Mitarbeiteroptionen, Aufwendungen als Werbungskosten, Abzugszeitpunkt: 1. Räumt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Aktienoptionen als Ertrag der Arbeit ein, sind damit zusammenhängende Aufwendungen des Arbeitnehmers erst im Jahr der Verschaffung der verbilligten Aktien zu berücksichtigen (Fortführung der Rechtsprechung im Senatsurteil vom 20.6.2001 VI R 105/99, BFHE 195 S. 395, BStBl 2001 II S. 689 = SIS 01 11 33). - 2. Verfällt das Optionsrecht, sind die Optionskosten im Jahr des Verfalls als vergebliche Werbungskosten abziehbar. - Urt.; BFH 3.5.2007, VI R 36/05; SIS 07 21 03
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob Aufwendungen für die Einräumung nicht handelbarer
Aktienoptionsrechte nach Verfall bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten in Abzug gebracht
werden können.
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in leitender
Stellung bei der Firma X-AG (Arbeitgeber) beschäftigt. Am
30.6.1997 machte er von dem Angebot des Arbeitgebers Gebrauch,
Aktienoptionsscheine mit Bezugsrecht auf Inhaber-Stammaktien im
Nennbetrag von je 50 DM zu erwerben, und erhielt 5.440 Stück
Optionsscheine zum Preis von je 20 DM (insgesamt 108.800 DM). Die
Option war zunächst bis zum 1.6.1999 befristet. Da zu diesem
Zeitpunkt der Kurs der Aktie unter dem vereinbarten Bezugspreis
(190 DM) lag, wurde die Laufzeit der Option bis zum 30.11.1999
verlängert. Der Kläger machte auch zu diesem Zeitpunkt
von seinem Bezugsrecht keinen Gebrauch und ließ damit das
Optionsrecht verfallen, weil der Aktienkurs nach wie vor unter dem
vereinbarten Bezugspreis lag. Eine Rückgabemöglichkeit
nicht genutzter Optionsscheine war vertraglich
ausgeschlossen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ließ im angefochtenen Bescheid die
Aufwendungen des Klägers für den Erwerb der Optionsrechte
in Höhe von insgesamt 108.800 DM nicht als Werbungskosten bei
seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug
zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2005, 191 = SIS 05 06 01 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit der Revision machen die Kläger die
Verletzung materiellen Rechts geltend.
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des Beklagten
aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahingehend zu
ändern, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
um 108.800 DM verringert werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur
antragsgemäßen Herabsetzung der Einkommensteuer (§
126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 Abs. 2 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Optionskosten mindern als
vergebliche Werbungskosten die Einkünfte des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit.
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Sie sind bei der
Einkunftsart abziehbar, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1
Satz 2 EStG). Unter den Begriff der Werbungskosten fallen alle
Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen
veranlasst sind. Führen Aufwendungen nicht zum beabsichtigten
Erfolg, bleibt hiervon ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten
unberührt (Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.7.1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466,
BStBl II 1990, 830 = SIS 90 18 09, unter C. III. 2. a; BFH-Urteile
vom 23.11.2000 VI R 93/98, BFHE 193, 555, BStBl II 2001, 199 = SIS 01 05 56; vom 24.5.2000 VI R 17/96, BFHE 192, 293, BStBl II 2000,
584 = SIS 00 13 09; vom 15.11.2005 IX R 3/04, BFHE 212, 45, BStBl
II 2006, 258 = SIS 06 07 06; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl.,
§ 9 Rz 44; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 164
ff.; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 165).
2. Im Streitfall hat der Kläger die
Aufwendungen zum Erwerb der Optionsrechte getätigt, um
verbilligt Aktien des Arbeitgebers zu erwerben. Dies hätte im
Zeitpunkt des Erwerbs zum Zufluss von Arbeitslohn geführt. Das
rechtfertigt den Abzug der Optionskosten als vergebliche
Werbungskosten.
a) Zu den Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in
Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem
Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner
individuellen Arbeitskraft zufließen. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH stellt auch die verbilligte Überlassung
von Aktien durch den Arbeitgeber einen geldwerten Vorteil dar. Der
Vorteil aus einem für Dienstleistungen gewährten
Aktienoptionsprogramm führt allerdings erst in dem Zeitpunkt
zum Lohnzufluss, in dem die Ansprüche aus den Optionsrechten
erfüllt werden („Endbesteuerung“;
BFH-Urteile vom 23.6.2005 VI R 124/99, BFHE 209, 549, BStBl II
2005, 766 = SIS 05 33 29; vom 23.6.2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559,
BStBl II 2005, 770 = SIS 05 35 98). Dabei errechnet sich der
Vorteil aus der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis der
Aktien am Verschaffungstag und den diesbezüglichen
Aufwendungen des Arbeitnehmers (BFH-Urteile vom 19.12.2006 VI R
136/01, BFH/NV 2007, 589 = SIS 07 04 74; vom 20.6.2001 VI R 105/99,
BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689 = SIS 01 11 33). Zu den
Aufwendungen zählt auch der jeweilige Optionspreis.
b) Im Streitfall besteht nach Auffassung des
Senats kein Zweifel, dass die vom Arbeitgeber beabsichtigte
verbilligte Überlassung der Aktien „für eine
Beschäftigung“ des Klägers gewährt wurde
und damit zu Arbeitslohn geführt hätte. Mit den
erwarteten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit standen die
Optionskosten im wirtschaftlichen Zusammenhang. Da der Kläger
wegen Nichtausübung der Option den erwarteten Arbeitslohn
nicht erhalten hat, führen die Kosten der Einräumung des
Optionsrechts zu vergeblichen Aufwendungen.
c) Diese Aufwendungen sind entgegen der
Auffassung des FG auch im Streitjahr als Werbungskosten
abziehbar.
aa) Werbungskosten sind zwar nach § 11
Abs. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich für das Kalenderjahr
abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Die Regelungen zur
Endbesteuerung von Aktienoptionen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG) erfordern jedoch eine das
Abflussprinzip modifizierende Berücksichtigung solcher
Aufwendungen, die im Gewinnermittlungsbereich und nach § 17
Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 3 EStG Anschaffungskosten für
den Erwerb der Aktien wären. Da es bei der Endbesteuerung erst
mit Ausübung der Option zum Lohnzufluss und damit zur
Besteuerung kommt, ist als geldwerter Vorteil aus der
Aktienüberlassung der Unterschiedsbetrag zwischen dem
üblichen Endpreis der Aktien am Verschaffungstag und den
diesbezüglichen Aufwendungen des Arbeitnehmers anzusetzen.
Bedingt diese Ermittlung des geldwerten Vorteils die
Berücksichtigung der durch die Aktienüberlassung
veranlassten Aufwendungen, so sind diese Aufwendungen auch erst im
Zeitpunkt der Aktienüberlassung abziehbar. Nur diese
einheitliche, veranlassungsbezogene Wertung des Zuflusses der
Einnahmen und der steuerlichen Berücksichtigung der Ausgaben
gewährleistet die zutreffende Erfassung der Vorteile aus der
Aktienüberlassung, weil Einnahmen und Ausgaben gemeinsam die
steuerliche Leistungsfähigkeit ausmachen (Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rz C 1).
bb) Sind die Zahlungen auf die Optionsrechte
danach wie Anschaffungskosten der Aktien zu beurteilen, so sind sie
auch als verlorene Aufwendungen abziehbar, wenn das
Anschaffungsgeschäft nicht zustande kommt. Maßgeblich
dafür ist der Zeitpunkt, in dem die Vergeblichkeit der
Aufwendungen deutlich wird (BFH-Urteil vom 28.6.2002 IX R 51/01,
BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758 = SIS 02 95 23, m.w.N;
Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz 50). In Anlehnung an diese
Rechtsprechung sind vergebliche Aufwendungen zum Erwerb von Aktien
im Fall der Einräumung eines nicht handelbaren Optionsrechts
in dem Kalenderjahr als Werbungskosten gemäß § 9
Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar, in dem das Optionsrecht
verfällt. Das war hier das Streitjahr.
3. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene
Bescheid ist im Sinne des Klageantrags zu ändern. Die
Neuberechnung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz
2, § 121 FGO).