Betriebsvorrichtungen, Mitvermietung, erweiterte GewSt-Kürzung: Auch eine geringfügige Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen steht einer ausschließlichen Grundstücksverwaltung i.S. von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegen. - Urt.; BFH 17.5.2006, VIII R 39/05; SIS 06 31 55
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ging am 8.11.1999 durch
Umwandlung aus der Firma S-KG hervor, welche in den Vorjahren ein
Autohaus betrieben hatte. Die S-KG veräußerte zum
31.12.1995 den gesamten Geschäftsbetrieb an die S-GmbH, wobei
sie jedoch das Betriebsgrundstück in G sowie die in einer
gemieteten Lackierhalle in G befindlichen Betriebsvorrichtungen
(Lackier- und Staubabsauganlage, Hebebühne etc.) sowie diverse
Werkzeuge zurückbehielt. Die Klägerin verpachtete
zunächst alle zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter ab
Januar 1996 an die S-GmbH. Die Betriebsvorrichtungen und sonstigen
Wirtschaftsgüter in der Lackierhalle verpachtete sie lediglich
im Januar und Februar 1996 an die S-GmbH, danach mietete die M-GmbH
diese Gegenstände. Die M-GmbH erwarb mit Kaufvertrag vom April
1997 in der Lackierhalle befindliche Werkzeuge für 6.920 DM.
Die in der Halle befindlichen Betriebsvorrichtungen
veräußerte die Klägerin mit Kaufvertrag vom
30.11.1999 für netto 3.484 DM an die W-GmbH.
Die Miete für das
Betriebsgrundstück betrug in den Streitjahren 1996 bis 1998
monatlich 27.000 DM (netto), die Miete für die
Betriebsvorrichtungen sowie die in der Lackierhalle befindlichen
Werkzeuge 565 DM (netto) monatlich.
Komplementärin der Klägerin ist
die S-Verwaltungs-GmbH, die am Kapital der Klägerin nicht
beteiligt ist. Kommanditisten sind Herr FWS (76 v.H.), Frau S sowie
die Herren HJS und Herr WS (zu je 8 v.H.).
Eine Beteiligung der Gesellschafter der
Klägerin an der S-GmbH, welche den Geschäftsbetrieb des
Autohauses von der S-KG erworben hatte, besteht nicht.
Die Klägerin beantragte mit ihren
Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre die
erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz
2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) führte
zunächst für die Streitjahre 1996 und 1997 eine
antragsgemäße Veranlagung durch. Die Steuerbescheide
für 1996 und 1997 ergingen nach § 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
1999 führte das FA eine Außenprüfung bei der
Klägerin durch. Im Anschluss daran wurde die Kürzung des
Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht mehr
anerkannt. Das FA änderte die Gewerbesteuermessbescheide
für 1996 und 1997 entsprechend. Für 1998 folgte das FA
den Angaben in der Gewerbesteuererklärung nicht und
berücksichtigte keine Kürzung des Gewerbeertrags nach
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Die Einsprüche der Klägerin
blieben erfolglos.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das
Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2005, 1289 = SIS 05 34 78
veröffentlichten Urteil vom 20.4.2005 9 K 332/00
statt.
Die erweiterte Kürzung des
Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei zu
gewähren. Die Mieteinnahmen aus der Überlassung der
Betriebsvorrichtungen und der übrigen beweglichen
Wirtschaftsgüter stünden im Streitfall in einem
völlig untergeordneten Verhältnis zu den Mieteinnahmen
aus der Überlassung des Betriebsgrundstücks, da die
Mieteinnahmen aus der hier streitigen Nebentätigkeit lediglich
1,8 v.H. der Gesamtmieteinnahmen ausmachten. In einem solchen Fall
sei eine teleologische Reduktion des Wortlauts der Vorschrift
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit angezeigt.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
des Niedersächsischen FG vom 20.4.2005 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision
des FA zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und verweist hinsichtlich der
etwaigen 1 v.H.-Grenze für einen unschädlichen
Bagatellanteil darauf, dass die vom FG erwähnte Zahl von 1,8
v.H. nur ein Durchschnitt der Soll-Beträge gewesen sei, der
Anteil der Nebenmieteinnahmen tatsächlich in 1996 nur 1,37
v.H. und in 1997 1,15 v.H. infolge von Mietänderungen betragen
habe. Im Übrigen liege in der Praxis die Miete für
Betriebsvorrichtungen prozentual höher als für
Grundbesitz.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Das FG hat zu Unrecht die erweiterte
Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
gewährt.
1. Die Klägerin war in den Streitjahren
gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG i.V.m.
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ), da
persönlich haftende Gesellschafterin der KG die
S-Verwaltungs-GmbH ist.
2. Die erweiterte Kürzung
gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG war nicht zu
gewähren. Denn die Klägerin verwaltete nicht
ausschließlich eigenen Grundbesitz.
a) Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen
Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes
Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben
Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedelungen und
Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag
den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Prozentsatz des
Einheitswerts des Grundbesitzes um den Teil des Gewerbeertrags
kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen
Grundbesitzes entfällt (dazu grundlegend Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.10.2002 I R 24/01, BFHE 200, 54,
BStBl II 2003, 355 = SIS 03 05 50; Senatsurteil vom 14.6.2005 VIII
R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778 = SIS 05 39 38).
Begünstigt ist nur die Verwaltung und Nutzung eigenen
Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der erweiterten
Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen
Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer
aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen
freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (vgl.
BFH-Urteil vom 18.4.2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II
2001, 359 = SIS 00 10 89, m.w.N.). Danach ist § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder
Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit
überschreitet (BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359
= SIS 00 10 89, unter II.3.b der Gründe, m.w.N.). Eine
gewerbliche Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1
Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten
zählt, schließt grundsätzlich die erweiterte
Kürzung aus, auch wenn sie von sog. untergeordneter Bedeutung
ist (BFH-Urteile in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359 = SIS 00 10 89, unter II.3.a der Gründe, sowie in BFHE 200, 54, BStBl II
2003, 355 = SIS 03 05 50, unter II.2.b der Gründe, jeweils
m.w.N.).
Die neben der Vermögensverwaltung des
Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten
Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG
abschließend aufgezählt (Senatsurteil in BFHE 210, 38,
BStBl II 2005, 778 = SIS 05 39 38, unter II.2.a der Gründe).
Darüber hinaus liegen nach ständiger Rechtsprechung
Nebentätigkeiten innerhalb des von dem
Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
gezogenen Rahmens und sind - ausnahmsweise - nicht
begünstigungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und
Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als
zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten
eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung
angesehen werden können (Senatsurteil in BFHE 210, 38, BStBl
II 2005, 778 = SIS 05 39 38, unter II.2.a der Gründe;
BFH-Urteil vom 26.8.1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338).
b) Im Streitfall steht die Überlassung
der in der gemieteten Lackierhalle befindlichen
Betriebsvorrichtungen und Werkzeuge der Annahme einer
ausschließlichen Grundstücksverwaltung i.S. von § 9
Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegen. Etwas anderes folgt auch nicht aus
dem Gesetzeszweck von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sowie dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
aa) Zwar soll mit der erweiterten Kürzung
gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eine Gleichstellung
von Grundstücksverwaltungsunternehmen, die nur aufgrund ihrer
Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, mit solchen Unternehmen
erreicht werden, die bei der Ausübung einer vergleichbaren
rein vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht der
Gewerbesteuer unterliegen.
Jedoch hat der Gesetzgeber zur Erreichung
dieses Gesetzeszwecks nicht etwa eine Begünstigung jeglicher
Vermögensverwaltung vorgesehen, sondern den
Begünstigungstatbestand des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG -
abgesehen von den ausdrücklich genannten unschädlichen
Nebentätigkeiten - auf Grundstücksverwaltung begrenzt.
Dies kommt im Gesetzeswortlaut durch die Verwendung des Begriffs
„ausschließlich“ eindeutig zum Ausdruck.
Auch die in der Rechtsprechung als
begünstigungsunschädlich anerkannten
Nebentätigkeiten beziehen sich auf das jeweils verwaltete
Grundstück. Demgegenüber befinden sich im Streitfall die
Gegenstände der jenseits des Grundstücks ausgeübten
Vermögensverwaltung gerade nicht auf dem Grundstück. Sie
stehen in keiner funktionalen Beziehung zum Grundstück.
bb) Der Ausschluss von Fallgestaltungen einer
geringfügigen Ergänzung der Grundstücksverwaltung
durch eine nicht begünstigte Vermögensverwaltung - so im
Streitfall - stellt auch keine unverhältnismäßige
Benachteiligung gegenüber reiner Grundstücksverwaltung
dar. Zu vergleichen sind insoweit die Fälle reiner
Grundstücksverwaltung mit denen einer gemischten
Vermögensverwaltung, im Rahmen derer Grundbesitz nur ein, wenn
auch der weit überwiegende, Gegenstand der
Vermögensverwaltung ist. Mit dieser Differenzierung
überschreitet der Gesetzgeber nicht die Grenzen seiner
Gestaltungsfreiheit. Vielmehr ist die Beschränkung der
Begünstigung auf reine Grundstücksverwaltung unter
Anerkennung der in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten
unschädlichen Nebentätigkeiten durch Gründe der
Praktikabilität sachlich gerechtfertigt (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG - ). Denn die Gesetzesfassung vermeidet gerade
eine Auseinandersetzung über einen Maßstab für eine
etwaige Unerheblichkeit einer zur Grundstücksverwaltung
hinzutretenden anderen Vermögensverwaltung und dessen
Anwendung im Einzelfall. Insbesondere kämen als Grundlage
für eine etwa durchzuführende Verhältnisrechnung
neben der absoluten oder relativen Höhe der in Frage stehenden
Aufwendungen auch die hieraus erzielten Erträge in Betracht.
Demgegenüber ermöglichen die im Gesetzestatbestand des
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten Merkmale (Grundbesitz,
Kapitalvermögen, Wohnungseigentum) einen klaren, eindeutigen
Gesetzesvollzug (vgl. auch zur Verfassungsmäßigkeit von
Stichtagsregelungen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
23.11.1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, m.w.N.).
cc) Bestätigt wird diese enge,
wortlautgetreue Auslegung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in
systematischer Hinsicht durch die grundsätzlich enge
Anknüpfung des GewStG in § 2 Abs. 1 und § 7 an die
einkommensteuerliche Einordnung. Gegenüber § 15 Abs. 3
Nr. 2 EStG statuiert § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gerade eine
Ausnahme (vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 200, 54, BStBl II 2003,
355 = SIS 03 05 50, unter II.2.b der Gründe;
Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 72; Glanegger/Güroff,
GewStG, 6. Aufl., § 9 Nr. 1 Anm. 23; Wendt, FR 2000, 1038;
offen gelassen im BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359 =
SIS 00 10 89, unter II.3.c der Gründe, wie auch im
BFH-Beschluss vom 27.2.2002 IV S 7-10/01, BFH/NV 2002, 1052 = SIS 03 13 34).
Soweit sich der erkennende Senat einer anderen
Auffassung zugeneigt hat (BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II
2001, 359 = SIS 00 10 89, unter II.3.c der Gründe), hält
er daran nicht mehr fest.