gegenleistung [erhält], so dass er weder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie ausübt noch eine Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt“ (Rdnr. 22), dass anders „als bei der Factoringgebühr und der Delkrederegebühr, die der Factor in dem Rechtsstreit, zu dem das Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring ergangen ist, erhielt, ... diese Differenz im Ausgangsrechtsstreit jedoch keine Vergütung dar[stellt], mit der unmittelbar eine vom Käufer der veräußerten Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll“ (Rdnr. 24) und dass die „Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und deren Kaufpreis ... nicht die Gegenleistung für eine solche Dienstleistung dar [stellt], sondern den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider[spiegelt], der auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist“ (Rdnr. 25).

 

 

31

Der EuGH hat damit in Kenntnis aller den Streitfall betreffenden Umstände eine entgeltliche Leistung abgelehnt. Zwar steht das Fehlen einer entgeltlichen Leistung und einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Leitsatz des EuGH-Urteils unter dem Vorbehalt, dass „die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt“. Aus dem - neben dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert - vereinbarten Abschlag lässt sich aber nicht ableiten, dass die Parteien einen Forderungskauf zu einem unter dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Kaufpreis vereinbaren wollten. Die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Werts und des vom FA als Entgelt angesehenen Abschlags erfolgte erst und nur aufgrund der Vorgaben der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91, und später Abschn. 2.4 Abs. 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654 = SIS 10 04 92, unter II.3.b bb (3) ausführlich dargelegt hat. Die gegenteilige Verwaltungsauffassung ist mit dem EuGH-Urteil GFKL in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 = SIS 11 39 78 nicht vereinbar.

 

 

32

2. Das Urteil des FG war gleichwohl aufzuheben, da die Sache im Hinblick auf den in Frage stehenden Steuerausweis in einer Rechnung und den Vorsteuerabzug nicht spruchreif ist.

 

 

33

a) Hat die Klägerin für den Erwerb der Forderungen eine Rechnung mit Steuerausweis erteilt, schuldet sie die in dieser Rechnung ausgewiesene Steuer nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Eine Rechnungsberichtigung wäre entgegen der Auffassung der Klägerin nur zu berücksichtigen, wenn sie noch im Streitjahr erfolgt wäre. Eine erst spätere Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück (BFH-Urteil vom 1.2.2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 = SIS 01 07 75, Leitsatz 3).

 

 

34

Hieran hat sich durch das EuGH-Urteil vom 15.7.2010 C-368/09, Pannon Gép (DStR 2010, 1475 = SIS 10 22 16) nichts geändert. Denn dieses Urteil betrifft nur die Frage, ob eine Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt, ist demgegenüber aber für die sich aus § 14c UStG ergebende Steuerschuld ohne Bedeutung. Wie sich aus der ausdrücklichen Verweisung in § 14c UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17.2.2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 = SIS 11 16 52), nicht zu vereinbaren.

 

 

35

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der von der GmbH abgeschlossene Vertrag über den Kauf der Forderungen mangels Leistungsbeschreibung die Anforderungen an eine Rechnung i.S. von § 14c UStG (vgl. auch insoweit das Senatsurteil in BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 = SIS 11 16 52) mangels Leistungsbeschreibung nicht erfüllt.

 

 

36

b) Sollte im Streitfall keine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliegen, ist zu prüfen, ob die Klägerin im Streitjahr einen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) für den Erwerb der Forderungen und deren Einziehung zu Unrecht in Anspruch genommen hat.

 

 

37

aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

 

 

38

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer die bezogene Leistung für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9.12.2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15, unter II.1.; vom 13.1.2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61 = SIS 11 06 14, unter II.1.; vom 27.1.2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68 = SIS 11 06 16, unter II.2., und vom 3.3.2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74 = SIS 11 18 30, unter II.1.).

 

 

39

Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der bereits in der Vergangenheit für den Vorsteuerabzug auf die Absicht abgestellt hat, die bezogene Leistung für eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit für gegen Entgelt erbrachte Leistungen zu verwenden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28.11.2002 V R 18/01, BFHE 200, 440, BStBl II 2003, 443 = SIS 03 18 66, unter II.1., und vom 6.9.2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710 = SIS 08 36 14, unter II.1.) und der EuGH-Rechtsprechung, nach der wirtschaftliche Tätigkeiten i.S. von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige (Unternehmer) Leistungen erbringt, die nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36 Rdnrn. 41 und 46 f.).

 

 

40

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es zur Begründung der für den Vorsteuerabzug erforderlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus, dass die Klägerin beabsichtigte, durch den Forderungseinzug Einnahmen zu erzielen. Denn wirtschaftliche Tätigkeiten setzen die Erbringung entgeltlicher Leistungen voraus; diese liegen nur vor, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5.12.2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486 = SIS 08 17 97, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

 

 

41

Der Einzug von Forderungen, die die Klägerin - als Organträgerin der GmbH - nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat (s. oben II.1.), erfolgte ebenso wie der Erwerb nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, da die Klägerin mit dem Forderungseinzug keine Leistung gegenüber einer anderen Person erbrachte und dem eingezogenen Forderungsbetrag darüber hinaus auch kein Entgeltcharakter zukam. Ob insoweit nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Die Klägerin ist daher weder für den Forderungserwerb noch für den Forderungseinzug zum Vorsteuerabzug berechtigt.

 

 

42

cc) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 43 Nr. 1 UStDV. Danach sind „Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze des Unternehmers zugrunde liegen“ nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, „wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen sind“. Die Vorschrift kann einen Vorsteuerabzug ermöglichen, wenn ein Unternehmer z.B. Forderungen aus seinen steuerpflichtigen Umsatzgeschäften steuerfrei verkauft und abtritt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen aber im Streitfall nicht vor, da die Klägerin weder beim Erwerb (s. oben II.1.) noch bei der Einziehung (s. oben II.2.b bb) der zahlungsgestörten Forderungen zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen ausgeführt hat.