Staatenloser, Kindergeldanspruch: Weder aus Art. 24 noch aus Art. 29 des Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk) ergibt sich ein Anspruch auf Kindergeld (Fortführung der Rechtsprechung zu den gleichlautenden Bestimmungen der Genfer Konvention). - Urt.; BFH 22.11.2007, III R 60/99; SIS 08 16 55
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) als
Staatenlosem mit Aufenthaltsbefugnis ab Februar 1998 Kindergeld
für seine beiden Kinder A (geboren 20.6.1986) und B (geboren
14.11.1996) zusteht.
Der Kläger war früher
sowjetischer Staatsangehöriger, seine Ehefrau Udmurtin. Seit
1993 halten sich beide in Deutschland auf. Derzeit wohnen sie in
einer Gemeinde bei ... . Nach dem am 8.7.1998 vom Landrat des
Kreises ausgestellten Reiseausweis ist der Kläger staatenlos
und verfügt in Deutschland über eine Aufenthaltsbefugnis.
Die beiden Kinder sind eheliche Kinder des Klägers und seiner
Ehefrau.
Der Kläger beantragte am 25.8.1998 bei
der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) für
die beiden Kinder die Gewährung von Kindergeld. Die
Familienkasse lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17.9.1998 ab,
da der Kläger nicht im Besitz einer gültigen
Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung war. Der
hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
statt.
Das Urteil des FG ist in EFG 1999, 1139
veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die
Familienkasse den Verstoß gegen Art. 29 Abs. 1 des
Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk), verkündet mit
Gesetz vom 12.4.1976 (BGBl II 1976, 473) und gegen § 74 Abs. 5
(jetzt Abs. 2) des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 107
Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Gemäß § 31 Satz 3 EStG
werde Kindergeld während des laufenden Kalenderjahres - auch
soweit es nicht zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums
eines Kindes, sondern der Förderung der Familie diene - als
Steuervergütung monatlich gezahlt. Der nachrangige
Förderungszweck des Kindergeldes ändere dabei nichts an
der einheitlichen steuerlichen Beurteilung des Kindergeldes.
Inwieweit Staatenlose im Bereich des steuerlichen Kindergeldes
Gleichbehandlung mit Deutschen verlangen könnten, bestimme
sich somit aufgrund der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs
durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 seit 1.1.1996 nach Art. 29
Abs. 1 StlÜbk. Diese Vorschrift stelle Staatenlose
hinsichtlich der Einkommensbesteuerung Deutschen vorbehaltlos
gleich. Allerdings könne sich ein Staatenloser auf diese
steuerliche Gleichstellung mit einem Deutschen erst von demjenigen
Monat an berufen, in dem ihm zum Nachweis der Staatenlosigkeit ein
Reiseausweis gemäß Art. 28 StlÜbk ausgestellt
worden sei. Diese verbindliche Statusentscheidung sei auch im
Kindergeldrecht zu beachten. Wie der Senat bereits entschieden
habe, komme es auf den Besitz im Sinne der tatsächlichen
Innehabung einer Aufenthaltserlaubnis an und nicht lediglich auf
einen Anspruch. Da aber dem Kläger der Reiseausweis
gemäß Art. 28 StlÜbk erst im Juli 1998 ausgestellt
worden sei, könne er kindergeldrechtlich erst von diesem Monat
an Gleichstellung mit einem Deutschen beanspruchen.
Die Familienkasse beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben, soweit sie verpflichtet worden sei, dem Kläger
Kindergeld von Februar bis Juli 1998 und ab August 1998 zu
gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
lässt sich aus dem StlÜbk kein Kindergeldanspruch des
Klägers ableiten. Die Rechtsstellung nach Art. 2 bis 32
StlÜbk berechtigt einen Staatenlosen noch nicht zum Bezug von
Kindergeld.
a) Wie der Senat zum wortgleichen Art. 24 Abs.
1 Buchst. b (i) (ii) der Genfer Konvention (verkündet mit
Gesetz vom 1.9.1953, BGBl II 1953, 559) mit Urteil vom 25.10.2007
III R 90/03 (BFH/NV 2008, 286 = SIS 08 07 22) entschieden hat, sind
Flüchtlinge zwar hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen
zur sozialen Sicherheit (u.a. gesetzliche Bestimmungen
bezüglich des Familienunterhalts) Deutschen gleichzustellen,
jedoch vorbehaltlich solcher Leistungen oder Teilleistungen, die
ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten
werden. Danach ist ein Anspruch auf Kindergeld nach Art. 24 Abs. 1
Buchst. b (i) (ii) StlÜbk ebenfalls zu verneinen, weil das
Kindergeld - unabhängig davon, ob es überhaupt zur
sozialen Sicherheit (insbesondere zum
„Familienunterhalt“) gehört -
ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bezahlt wird (so
bereits Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 3.12.1996 10
RKg 8/96, SozR 3-5870, § 1 Nr. 12, zur Rechtslage nach dem
Bundeskindergeldgesetz - BKGG - i.d.F. vor 1996).
b) An dieser Beurteilung hat sich durch die
Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das JStG 1996 im
Ergebnis nichts geändert. Auch wenn das Kindergeld seitdem im
Regelfall nach steuerlichen Vorschriften gewährt wird, ergibt
sich kein Anspruch auf Kindergeld aus Art. 29 StlÜbk
(offengelassen im Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
16.10.1998 VI B 192/98, BFH/NV 1999, 310 = SIS 98 51 49).
Nach Art. 29 StlÜbk erheben die
Vertragsstaaten von den als Staatenlosen anerkannten
Ausländern keine anderen oder höheren Gebühren,
Steuern oder sonstige Abgaben gleich welcher Art oder Bezeichnung,
als von ihren Staatsangehörigen unter entsprechenden
Voraussetzungen jetzt oder künftig erhoben werden. Durch die
Nichtgewährung von Kindergeld werden von den Staatenlosen
jedoch keine höheren Steuern erhoben als von Deutschen.
Erzielt der Staatenlose einkommensteuerpflichtige Einkünfte,
werden das steuerliche Existenzminimum des Kindes sowie der
Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bei der
Einkommensteuerveranlagung durch die Freibeträge nach §
32 Abs. 6 EStG von der Einkommensteuer freigestellt. Der
Staatenlose wird daher nicht höher besteuert als ein
Deutscher, bei dem die Freistellung von der Einkommensteuer ganz
oder teilweise durch das Kindergeld bewirkt wird. Soweit das
Kindergeld der Förderung der Familie dient, besteht kein
Anspruch nach Art. 29 StlÜbk. Denn insoweit hat das Kindergeld
eine von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die
steuerrechtliche Belastung unabhängige sozialrechtliche
Funktion (u.a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 11.1.2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage
3, 260 = SIS 05 30 28). Wegen der Einzelheiten der Begründung
wird auf das Senatsurteil in BFH/NV 2008, 286 = SIS 08 07 22 zu den
wortgleichen Regelungen der Genfer Konvention verwiesen.
2. Ob dem Kläger ein Kindergeldanspruch
für seine beiden Kinder zusteht, richtet sich nunmehr nach
§ 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur
Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld,
Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 - AuslAnsprG
- (BGBl I 2006, 2915). Diese Regelung ist mit Wirkung vom 1.1.2006
in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen das
Kindergeld - wie im Streitfall - noch nicht bestandskräftig
festgesetzt worden ist.
a) In Fällen, in denen ein Ausländer
im Besitz einer wegen eines Krieges in seinem Heimatland erteilten
Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist oder in denen er eine
Aufenthaltsgenehmigung wegen eines Härtefallersuchens (§
23a AufenthG), zur Gewährung vorübergehenden Schutzes
(§ 24 AufenthG) oder aus humanitären Gründen (§
25 Abs. 3 bis 5 AufenthG) erhalten hat, hängt der Anspruch auf
Kindergeld nach der Neuregelung gemäß § 62 Abs. 2
Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 EStG davon ab, dass der
Ausländer sich seit mindestens drei Jahren
rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet
aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG) und
darüber hinaus berechtigt erwerbstätig ist, laufende
Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)
bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§§ 15 ff. des
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 5.12.2006, BGBl I
2006, 2748). Das Gesetz stellt auf die Integration von
Ausländern in den deutschen Arbeitsmarkt ab. Damit ist der
Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG nachgekommen, das beanstandet
hatte, dass die frühere Regelung nur ausländische Eltern
benachteiligte, die legal in Deutschland lebten und bereits in den
Arbeitsmarkt integriert waren (s. BVerfG-Beschluss vom 6.7.2004 1
BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29, unter B.III.4.). Bei Ausländern, denen keine
Erwerbstätigkeit erlaubt ist, ging der Gesetzgeber wie das
BVerfG davon aus, dass das Existenzminimum ihrer Kinder durch
staatliche Fürsorgeleistungen in ausreichendem Maße
gesichert ist (BTDrucks 16/1368, S. 9).
b) Der Senat teilt nicht die im
Vorlagebeschluss des FG Köln vom 9.5.2007 10 K 1690/07 (EFG
2007, 1247 = SIS 07 23 05) geäußerten
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 62
Abs. 2 EStG.
aa) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
gebietet es nicht, in Fällen, in denen ein Ausländer
rechtmäßig oder rechtswidrig nach Deutschland einreist
und - z.B. wegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses
- damit zu rechnen ist, dass er auf absehbare Zeit nicht mehr
ausreist, von Anfang an oder nach einer gewissen Zeit Kindergeld zu
gewähren, weil von einem Daueraufenthalt auszugehen sei.
Vielmehr kann bei der nach dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111,
160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29 anzustellenden
Prognose über die Dauer des Aufenthalts zunächst erwartet
werden, dass sich ein Ausländer, dessen Aufenthalt lediglich
geduldet ist, rechtstreu verhält und wieder ausreist oder dass
ein Ausländer, der wegen eines Krieges in seinem Heimatland
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG oder eine
Erlaubnis nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG
erhalten hat, nach Wegfall der Gründe, die einer Rückkehr
in sein Herkunftsland entgegengestanden waren, wieder heimkehrt.
Der Gesetzgeber handelte verfassungskonform und im Rahmen des ihm
zustehenden Gestaltungsspielraums, als er typisierend
gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG einen Daueraufenthalt
erst bei einem mindestens dreijährigen Aufenthalt im
Bundesgebiet und bei Integration in den Arbeitsmarkt unterstellte.
Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers
bietet eine derartige Integration eine Perspektive für einen
dauerhaften Aufenthalt in Deutschland.
bb) Entgegen der im Vorlagebeschluss in EFG
2007, 1247 = SIS 07 23 05 geäußerten Ansicht des FG
Köln ist das in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG
verwendete Abgrenzungskriterium der Erwerbstätigkeit nicht
derart unbestimmt, dass es gegen das Rechtsstaatsprinzip
verstößt (Art. 20 Abs. 3 GG). Es handelt sich um einen
unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies
allein steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach
Normenbestimmtheit nicht entgegen (z.B. BVerfG-Beschluss vom
14.3.1967 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, BStBl III 1967, 357 = SIS 67 62 58, unter B.I.). Unüberwindliche Auslegungsprobleme sind
für den Senat nicht ersichtlich.
cc) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, die
in § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG angeordnete Rückwirkung der
Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf noch nicht
bestandskräftig entschiedene Fälle sei verfassungswidrig,
weil der Gesetzgeber den bis zum 1.1.2006 befristeten
Regelungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt habe
(so FG Köln, Urteil in EFG 2007, 1254). Der Fall, der dem
Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2,
114 = SIS 05 07 29 zugrunde lag, betraf § 1 Abs. 3 BKGG 1993.
Die vom BVerfG getroffene Anordnung, wonach das bis zum 31.12.1993
geltende Recht anzuwenden sei (§ 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des
Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990,
BGBl I 1990, 1351), falls der Gesetzgeber bis zum 1.1.2006 die
verfassungswidrige Norm nicht durch eine Neuregelung ersetzen
sollte, gilt nur für § 1 Abs. 3 BKKG 1993, nicht aber
für das ab 1996 nach §§ 62 ff. EStG zu
gewährende Kindergeld. Auch wenn § 1 Abs. 3 BKGG 1993 und
§ 62 Abs. 2 EStG 1996 nahezu wortgleich waren, folgt daraus
nicht, dass die vom BVerfG angeordnete Sanktion des
Wieder-In-Kraft-Setzens der bis zum 31.12.1993 geltenden
kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen auch für das
steuerrechtliche Kindergeld gilt. § 1 Abs. 3 BKGG in der bis
zum 31.12.1993 geltenden Fassung kann im steuerrechtlichen
Kindergeldrecht keine (Wieder-)Geltung erlangen.
dd) Eine Übertragung der vom BVerfG
für § 1 Abs. 3 BKGG 1993 angeordneten Sanktion auf das
steuerrechtliche Kindergeld lässt sich entgegen der
Rechtsansicht des Niedersächsichen FG im Urteil vom 23.1.2006
16 K 12/04 (EFG 2006, 751 = SIS 06 23 41) sowie des FG Köln im
Urteil in EFG 2007, 1254 auch nicht mit einem Hinweis auf das
BFH-Urteil vom 1.6.2004 IX R 35/01 (BFHE 206, 273, BStBl II 2005,
26 = SIS 04 23 56) begründen.
Nach dieser Entscheidung sind wegen
Unvereinbarkeit des Verlustausgleichs- und Abzugsverbots in §
23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG für
Altfälle die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen
über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden. Eine
Vorlage an das BVerfG wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelung
hielt der BFH ausnahmsweise für entbehrlich, weil das BVerfG
bereits das (vergleichbare) Verlustausgleichsverbot in § 22
Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG
für nichtig erklärt hatte mit der Folge, dass die
Verluste entsprechend den allgemeinen Regeln über
Verlustausgleich und Verlustabzug zu behandeln waren
(BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05). Im Streitfall handelt es sich dagegen nicht um
einschränkende Regelungen systematisch zusammenhängender
Vorschriften eines Gesetzes, deren Nichtigkeit zur Anwendbarkeit
der allgemeinen gesetzlichen Regeln führt, sondern es sind
Vorschriften verschiedener Gesetze (BKGG und EStG) betroffen. Das
BVerfG hat in seiner Entscheidung in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005,
Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29, § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. für
die Jahre 1993 bis 1995 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG
erklärt und angeordnet, dass auf noch nicht abgeschlossene
Verfahren § 1 Abs. 3 BKGG in der bis 31.12.1993 geltenden
Fassung anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige
Regelung nicht bis zum 1.1.2006 ersetzen sollte. Diese nur für
§ 1 Abs. 3 BKGG geltende Sanktion des BVerfG kann der BFH
trotz Wortgleichheit der Vorschriften nicht in eigener
Zuständigkeit auf § 62 Abs. 2 EStG übertragen. Dies
fällt ausschließlich in die Kompetenz des BVerfG.
ee) Eine Beschränkung des
Kindergeldanspruchs durch § 62 Abs. 2 EStG n.F. steht entgegen
der Rechtsansicht des FG Köln im Beschluss in EFG 2007, 1247 =
SIS 07 23 05 auch nicht in Widerspruch zum Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom
25.10.2005 59140/00, Okpisz/Deutschland (BFH/NV 2006, Beilage 3,
357 = SIS 05 49 32). Dieses ist, ebenso wie die Entscheidung des
BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29 zu § 1 Abs. 3 BKGG 1993 ergangen, nicht aber zu § 62
Abs. 2 EStG n.F. Ebenso wenig lässt sich ein Anspruch auf
Kindergeld aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften vom 4.5.1999 C-262/96 (Slg. 1999, I-2685) herleiten,
das den Beschluss des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 3/80
betrifft (s. Senatsurteil vom 15.3.2007 III R 93/03, BFH/NV 2007,
1234 = SIS 07 15 05).
c) Ob dem Kläger nach § 62 Abs. 2
EStG ein Kindergeldanspruch zusteht, kann der Senat nicht
abschließend entscheiden. Das FG wird im zweiten Rechtsgang
festzustellen haben, ob die Voraussetzungen der Vorschrift
vorliegen. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
aa) § 62 Abs. 2 EStG verlangt u.a. einen
Aufenthaltstitel, der auf dem seit Januar 2005 geltenden AufenthG
beruht. Betrifft der Sachverhalt - wie im Streitfall - einen
Zeitraum vor 2005, in dem noch das durch das AufenthG
abgelöste Ausländergesetz (AuslG) 1990 galt, sind
Aufenthaltsgenehmigungen i.S. des § 5 AuslG entsprechend den
Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG als Aufenthaltstitel
im Sinne des AufenthG zu behandeln (Senatsurteil in BFH/NV 2007,
1234 = SIS 07 15 05). Der Anspruch auf Kindergeld setzt somit auch
nach der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG zumindest voraus,
dass der Ausländer im Besitz einer nach den Vorschriften des
AuslG 1990 erteilten Aufenthaltsgenehmigung i.S. des § 5 AuslG
1990 in Form einer Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung,
Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis war.
bb) Sollte die Aufenthaltsbefugnis des
Klägers gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG als eine
der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten
Aufenthaltserlaubnisse fortgelten, so ist für den
Kindergeldanspruch weitere Voraussetzung, dass sich der Kläger
nicht nur drei Jahre rechtmäßig, gestattet oder geduldet
im Bundesgebiet aufgehalten hat, sondern außerdem, dass er im
Streitzeitraum im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig war,
laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezogen oder Elternzeit in
Anspruch genommen hat (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 a und b EStG).
cc) Der Senat weist außerdem auf das
Erfordernis der notwendigen Beiladung des
Sozialleistungsträgers bei einer eventuellen Abzweigung des
Kindergeldes hin (s. hierzu BFH-Beschluss vom 20.8.2007 III B
194/06, BFH/NV 2007, 2314 = SIS 08 01 38, m.w.N.).