Schwarze Fonds i. S. des AuslInvestmG, Unvereinbarkeit der Besteuerung mit Gemeinschaftsrecht: Die pauschale Besteuerung von Erträgen aus im Inland nicht registrierten ausländischen Investmentfonds (sog. "schwarzen" Fonds) gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstößt offensichtlich gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 73 b EGV). Einer Vorlage an den EuGH bedarf es insoweit nicht. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 6.7.2009, IV C 1 - S 1980-a/07/0001, BStBl 2009 I S. 770 = SIS 09 21 24) - Urt.; BFH 18.11.2008, VIII R 24/07; SIS 09 06 87
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind in ungeteilter Erbengemeinschaft
Rechtsnachfolger der in 1992 verstorbenen Frau A. Frau A hatte
Kapitalanlagen in Luxemburg getätigt, deren Erträge ab
dem Jahr 1993 einheitlich und gesondert festgestellt und den
Klägern zugerechnet wurden.
In den Streitjahren erzielten die
Kläger aus diesen Anlagen unstreitig Zinsen (aus Festgeldern,
festverzinslichen Wertpapieren, laufender Rechnung und
Stückzinsen) in Höhe von 25.950,11 DM (1993) bzw.
18.532,59 DM (1994). Daneben gehörten zu den Kapitalanlagen
Investmentanteile der X-Bank Luxemburg, und zwar die Teilfonds
„A“ und „B“.
Der Bestand dieser Teilfonds entwickelte
sich wie folgt:
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„A“:
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6.5.1993
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Kauf
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219.654,21 DM
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23.12.1993
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Kauf
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33.787,04 DM
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Summe
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253.441,25 DM
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31.12.1993
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Bestand (Kurswert)
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274.825,28 DM
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13.1.1994
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Verkauf
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275.809,54 DM
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„B“:
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13.1.1994
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Kauf
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275.607,93 DM
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14.4.1994
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Kauf
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192.452,17 DM
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Summe
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468.060,10 DM
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31.12.1994
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Bestand (Kurswert)
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431.330,40 DM
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Bei diesen Fonds handelte es sich
ausweislich der Bescheinigungen der X-Bank Luxemburg bis
einschließlich zum Jahr 1994 um sog. „schwarze“
Fonds, deren Besteuerung in § 18 Abs. 3 des Gesetzes über
den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die
Besteuerung der Erträge aus ausländischen
Investmentanteilen (AuslInvestmG) geregelt war. Dieser Regelung
entsprechend setzte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) für den Teilfonds „A“
Erträge in Höhe von 34.229,33 DM in 1993 (= 90 % des
Mehrwerts, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im
Kalenderjahr ermittelten Rücknahmepreis ergibt) und einen
pauschalen Zwischengewinn von 55.161,91 DM in 1994 (= 20 % des
Veräußerungsentgelts) an. Für den Teilfonds
„B“ setzte es für 1994 einen Ertrag in Höhe
von 42.841,20 DM an; dieser Betrag entspricht 10 % des letzten im
Kalenderjahr ermittelten Rücknahmepreises (= 1.127,35 DM pro
Anteil), da die Kursentwicklung des Fonds in 1994 negativ
war.
Hieraus ergaben sich für die
Erbengemeinschaft aus den Luxemburger Anlagen Einnahmen aus
Kapitalvermögen von insgesamt 60.179,44 DM in 1993 und
116.535,70 DM in 1994. Die entsprechenden Feststellungsbescheide
ergingen am 27.12.2000 (für 1993) bzw. 20.12.2000 (für
1994).
Mit Schriftsatz vom 11.9.2001 beantragte
der Miterbe A.K. als Vertreter aller Feststellungsbeteiligten die
Änderung der Feststellungsbescheide 1993 und 1994. Anstelle
einer pauschalen Besteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG
seien nur die tatsächlich erzielten Kapitaleinkünfte zu
besteuern.
Das FA lehnte eine Änderung der
Bescheide unter Hinweis auf deren Bestandskraft ab. Den hiergegen
eingelegten „Widerspruch“ der Erbengemeinschaft wies
das FA durch Einspruchsentscheidung als unbegründet
zurück, weil der Antrag auf Änderung der
Feststellungsbescheide nicht innerhalb der Einspruchsfrist von
einem Monat beim FA eingegangen sei.
Mit ihrer Klage machten die Kläger zum
einen geltend, dass der damals zuständige Sachbearbeiter
während der laufenden Einspruchsfristen gegenüber dem
Bevollmächtigten der Kläger auf dessen telefonische
Anfrage erklärt habe, dass kein Einspruch erforderlich sei:
Falls eine Prüfung des Falles ergebe, dass § 18
AuslInvestmG nicht anwendbar sei, würden die
Feststellungsbescheide von Amts wegen geändert. Als der
Bevollmächtigte der Kläger dann über längere
Zeit nichts gehört habe und den Sachbearbeiter wegen Urlaubs-
und Krankheitszeiten nicht habe erreichen können, habe er
vorsorglich am 11.9.2001 Einspruch eingelegt.
In materiell-rechtlicher Hinsicht vertraten
die Kläger die Ansicht, durch die Anwendung des § 18
AuslInvestmG entstehe eine unzumutbar höhere Besteuerung als
bei einer Besteuerung der tatsächlich entstandenen
Kapitaleinkünfte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem
Finanzgericht (FG) haben die Beteiligten eine tatsächliche
Verständigung dahingehend getroffen, dass die tatsächlich
erzielten Kapitalerträge für 1993 insgesamt 47.324 DM und
für 1994 insgesamt 59.570 DM betragen haben.
Das FG hat der Klage stattgegeben und das
FA verpflichtet, die Feststellungsbescheide für 1993 und 1994
zu ändern und die Einnahmen der Kläger aus
Kapitalvermögen für 1993 mit 47.324 DM und für 1994
mit 59.570 DM anzusetzen. Die angefochtenen Bescheide seien wegen
Verstoßes gegen europäisches Recht (Art. 73b Abs. 1 des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -
EGV - = Art. 56 Abs. 1 nach der Zählung des Vertrages von
Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die
Europäische Union, der Verträge zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften - EG - sowie einiger damit
zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - AblEG - 1997 Nr. C-340, 1) rechtswidrig. Das
Urteil ist in EFG 2007, 1670 = SIS 07 26 54
veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
Das FG habe zu Unrecht § 18 Abs. 3
AuslInvestmG nicht angewendet. Die Vorschrift verstoße nicht
gegen die in Art. 56 EG garantierte
Kapitalverkehrsfreiheit.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision des FA ist unbegründet
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat
zutreffend entschieden, dass das FA zur Änderung der
Feststellungsbescheide 1993 und 1994 im Sinne des Klageantrags
verpflichtet ist, weil die auf § 18 Abs. 3 AuslInvestmG
beruhende Feststellung der Erträge aus den ausländischen
Investmentfonds nicht vereinbar ist mit europäischem Recht
(Art. 67, 69 des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft - EWG - vom 25.3.1957, BGBl II 1957, 766;
Art. 56 EG).
1. Das FG hat die von den Klägern
erhobene Verpflichtungsklage zu Recht als zulässig
behandelt.
Nach den Feststellungen des FG, die die
Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen haben, hat
der Vertreter der Kläger noch vor Ablauf der Einspruchsfristen
beim FA einen Antrag auf schlichte Änderung der angefochtenen
Feststellungsbescheide 1993 und 1994 gestellt und beantragt, die
Einkünfte der Erbengemeinschaft aus Kapitalvermögen ohne
die nach § 18 AuslInvestmG hinzu geschätzten Beträge
festzustellen. Dieser Antrag war nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) zulässig, da er nicht
schriftlich gestellt werden muss. Es genügt, dass er - wie im
Streitfall - innerhalb der Einspruchsfrist des § 355 AO beim
FA eingeht und auf eine bestimmte Änderung gerichtet ist
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.10.1993 XI R 17/93,
BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439 = SIS 94 04 52; vom 20.12.2006 X
R 30/05, BFHE 216, 31, BStBl II 2007, 503 = SIS 07 11 13; vom
10.5.2007 III R 67/06, BFH/NV 2007, 2063 = SIS 07 35 17). Gegen die
Ablehnung dieses Antrags waren der Einspruch und die
Verpflichtungsklage zulässig (BFH-Urteil in BFHE 172, 493,
BStBl II 1994, 439 = SIS 94 04 52).
2. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass
die Feststellung der Einkünfte der Kläger aus
Kapitalvermögen in den Feststellungsbescheiden 1993 und 1994
den Vorschriften des nationalen Steuerrechts entspricht. Die
Einkünfte der Kläger aus dem Teilfonds
„A“ waren für 1993 gemäß §
18 Abs. 3 Satz 1 AuslInvestmG pauschal mit 90 % des Mehrwerts
anzusetzen, der sich zwischen dem ersten und dem letzten
Rücknahmepreis des Kalenderjahres ergab. Der in 1994 erzielte
Zwischengewinn aus diesem Teilfonds war pauschal mit 20 % des
Veräußerungsentgelts anzusetzen (§ 18 Abs. 3 Satz 4
AuslInvestmG). Auch die Einkünfte aus dem Teilfonds
„B“ hat das FA im Feststellungsbescheid 1994
zutreffend mit 10 % des letzten in diesem Kalenderjahr
festgesetzten Rücknahmepreises ermittelt (§ 18 Abs. 3
Satz 1 2. Halbsatz AuslInvestmG). Denn nach der in den Streitjahren
geltenden Fassung des AuslInvestmG waren weder die Voraussetzungen
des § 17 Abs. 3 AuslInvestmG für eine Besteuerung nach
den für sog. „weiße“ Fonds geltenden
Regelungen des § 17 Abs. 1 bis 2a AuslInvestmG, noch die
für sog. „graue“ Fonds geltenden
Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 AuslInvestmG erfüllt.
a) Die Besteuerung von Ausschüttungen und
ausschüttungsgleichen Erträgen beim Anteilseigner war
für ausländische Investmentgesellschaften in den
Streitjahren in §§ 17 ff. AuslInvestmG geregelt. Nach
§ 20 AuslInvestmG gelten diese Vorschriften
sinngemäß für die in §§ 15 bis 15k
AuslInvestmG geregelten EG-Investmentanteile. Diese Erträge
unterliegen - ebenso wie die aus inländischen
Sondervermögen - als Einkünfte aus Kapitalvermögen
i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
der Einkommensteuer. Ab 1.1.1994 gehören auch Zwischengewinne
i.S. des § 17 Abs. 2a AuslInvestmG zu den steuerpflichtigen
Erträgen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
(Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG
- vom 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310). Hinsichtlich des Umfangs der
Besteuerung von Erträgen differenziert das AuslInvestmG
danach, ob die ausländischen Fonds im Inland registriert
(§§ 7, 15c AuslInvestmG) oder an einer deutschen
Börse zum Handel zugelassen (§ 1 Abs. 2 AuslInvestmG) und
ob bestimmte weitere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind
(vgl. §§ 15 ff. AuslInvestmG; Pfüller in
Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, Kommentar, 2003, § 15
AuslInvestmG Rz 10).
Während die Erträge
ausländischer Fonds, die im Inland registriert sind, einen
inländischen Vertreter bestellt haben und die in §§
15 ff., 17 Abs. 3 AuslInvestmG genannten Nachweis-, Bekanntgabe-
und Veröffentlichungspflichten erfüllen (sog.
„weiße“ Fonds) weitgehend wie die
Erträge aus inländischen Fonds besteuert werden (vgl.
§ 39 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften in der
für die Streitjahre geltenden Fassung - KAGG - ), gelten
für nicht registrierte Fonds die Sonderregelungen des §
18 AuslInvestmG. Erträge dieser („grauen“
und „schwarzen“) Fonds unterliegen nach §
18 Abs. 1 AuslInvestmG insofern einer schärferen Besteuerung
beim Anleger, als alle ausgeschütteten und thesaurierten
Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren und
Bezugsrechten durch den Fonds nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu
versteuern sind.
Eine weitere Verschärfung sieht § 18
Abs. 3 AuslInvestmG für sog. „schwarze“
Fonds vor, d.h. für solche, die der Verpflichtung des §
18 Abs. 2 AuslInvestmG zur Bestellung eines inländischen
Vertreters und/oder zum Nachweis der in § 18 Abs. 1
AuslInvestmG genannten Besteuerungsgrundlagen nicht oder nicht
vollständig nachgekommen sind (zur unterschiedlichen
steuerlichen Behandlung der Erträge aus
„weißen“, „grauen“ und
„schwarzen“ Fonds vgl. auch Brinkhaus/Schmitt in
Brinkhaus/ Scherer, a.a.O., Vor §§ 16 bis 20 AuslInvestmG
Rz 21 ff.).
Für diese „schwarzen“
Fonds schreibt § 18 Abs. 3 AuslInvestmG zwingend eine
Pauschalbesteuerung der laufenden Erträge und des bei der
Veräußerung oder Rückgabe der Anteile erzielten
Zwischengewinns vor.
b) Im vorliegenden Fall sind die
Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 AuslInvestmG für die
Anwendung der für „weiße“ Fonds
geltenden Vorschriften unstreitig nicht erfüllt, da die
ausländische Investmentgesellschaft ihre Absicht, Anteile im
Geltungsbereich des AuslInvestmG zu vertreiben, nicht
gemäß §§ 7, 15c AuslInvestmG der
zuständigen Behörde angezeigt und zudem in den
Streitjahren keinen inländischen Vertreter i.S. des § 17
Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b AuslInvestmG bestellt hat.
c) Auch die Voraussetzungen für die
Besteuerung der Erträge nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2
AuslInvestmG (sog. „grauer“ Fonds) liegen nicht
vor. Denn der Fonds hat in den Streitjahren keinen
inländischen Vertreter nach § 18 Abs. 2 Satz 2
AuslInvestmG bestellt und auch nicht sämtliche
Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 18 Abs. 1 AuslInvestmG
gemäß § 18 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AuslInvestmG
nachgewiesen. Zu den nach § 18 Abs. 1 und 2 AuslInvestmG
nachzuweisenden Besteuerungsgrundlagen gehören insbesondere
die aufgegliederten Gesamterträge und Gesamtkosten des
Investmentvermögens sowie die anzurechnenden
ausländischen Steuern. Die von den Klägern vorgelegten
Auskünfte der X-Bank über die Rücknahmepreise und
Zwischengewinne können nicht als ein ausreichender Nachweis
i.S. des § 18 AuslInvestmG angesehen werden.
d) Die Erträge der Kläger aus den
Anteilen an den luxemburgischen Fonds unterliegen deshalb der
für sog. „schwarze“ Fonds geltenden
Pauschalbesteuerung nach § 18 Abs. 3 Satz 1 AuslInvestmG. Nach
den Feststellungen des FG hat der luxemburgische Fonds in den
Streitjahren keine Ausschüttungen vorgenommen. Das FA hat
deshalb in den Streitjahren zu Recht nur die Pauschalen des §
18 Abs. 3 Satz 1 AuslInvestmG angesetzt und zwar für den
Teilfonds „A“ in 1993 in Höhe von 90 % des
Mehrbetrages, der sich zwischen dem ersten und dem letzten in
diesem Jahr erzielten Rücknahmepreis ergab. Da die Kläger
die Anteile am Teilfonds „A“ in 1994
veräußert haben, hat das FA gemäß § 18
Abs. 3 Satz 4 AuslInvestmG zutreffend 20 % des
Veräußerungsentgelts als weitere Einkünfte aus
Kapitalvermögen angesetzt; diese Pauschale tritt an die Stelle
des bei im Inland registrierten Fonds gemäß § 17
Abs. 2a AuslInvestmG zu besteuernden Zwischengewinns (Brinkhaus in
Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 18 AuslInvestmG Rz 38). Für
die Anteile am Teilfonds „B“ war in 1994 die
Mindestpauschale von 10 % des letzten Rücknahmepreises
anzusetzen, da die Kursentwicklung dieses Fonds im Streitjahr 1994
negativ war.
3. Der Senat erachtet in Übereinstimmung
mit dem FG die in § 18 Abs. 3 Sätze 1 und 4 AuslInvestmG
für „schwarze“ Fonds vorgeschriebene
Pauschalbesteuerung für unvereinbar mit dem
Gemeinschaftsrecht. Sie verstößt offensichtlich gegen
die in Art. 73b Abs. 1 EGV (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) verbürgte
Freiheit des Kapitalverkehrs. Die für Inhaber von Anteilen an
„schwarzen“ Fonds geltende fiktive
Bemessungsgrundlage der Kapitalerträge ist deshalb auf den im
Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt nicht anzuwenden (s. unter
II.5. der Gründe dieses Urteils).
a) Der vorliegende Fall betrifft die
Feststellungszeiträume 1993 und 1994. Das Streitjahr 1994
fällt unter die Geltung der Art. 73b bis 73g EGV, die am
1.1.1994 in Kraft getreten sind (Art. 73a EGV). Die Vereinbarkeit
der Gewinnfeststellung 1993 mit europäischem Recht bestimmt
sich dagegen nach den Art. 67, 69 des EWG-Vertrages vom 25.3.1957
und der auf diese Vorschriften gestützten Richtlinie
88/361/EWG des Rates vom 24.6.1988 (AblEG Nr. L 178/5 –
„Kapitalmarkt-Richtlinie“).
Bis zum Inkrafttreten der Art. 73b ff. EGV kam
der Kapitalverkehrsfreiheit auf der Ebene des primären
Gemeinschaftsrechts keine unmittelbare und unbedingte Wirkung
zugunsten des einzelnen Bürgers der Europäischen Union
(EU) zu. Denn Art. 67 des EWG-Vertrages verpflichtete die
Mitgliedsstaaten lediglich, während einer bis zum 31.12.1969
dauernden Übergangszeit untereinander alle Beschränkungen
und Diskriminierungen des Kapitalverkehrs aufzuheben,
„soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen
Marktes erforderlich ist“. Diese schrittweise
Liberalisierung des Kapitalverkehrs sollte nach Art. 69 EWG-Vertrag
vor allem durch Richtlinien des Rates vollzogen werden. Die auf
dieser Grundlage erlassene Richtlinie 88/361/EWG verpflichtete in
Art. 1 Abs. 1 alle Mitgliedsstaaten, mit Wirkung ab 1.7.1990 alle
Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den
Gebietsansässigen in den Mitgliedsstaaten zu beseitigen. Die
Richtlinie enthält keine Vorbehalte hinsichtlich
steuerrechtlicher Vorschriften. Der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat dieser Richtlinie
deshalb im Urteil vom 23.2.1995 Rs. C-358/93, C-416/93, Bordessa
u.a. (Slg. 1995, I-361, Rz 33) unmittelbare Wirkung zuerkannt
(ebenso EuGH-Urteil vom 6.6.2000 Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg.
2000, I-4071 = SIS 00 08 51, Rz 33). Die Kläger können
sich deshalb auch für das Streitjahr 1993 auf die
Kapitalverkehrsfreiheit des Gemeinschaftsrechts berufen.
b) Art. 73b bis 73g EGV (jetzt Art. 56 bis 58
EG) verbieten alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowohl
zwischen den Mitgliedsstaaten als auch zwischen Mitgliedsstaaten
und dritten Ländern. Eine solche Beschränkung ist bereits
dann gegeben, wenn staatliche Maßnahmen für die
Kapitaleinfuhr oder -ausfuhr abweichende - im Vergleich mit dem
inländischen Kapitalverkehr nachteilige - Regelungen vorsehen
und deshalb geeignet sind, Steuerpflichtige davon abzuhalten, ihr
Kapital bei ausländischen Gesellschaften anzulegen
(EuGH-Urteile vom 16.3.1999 Rs. C-222/97, Trummer und Mayer, IStR
1999, 286, Rz 21; vom 4.6.2002 Rs. C-367/98, Kommission/Portugal,
BB 2002, 1282, Rz 37; vom 4.6.2002 Rs. C-483/99, Kommission/
Frankreich, Slg. 2002, I-4781, Rz 36; vom 23.10.2007 Rs. C-112/05,
Kommission/Bundesrepublik Deutschland, BB 2007, 2423, Rz 18). Eine
solche Regelung wirkt sich zugleich beschränkend
gegenüber den in anderen Mitgliedsstaaten ansässigen
Gesellschaften aus, weil sie es diesen erschwert, im Inland Kapital
zu sammeln (EuGH-Urteile in Slg. 2000, I-4071, Rz 34, 35; vom
7.9.2004 Rs. C-319/02, Manninen, Slg. 2004, I-7477 = SIS 04 38 00,
Rz 22, 23; vom 6.3.2007 Rs. C-292/04, Meilicke, Slg. 2007, I-1835 =
SIS 07 08 89, Rz 23, 24).
Nach diesen Grundsätzen beschränken
die Regelungen des § 18 AuslInvestmG den freien
Kapitalverkehr, weil sie über die für inländische
Fonds geltenden Normen des KAGG hinausgehen. Das gilt insbesondere
für die Pauschalbesteuerung bei „schwarzen“
Fonds: § 18 AuslInvestmG benachteiligt im Inland
ansässige Inhaber von Anteilen an ausländischen
Investmentfonds insofern, als die Einkünfte aus diesen Fonds
zwingend einer Pauschalbesteuerung unterworfen werden, wenn der
ausländische Fonds die in § 18 Abs. 1 AuslInvestmG
genannten Besteuerungsgrundlagen nicht nachgewiesen und/oder keinen
inländischen Vertreter bestellt hat, während die in den
Streitjahren maßgebliche Vorschrift des § 39 KAGG eine
vergleichbare Pauschalbesteuerung für die Inhaber von Anteilen
an inländischen Investmentfonds nicht vorsieht. Eine weitere
Benachteiligung der Inhaber ausländischer Fondsanteile im
Vergleich zu Anteilseignern inländischer Fonds ist darin zu
sehen, dass gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG
bei Anteilseignern von „grauen“ und
„schwarzen“ Fonds Veräußerungsgewinne
der Fonds auch dann besteuert werden, wenn die Anteile im
Privatvermögen gehalten werden.
Die Regelungen des § 18 AuslInvestmG,
insbesondere die des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG, sind deshalb
geeignet, Investitionen in Investmentfonds mit Sitz in einem
anderen Mitgliedsstaat für inländische Anleger weniger
attraktiv zu machen und diese von solchen Anlagen abzuhalten. Sie
können ferner einen steuerlichen Anlageorganismus daran
hindern, Kapital in anderen Mitgliedsstaaten als dem ihrer
Niederlassung einzusammeln (EuGH-Beschluss vom 23.4.2008 Rs.
C-201/05, Vereinigtes Königreich, HFR 2008, 985 = SIS 08 32 62, Rz 53, m.w.N.). Die Vorschriften des § 18 Abs. 1 und 3
AuslInvestmG stellen deshalb eine durch Art. 73b EGV und Art. 1 der
Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24.6.1998 (jetzt: Art. 56 EG)
grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien
Kapitalverkehrs dar.
c) Die abweichende Ansicht des FG Köln
(Urteil vom 22.8.2001 14 K 35/99, EFG 2002, 144) und des FG
Düsseldorf (Urteil vom 22.12.2005 12 K 5252/02 E, EFG 2006,
866 = SIS 06 29 37), es liege keine verbotene Beschränkung des
freien Kapitalverkehrs vor, wenn von der beanstandeten Regelung nur
eine Minderheit von Anlegern betroffen sei, wird durch die
Rechtsprechung des EuGH nicht gestützt. Das FG beruft sich
insoweit zu Unrecht auf die Aussage im EuGH-Urteil vom 26.10.1999
Rs. C-294/97, Eurowings (BStBl II 1999, 851 = SIS 99 21 52, Rz 36
ff.), eine nationalstaatliche Regelung, „die in den
allermeisten Fällen, in denen der Dienstleistende in
Deutschland ansässig ist, eine andere steuerliche Regelung
vorsehe, als in jenen, in denen er in einem anderen Mitgliedsstaat
ansässig ist“, bewirke eine nach dem EG
unzulässige Ungleichbehandlung. Zum einen ist dieser Ansicht
entgegenzuhalten, dass die Entscheidung
„Eurowings“ in BStBl II 1999, 851 = SIS 99 21 52
nicht zu der Grundfreiheit des Art. 73b EGV (Art. 56 EG) ergangen
ist, sondern zur Dienstleistungsfreiheit des Art. 59 EG; zum
anderen ist zu beachten, dass schon die abstrakte Gefahr einer
Besteuerung nach § 18 AuslInvestmG zu einer Diskriminierung
aller potentiellen Erwerber von Anteilen an ausländischen
Investmentfonds führt, weil diese regelmäßig keinen
Einfluss darauf haben, ob der ausländische Fonds seine
gesetzlichen Veröffentlichungs- und Nachweispflichten
erfüllt. Im Übrigen rechtfertigen die zitierten
Formulierungen des EuGH in der Sache „Eurowings“
in BStBl II 1999, 851 = SIS 99 21 52 nicht den Schluss, dass der
EuGH anders entschieden hätte, wenn die Diskriminierung nur
eine Minderheit der ausländischen Dienstleistenden betroffen
hätte. Die zitierte Formulierung kann auch in dem Sinne
verstanden werden, dass „jedenfalls dann“, wenn
die Mehrheit der ausländischen Unternehmer von einer
belastenden innerstaatlichen Regelung betroffen ist, eine verbotene
Diskriminierung vorliegt (ebenso: Brinkhaus in Brinkhaus/Scherer,
a.a.O., § 18 AuslInvestmG Rz 45).
d) Die Beschränkung der
Kapitalverkehrsfreiheit durch § 18 Abs. 1 und 3 AuslInvestmG
ist nicht durch die Ausnahmeregelung des Art. 73d EGV (Art. 58 EG)
gerechtfertigt.
Nach Art. 73d Abs. 1 Buchst. a EGV
berührt Art. 73b EGV nicht das Recht der Mitgliedsstaaten,
„die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts
anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem ...
Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“. Als Ausnahme
vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs ist Art. 73d Abs. 1
Buchst. a EGV eng auszulegen (EuGH-Urteil vom 17.1.2008 Rs.
C-256/06, Jäger, IStR 2008, 144 = SIS 08 10 46, Rz 40). Nicht
jede Steuerregelung, die nach dem Mitgliedsstaat der Kapitalanlage
unterscheidet, ist zulässig. Die in Art. 73d Abs. 1 Buchst. a
EGV vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Art.
73d Abs. 3 EGV beschränkt, wonach die in Abs. 1 dieses
Artikels genannten nationalen Bestimmungen „weder ein
Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine
verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne
des Art. 73b (EGV) darstellen (dürfen)“ (vgl.
EuGH-Urteile in Slg. 2004, I-7477, Rz 28; vom 20.5.2008 Rs.
C-194/06, Orange European Smallcap Fund, IStR 2008, 435 = SIS 08 27 54, Rz 58; BFH-Urteil vom 9.8.2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl
II 2007, 279 = SIS 06 44 43).
In der Steuerklausel des Art. 73d Abs. 1
Buchst. a EGV (Art. 58 Abs. 1 EG) ist nur eine bereichsspezifische
Festschreibung einer schon zuvor vom EuGH vertretenen Rechtsansicht
zu den Beschränkungsmöglichkeiten der Grundfreiheiten zu
sehen (EuGH-Urteil in Slg. 2000, I-4071, Rz 43). Art. 73d Abs. 1
EGV geht in seinen Wirkungen nicht über diese Rechtsprechung
hinaus. Insbesondere ist durch den Vorbehalt des Art. 73d Abs. 3
EGV (Art. 58 Abs. 3 EG) klargestellt, dass eine nationale
Steuerregelung, die (wie § 18 AuslInvestmG) danach
unterscheidet, wo ein Steuerpflichtiger sein Kapital angelegt hat,
nur dann mit Art. 73b EGV vereinbar ist, wenn die unterschiedliche
Behandlung Sachverhalte betrifft, die objektiv nicht vergleichbar
sind, oder wenn sie - im Fall objektiv vergleichbarer Sachverhalte
- nach allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist
(EuGH-Urteile in Slg. 2000, I-4071, Rz 43; in Slg. 2004, I-7477, Rz
29; vom 8.9.2005 Rs. C-512/03, Blanckaert, Slg. 2005, I-7685 = SIS 05 41 96, Rz 42).
e) Die objektive Situation des Inhabers von
Anteilen an einem ausländischen Investmentfonds, der seiner
gesetzlichen Pflicht zum Nachweis der Besteuerungsgrundlagen nicht
nachkommt, ist mit der des Anteilseigners an einem
inländischen Fonds, der seine entsprechenden Pflichten
verletzt, grundsätzlich vergleichbar. In beiden Fällen
müssen die Steuerbehörden die jeweils aus dem Fonds
erzielten Kapitalerträge ermitteln und gegebenenfalls
schätzen; insoweit besteht objektiv kein Unterschied zwischen
der Situation eines Steuerpflichtigen mit ausländischen und
der eines Steuerpflichtigen mit inländischen
Fondserträgen. Allerdings kann es für die
inländischen Finanzbehörden schwieriger sein, die
zutreffenden Besteuerungsgrundlagen bei Anteilen an
ausländischen Fonds zu ermitteln oder zu schätzen. Das
gilt vor allem dann, wenn der ausländische Fonds keinen
inländischen Vertreter bestellt hat. Dieser Umstand, der die
Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle von Auslandssachverhalten
betrifft, ändert jedoch nichts an der objektiven
Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Dass dies auch der nationale
Gesetzgeber jetzt so sieht, zeigen die Regelungen der §§
5 und 6 des Investment-Steuergesetzes (InvStG), die eine
Pauschalbesteuerung nicht nachgewiesener Erträge
gleichermaßen für die Anteilsinhaber inländischer
und ausländischer Investmentfonds vorschreiben.
f) Zwingende Gründe des
Allgemeininteresses, die ausnahmsweise eine Beschränkung der
europarechtlichen Grundfreifreiheiten rechtfertigen können
(vgl. EuGH-Urteile vom 20.2.1979 Rs. 120/78, Cassis de Dijon, Slg.
1979, 649, Rz 8; in Slg. 2004, I-7477 = SIS 04 38 00, Rz 29; vom
30.11.1995 Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165 = SIS 96 06 72,
Rz 37; vom 15.12.1995 Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Rz
104; vom 15.5.1997 Rs. C-250/95, Futura Participations, Slg. 1997,
I-2471, Rz 26), liegen nicht vor.
aa) Entgegen der Ansicht des FA ist die
Pauschalbesteuerung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht
geboten, um - insbesondere bei thesaurierenden ausländischen
Investmentfonds - Steuerumgehungen oder Steuerverkürzungen zu
vermeiden (so aber die Begründung des Gesetzesentwurfs zum
AuslInvestmG, vgl. BTDrucks V/3494, S. 26).
Zwar können die Erfordernisse einer
wirksamen Steueraufsicht und Steuerkontrolle Einschränkungen
der vom EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten rechtfertigen
(EuGH-Urteile in Slg. 1997, I-2471, Rz 31; vom 28.10.1999 Rs.
C-55/98, Vestergard, Slg. 1999, I-7641 = SIS 99 21 40, Rz 23; vom
15.7.2004 Rs. C-315/02, Lenz, Slg. 2004, I-7063 = SIS 04 28 52, Rz.
45; vom 29.3.2007 Rs. C-347/04, REWE, BStBl II 2007, 492 = SIS 07 14 89, Rz 55). Dabei ist „Steueraufsicht“ nicht
nur i.S. der §§ 209 ff. AO zu verstehen. Sie umfasst auch
die Verhinderung der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung (Hahn,
DStZ 2005, 507, 509, m.w.N. in Fn. 425; EuGH-Urteil vom 11.10.2007
Rs. C-451/05, Elisa, IStR 2007, 894 = SIS 08 00 40, Rz 81, m.w.N.).
Grundsätzlich ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn ein
Mitgliedsstaat geeignete Maßnahmen trifft, um die
tatsächliche Erfassung der Besteuerungsgrundlagen
sicherzustellen. Das Erfordernis einer wirksamen Steuerkontrolle
berechtigt jedoch nicht dazu, Maßnahmen der Steueraufsicht
diskriminierend anzuwenden (EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-7641, Rz
25).
§ 18 AuslInvestmG bewirkt eine solche
unzulässige Diskriminierung von Anteilseignern
ausländischer Investmentfonds, indem er nicht nur zwingend die
Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen des
ausländischen Fonds in die steuerpflichtigen Erträge
anordnet, sondern darüber hinaus die nicht
ordnungsgemäß nachgewiesenen Erträge zwingend einer
typisierenden Schätzung unterwirft, ohne dem Steuerpflichtigen
die Möglichkeit einzuräumen, Tatsachen vorzutragen, aus
denen sich ergibt, dass die tatsächlich erzielten Erträge
niedriger sind als die nach § 18 AuslInvestmG anzusetzenden
Pauschalbeträge (im Ergebnis ebenso: Baur, Investmentgesetze,
2. Aufl., 1997, § 18 AuslInvestmG Rz 6; Brinkhaus in
Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 18 AuslInvestmG Rz 45; Eicker,
IStR 2005, 345; Harenberg, Praxis Internationale Steuerberatung -
PIStB - 2002, 201, 208; Plewka/Watrin, DB 2001, 2264; Rädler
in Festschrift für Heidinger, 1995, 53, 75; Schmitt, DStR
2002, 2193; Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2006, 414).
Bei Anteilseignern inländischer
Investmentfonds sieht das KAGG keine dem § 18 AuslInvestmG
vergleichbaren Sanktionen vor, wenn der Fonds seine
Veröffentlichungs- und Nachweispflichten nicht erfüllt.
Vielmehr hat das Finanzamt in diesen Fällen die Einkünfte
aus Kapitalvermögen nach § 162 AO zu schätzen, wenn
eine genaue Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht
möglich ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles,
die für die Höhe der Steuer von Bedeutung sind, zu
berücksichtigen. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen
bereitet zwar bei ausländischen Fonds insofern
größere Schwierigkeiten, als die inländischen
Finanzbehörden keine Möglichkeit haben, unmittelbar von
den ausländischen Fonds Auskünfte zu verlangen. Nach der
Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19.12.1977 über die
gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden
im Bereich der direkten Steuern (ABlEG Nr. L 336/15) kann jedoch
ein Mitgliedsstaat die zuständigen Behörden des anderen
Mitgliedsstaats um alle Auskünfte ersuchen, die er für
eine ordnungsgemäße Bemessung der Einkommensteuer
benötigt (EuGH-Urteile in IStR 2007, 894 = SIS 08 00 40, Rz
92; in BStBl II 2007, 492 = SIS 07 14 89, Rz 56; vom 4.3.2004 Rs.
C-334/02, Kommission gegen Französische Republik, Slg. 2004,
I-2081 = SIS 04 17 39, Rz 31, m.w.N.).
Die innerstaatliche Regelung des § 90 AO,
die dem Steuerpflichtigen bei Auslandssachverhalten eine
erhöhte Mitwirkungspflicht aufbürdet, rechtfertigt es
nicht, im Anwendungsbereich des Art. 73b EGV die deutschen
Finanzbehörden von der Verpflichtung freizustellen, sich
gegebenenfalls im Wege der Amtshilfe um die Beschaffung der
für die Besteuerung notwendigen Informationen zu bemühen
(vgl. dazu Hahn/Suhrbier-Hahn, DStZ 2002, 632) oder - wenn diese
Bemühungen erfolglos bleiben - die Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 162 AO zu schätzen.
bb) Die in § 18 AuslInvestmG angeordnete
Schlechterstellung der Inhaber von Anteilen ausländischer
Investmentfonds („schwarzer“ und
„grauer“ Fonds) im Vergleich zu den
Anteilseignern inländischer Fonds entspricht in der
Ausgestaltung der Pauschalbesteuerung auch nicht den Anforderungen
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu
allgemein Hahn, DStZ 2005, 507, 513 f.). Um diesem Grundsatz zu
genügen, muss eine Maßnahme geeignet sein, das mit ihr
verfolgte Ziel zu erreichen. Sie darf dabei nicht über das
hinausgehen, was hierzu objektiv notwendig ist (vgl. die Nachweise
bei Hahn, DStZ 2005, 507, 513, Fn. 509 und 510). Die
Pauschalbesteuerung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG ist nicht
erforderlich, um eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip
genügende Besteuerung der Erträge aus sog.
„schwarzen“ Fonds zu erreichen. Das gilt sowohl
für den generellen Ausschluss eines Nachweises der
tatsächlich erzielten Erträge und das Verbot einer
individuellen Schätzung als auch für die Höhe der
gesetzlichen Pauschalen des § 18 Abs. 3 Sätze 1 und 4
AuslInvestmG. Bedenken bestehen insoweit insbesondere gegen die
Koppelung der Mindestbesteuerung an den letzten
Rücknahmepreis, die auch dann eingreift, wenn der
Steuerpflichtige den Anteil erst kurz vor Ablauf des Jahres
erworben hat oder wenn der Wert des Anteils im Lauf des Jahres
gesunken ist; dies kann im Einzelfall zu einer unzulässigen
Substanzbesteuerung führen (Brinkhaus in Brinkhaus/Scherer,
a.a.O., § 18 AuslInvestmG Rz 43; Plewka/Watrin, DB 2001, 2264,
2267). Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber des InvStG die
vergleichbaren Pauschalsätze in § 5 und 6 InvStG nunmehr
auf 70 % der erzielten Wertsteigerung bzw. für die
Mindestbesteuerung auf 6 % des letzten Rücknahmepreises
reduziert hat, spricht dafür, dass die Pauschalsätze des
§ 18 AuslInvestmG überhöht waren.
Unverhältnismäßig ist auch die Pauschalbesteuerung
des Zwischengewinns mit 20 % des bei der Veräußerung
oder Rückgabe des Anteils erzielten Entgelts. Im Streitfall,
in dem die Kläger die Anteile am Fonds „A“
in 1994 nur 13 Tage hielten, führt die pauschale Besteuerung
des Zwischengewinns offensichtlich zu einer Substanzbesteuerung, da
ausgeschlossen werden kann, dass aus den Anteilen innerhalb dieses
kurzen Zeitraums ein Zwischengewinn in Höhe von 20 % des
Veräußerungsentgelts angefallen ist. In § 5 Abs. 3
InvStG hat der Gesetzgeber nunmehr eine Pauschalbesteuerung des
nicht nachgewiesenen Zwischengewinns mit 6 % des
Veräußerungsentgelts angeordnet; dieser Pauschalsatz ist
nach Auffassung der Verwaltung nur dann ungekürzt anzusetzen,
wenn der Anteil erst am Jahresende veräußert wurde
(Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 2.6.2005
IV C 1 - S 1980 - 1- 87/05, BStBl I 2005, 728, 745 = SIS 05 25 04,
Tz. 121).
4. Der Senat hält die
Gemeinschaftsrechtslage insoweit für eindeutig. Sie entspricht
der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 73b ff. EGV und
Art. 56 ff. EG und offenbar auch der Auffassung des nationalen
Gesetzgebers, der im Investment-Modernisierungsgesetz vom 9.12.2004
(BGBl I 2004, 3310) die steuerliche Ungleichbehandlung der
Erträge aus inländischem und ausländischem
Investmentvermögen unter ausdrücklichem Hinweis auf die
durch Art. 56 EG gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit
beseitigt hat (vgl. BTDrucks 15/1553, S. 120). Einer Vorlage an den
EuGH gemäß Art. 234 EG bedarf es deshalb nicht (vgl.
EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs. 283/81, „CILFIT“,
EuGHE 1982, 3415).
5. Aufgrund des Anwendungsvorrangs der
gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten vor nationalem Recht, der
auch für die Ausgestaltung der nationalen Ertragsteuersysteme
gilt (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. Urteile vom
14.2.1995 Rs. C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225 = SIS 95 06 47, Rz 21, und vom 21.9.1999 Rs. C-307/97, Saint-Gobain, Slg. 1999,
I-6161 = SIS 99 22 25, Rz 58), haben die nationalen Behörden
und Gerichte die dem Art. 73b EGV (Art. 56 EG) entgegenstehenden
diskriminierenden Regelungen des § 18 AuslInvestmG
unangewendet zu lassen, ohne dass sie die vorherige Beseitigung
dieser Norm durch den Gesetzgeber abwarten müssten
(ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. Urteile vom
19.9.2006 Rs. C-392/04 und Rs. C-422/04, i-21 Germany GmbH und
Arcor AG & Co. KG, Slg. 2006, I-8559 = SIS 06 47 54, Rz 71 ff.;
vom 8.6.2000 Rs. C-258/98, Carra, Slg. 2000, I-4217, Rz 16 ff.; vom
22.6.1989 Rs. 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Rz 28
ff.). Die Einkünfte der Kläger aus den ausländischen
Fonds sind vielmehr entsprechend den für inländische
Fonds geltenden Regelungen des KAGG und des § 20 EStG
festzustellen.