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I. Streitig ist, ob aus Spanien stammende
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach dem Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen vom 5.12.1966 - DBA-Spanien - (BGBl II 1968, 10,
BStBl I 1968, 297) in Deutschland besteuert werden
dürfen.
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Die in Deutschland wohnenden Kläger
und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren
(1997 bis 2000) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Der Kläger ist gebürtiger Spanier und erzielte
in den Streitjahren neben inländischen Einkünften auch
ausländische Einkünfte, u.a. aus land- und
forstwirtschaftlichen Betrieben in Spanien.
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Abweichend von den Steuererklärungen
nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Spanien nicht
nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1
DBA-Spanien von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer aus,
sondern behandelte sie als solche aus unbeweglichem Vermögen
nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee
i.V.m. Art. 6 DBA-Spanien und unterwarf sie nach § 13 des
Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) der deutschen Steuer. Eine
Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuern erfolgte zunächst
nicht, da entsprechende Nachweise durch die Kläger nicht
beigebracht worden waren.
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Das Finanzgericht Köln (FG) gab der
dagegen gerichteten Klage mit Urteil vom 23.2.2011 9 K 286/06,
veröffentlicht in EFG 2011, 1322 = SIS 11 17 19, statt. Der
Kläger habe seine land- und forstwirtschaftlichen
Einkünfte aus einer spanischen Betriebstätte bezogen und
deshalb sei nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien die
Freistellungsmethode anzuwenden.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Nachdem die Kläger die entsprechenden
Nachweise erbracht hatten, hat das FA während des
Revisionsverfahrens die in Spanien gezahlten Steuern auf die
deutsche Einkommensteuer angerechnet und hiernach geänderte
Steuerbescheide erlassen.
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Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt, wenden sich in der Sache aber gegen das
Revisionsvorbringen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das angefochtene Urteil des FG ist auf die
Revision des FA aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.
An die Stelle der ursprünglich angefochtenen
Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, die Gegenstand
des FG-Urteils waren, sind während des Revisionsverfahrens die
Änderungsbescheide vom 7.6.2011 getreten. Die
Änderungsbescheide sind gemäß § 68 Satz 1 FGO
Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Soweit einem FG-Urteil
ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es
keinen Bestand haben (vgl. z.B. Senatsurteil vom 3.8.2005 I R
94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92, m.w.N.).
Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG
gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren
leidet an keinem Verfahrensmangel. Die vom FG getroffenen
tatsächlichen Feststellungen sind nicht entfallen. Sie bilden
unverändert die Grundlage für die Entscheidung des
erkennenden Senats (dazu z.B. Senatsurteil in BFHE 210, 398, BStBl
II 2006, 20 = SIS 05 45 92). Diese kann in der Sache selbst ergehen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
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Die Klage gegen die Änderungsbescheide
vom 7.6.2011 ist als unbegründet abzuweisen. Die Vorinstanz
hat zu Unrecht die aus Spanien stammenden Einkünfte des
Klägers aus Land- und Forstwirtschaft von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen.
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1. Die Kläger waren in den Streitjahren
in Deutschland ansässig und unterfallen hier mit ihrem
Welteinkommen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs.
1 EStG 1997). Das betrifft auch die Einkünfte aus dem in
Spanien belegenen Plantagenbetrieb. Es handelt sich dabei um
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13
EStG 1997. Das steht - soweit es das deutsche innerstaatliche Recht
betrifft - zwischen den Beteiligten nicht in Streit und muss
deshalb nicht näher ausgeführt werden. Ebenso bedarf es
keiner weiteren Ausführungen dazu, dass die Kläger i.S.
des Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien in Deutschland ansässig
waren.
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2. Die Besteuerung der Einkünfte aus
Land- und Forstwirtschaft wird durch das DBA-Spanien nicht
gehindert. Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien weist zwar das
Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unbeweglichem
Vermögen dem Spanischen Staat als dem Vertragsstaat zu, in dem
das unbewegliche Vermögen liegt; die Bundesrepublik
Deutschland ist jedoch als Wohnsitzstaat nicht an einer Besteuerung
dieser Einkünfte gehindert. Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. ee DBA-Spanien wird auf die deutsche Steuer von den
aus Spanien stammenden Einkünften aus unbeweglichem
Vermögen die spanische Steuer angerechnet, die nach diesem
Abkommen gezahlt worden ist, „sofern dieses Vermögen
nicht zu einer in Spanien gelegenen Betriebstätte
tatsächlich gehört“. Das Besteuerungsrecht
für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in
Spanien steht damit Deutschland zu, denn es handelt sich hierbei in
Einklang mit jener Regelung um Einkünfte aus unbeweglichem
Vermögen, die nicht zu einer in Spanien belegenen
Betriebstätte tatsächlich gehören.
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a) Dem Begriff des „unbeweglichen
Vermögens“ im Rahmen des Art. 23 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. ee DBA-Spanien ist keine andere Bedeutung beizumessen
als dem in Art. 6 DBA-Spanien. Es ist aus dem Abkommen nicht
ersichtlich, dass der Begriff in einem anderen Sinne gebraucht
wird. Dazu hätte es eines ausdrücklichen Hinweises in dem
Abkommen bedurft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.5.1982 I
R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768 = SIS 82 20 38;
Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 23
Spanien Rz 25; Suchanek, IStR 2007, 654, 657). Zu den
Einkünften aus unbeweglichem Vermögen gehören auch
die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben,
da dort die Nutzung von Grund und Boden im Vordergrund steht (vgl.
Senatsurteil vom 12.12.1990 I R 127/88, BFH/NV 1992, 104, sowie
Reimer in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 6 Rz 35). Etwas anderes
ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien -
anders als Art. 6 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for
Economic Cooperation and Development zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen - keinen Klammerzusatz enthält, wonach
Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu den
Einkünften aus unbeweglichem Vermögen gehören. Denn
es handelt sich bei dem angesprochenen Zusatz lediglich um eine
Klarstellung und nicht um eine definitorische Erweiterung (vgl.
Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 6 Rz 16;
Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 6 Spanien Rz 1;
Suchanek, IStR 2007, 654, 656; Ellsel in Gosch/Kroppen/Grotherr,
DBA, Art. 6 DBA-Spanien Rz 1; differenzierend Reimer in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 6 Rz 52).
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b) Der Begriff der
„Betriebstätte“ in Art. 23 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. ee DBA-Spanien knüpft an die Definition der
Betriebstätte in Art. 5 DBA-Spanien an. Aus dem Abkommen
selbst ist nicht ersichtlich, dass der Begriff in einem anderen
Sinne gebraucht wird. Dazu hätte es wiederum eines
ausdrücklichen Hinweises in dem Abkommen bedurft (vgl.
Senatsurteil in BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768 = SIS 82 20 38
zur Auslegung des Begriffs des unbeweglichen Vermögens). Auch
sprechen die Sachzusammenhänge und die systematischen
Verknüpfungen zwischen dem sog. Verteilungsartikel des Art. 6
DBA-Spanien einerseits und dem sog. Methodenartikel des Art. 23
Abs. 1 DBA-Spanien andererseits dafür, dass beiden Regelungen
ein einheitliches Verständnis des Begriffs der
Betriebstätte zugrunde liegt, auch wenn sich der
Verteilungsartikel in erster Linie an den jeweiligen Quellenstaat,
der Methodenartikel aber an den Wohnsitzstaat richtet (s. auch
Senatsurteil vom 4.6.2008 I R 62/06, BFHE 222, 255, BStBl II 2008,
793 = SIS 08 33 10, zu der Abkommenslage bei typisch stillen
Beteiligungen nach Abschn. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls i.d.F.
des Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973, BGBl II 1978, 111, zu
den Art. 5, 7 und 13 DBA-Luxemburg).
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Nach Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien bedeutet der
Ausdruck „Betriebstätte“ eine
„feste Geschäftseinrichtung, in der die
Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt
wird“. Vorausgesetzt wird damit die Existenz eines
Unternehmens, wobei der Begriff des Unternehmens selbst im
DBA-Spanien nicht näher definiert wird. Denn in der
allgemeinen Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g
DBA-Spanien wird der Begriff des Unternehmens bereits
vorausgesetzt. Soweit das FG aus der fehlenden abkommensrechtlichen
Definition indes schließt, es sei für die Auslegung auf
die nach dem deutschen innerstaatlichen Recht maßgebliche
Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen des § 15 Abs. 2 EStG
1997 abzustellen, pflichtet der Senat dem nicht bei. Was als
Unternehmen anzusehen ist, muss vielmehr (zunächst) unter
Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks des Art. 5
DBA-Spanien sowie seines systematischen Zusammenhangs mit anderen
Abkommensbestimmungen ermittelt werden (vgl. Senatsurteil vom
27.1.1972 I R 37/70, BFHE 105, 8, BStBl II 1972, 459 = SIS 72 02 66, zum DBA-Schweiz 1931 vom 15.7.1931 i.d.F. des Zusatzprotokolls
vom 20.3.1959, BStBl I 1959, 1006). Der Unternehmensbegriff ist
daher primär aus Art. 7 DBA-Spanien zu bestimmen (Wassermeyer
in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 3 Rz 23). Er lässt
sich mittelbar durch die in Art. 7 DBA-Spanien angelegte Abgrenzung
zu Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 DBA-Spanien ableiten.
Abkommensrechtlich fällt damit alles, was als Land- und
Forstwirtschaft i.S. des Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien anzusehen ist,
nicht unter den Begriff des Unternehmens i.S. des Art. 7
DBA-Spanien und kann damit auch keine Betriebstätte
begründen (vgl. Vogel in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 3 Rz 41a;
Görl in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 5 Rz 11; Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 6 Rz 16a; ders. in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 5 Rz 26; ders. in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 7 Rz 15, 44; Ellsel in
Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 6 DBA-Spanien Rz 10; Erhard in
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, Art. 3 Rz 112; Strunk/ Kaminski in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 3 OECD-MA Rz 21;
Suchanek, IStR 2007, 654, 656; vgl. auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 23.3.1982, BStBl I 1982, 372 =
SIS 82 10 44). Dies folgt letztlich aus dem abkommensrechtlichen
Prinzip des Vorrangs der speziellen Einkunftsart, das als
Sachgesetzlichkeit bei der Auslegung von Abkommensbestimmungen zu
beachten ist (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 7
Rz 16a, 44; vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 23.10.1996 I R 10/96,
BFHE 182, 51, BStBl II 1997, 313 = SIS 97 10 99).
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Dieses Ergebnis wird für das DBA-Spanien
auch durch Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien bestätigt, der explizit
von „Einkünften aus unbeweglichem Vermögen eines
Unternehmens“ in Abgrenzung zu Einkünften aus
unbeweglichem Vermögen, das der Ausübung eines freien
Berufs dient, spricht. Aus dem Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 und 2
DBA-Spanien ergibt sich eine weitere Abgrenzung zu Einkünften
land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die eben keine
„Unternehmen“ im Sinne des DBA-Spanien
darstellen. Aus der klarstellenden Formulierung in Art. 6 Abs. 4
DBA-Spanien, wonach auch „Unternehmen“
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen beziehen
können, kann (umgekehrt) dagegen nicht abgeleitet werden, dass
ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb als
„Unternehmen“ anzusehen ist und damit eine
Betriebstätte begründen kann (so aber Reimer in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 6 Rz 43a, 204). Eine derartige Auslegung
ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen und lässt das
abkommensrechtliche Prinzip des Vorrangs der speziellen
Einkunftsart unberücksichtigt.
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Soweit das FG schließlich mit Teilen des
Schrifttums davon ausgeht, dass der Begriff der Betriebstätte
in Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien keine Eingrenzung auf eine bestimmte
Einkunftsart vornehme (vgl. hierzu auch Herlinghaus in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 23 Spanien Rz 25; Grotherr in
Gosch/Kroppen/ Grotherr, a.a.O., Art. 23 DBA-Spanien Rz 27;
Debatin, DB 1988, 1285), vermag dem der erkennende Senat nicht zu
folgen. Auch diese Auslegung wird dem Abkommenszusammenhang nicht
gerecht.
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3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes
Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif und die
Klage abzuweisen. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide der
Streitjahre sind rechtmäßig.
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