Indexzertifikat mit Rückzahlungsgarantie, ESt-Pflicht: 1. Der Überschuss aus der Veräußerung von Indexzertifikaten mit einer garantierten Mindestrückzahlung ist nur hinsichtlich des Teils steuerbar, der der garantierten Mindestrückzahlung zuzuordnen ist. - 2. Soweit der Steuerpflichtige das der Höhe nach eindeutig bestimmbare Risiko eines Kapitalausfalls eingegangen ist, entfällt der bei Veräußerung der Zertifikate erzielte Überschuss im Rahmen des § 20 EStG auf den nicht steuerbaren Bereich. - 3. Die Höhe des steuerpflichtigen Teils des insgesamt erzielten Überschusses bestimmt sich nach der Relation zwischen der Mindestrückzahlung und der Differenz zwischen Nominalbetrag der Anlage und Mindestrückzahlung (Risikobereich). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 17.6.2008, IV C 1 - S 2252/07/0002, BStBl 2008 I S. 715 = SIS 08 25 95) - Urt.; BFH 4.12.2007, VIII R 53/05; SIS 08 10 91
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) erwarb am 28.5.1998.100 Euro-Zertifikate im
Nominalwert von 1.000 US-Dollar für 975 US-Dollar je
Stück. Verfallstag war der 17.6.2002. Zu diesem Zeitpunkt
hatte der Inhaber einen unbesicherten, nicht bevorrechtigten
Anspruch gegen die Emittentin auf den Rückzahlungsbetrag.
Dieser errechnete sich nach dem Verhältnis des Endniveaus des
Referenzindexes zum Anfangsniveau des Referenzindexes. Als
Mindestrückzahlungsbetrag waren 100 US-Dollar zugesichert. Die
Index-Zertifikate wurden an der Börse notiert und konnten frei
gehandelt werden. Am 13.11.2000 verkaufte die Klägerin die
Zertifikate und erzielte einen Überschuss in Höhe von
101.401 DM. Sie wickelte Kauf und Verkauf über die H-Bank ab,
die vom Überschuss Zinsabschlagsteuer und
Solidaritätszuschlag einbehielt.
In der gemeinsamen
Einkommensteuererklärung gaben die Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) den Erlös nicht als
Einkünfte aus Kapitalvermögen an, legten den Sachverhalt
aber gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) offen. Das FA behandelte die Einkünfte als
solche aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. gemäß
Art. 1 Nr. 13 Buchst. a des Steueränderungsgesetzes
(StÄndG 2001) vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002,
4) und setzte die Einkommensteuer für 2000 mit Bescheid vom
29.11.2002 auf 118.610 EUR fest.
Den Einspruch vom 4.3.2002 wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 13.5.2003 als unbegründet
zurück.
Zur Begründung der hiergegen
gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die
Kapitalanlage falle nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da
weder die Rückzahlung noch eine Verzinsung zugesagt gewesen
sei. Die Garantie der Rückzahlung eines Betrages von 100
US-Dollar sei zu gering, um sie als Rückzahlung des
Vermögens ansehen zu können. Da es sich um keine sonstige
Forderung i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handle, greife auch
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht ein. Die Regelungen des
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a bis d EStG seien
auch jeweils für sich nicht einschlägig.
Die in § 52 Abs. 37b EStG i.d.F. des
StÄndG 2001 bestimmte Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 auf alle noch nicht
bestandskräftigen Veranlagungszeiträume stelle eine
verfassungswidrige Rückwirkung dar.
Das FA berief sich im Klageverfahren
darauf, dass die Zusicherung einer Rückzahlung von nur rd. 10
% für die Annahme von Einkünften aus Kapitalvermögen
i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 EStG genüge (Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 16.3.1999 IV C 1 - S 2252 - 87/99, BStBl I
1999, 433 = SIS 99 08 01, und vom 27.11.2001 IV C 3 - S 2256 -
265/01, BStBl I 2001, 986 = SIS 02 02 10).
Mit dem - die Grundlagen des Streits nicht
berührenden - Änderungsbescheid vom 1.12.2003 (§ 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - ) für 2000 wurde
die Einkommensteuer auf 117.850,22 EUR herabgesetzt.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit
seinem in EFG 2005, 1868 = SIS 05 47 25 veröffentlichten
Urteil vom 4.5.2004 2 K 2385/03 stattgegeben.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz
1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG).
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
Das BMF ist dem Verfahren beigetreten
(§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Zu Unrecht hat das FG den bei der
Veräußerung der streitigen Euro-Zertifikate erzielten
Überschuss von 101.401 DM (51.845,50 EUR) in vollem Umfang als
nicht steuerbar behandelt. Bei dem der Höhe nach unstreitigen
Überschuss handelt es sich in Höhe eines Teilbetrages von
5.184,55 EUR um Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001; der
darüber hinausgehende Betrag in Höhe von 46.660,95 EUR
unterliegt als Wertänderung des Kapitalvermögens nicht
der Einkommensteuer.
1. Der Überschuss, den die Klägerin
aus dem Verkauf der Euro-Zertifikate erzielt hat, ist
gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1
Buchst. c EStG nur in Höhe eines Teilbetrages von 5.184,55 EUR
steuerpflichtig.
a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7,
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG zählen
zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus
der Veräußerung oder Einlösung von sonstigen
Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen
die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis
abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit
entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die
Kapitalforderungen keine Emissionsrendite (wie insbesondere die im
Streitfall zu beurteilenden Index-Zertifikate) oder weist der
Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem
Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der
Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als
Kapitalertrag; bei Kapitalforderungen in einer ausländischen
Währung ist der Unterschied in dieser Währung zu
ermitteln. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für
die Einlösung bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen.
Diese durch das StÄndG 2001 eingeführte Fassung von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ist gemäß § 52
Abs. 37b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden,
soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Sie
kommt daher auch im Streitfall zur Anwendung.
b) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG regelt
die Besteuerung von Kapitalerträgen aus der
Veräußerung oder Abtretung von sonstigen
Kapitalforderungen, die hinsichtlich ihrer Einlösung durch den
Ersterwerber, den sog. Durchhalter, bereits von § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG erfasst werden (Harenberg in Herrmann/Heuer/ Raupach -
HHR -, § 20 EStG Rz 1080, 1082; Harenberg/Irmer, Die
Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., Rz 978;
Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 342 f.). Für die
Besteuerung der Unterschiedsbeträge aus der Abtretung oder
Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen bedarf es des
Rückgriffs auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, da Gewinne
aus der Veräußerung einer Kapitalforderung keine
Erträge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind
(HHR/Harenberg, § 20 EStG Rz 1082, m.w.N.). § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 EStG ergänzt insoweit die Regelung des § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG, setzt andererseits jedoch das Vorliegen einer
Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG voraus
(allgemeine Ansicht, vgl. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26.
Aufl., § 20 Rz 182; Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG
Rz 336, 458; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 20 Rz 598; Oho/Remmel, BB
2002, 1449, 1453 f.; Bödecker/Geitzenauer, FR 2003, 1209 f.;
zur Rechtslage vor der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur
Bereinigung des Steuerrechts - StMBG - vom 21.12.1993, BGBl I 1993,
2310, BStBl I 1994, 50, vgl. Schumacher, Erträge aus privaten
Kapitalforderungen im Einkommensteuerrecht, 1996, S. 131). Denn
§ 20 Abs. 1 EStG regelt zwar abschließend die Quellen
der steuerpflichtigen Kapitalerträge, bestimmt aber nicht
abschließend deren Inhalt und Umfang. Die Steuerbarkeit der
Unterschiedsbeträge aus der Veräußerung oder
Abtretung sonstiger Kapitalforderungen ergibt sich somit aus der
Verbindung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu einem einheitlichen
Steuertatbestand.
c) Die streitigen Euro-Zertifikate
gehören zu den sonstigen Kapitalforderungen i.S. von § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG.
Kapitalforderungen sind auf Geldleistungen gerichtete Forderungen
ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder
den Rechtsgrund des Anspruchs (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 26.6.1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175). Der Anspruch auf
Rückzahlung des überlassenen Kapitals ist nach geltendem
Recht nicht mehr Voraussetzung für die Annahme einer
Kapitalforderung (Bödecker/Geitzenauer, FR 2003, 1209, 1213,
m.w.N.). Mit einem Euro-Zertifikat der hier vorliegenden
Ausgestaltung erwirbt der Anleger eine auf eine Geldleistung
gerichtete Forderung gegen den Emittenten auf (Rück-)Zahlung
eines Geldbetrags, dessen Höhe vom Punktestand des
Euro-Indexes am vereinbarten Abrechnungstag abhängt,
mindestens jedoch auf Zahlung von 100 US-Dollar je Zertifikat.
d) Es handelt sich im Streitfall nicht um ein
sog. reines Spekulationspapier, dessen Erträge insgesamt nicht
steuerbar sind (vgl. dazu BTDrucks 12/6078, S. 122 und BTDrucks
12/6856, S. 25).
Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7
EStG in der seit dem 1.1.1994 geltenden Fassung liegen auch dann
steuerpflichtige Kapitalerträge vor, wenn
-
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die Kapitalrückzahlung zugesagt ist, aber
die Zahlung eines Entgelts dem Grunde und der Höhe nach
ungewiss ist (Alternative 1), oder
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die Kapitalrückzahlung nicht zugesagt
ist, aber dem Gläubiger für die Kapitalüberlassung
ein Entgelt zugesagt oder gewährt wird, wobei die Höhe
des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen kann
(Alternative 2).
|
Ist nicht zumindest eine der beiden
Tatbestandsvarianten erfüllt, liegt eine nicht steuerbare
Vermögensanlage spekulativen Charakters vor.
aa) Die Voraussetzungen der Alternative 2 sind
im Streitfall nicht erfüllt. Dem Kläger ist für die
Überlassung des Kapitals von der Emittentin kein Entgelt
zugesagt worden. Zwar kann nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG die Zusage eines Entgelts auch dann vorliegen, wenn die
Höhe des Entgelts - wie im Streitfall - von einer Bedingung
abhängt, also bei einem ungünstigen Verlauf des Indexes
ggf. null DM betragen oder sogar zu einem negativen Ergebnis
führen kann. Gegen eine derart weitgehende Auslegung spricht
jedoch der aus der Entstehungsgeschichte abzuleitende Zweck der
Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, mit der der Gesetzgeber
der zunehmenden Vermeidung der Besteuerung von Kapitalerträgen
durch sog. Finanzinnovationen entgegentreten wollte. Er hat damit
auf Gestaltungen des Kapitalmarkts reagiert, bei denen die
Besteuerung vermieden werden soll, indem an sich steuerpflichtige
Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden
(vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59). Mit den Tatbestandsvarianten des
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG hat der Gesetzgeber der Tatsache
Rechnung getragen, dass Entgeltzahlung und Rückzahlung des
Kapitals wirtschaftlich austauschbar sind. Eine Verlagerung des
Unsicherheitselements vom Entgelt auf die Rückzahlung soll
deshalb für die Besteuerung des Kapitalertrags irrelevant
sein. Eine Vermeidung der an sich gebotenen Steuerpflicht kann
jedoch in einer rein spekulativen Anlage mit völlig unsicherem
Rückfluss von Geldmitteln nicht gesehen werden. In der
Gesetzesbegründung heißt es in diesem Zusammenhang
ausdrücklich, dass Kapitalforderungen dann nicht zu einem
Ertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen, wenn
sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch der Ertrag
unsicher sind (BTDrucks 12/6078, S. 122 und 12/6856, S. 25). Der
Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 EStG ist deshalb
teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass Erträge aus
sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur
dann vorliegen, wenn entweder die Kapitalrückzahlung oder die
Höhe eines (Mindest-)Entgelts im vorhinein sicher feststehen
(ebenso die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. z.B.
Scheurle, DB 1994, 445, 446; Haisch, DStR 2005, 2108, 2111, m.w.N.;
Hamacher in Korn, § 20 EStG Rz 165; Schlotter in Littmann/
Bitz/Pust, a.a.O., § 20 Rz 601; Blümich/Stuhrmann, §
20 EStG Rz 293a; Schumacher, a.a.O., S. 135 ff.).
Auch die Tatbestandsvariante der Alternative 2
des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, nach der Erträge aus einer
Kapitalforderung auch dann gegeben sind, wenn ein Entgelt zwar
nicht zugesagt, aber tatsächlich gewährt worden ist, ist
im Streitfall nicht erfüllt. Mit diesem Tatbestandsmerkmal
werden lediglich solche Fälle erfasst, in denen ohne eine
ausdrückliche Zusage die Leistung des Entgelts aufgrund der
vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung von vornherein,
d.h. im Zeitpunkt der Emission, sicher ist (von Beckerath in
Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 20 Rz 302;
Bödecker/Geitzenauer, FR 2003, 1209, 1212; Hamacher, DB 2000,
2396; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 293; Scheurle, DB
1994, 445, 446). Ein solcher Fall liegt bei dem hier zu
beurteilenden Euro-Zertifikat nicht vor.
bb) Im Streitfall sind jedoch für einen
Teil des erzielten Überschusses die Voraussetzungen der
Alternative 1 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt, da die
Emittentin zwar nicht die volle Rückzahlung des
überlassenen Kapitals, aber die eines Teilbetrags von 100
US-Dollar je Zertifikat verbindlich zugesagt hat.
(1) Hinsichtlich der Alternative 1 des §
20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist streitig, ob das zur Nutzung
überlassene Kapital in vollem Umfang zurückgezahlt werden
muss.
Die Literatur hierzu ist nicht einheitlich.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, Kapitalerträge seien
nach der ersten Tatbestandsvariante des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
nur dann zu bejahen, wenn die Rückzahlung des gesamten
hingegebenen Geldbetrages zugesagt sei (Haisch, DStZ 2005, 102,
103; Haisch/Danz, DStR 2005, 2108; Geurts in Bordewin/Brandt,
§ 20 EStG Rz 344; Lohr, DB 2000, 643; von Beckerath in
Kirchhof, a.a.O., § 20 Rz 302; Delp, Die Information für
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1998, 577). Zur
Begründung wird zum einen auf den Wortlaut des § 20 Abs.
1 Nr. 7 EStG, der die Rückzahlung „des“
hingegebenen Kapitalvermögens fordere, zum anderen auf den
Nachsatz dieser Regelung hingewiesen, aus dem sich ergebe, dass nur
die Unsicherheit über die Höhe des Entgelts für die
Tatbestandsverwirklichung irrelevant sei. Nach der Gegenmeinung
reicht es für die Tatbestandsverwirklichung aus, dass die
Rückzahlung eines Teils des hingegebenen Kapitals zugesagt ist
(Bödecker/ Geitzenauer, FR 2003, 1209, 1212;
Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 293; Schumacher, a.a.O.,
S. 134; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 160). Diese
Ansicht wird auch von der Finanzverwaltung vertreten (vgl.
BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 433 = SIS 99 08 01, und vom
21.8.2000 IV C 1 - S 2252 - 205/00; Verfügung der
Oberfinanzdirektion - OFD - Kiel vom 3.7.2003 S 2252 A - St 231,
Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, §
20 Nr. 308 = SIS 04 27 38; Verfügung der OFD München vom
23.7.2002 S 2252 - 82 St 41, ESt-Kartei der OFD
München/Nürnberg, § 20 Karte 15.1 = SIS 02 92 80).
Soweit die Zusage einer teilweisen Rückzahlung für
ausreichend erachtet wird, nehmen die Vertreter dieser Auffassung
nicht zu der Frage Stellung, ob ein das überlassene Kapital
übersteigender Rückzahlungsbetrag in vollem Umfang als
Kapitalertrag zu beurteilen ist oder ob insoweit die Aufteilung des
Überschusses in ein steuerpflichtiges Entgelt und einen nicht
steuerbaren Ertrag geboten ist.
(2) Der Senat ist mit der zuletzt genannten
Literaturmeinung der Ansicht, dass der Tatbestand der Alternative 1
des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG es nicht erfordert, dass die
Rückzahlung des gesamten überlassenen Geldbetrags
zugesagt oder gewährt wird. Der Gesetzgeber hat mit der
Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG den bisherigen
Zinsbegriff erweitert. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann -
abweichend vom früheren Recht - ein steuerpflichtiger
Kapitalertrag auch dann vorliegen, wenn nur die Zahlung eines
Entgelts, nicht aber die Rückzahlung des Kapitals verbindlich
zugesagt worden ist. Die Vorschrift berücksichtigt, dass bei
bestimmten Kapitalanlagen die Entgeltszahlung wirtschaftlich mit
der Kapitalrückzahlung austauschbar ist und das Risiko vom
Entgelt auf die Rückzahlung verlagert werden kann (vgl.
Schumacher, a.a.O., S. 144).
Wenn aber ein Kapitalertrag bereits dann
anzunehmen ist, wenn lediglich ein Entgelt, nicht aber die
Rückzahlung des Kapitals zugesagt ist, der Anleger im
wirtschaftlichen Ergebnis also das Risiko eines Teilverlusts des
eingesetzten Geldbetrags trägt, kann nichts anderes gelten,
wenn dem Anleger kein Entgelt, wohl aber die Rückzahlung nur
eines Teils des eingesetzten Kapitals zugesagt worden ist. Denn
auch in diesem Fall trägt er in vergleichbarer Weise das
Risiko, den über die garantierte Rückzahlung
hinausgehenden Geldbetrag zu verlieren. Dem wirtschaftlichen Gehalt
entspricht es sogar, bei einem gesteigerten Verlustrisiko von
entsprechend höheren Erträgen auszugehen.
(3) Gegen die Annahme steuerpflichtiger
Kapitalerträge bei Zusage einer nur teilweisen
Rückzahlung des Kapitals ist eingewandt worden, zumindest bei
einer sehr geringen Rückzahlungsgarantie widerspreche die
Erfassung der Erträge aus Kursdifferenzpapieren dem Zweck des
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Erträge rein spekulativer
Kapitalanlagen von der Besteuerung nach § 20 EStG auszunehmen
(vgl. Haisch, DStZ 2005, 102, 103). Jedenfalls müsse eine
Geringfügigkeitsgrenze gezogen werden, unterhalb derer eine
Teilrückzahlungsgarantie nicht zu steuerpflichtigen
Kapitalerträgen führe. Nach einer in der Literatur
vertretenen Ansicht soll für die Annahme einer
steuerschädlichen Rückzahlungsgarantie eine Zusage der
Rückzahlung von mindestens 10 % des eingesetzten Kapitals
erforderlich sein (Strobl-Haarmann/Krause in Festschrift für
Welf Müller, S. 365, 394, Fn. 56). Für eine solche
Geringfügigkeitsgrenze finden sich im Gesetz jedoch keine
Anhaltspunkte.
Der BFH hat zwar verschiedentlich eine
Geringfügigkeitsgrenze aus dem verfassungsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 29.11.2001 IV R 91/99, BFHE 197, 400, BStBl II
2002, 221 = SIS 02 05 21; vom 14.6.2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38,
BStBl II 2005, 778 = SIS 05 39 38, und vom 11.8.1999 XI R 12/98,
BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22, zur sog.
Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; vgl. aber das
zu § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes ergangene Urteil
des Senats vom 17.5.2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006,
659 = SIS 06 31 55). In anderen Entscheidungen hat der BFH eine
Geringfügigkeitsgrenze auch in Anlehnung an steuerrechtliche
Wertungen anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 9.12.1999 III R 49/97,
BFHE 190, 559, BStBl II 2000, 434 = SIS 00 05 33, m.w.N.). Der
Senat kann im Streitfall unentschieden lassen, unter welchen
Voraussetzungen eine solche Geringfügigkeitsgrenze angenommen
werden kann und wie sie im Einzelfall zu bestimmen ist. Jedenfalls
besteht nur dann Veranlassung zu der Prüfung, ob die
Einführung einer solchen Grenze verfassungsrechtlich geboten
ist, wenn es ohne eine solche Grenze zu einer
unverhältnismäßigen Anwendung einer belastenden
Norm des Steuerrechts käme. Ein solcher Eingriff wäre im
Streitfall allenfalls dann gegeben, wenn es trotz der
verhältnismäßig geringfügigen
Rückzahlungsgarantie von ca. 10 % des überlassenen
Kapitals zur vollen steuerlichen Erfassung des erzielten Ertrags
käme. Nach Auffassung des Senats ist jedoch bei der hier zu
beurteilenden Ausgestaltung des Euro-Zertifikats eine Aufteilung
des Ertrags in einen steuerpflichtigen und einen nicht steuerbaren
Anteil geboten (vgl. dazu unten unter 2.d und e der
Gründe).
Die Frage, ob eine Geringfügigkeitsgrenze
im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG verfassungsrechtlich
geboten ist, stellt sich deshalb nicht.
2. Der erzielte Überschuss aus den
streitigen Euro-Zertifikaten ist der Höhe nach
gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz
EStG nur insoweit steuerbar, als er der Mindestrückzahlung von
10 % des Nominalwerts der Zertifikate zugeordnet werden kann.
a) Die hier zu beurteilenden Euro-Zertifikate
haben wegen der Abhängigkeit der Höhe des Entgelts von
einem ungewissen Ereignis (Stand des Euro-Indexes im Zeitpunkt der
Fälligkeit) keine Emissionsrendite. Emissionsrendite ist die
von dem Emittenten von vornherein, d.h. bei der Begebung einer
Anlage, zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung des Papiers
bzw. bei Endfälligkeit einer Forderung mit Sicherheit
(mindestens) erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 24.10.2000
VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04,
unter 2.a der Gründe, m.w.N.). Nach § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 Satz 2 EStG ist deshalb als Kapitalertrag grundsätzlich
der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb der
Zertifikate und den Einnahmen aus der Veräußerung der
Papiere, d.h. der Kursgewinn, zu erfassen.
b) Wie der Senat bereits mit Urteil in BFHE
193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04 ausgeführt hat,
beinhaltet die Besteuerung von Wertveränderungen, die
lediglich den Vermögensstamm betreffen und auch bei
wirtschaftlicher Betrachtung nicht mehr als Entgelt für die
Kapitalnutzung zu betrachten sind, eine Systemabweichung, die vom
Gesetzgeber klar und eindeutig festzulegen ist und einer sachlichen
Rechtfertigung bedarf. In seinem zur Besteuerung der Erträge
aus DAX-Zertifikaten ergangenen Urteil vom 13.12.2006 VIII R 79/03
(BFHE 216, 187, BStBl II 2007, 562 = SIS 07 06 11) hat der Senat
ausgeführt, dass die Maßgeblichkeit der Marktrendite
nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eine sachlich
gerechtfertigte Anpassung des Binnensystems des § 20 EStG an
geänderte wirtschaftliche Lebenssachverhalte darstellt, die
der grundsätzlichen systematischen Unterscheidung des EStG
zwischen sog. Quellenausnutzung und Quellenverwertung und deren
unterschiedlicher - wenngleich z.T. angenäherter (vgl.
§§ 17, 23 EStG) - Besteuerung Rechnung trägt. Denn
die systematische Differenzierung zwischen steuerpflichtiger
Ertrags- und einkommensteuerrechtlich neutraler Vermögensebene
stößt auf Grenzen der Praktikabilität, soweit
wirtschaftliche Lebenssachverhalte besteuert werden sollen, bei
denen die an sich gebotene Abschöpfung des
Kapitalnutzungsentgelts nicht gewährleistet werden kann, weil
dieses nach der Ausgestaltung des Wertpapiers nicht im
herkömmlichen Sinn von dessen Wertentwicklung abgrenzbar und
der Höhe nach bestimmbar ist.
c) Bei den von der Klägerin erworbenen
Euro-Zertifikaten sind Kapitalnutzungsentgelt im herkömmlichen
Sinn und zu realisierende Wertentwicklung des Kapitals nicht
eindeutig voneinander abgrenzbar und der Höhe nach bestimmbar.
Die Erfassung des steuerpflichtigen Teils des Ertrages mit der
Marktrendite stellt deshalb eine verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs.
1 des Grundgesetzes) gerechtfertigte Abweichung vom Binnensystem
des § 20 EStG dar. Der Senat nimmt insoweit wegen der
Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen in seinem
Urteil in BFHE 216, 187, BStBl II 2007, 562 = SIS 07 06 11 Bezug.
Im Streitfall besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass
angesichts des vereinbarten geringen
Mindestrückzahlungsbetrags nicht eindeutig bestimmbar ist,
welcher Betrag als Bestandteil des Veräußerungsentgelts
Kapitalrückzahlung bzw. Wertsteigerung des Vermögens
darstellt.
d) Der oben dargelegte Gesetzeszweck, der es
rechtfertigt, auch Anlagen mit fehlender Emissionsrendite mit der
Marktrendite zu besteuern, wenn Kapitalnutzungsentgelt und
Wertentwicklung des Kapitals nicht voneinander abgrenzbar sind,
zwingt andererseits dazu, Überschüsse nicht als
Kapitalertrag zu behandeln, bei denen nach der jeweiligen
vertraglichen Ausgestaltung eindeutig feststeht, dass es sich auch
bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um ein Entgelt für die
Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung handeln kann.
Hiervon ist u.a. dann auszugehen, wenn der Überschuss zwischen
Erwerbspreis und Einlösungsbetrag bzw.
Veräußerungsentgelt eines Papiers in ausländischer
Währung allein auf einer Änderung des Wechselkurses und
nicht auf einer Kurssteigerung des Papiers beruht (vgl.
Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04,
unter 3.a der Gründe; so jetzt auch § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 Satz 2 2. Halbsatz EStG). Über diesen im Gesetz
ausdrücklich geregelten Fall hinaus sind positive und negative
Erträge aus einer Wertentwicklung des hingegebenen Kapitals
auch dann nicht als Marktrendite zu besteuern, wenn sie sich nach
der Ausgestaltung der Kapitalanlage klar von einem vereinbarten
Nutzungsentgelt abgrenzen lassen (vgl. Senatsurteil vom 20.11.2006
VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555 = SIS 07 06 12
betreffend Reverse Floater).
e) Die Anwendung dieser Grundsätze auf
den Streitfall führt nicht zur Steuerpflicht des gesamten
Gewinns aus der Veräußerung der Euro-Zertifikate.
Vielmehr ist lediglich der Teil des erzielten Ertrages steuerbar,
der der garantierten Mindestrückzahlung zugeordnet werden
kann. Soweit die Klägerin das der Höhe nach eindeutig
bestimmbare Risiko eines Kapitalausfalls eingegangen ist, ist der
bei der Veräußerung der Zertifikate erzielte
Überschuss im Rahmen des § 20 EStG dem nicht steuerbaren
Bereich zuzuordnen.
Damit wird der Wortlaut des § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG lediglich insoweit eingeschränkt als
dies angesichts der fehlenden Abgrenzbarkeit von Nutzungsentgelt
und realisierter Wertänderung bei den hier zu beurteilenden
Indexzertifikaten geboten ist. Allein der klar abgrenzbare Bereich
des Risikos eines Vermögensverlusts wird von der Steuerbarkeit
ausgenommen.
Die Höhe des steuerpflichtigen Teils des
insgesamt erzielten Ertrages bestimmt sich nach der Relation
zwischen der Mindestrückzahlung (hier: 10.000 US-Dollar) und
der Differenz zwischen Nominalbetrag der Anlage (hier: 100.000
US-Dollar) und Mindestrückzahlung (Risikobereich). Für
die Bestimmung des Risikobereichs ist dagegen nicht auf die
Differenz zwischen dem vom Steuerpflichtigen im Einzelfall
aufgewendeten Erwerbspreis für die Zertifikate und der
Mindestrückzahlung abzustellen. Ebenso wie sich die
Emissionsrendite nach dem im Zeitpunkt der Begebung der Anlage
zugesagten Entgelt bestimmt, muss auch für die Ermittlung des
Risikobereichs der Finanzinnovation der Preis der Kapitalanlage im
Zeitpunkt der Emission, d.h. der Nominalbetrag, maßgeblich
sein.
Steuerpflichtig sind somit 10 v.H. des
erzielten Überschusses von 101.401 DM, also 10.140,10 DM (=
5.184,55 EUR).
3. Die Erfassung des steuerpflichtigen Teils
des Überschusses durch § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 EStG gemäß § 52 Abs. 37b EStG i.d.F. des
StÄndG 2001 bedeutet keine unzulässige Rückwirkung.
Der Senat nimmt insoweit wegen der Begründung in vollem Umfang
Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil in BFHE 216, 187,
BStBl II 2007, 562 = SIS 07 06 11.