DBA-Luxemburg, stille Beteiligung, Schachtelprivileg: Einkünfte aus typisch stillen Beteiligungen werden nach Abschn. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls zu den Art. 5, 7 und 13 DBA-Luxemburg als Dividenden (Art. 13 DBA-Luxemburg) behandelt. Unbeschadet dessen werden die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen GmbH aus der typisch stillen Beteiligung an einer Luxemburger Kapitalgesellschaft nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer ausgenommen. - Urt.; BFH 4.6.2008, I R 62/06; SIS 08 33 10
I. Die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war im Streitjahr
2000 zu 48 v.H. der Anteile direkt und zusätzlich als stille
Gesellschafterin mit einer Einlage von 100 Mio. DM an einer
Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz und
Geschäftsleitung in Luxemburg, der I-S.A., beteiligt. Den
für das Streitjahr aus der stillen Beteiligung vereinnahmten
Gewinnanteil, auf den in Luxemburg eine Quellensteuer in Höhe
von 10 v.H. einbehalten worden war, behandelte die Klägerin
als gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 3 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum
Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über
gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der
Grundsteuern (DBA-Luxemburg) vom 23.8.1958 (BGBl II 1959, 1270)
i.V.m. Abschn. 11 Satz 2 der zu den Art. 5, 7 und 13 dieses
Abkommens abgegebenen Erklärungen der Vertragsstaaten in dem
Schlussprotokoll i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973
(BGBl II 1978, 111) steuerfrei. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt—FA - ) vertrat
demgegenüber die Auffassung, der Gewinnanteil aus der
Luxemburger stillen Gesellschaft sei nach Art. 20 Abs. 3
DBA-Luxemburg in Deutschland unter Anrechnung der
ausländischen Steuer gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1
des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 34c Abs. 6
Satz 2, Abs. 1 Satz 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu
besteuern.
Die Klage gegen den
hiernach ergangenen Körperschaftsteuerbescheid hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg gab ihr durch Urteil
vom 24.7.2006 6 K 164/04 statt. Das Urteil ist in EFG 2007, 167 =
SIS 06 42 89 veröffentlicht.
Mit seiner Revision
rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das
FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das dem Verfahren
beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA
in der Sache angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge
gestellt.
II. Die Revision ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Klageabweisung. Die Vorinstanz hat das Besteuerungsrecht
Deutschlands für den in Rede stehenden Gewinn aus der stillen
Beteilung der Klägerin an der luxemburgischen I-S.A. im
Ergebnis zu Unrecht verneint.
1. Die
Klägerin ist in Deutschland ansässig und unterfällt
hier mit ihrem Welteinkommen der unbeschränkten Steuerpflicht
(§ 1 Abs. 1 KStG). Das betrifft auch ihre Gewinnanteile aus
ihrer direkten wie stillen Beteiligung an der luxemburgischen
I-S.A., in dem ersteren Fall als Dividenden gemäß §
8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, in dem letzteren
Fall gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1
Nr. 1 und Nr. 4 EStG.
2. Das
DBA-Luxemburg ändert daran prinzipiell nichts: Das
Besteuerungsrecht für Dividenden richtet sich
grundsätzlich nach Art. 13 DBA-Luxemburg. Gewinnanteile aus
stillen Beteiligungen werden abkommensrechtlich als Zinsen
angesehen (vgl. Gradel in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA,
Art. 10 OECD-MA Rz 75, und dort auch Geurts, Art. 11 OECD-MA Rz 71;
Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA
Rz 10; Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 11
Rz 63a f., jeweils m.w.N.), für die Art. 14 DBA-Luxemburg
einschlägig ist. Das Besteuerungsrecht sowohl für
Dividenden als auch für Zinsen steht nach Art. 13 Abs. 1 und
Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg grundsätzlich dem Wohnsitzstaat,
im Streitfall also Deutschland zu. Es wird hinsichtlich der
Dividenden lediglich durch das Recht des anderen Vertragsstaats,
hier also Luxemburgs, zum Steuerabzug an der Quelle
eingeschränkt (Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg); diese
Quellensteuer ist in Deutschland auf die Körperschaftsteuer
anzurechnen (Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg).
3.
Allerdings macht Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg von den vorstehenden
Besteuerungsgrundsätzen eine Ausnahme für Dividenden, die
einer Kapitalgesellschaft von einer Kapitalgesellschaft mit
Wohnsitz in dem anderen Vertragsstaat gezahlt werden, deren
stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 v.H. der erstgenannten
Gesellschaft gehören. Solche Dividenden sind von der
Bemessungsgrundlage für die Steuer des Wohnsitzstaates
ausgenommen (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3
DBA-Luxemburg).
a)
Dieses sog. Schachtelprivileg könnte im Streitfall—und
darüber streiten die Beteiligten im Kern—auch für
die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung der Klägerin an
der I-S.A. einschlägig sein, und zwar aufgrund der von den
Vertragsstaaten in dem Schlussprotokoll zu den Art. 5, 7 und 13
DBA-Luxemburg abgegebenen ergänzenden Erklärungen. Denn
nach Abschn. 11 Satz 2 des Protokolls werden die Einkünfte aus
der Beteiligung als stiller Gesellschafter als Dividenden (Art. 13
DBA-Luxemburg) behandelt. Dies betrifft zwar
erklärtermaßen (nur) Art. 5, 7 und 13 des Abkommens, die
das Besteuerungsrecht der jeweiligen Vertragsstaaten für
Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen und für Dividenden
zuordnen und sich in erster Linie an den jeweiligen Quellenstaat
richten. Die Sachzusammenhänge und die systematischen
Verknüpfungen zwischen jenen Verteilungsartikeln und Art. 20
Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 DBA-Luxemburg, dessen Adressat der
Wohnsitzstaat ist, sprechen aber dafür, dass die begriffliche
Fiktion im Grundsatz hier wie dort gleichermaßen
einschlägig ist: Eine anderweitige Begriffsdefinition der
Dividende enthält das Abkommen nicht; es ist auch nicht
erkennbar, dass Art. 20 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 DBA-Luxemburg aus
sich heraus ein abweichendes Begriffsverständnis geböte.
Nicht zuletzt wäre es bei einem anderweitigen Verständnis
ausgeschlossen, die jeweilige Quellensteuer nach Art. 20 Abs. 3
DBA-Luxemburg auf die im Wohnsitzstaat erfassten Dividenden
anzurechnen. Dafür kann es aber keine Rolle spielen, ob die
Dividenden solche originärer oder aber nur fiktiver Art sind.
Das entspricht denn auch der im Schrifttum überwiegend
vertretenen Auffassung (vgl. z.B. Siegers in Debatin/Wassermeyer,
a.a.O., Art. 20 Luxemburg Rz 125, dort ebenso—aus Luxemburger
Sicht—Steichen, Rz 212; Wagner, Die steuerliche
Betriebsprüfung—StBp - 2001, 349; derselbe, Die
Steuerberatung—Stbg - 2007, 21; Suchanek/Herbst,
Finanz-Rundschau—FR - 2003, 1108; dieselben, FR 2006, 1112;
Rödder/Ritzer, Internationales Steuerrecht—IStR - 2006,
666; Grotherr in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 20 Luxemburg Rz
18; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S.
962; Wassermeyer, IStR 2007, 413, 415; allgemein Vogel in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 23 Rz 108; anders Fries, IStR 2005,
805).
b) Im
Einzelnen kommt es darauf jedoch nicht an. Denn der
Regelungswortlaut ebenso wie der Systemzusammenhang, in den die
Gewährung des beschriebenen Schachtelprivilegs gestellt ist,
zeigen auf, dass Gewinnanteile des lediglich still an einer
Kapitalgesellschaft Beteiligten von jener Begünstigung ohnehin
auszunehmen sind. Es handelt sich, legt man jene Fiktion in Abschn.
11 des Schlussprotokolls zugrunde, zwar auch hierbei um Dividenden.
Begreift man die Schachtelprivilegierung jedoch als eine solche,
die—nur—für Dividenden einzuräumen ist,
welche aus einer 25 %igen Kapitalbeteiligung herrühren, so
wird deutlich, dass es sich insoweit nicht um fiktive, sondern um
„echte“ Dividenden aus einer entsprechenden
Beteiligung handeln muss. Es bedarf der -
-zusätzlichen—direkten Kapitalbeteiligung, um den
tatbestandlichen Anforderungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 3
DBA-Luxemburg zu genügen; stille Beteiligungen und die daraus
fließenden Einkünfte reichen unbeschadet dessen, dass
Abschn. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls diese Einkünfte fiktiv
als Dividenden qualifiziert, hierfür nicht aus.
Der Regelungswortlaut des
Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg ist insoweit zwar nicht
gänzlich eindeutig. Bei weiter Normauslegung ließe sich
vertreten, dass jegliche Dividenden—originäre ebenso wie
fiktive—begünstigt wären, sobald die erwähnten
Beteiligungsanforderungen—wie auch im Streitfall infolge der
zusätzlichen direkten Beteiligung der Klägerin an der
I-S.A.—erfüllt sind (in diese Richtung—allerdings
nur bezogen auf abkommensrechtlich abgesenkte
Quellensteuersätze für Schachtelbeteiligungen—z.B.
Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz 166 ff., 168, und
dem folgend Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht
international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Rz B 178).
Zwingend ist ein derartiges Regelungsverständnis jedoch nicht.
Vielmehr ermöglicht der Wortlaut ein entsprechend
eingeschränktes Verständnis, das sich besser mit Ziel und
Zweck der Freistellung und damit auch dem Willen der
Vertragsschließenden in Einklang bringen lässt (vgl.
Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht
der Verträge vom 23.5.1969, BGBl II 1985, 927, in
innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des
Zustimmungsgesetzes vom 3.8.1985, BGBl II 1985, 926, am 20.8.1987,
BGBl II 1987, 757): Zum einen dehnt Abschn. 11 des
Schlussprotokolls lediglich den für Art. 13 DBA-Luxemburg
maßgebenden Dividendenbegriff auf die Gewinnanteile aus
stillen Beteiligungen aus, ersetzt aber nicht zugleich fiktiv die
qualifizierten (und auf die Beteiligungsgesellschaft bezogenen)
Beteiligungsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg;
an einer solchen—weitergehenden—Fiktion fehlt es. Zum
anderen zöge eine Freistellung in beiden Vertragsstaaten im
wirtschaftlichen Ergebnis unbesteuert bleibende Einkünfte nach
sich, weil die Gewinnanteile aus der „hybriden“,
stillen Beteiligung in Luxemburg unbeschadet ihrer Behandlung als
Dividenden und deren Belastung mit Quellensteuer im
Ansässigkeitsstaat als Betriebsausgaben abzugsfähig sind
(vgl. Wagner, StBp 2001, 349). Schließlich läuft die
verbleibende Dividendenregelung infolge des einschränkenden
Normverständnisses nicht leer: Sowohl originäre wie
fiktive Dividenden sind gemäß Art. 20 Abs. 3
DBA-Luxemburg im Wohnsitzstaat unter Anrechnung ausländischer
Quellensteuern zu besteuern. Dem Dividendenbegriff innerhalb des
Art. 20 DBA-Luxemburg muss dazu nicht, wie teilweise
befürchtet wird (z.B. Siegers in Debatin/ Wassermeyer, ebenda;
Rödder/Ritzer, IStR 2006, 666, 667), ein unterschiedliches
Verständnis beigelegt werden. Der Dividendenbegriff ist
derselbe. Allerdings wird nur eine „Teilmenge“
dieser Dividenden, eben jene aus direkten Kapitalbeteiligungen,
durch die „Schachtelfreistellung“ des Art. 20
Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg privilegiert.
Dass das Ergebnis dieser
normativen und systematischen Auslegung sich mittlerweile
ausdrücklich in einigen in jüngerer Zeit geschlossenen
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wiederfindet, so
beispielsweise in den Abkommen mit Österreich (vom 24.8.2000,
Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 4), mit Rumänien (vom
12.11.2001, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 3), Kroatien (vom
6.2.2006, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3), Slowenien (vom
3.5.2006, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3) und in dem mit den
Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Abkommen vom
29.8.1989 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 1.6.2006 (Art. 23
Abs. 3 Buchst. a Satz 4) widerspricht dem nicht. Die Verdeutlichung
in jenen Abkommen schließt nicht aus, dass es sich nach
Wortlaut und Regelungszusammenhängen jedenfalls in dem mit
Luxemburg geschlossenen Abkommen ebenso verhält.
4. Die Vorinstanz hat eine hiervon abweichende
Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aus diesem Grunde
aufzuheben; die Klage war abzuweisen.