Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 10.5.2017 1 K 21/17 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
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I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt -FA-) nimmt den Kläger und Revisionskläger
(Kläger) als Haftungsschuldner für Steuerschulden der
A-GmbH (GmbH), die Rechtsnachfolgerin der B-KG (KG) ist,
gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m.
§ 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Anspruch.
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Der Kläger war seit Gründung der
KG bis zu seinem Austritt im Jahr 2013 Kommanditist der KG.
Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war die GmbH, die
nach Austritt des Klägers auch Rechtsnachfolgerin der KG
wurde. Nach der Steuerbilanz der KG zum 31.12.2008 hatte der
Kläger eine Kommanditeinlage in Höhe von 10.000 EUR nicht
einbezahlt.
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Mangels Umsatzsteuererklärung der KG
für das Jahr 2009 schätzte das FA die
Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO und
erließ am 18.3.2014 einen Umsatzsteuerbescheid, durch den die
Umsatzsteuer auf 17.461,38 EUR festgesetzt wurde. Grundlage der
Schätzung war eine Rechnung vom 29.12.2009, die die KG als
Rechnungsaussteller ausweist und in der Umsatzsteuer in Höhe
von 17.461,38 EUR ausgewiesen ist. Aufgrund der Feststellungen
einer bei der KG durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung
ging das FA davon aus, dass die in der Rechnung ausgewiesene
Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) geschuldet werde, da über die Lieferung und die Montage
einer Photovoltaikanlage Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei,
obwohl keine Leistung erbracht worden sei.
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Der Umsatzsteuerbescheid war Gegenstand
eines erfolglosen Klageverfahrens beim Finanzgericht (FG). Die
hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde von der KG als
Beschwerdeführerin zurückgenommen. Bevollmächtigter
der Steuerschuldnerin im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH)
war der Kläger.
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Den am 10.7.2014 gegen den Kläger
erlassenen Haftungsbescheid beschränkte das FA auf die
Höhe der nicht eingezahlten Kommanditeinlage von 10.000 EUR.
Einspruch und Klage zum FG gegen den Haftungsbescheid hatten keinen
Erfolg. Nach dem Urteil des FG erstreckt sich die Drittwirkung der
unanfechtbar gewordenen Umsatzsteuerfestsetzung gegen die KG
gemäß § 166 AO auch auf den Kommanditisten, der als
Prozessbevollmächtigter der KG in den gegen den Steuerbescheid
geführten Rechtsmittelverfahren aufgetreten ist. Eine
gegenteilige Weisung habe der Kläger nicht nachgewiesen.
Unabhängig hiervon sei auch von einer Steuerschuld der KG nach
§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG auszugehen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit
seiner Revision. Weisungsgebundene Prozessbevollmächtigte
seien keine Bevollmächtigten i.S. von § 166 AO. Der
Geschäftsführer der KG habe ihn zur Rücknahme der
Beschwerde angewiesen. § 14c UStG sei nicht auf
unvollständige Rechnungen anzuwenden. Bei
Bösgläubigkeit bestehe zudem die Haftung nach § 71
AO, so dass im Fall der Gutgläubigkeit keine Steuerschuld nach
§ 14c UStG anzunehmen sei. Ein Zeuge hätte belegen
können, dass ein Leistungswille der KG bestanden habe und
§ 14c UStG auch deshalb nicht anzuwenden sei.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG und den Haftungsbescheid
vom 10.7.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.4.2015
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Im Verfahren vor dem FG sei das Vorliegen
einer Weisung zur Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde
nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Der BFH lege § 14c
UStG zutreffend aus.
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II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat materiell- und
verfahrensrechtlich zutreffend entschieden.
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1. Das FG hat zutreffend eine Steuerschuld
nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG bejaht, die dem Haftungsbescheid
nach § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB zugrunde
liegt.
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a) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag
gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer
nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet
gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen
Betrag. Das Gleiche gilt nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn
jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen
Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist
oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt.
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Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 203 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Mehrwertsteuer
wird danach von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer
Rechnung ausweist.
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b) Der erkennende Senat hat hierzu bereits
entschieden, dass der unberechtigte Steuerausweis i.S. des §
14c Abs. 2 UStG nicht voraussetzt, dass die Rechnung alle in §
14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist
(BFH-Urteil vom 17.2.2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011,
734 = SIS 11 16 52, Leitsatz 1).
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c) Der erkennende Senat hält hieran
entgegen den Einwendungen des Klägers weiter fest.
Insbesondere bestehen entgegen Weymüller (BeckOK UStG, 19.
Ed., § 14c Rz 206 ff.) keine unionsrechtlichen Bedenken. Denn
Art. 203 MwStSystRL soll einer Gefährdung des Steueraufkommens
entgegenwirken, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben
kann (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH -
Rusedespred vom 11.4.2013 C-138/12, EU:C:2013:233, Rz 24). Dem
trägt die Rechtsprechung des erkennenden Senats Rechnung. Ein
Fall eines irrtümlichen Steuerausweises, der dem vom
Kläger in Bezug genommenen EuGH-Urteil Karageorgou u.a. vom
6.11.2003 C-78/02 bis C-80/02 (EU:C:2003:604) entsprechen
könnte, ist nicht ersichtlich. Auf die vom Kläger als
wesentlich angesehene steuerstrafrechtliche Beurteilung kommt es
nicht an. Auch im Fall eines unzutreffenden Steuerausweises in
gutgläubig erteilten Rechnungen bedarf es bis zur
Rechnungsberichtigung der Steuerschuld nach § 14c UStG, um die
Gefährdung des Steueraufkommens auszuschließen. Dabei
ergänzt § 14c UStG nicht bloß die Haftung nach
§ 71 AO, sondern hat eigenständigen Charakter im
Besteuerungsverfahren des Unternehmers.
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d) Auf die Frage des Leistungswillens bei
einer Rechnung über eine erst noch zu erbringende Leistung,
der einer Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG
entgegenstehen könnte, kommt es nach den für den
erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs.
2 FGO) nicht an, da der Kläger mit seinem Hinweis auf eine
hierzu mögliche Zeugeneinvernahme nicht in der gebotenen Form
einen Verfahrens- und Aufklärungsmangel gerügt hat (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 23.10.2014 V R 23/13, BFHE 247, 480, BStBl II
2015, 313 = SIS 14 33 32, Leitsatz 2 zur erforderlichen
Substantiierung von Beweisanträgen).
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2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht auch
entschieden, dass der Kläger mit seinen Einwendungen gegen die
Steuerschuld präkludiert ist.
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a) Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen
gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies nach §
166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu
lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den
Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter,
Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
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b) § 166 AO soll das Haftungsverfahren
von Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen
befreien und verhindern, dass im Haftungsverfahren das
Besteuerungsverfahren nochmals aufgerollt und dadurch das
Haftungsverfahren unnötig verzögert wird, wenn der
Haftungsschuldner als Vertreter des Steuerpflichtigen bereits zur
Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits
erfolglos angefochten hat. § 166 AO verlangt von den dort
genannten Personengruppen, dass sie von einer ihnen
eingeräumten uneingeschränkten Rechtsmittelbefugnis
Gebrauch machen (BFH-Urteil vom 27.9.2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221,
BStBl II 2018, 515 = SIS 17 20 61, unter III.2.a, m.w.N. zur
BFH-Rechtsprechung).
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c) § 166 AO setzt voraus, dass der
Vertreter oder Bevollmächtigte zu einer Anfechtung
„in der Lage gewesen wäre“. Erforderlich
ist daher, dass er aufgrund des Vertretungsverhältnisses zur
Anfechtung rechtlich in der Lage war (Krumm in Tipke/ Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 166 AO Rz 15). §
166 AO ist daher bei einer Gesamtvertretung in der Regel
gegenüber keinem Gesellschafter anzuwenden (BFH-Urteil vom
16.12.1997 VII R 30/97, BFHE 185, 105, BStBl II 1998, 319 = SIS 98 11 46). Dementsprechend ist § 166 AO unanwendbar, wenn
Bindungen im Innenverhältnis den Vertreter an der Einlegung
des Rechtsbehelfs hindern (Heuermann in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 166 AO Rz 11).
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d) Im Streitfall war der Kläger in seiner
Eigenschaft als Kommanditist für die KG nach § 164 HGB
weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugt, so dass
eine Anwendung von § 166 AO nur in Bezug auf die Stellung des
Klägers als Rechtsanwalt und damit als Bevollmächtigter
in Betracht kommt.
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Dies hat das FG im Ergebnis zutreffend bejaht.
Der Einwendungsausschluss nach § 166 AO kann auch zu Lasten
eines vom Steuerpflichtigen beauftragten - und für die
Steuerschuld haftenden - Rechtsanwalts wirken, wenn er mangels
entgegenstehender Weisung in der Lage gewesen wäre, den gegen
den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen
Bevollmächtigter anzufechten.
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Der erkennende Senat hat dabei nach den
Verhältnissen des Streitfalls nicht abschließend zu
entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein weisungsgebundener
Bevollmächtigter zur Anfechtung „in der Lage gewesen
wäre“. Insoweit erscheint die vom FG allgemein
bejahte Anwendung von § 166 AO auch auf Rechtsanwälte
zwar zweifelhaft. Doch auch eine Beurteilung entsprechend der
vorstehend wiedergegebenen Kommentarliteratur unter Beachtung der
im Innenverhältnis bestehenden Bindungen führt aufgrund
der Besonderheiten im Streitfall zu keiner abweichenden
Beurteilung. Denn dann käme es auf den Nachweis einer Weisung
an, die der Anfechtung entgegenstand, da ein weitergehender, von
den Umständen des Einzelfalls unabhängiger Ausschluss von
§ 166 AO mit den mit dieser Regelung verfolgten Zielen (s.
oben II.2.b) nicht vereinbar ist.
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Im Streitfall ist daher maßgeblich, dass
das FG den Kläger vor der mündlichen Verhandlung auf die
Bedeutung der Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach § 166 AO
hingewiesen hatte, der fachkundig sich selbst vertretende
Kläger seinen Vortrag zu einer ihm erteilten Weisung aber
weder konkretisiert noch glaubhaft gemacht hat.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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