Sanierung, Darlehensverlust als nachträgliche Anschaffungskosten: Das Sanierungsprivileg des § 32 a Abs. 3 Satz 3 GmbHG schließt den Ansatz von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2 EStG nicht aus. - Urt.; BFH 19.8.2008, IX R 63/05; SIS 08 40 75
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Gesellschafter der Firma G-GmbH (GmbH). Seine
Aufnahme in die Gesellschaft wurde in der Gesellschafterversammlung
vom 3.3.2000, an der er teilnahm, vereinbart. Zugleich
verpflichtete sich der Kläger, der GmbH im Hinblick auf deren
schlechte Liquiditätslage kurzfristig ein Darlehen in
Höhe von 150.000 DM zu gewähren, das er am 20.3.2000
zusammen mit dem Anteil am Stammkapital auf ein Konto der GmbH
überwies. Am 1.4.2000 schloss er mit der GmbH einen
Darlehensvertrag über dieses Darlehen (Rückzahlung am
1.1.2002, Zinssatz 12,5 %). Die GmbH erhöhte am 16.5.2000 ihr
Stammkapital von 25.000 EUR auf 82.000 EUR. Der Kläger wurde
zur Übernahme einer Stammeinlage im Nennbetrag von 10.250 EUR
zugelassen.
Der Bericht über die Prüfung des
Jahresabschlusses der GmbH zum 31.12.1999 weist eine angespannte
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der GmbH aus. Die für
das Geschäftsjahr 1999 erstellte Gewinn- und Verlustrechnung
ergibt einen Fehlbetrag von 204.140,38 DM.
Im Jahr 2000 geriet die GmbH weiter in die
Krise. Aus der Bilanz auf den 31.12.2000 ergibt sich bei einem
gezeichneten Kapital von 160.378 DM und einer Kapitalrücklage
von 110.539,78 DM ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag
von 579.253,99 DM. Verbindlichkeiten gegenüber den
Gesellschaftern sind in Höhe von 817.199,87 DM
bilanziert.
Angesichts der hohen Verluste der Vorjahre
wurde zunächst durch weitere Darlehen der Gesellschafter
versucht, den entstandenen Liquiditätsengpass zu
überwinden. Im Zuge dessen erklärte sich der Kläger
in der Gesellschafterversammlung am 29.5.2001 bereit, ein zinsloses
Kurzfristdarlehen über 10.000 DM zu gewähren. Am
11.9.2001 schlossen die GmbH und der Kläger eine
Rangrücktrittsvereinbarung hinsichtlich des Darlehens von
150.000 DM, wonach der Kläger zur Vermeidung eines
Insolvenzantrags mit seinem Darlehensanspruch und den Zinsen im
Rang hinter die Forderungen der Gläubiger
zurücktrat.
Letztlich konnte die Insolvenz der
Gesellschaft aber nur durch Übernahme der Gesellschaft durch
Herrn W vermieden werden. Um diese zu ermöglichen, gaben die
Altgesellschafter eine Verzichtserklärung auf die erbrachten
Gesellschafterdarlehen ab, wodurch sich außerordentliche
Erträge von 1.074.744,86 DM ergaben, nachdem zwischenzeitlich
noch weitere Gesellschafterdarlehen gewährt worden waren
(Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung für 2001: 398.200
DM). Am 11.11.2001 wurde in diesem Zusammenhang zwischen dem
Kläger und der GmbH die Verzichtsvereinbarung hinsichtlich des
Darlehens von 150.000 DM geschlossen. In dieser Vereinbarung ist
unter anderem festgelegt, dass die Gesellschafter in
unterschiedlicher Höhe Gesellschafterdarlehen gewährt
haben, auf die vereinbarte Zinsen nicht gezahlt worden seien, da
sich die Gesellschaft in einer wirtschaftlichen Krise befinde und
genötigt sei, Insolvenzantrag zu stellen bzw.
insolvenzvermeidende Maßnahmen zu treffen. Insoweit
verzichteten alle Gesellschafter auf ihren
Rückzahlungsanspruch und die Zinsen aus den Darlehen. Der
Verzicht wurde vor dem Hintergrund erklärt, dass die
Gesellschaft ohnehin nicht zur Rückzahlung der Darlehen in der
Lage wäre.
Mit notariellem Vertrag vom 15.11.2001
veräußerte der Kläger seinen GmbH-Anteil an Herrn W
zum Kaufpreis von 1 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2001 (Streitjahr) die vom Kläger an die GmbH
gewährten Darlehen von insgesamt 160.000 DM im Hinblick auf
§ 32a Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften
mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht als nachträgliche
Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Einspruch des Klägers
blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat mit seinem in
EFG 2006, 110 = SIS 06 05 30 veröffentlichten Urteil der Klage
stattgegeben: § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG ändere nichts am
tatsächlichen Charakter der gewährten Darlehen als
Eigenkapitalersatz.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der dieses eine Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG)
rügt, da sich das FG zu Unrecht von der gebotenen strikten
Bindung an das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht
löse.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Zu Recht hat das FG angenommen, dass dem
Kläger aus der Darlehensgewährung an die GmbH
nachträgliche Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2 EStG) in
Höhe von 160.000 DM entstanden sind.
1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der
Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der
Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der
Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in
seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die
aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden
Verluste (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.12.2000 VIII R
22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385 = SIS 01 05 18,
m.w.N.).
Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs.
1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der
Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen
persönlich getragenen Kosten (entsprechend den
Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG)
sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem
Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten
Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (BFH-Urteil
in BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385 = SIS 01 05 18).
a) Anschaffungskosten sind nach § 255
Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die
geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.
Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die
nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen
Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten)
Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung,
wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und
weder Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Das
ist bei einem Darlehen des Gesellschafters an die
Kapitalgesellschaft der Fall, wenn und insoweit es Eigenkapital
ersetzt (vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG), weil der Gesellschafter es
in einem Zeitpunkt gewährt, in dem er als ordentlicher
Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 4.3.2008 IX R 80/06, BStBl II
2008, 577 = SIS 08 20 31, und IX R 78/06, BStBl II 2008, 575 = SIS 08 20 30).
Finanzierungsmaßnahmen führen
mithin zu nachträglichen Anschaffungskosten, wenn sie als
Ersatz für Eigenkapital zu betrachten und deshalb wie dieses
gebunden sind (funktionales Eigenkapital; vgl. BFH-Urteil vom
2.10.1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320 = SIS 85 10 12, m.w.N.).
b) Allerdings unterliegen nach dem sog.
Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG Tilgungs- und
Zinszahlungen auf Darlehen in solchen Fällen keiner
Auszahlungssperre, die Forderungen sind nicht nachrangig.
Gleichwohl schließt diese Freistellung der Darlehen eines
Sanierungsgesellschafters von den Beschränkungen des §
32a GmbHG im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 EStG nicht deren
Funktion als Eigenkapital aus. Denn Zweck des Sanierungsprivilegs
als Sonderregelung ist es, Anreize zu bieten, GmbH’s
Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen
zu beteiligen (vgl. BTDrucks 13/10038, S. 28; Lutter/Hommelhoff,
GmbH-Gesetz, 16. Aufl., §§ 32a/b Rz 79; Scholz/Schmidt,
GmbHG, 10. Aufl., § 32a, 32b Rz 211). Dieser Zweck würde
unterlaufen, wenn der Sanierungskapital gebende Gesellschafter
gegenüber anderen Gesellschaftern steuerrechtlich
benachteiligt würde (vgl. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/
Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 300).
2. Diesen Grundsätzen entspricht die
Vorentscheidung. Der Ausfall der streitbefangenen Darlehen
führt zu nachträglichen Anschaffungskosten des
Klägers.
Nach den den Senat bindenden Feststellungen
des FG wurden die streitigen Darlehen bei Kreditunwürdigkeit
der GmbH und damit in der Krise gewährt. Das Darlehen
über 150.000 DM wurde in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Aufnahme des Klägers in die Gesellschaft gewährt, um -
wie mit der Erhöhung des Stammkapitals - der
Überschuldung der Gesellschaft zu begegnen. Das Darlehen
über 10.000 DM diente - zusammen mit anderen kurzfristig
gegebenen Gesellschafterdarlehen - der Vermeidung der
Insolvenz.
Beide Darlehen wurden in einer Situation
gegeben, in der die Konkursreife der Gesellschaft noch nicht
eingetreten war, die Rückzahlung der Darlehen aber angesichts
der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße
gefährdet war, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer
Kreditgewährung zu den selben Bedingungen wie der Kläger
nicht mehr eingegangen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 13.7.1999
VIII R 31/98, BFHE 198, 390, BStBl II 1999, 724 = SIS 99 19 15).
Unerheblich ist, dass der Rückzahlungsanspruch aus dem
Darlehen im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltig war. Denn die
Höhe der Anschaffungskosten bestimmt sich nach dem Zeitpunkt
der Darlehensgewährung in der Krise der GmbH (Nennbetrag; vgl.
BFH-Urteil vom 24.4.1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II
1999, 339 = SIS 97 23 36).