DAX-Zertifikat, Einlösung, ESt-Pflicht: Erträge aus der Rückzahlung von DAX-Zertifikaten sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG steuerpflichtig. - Urt.; BFH 13.12.2006, VIII R 79/03; SIS 07 06 11
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 18.7.2007, IV B 8 - S 2252/0, BStBl
2007 I S. 548 = SIS 07 24 77
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb am 26.8.1992 über die Bank X an der
Düsseldorfer Börse 13 Stück DAX-Zertifikate
(Emission Anfang März 1992, anfänglicher Verkaufspreis
1.775 DM je Zertifikat) mit garantiertem Rückzahlungsbetrag
der Y (Emittentin) zum Kaufpreis von je 1.500 DM (insgesamt 19.500
DM) zuzüglich Provision (97,50 DM), Courtage (1,50 DM) und
Abwicklungsgebühr (3 DM). Nach der Verkaufsmitteilung ist die
Emittentin verpflichtet, dem Inhaber eines Zertifikats bei
Endfälligkeit am 18.3.1997 den Betrag zu zahlen, der dem in DM
ausgedrückten DAX-Schlusskurs am 14.3.1997 entspricht,
mindestens jedoch den Betrag von 1.775 DM je Zertifikat.
Der Kläger erhielt am 18.3.1997 die
Rückzahlung in Höhe von brutto 3.359,29 DM je Zertifikat
(insgesamt 43.670,77 DM, davon Kapitalerträge in Höhe von
24.170,77 DM). In seiner Einkommensteuererklärung für das
Streitjahr behandelte der Kläger diese Erträge als nicht
steuerbar.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) qualifizierte die Erträge in Höhe von
24.170,77 DM als - zusätzliche - Einkünfte aus
Kapitalvermögen und setzte die Einkommensteuer 1997
entsprechend fest. Der Einspruch des Klägers hatte keinen
Erfolg. Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung hat das
Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2003, 1696 = SIS 03 47 94
veröffentlichten Urteil abgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die
Einkommensteuer 1997 unter Änderung des
Einkommensteuerbescheides vom 28.10.1999 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 9.2.2000 unter Außerachtlassung
der Erträge aus der Rückzahlung der DAX-Zertifikate
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie
war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die streitigen
Beträge aus der Rückzahlung der DAX-Zertifikate
zutreffend als steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen
(§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG in der
für das Streitjahr gültigen Fassung) erfasst. Gegen die
Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 2001 vom 20.12.2001
(BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) bestehen keine durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Steuerpflichtige Kapitalerträge
Die Erträge des Klägers aus der
Rückzahlung der DAX-Zertifikate sind gemäß §
20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative
2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG steuerpflichtig.
a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7,
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2, Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 Satz 4 EStG zählen zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung
oder Einlösung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die
Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis
abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit
entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die
Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der
Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem
Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der
Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als
Kapitalertrag; bei Kapitalforderungen in einer ausländischen
Währung ist der Unterschied in dieser Währung zu
ermitteln. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für
die Einlösung bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen.
Diese durch das StÄndG 2001 eingeführte Fassung von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ist gemäß § 52
Abs. 37 b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden,
soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Sie
kommt daher auch im Streitfall zur Anwendung.
Die streitigen DAX-Zertifikate erfüllen
als Index–Zertifikate mit Kapitalrückzahlungsgarantie
(vgl. z.B. Haisch, DStZ 2005, 102, 104) die Voraussetzung von
sonstigen Kapitalforderungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG. Der Tatbestand von § 20
Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG verlangt hierfür lediglich, dass die
Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt
für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung
zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des
Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Der Erwerber
eines DAX-Zertifikats erwirbt eine auf Geldleistung gerichtete
Forderung gegen die Emittentin, nämlich zum vereinbarten
Rückzahlungstermin (18.3.1997) einen Betrag ausbezahlt zu
bekommen, der dem in DM ausgedrückten DAX-Schlusskurs am
14.3.1997 entspricht, mindestens jedoch den Betrag von 1.775 DM.
Damit ist jedenfalls die Rückzahlung des Kapitalvermögens
zugesagt.
b) Die streitigen Kapitalerträge sind der
Höhe nach gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz
2 1. Halbsatz EStG als Unterschied zwischen dem Entgelt für
den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung zu
erfassen.
Die DAX-Zertifikate weisen keine von
vornherein bezifferbare Emissionsrendite auf. Emissionsrendite ist
die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage, d.h. von
vornherein zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung des
Papiers bzw. Endfälligkeit einer Kapitalforderung mit
Sicherheit, d.h. mindestens, erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil
vom 24.10.2000 VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04, unter 2.a der Gründe, m.w.N.). Da die Emittentin nur
für den Fall eines gegenüber dem anfänglichen
Verkaufspreis von 1.775 DM höheren DAX-Schlusskurses am
14.3.1997 verpflichtet war, einen über den anfänglichen
Verkaufspreis hinausgehenden Betrag zu zahlen, hing es von der
künftigen Entwicklung des DAX-Kurses als ungewissem Ereignis
ab, ob und ggf. in welcher Höhe ein über den
anfänglichen Verkaufspreis hinausgehendes Entgelt für die
Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung gewährt
würde.
Bei der Beurteilung der maßgeblichen
Emissionsrendite ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der
erstmaligen Ausgabe, d.h. der Emission abzustellen (vgl. z.B.
Wagner, DStZ 2005, 623, 624). Dies ergibt sich aus dem
systematischen Zusammenhang des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG,
der den Tatbestand der steuerbaren Finanzinnovationen beschreibt,
mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG, der die
Bemessung der Höhe der fraglichen Einkünfte regelt. Beide
Merkmale, die Typenbeschreibung wie auch die Vorgaben für die
Berechnung der steuerbaren Einkünfte, bilden zusammen den
maßgeblichen Steuertatbestand. Da die Besteuerung an die
Emissionsredite anknüpft, ist der Tatbestand des § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG auf den Zeitpunkt der Emission zu
beziehen.
Es ist insoweit unerheblich, dass der
Kläger, da er nicht Ersterwerber war, zu einem anderen Preis
erworben hat, und dass der DAX-Schlusskurs am Tag des Erwerbs durch
den Kläger unter dem Emissionskurs lag. Hieraus ergibt sich im
Streitfall zwar, dass der Kläger in Gestalt der Differenz
zwischen dem DAX-Kurs im Zeitpunkt seines Erwerbs und dem
zugesagten Rückzahlungsbetrag eine sichere individuelle
Rendite zu erwarten hatte. Diese Rendite entspricht jedoch den
Konditionen des individuellen - dem Ersterwerb folgenden - Erwerbs.
Der DAX-Schlusskurs am Tag dieses Erwerbs bestimmt das individuell
zu leistende Entgelt für den Erwerb und ist insoweit auch
maßgeblich für die Marktrendite i.S. von § 20 Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG. Die Regelung des § 20
Abs. 2 EStG differenziert jedoch gerade zwischen Emissions- und
Marktrendite.
2. Keine ungerechtfertigte
Systemabweichung
Der Rückgriff auf die Marktrendite
gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stellt
im Streitfall auch keine ungerechtfertigte Abweichung von der im
EStG angelegten Systematik der Besteuerung von Kapitalerträgen
dar. Der Rückgriff auf die Marktrendite kann zwar in
Fällen einer Zwischenveräußerung je nach den
zugrunde liegenden Bedingungen der Kapitalanlage zu einer
Abweichung von der ursprünglichen Binnenstruktur des § 20
EStG führen. So ist beispielsweise der über den Betrag
der Einlage hinausgehende Mehrerlös aus der
Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen
stillen Beteiligung grundsätzlich nicht nach § 20 Abs. 1
Nr. 4 EStG steuerbar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
11.2.1981 I R 98/76, BFHE 133, 35, BStBl II 1981, 465 = SIS 81 17 18). Im Streitfall hat der Kläger die streitigen Zertifikate
nicht veräußert, sondern zum maßgeblichen Stichtag
bei der Emittentin eingelöst. Abgesehen davon ist aber nicht
nur im Fall der Einlösung, sondern auch in dem der
Zwischenveräußerung die steuerliche Erfassung der
Kapitalerträge und ihre Bemessung nach der Marktrendite
gemessen am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Gebot der Folgerichtigkeit
ist nicht verletzt. Denn es handelt sich bei den hier zu
beurteilenden DAX-Zertifikaten um Kapitalforderungen ohne
Emissionsrendite, bei denen nach der Art ihrer Gestaltung eine
rechnerische Differenzierung zwischen einem vereinbarten
Kapitalnutzungsentgelt und einer realisierten Wertentwicklung des
Papiers nicht in Betracht kommt, weil kein abgrenzbares
Kapitalnutzungsentgelt vereinbart ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) besteht die maßgebliche
Begrenzung der Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers durch
Art. 3 Abs. 1 GG im Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip
der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der
Folgerichtigkeit als zwei eng miteinander verbundenen Linien
(BVerfG-Beschluss des 2. Senats vom 4.12.2002 2 BvR 400/98,
1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 = SIS 03 19 40,
m.w.N.)
Unter dem Aspekt der gesetzlichen
Folgerichtigkeit verlangt das BVerfG für den Sachbereich des
Steuerrechts Gestaltungsgleichheit. Der Gesetzgeber habe zwar bei
der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des
Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Nach
Regelung dieses Ausgangstatbestandes habe er die einmal getroffene
Belastungsentscheidung folgerichtig umzusetzen (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 107, 27, 47, BStBl II 2003, 534, 540 = SIS 03 19 40,
m.w.N.). Ziel einer solchen systemkonsequent an der individuellen
Leistungsfähigkeit orientierten Steuergesetzgebung ist ein
gleicher Belastungserfolg (BVerfG-Beschluss vom 22.6.1995 2 BvL
37/91, BVerfGE 93, 121, 134, BStBl II 1995, 655, 660 = SIS 95 17 08). Die Abweichung von einer vom Gesetzgeber sonst anerkannten
Sachgesetzlichkeit indiziert einen Verstoß gegen das
Gleichheitsgebot. Eine Systemabweichung kann jedoch als
Ausnahmeregelung sachlich zu rechtfertigen sein. Dabei ist der
Gleichheitssatz umso strikter, je mehr er den Einzelnen als Person
betrifft und umso mehr für gesetzgeberische Gestaltungen
offen, als allgemeine, für rechtliche Gestaltungen
zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden
(BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05). Allein eine systematische Unterscheidung durch den
Gesetzgeber kann eine Ungleichbehandlung in den Rechtsfolgen nicht
rechtfertigen.
b) Die steuerliche Erfassung von Einnahmen aus
der Veräußerung bzw. Abtretung von sonstigen
Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von
einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr.
4 Satz 1 Buchst. c EStG) und die keine Emissionsrendite haben, mit
der Marktrendite gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Satz 2 1. Halbsatz Alternative 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2001,
verstößt nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG
abzuleitende Gebot der gesetzlichen Folgerichtigkeit.
aa) Nach der im EStG angelegten
grundsätzlichen Systematik soll § 20 EStG das Entgelt
für die Überlassung von Kapital zur Nutzung erfassen.
Diese Nutzung des Kapitals als sog. Quelle ist abzugrenzen von der
bei Kapitalanlagen im Privatvermögen grundsätzlich (vgl.
aber §§ 17, 23 EStG) nicht steuerbaren
Wertveränderung des Kapitalvermögens selbst (Senatsurteil
in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04, unter 3.a der
Gründe, m.w.N.). In dieser Systematik der
Kapitalertragsbesteuerung ist es angelegt, dass sich aus
Wertsteigerungen der Kapitalanlage insoweit nur ausnahmsweise
Kapitalerträge i.S. von § 20 EStG ergeben, als in ihnen
Nutzungsvergütungen enthalten sind (vgl. BFH-Urteile vom
2.3.1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, BStBl II 1993, 602 = SIS 93 15 01, m.w.N.; in BFHE 133, 35, BStBl II 1981, 465 = SIS 81 17 18).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen
stellt die Maßgeblichkeit der Marktrendite gemäß
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG
2001 - bezogen auf den Streitfall - eine im Hinblick auf Art. 3
Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigte Anpassung des Binnensystems des
§ 20 EStG an neue wirtschaftliche Lebenssachverhalte dar, mit
der sich der Gesetzgeber noch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit
bewegt. Die Regelung knüpft weiterhin an die im Gesamtsystem
des EStG (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 7 EStG) angelegte
Differenzierung zwischen sog. Quellenausnutzung und
Quellenverwertung an. Der Gesetzgeber hat sie jedoch für
bestimmte Finanzinnovationen, bei denen er im Rahmen seiner
Einschätzungsprärogative von einer nicht hinreichend
klaren Abgrenzbarkeit der Ertrags- von der Vermögensebene
ausgehen konnte, modifiziert. Denn die Unterscheidung zwischen
Kapitalnutzung und Kapitalverwertung stößt auf
systematische bzw. strukturelle Grenzen, soweit wirtschaftliche
Lebenssachverhalte der Besteuerung unterworfen werden sollen, bei
denen die an sich gebotene Abschöpfung nur des
Kapitalnutzungsentgelts nicht gewährleistet werden kann, weil
dieses nach der typischen Ausgestaltung des Wertpapiers nicht im
herkömmlichen Sinn von dessen Wertentwicklung abgrenzbar ist.
Dies trifft insbesondere bei den hier zu beurteilenden
DAX-Zertifikaten zu.
(1) Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung
von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur
Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des
Steuerrechts (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310, 2313, BStBl
I 1994, 50, 53) mit Wirkung ab 1.1.1994 solche Kapitalanlagen, bei
denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier
Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59) und
die sich den Umstand zunutze machen, dass nach bis dahin
gültigem Recht im Privatvermögen zwischen
steuerpflichtigen Kapitalerträgen (insbesondere Zinsen) und
steuerfreien Vermögensmehrungen (insbesondere Kursgewinne)
unterschieden worden war (BTDrucks 12/6078, S. 116), so umfassend
wie möglich einbeziehen. Er wollte sicherstellen,
„dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung
und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher
Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen
zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen gehören“ (BTDrucks 12/5630, S.
59). Es sollte die Grundlage dafür geschaffen werden,
„dass im Fall der Veräußerung von Wertpapieren
die im Kurs der Papiere und damit im Veräußerungspreis
enthaltenen Erträge auch im Privatbereich der Einkommensteuer
und dem Zinsabschlag unterliegen“ (BTDrucks 12/6078, S.
117). Dieser Zweck sollte durch die Erstreckung der Besteuerung von
Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Satz 1 Buchst. c EStG auf sog. Kursdifferenzpapiere ohne eine von
vornherein bezifferbare Emissionsrendite erreicht werden.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1
Buchst. c EStG i.d.F. des StMBG zählen die Einnahmen aus der
Veräußerung oder Abtretung von Wertpapieren und
Kapitalforderungen mit der Höhe nach ungewissen Erträgen
zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit sie der
rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite
entsprechen. Diese Regelung wird in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Satz 2 EStG i.d.F. des StMBG lediglich dahin gehend ergänzt,
dass dann, wenn der Steuerpflichtige die Emissionsrendite nicht
nachweist, der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb
und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder
Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen als
Kapitalertrag gilt.
Diese Fassung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr.
4 Satz 2 EStG brachte den gesetzgeberischen Willen insoweit nicht
eindeutig zum Ausdruck, als die Maßgeblichkeit der
Marktrendite an den fehlenden Nachweis der Emissionsrendite
geknüpft war. Der Senat hat im Urteil in BFHE 193, 374, BStBl
II 2001, 97 = SIS 01 01 04 (unter 2.b der Gründe) eine
bloße Beweislastregelung angenommen mit der Folge, dass im
Ergebnis Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren und
Kapitalforderungen mit der Höhe nach ungewissen Erträgen
und damit ohne Emissionsrendite unversteuert blieben, obwohl sie in
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG
ausdrücklich genannt werden. Dass der Gesetzgeber mit §
20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die steuerliche Erfassung von
Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von
einem ungewissen Ereignis abhängt und die deshalb keine
Emissionsrendite haben, durch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2
EStG nicht ausgeschlossen wissen wollte, hat er durch die weitere
Ergänzung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG im
StÄndG 2001 zum Ausdruck gebracht (vgl. BTDrucks 14/6877, S.
25 f.). Danach gilt die Marktrendite gerade auch für
Wertpapiere und Kapitalforderungen, die keine Emissionsrendite
haben.
(2) Die im Streitfall maßgebliche
Regelung des § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001
stellt, soweit mit den erfassten Kursdifferenzen auch
Wertveränderungen des hingegebenen Kapitals ohne
Nutzungsentgeltcharakter als Kapitalertrag gelten, eine sachlich
gerechtfertigte Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG dar
(Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04,
unter 3.a der Gründe).
(a) Die Annahme einer Systemabweichung setzt
voraus, dass die DAX-Zertifikate mit einem Ertrag besteuert werden,
dem der Charakter eines Nutzungsentgelts gerade nicht zukommt.
Hiergegen spricht zwar, dass der Steuerpflichtige die Zertifikate
mit dem Ziel erwirbt, die Kapitalüberlassung wirtschaftlich
betrachtet im Zeitpunkt der Einlösung bei Endfälligkeit
möglichst hoch vergütet zu bekommen. Dieses
wirtschaftliche Streben nach einem möglichst hohen Entgelt
rechtfertigt aus der Anlegerperspektive die Eingehung des Risikos
von Kursschwankungen, die sich auf die erstrebte Rendite positiv
wie negativ auswirken können. Ausgehend von diesem
wirtschaftlichen Lebenssachverhalt spricht vieles bereits
dafür, die Kursdifferenz als Bestandteil eines systemgerecht
zu erfassenden Nutzungsentgelts im Rahmen von § 20 EStG zu
begreifen. Dies kann im Streitfall jedoch dahinstehen.
(b) Auch wenn § 20 EStG systematisch
Wertveränderungen der Kapitalanlage als grundsätzlich
steuerrechtlich unerheblich behandelt, ist die steuerliche
Erfassung von Kursdifferenzen im vorliegend streitigen Umfang auch
als Abweichung von diesem Binnensystem im Rahmen von § 20 Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 und 4
EStG jedenfalls sachlich gerechtfertigt.
Mit der Anpassung der Einkunftsart des §
20 EStG an neue wirtschaftliche Gestaltungen bewegt sich der
Gesetzgeber noch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit. Die Regelung
trägt zum einen der wirtschaftlichen Zielsetzung der zu
erfassenden Finanzinnovationen Rechnung, zum anderen genügt
sie unter möglichster Wahrung der systematischen Abgrenzung
von Kapitalnutzung und Ausnutzung der Wertveränderung des
Kapitals den Anforderungen einer möglichst umfassenden
Erfassung des Kapitalnutzungsentgelts.
Die zu beurteilenden DAX-Zertifikate stellen
eine Anlageform dar, über die für eine Überlassung
von Kapital auf Zeit ein möglichst hohes Entgelt im
wirtschaftlichen Sinne erzielt werden soll. Der Anleger stellt
dabei dem Emittenten in Gestalt des Entgelts für den Erwerb
Kapital zur Verfügung und erhält zumindest dieses Kapital
bei Endfälligkeit zurück. Das wirtschaftliche Entgelt
für die Nutzungsüberlassung ist im Übrigen - ggf. in
unterschiedlichem Ausmaß - von einem ungewissen Ereignis,
vorliegend dem DAX-Wert abhängig. Konstruktiver Bestandteil
einer solchen Finanzinnovation ist die Einbindung von Kursgewinnen
in das Entgelt für die Kapitalüberlassung. Dabei liegt es
im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative
hinsichtlich der zu regelnden Lebenssachverhalte, den
wirtschaftlichen Gehalt der fraglichen Finanzinnovation in einer
entgeltlichen Kapitalüberlassung auf Zeit zu sehen, bei der
das Entgelt für die Kapitalüberlassung aus einer Teilhabe
an der Kursentwicklung besteht, ohne dass daneben ein hiervon
abgrenzbares Kapitalnutzungsentgelt im herkömmlichen Sinn
vereinbart wird. Insoweit unterscheiden sich die Kursgewinne aus
den hier zu beurteilenden DAX-Zertifikaten von der allgemeinen
§ 20 EStG zugrunde liegenden Nichtsteuerbarkeit von
Wertveränderungen der Kapitalanlage als solcher, die
typischerweise in einem Veräußerungsgeschäft
für eine etwaige Besteuerung manifest werden. Kennzeichnend
für die DAX-Zertifikate ist es hingegen, dass eine Trennung
zwischen Ertrags- und Vermögensebene nicht möglich ist.
Wollte man eine solche Differenzierung gleichwohl durchführen,
würde es auch für eine Schätzung an
vernünftigen Schätzungsgrundlagen fehlen. Im Hinblick
darauf liegt es im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit
hinsichtlich solcher wirtschaftlicher Fallgestaltungen, bei denen
eine Differenzierung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn im
Ergebnis kaum möglich ist, weil die jeweilige Finanzinnovation
nach der Art ihrer Gestaltung den Kursgewinn als Kapitalertrag
einbezieht, auch Kursgewinne als Nutzungsentgelt zu erfassen. Der
Gesetzgeber durfte deshalb bei derartigen Finanzinnovationen auch
einen Kursgewinn einem Kapitalnutzungsentgelt im herkömmlichen
Sinn steuerrechtlich gleichstellen (vgl. Senatsurteil vom 10.7.2001
VIII R 22/99, BFH/NV 2001, 1555 = SIS 01 81 31, unter 1.b bb der
Gründe).
(3) Ausgehend von dieser grundsätzlichen
Rechtfertigung der mit § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG verbundenen
Systemabweichung kann eine tatbestandsmäßige Eingrenzung
der von § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG erfassten Finanzinnovationen
geboten sein (vgl. hierzu das zur Veröffentlichung bestimmte
BFH-Urteil vom 20.11.2006 VIII R 97/02 = SIS 07 06 12). Sie kommt
indes für die hier zu beurteilenden Index-Zertifikate nicht in
Betracht, denn bei ihnen handelt es sich um sonstige
Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite, bei denen die Höhe
der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt und bei
denen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG als
sachgerechte Typisierung des Gesetzgebers anzusehen ist, weil bei
diesen Anlagen Nutzungsentgelt und Kursgewinn nicht hinreichend
voneinander abgrenzbar sind.
Es kommt auch nicht zu einer
unverhältnismäßigen Benachteiligung von Anlagen in
derartige Finanzinnovationen gegenüber anderen Kapitalanlagen
ohne Emissionsrendite, bei denen ein vereinbartes
Kapitalnutzungsentgelt von der realisierten Wertentwicklung des
Papiers klar abgrenzbar ist. Während Finanzinnovationen wie
z.B. Index-Zertifikate in das gesetzliche System der Trennung von
Nutzungsentgelt und Ausnutzung des Kapitalwerts nur durch eine
Erweiterung des Besteuerungszugriffs eingebunden werden
können, bedarf es einer entsprechenden Einbindung bei anderen
Kapitalanlagen, wie z.B. bei festverzinslichen Wertpapieren oder
Aktien nicht, da bei diesen Papieren Kapitalnutzungsentgelt und
Wertentwicklung der Anlage klar geschieden sind. Gegen die
Ermittlung des Kapitalertrags von DAX-Zertifikaten nach der
Marktrendite mit der Folge, dass ein auf Kursänderungen der
Zertifikate beruhender Veräußerungsgewinn als
Kapitalertrag besteuert wird, während beispielsweise bei
Kursänderungen von festverzinslichen Wertpapieren oder Aktien
entsprechende Veräußerungsgewinne nicht der Besteuerung
nach § 20 EStG unterliegen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001,
1555 = SIS 01 81 31), bestehen deshalb keine verfassungsrechtlichen
Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Keine verfassungswidrige
Rückwirkung
Die Erfassung des Streitfalls durch § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StÄndG 2001
gemäß § 52 Abs. 37 b EStG bedeutet auch keine
unzulässige gesetzliche Rückwirkung (a.A. Hamacher in
Korn, § 20 EStG Rz. 195.2.; Haisch, DStR 2002, 247; Korn, DStR
2001, 1507; Schultze/Heinrich, FR 2003, 415).
a) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1
Buchst. c, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 und 4 EStG i.V.m. § 52
Abs. 37 b EStG ist insoweit am Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) i.V.m. der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zu
messen. Mit Erwerb und Veräußerung der DAX-Zertifikate
hat der Kläger eine wirtschaftlich motivierte Disposition
getroffen und hierbei jedenfalls das Grundrecht der
wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG
ausgeübt (vgl. Vorlagebeschluss des IX. Senats des BFH vom
16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B.III.2. der Gründe).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf es
vor dem Rechtsstaatsprinzip einer besonderen Rechtfertigung, wenn
der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit
zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend
ändert. Dies gilt insbesondere im Steuerrecht (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 14.5.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 257 f.
= SIS 86 25 18, BStBl II 1986, 628 = SIS 86 25 18; BFH-Beschluss in
BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B.III.2.a
der Gründe, m.w.N.). Gleichwohl kann der demokratisch
legitimierte Gesetzgeber beachtliche Gründe haben, bestehende
Rechtslagen zu ändern, auch wenn er dabei auf Tatbestände
einzuwirken hat, die sich in der Entwicklung befinden und im
Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage geplant
worden sind.
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen
echter (retroaktiver) Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von
Rechtsfolgen und unechter (retrospektiver) Rückwirkung
(tatbestandliche Rückanknüpfung; dazu BFH-Beschluss in
BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, m.w.N.). Dabei
betont die neuere Rechtsprechung des BVerfG im Bereich von
Lenkungsnormen die Bedeutung des Dispositionsschutzes
(BVerfG-Beschlüsse vom 3.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67
= SIS 98 10 50, sowie vom 5.2.2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105,
17 = SIS 02 09 34; anknüpfend daran BFH-Beschluss in BFHE 204,
228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B.III.2.d der
Gründe).
Von einer echten Rückwirkung ist nur
auszugehen, wenn ein neues Gesetz in Sachverhalte eingreift, die
vor der Gesetzesverkündung abgeschlossen waren und die die
Voraussetzungen eines bisher geltenden Tatbestands erfüllt
haben (BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B.III.2.a dd der Gründe, m.w.N.). Mit einer
solchen echten Rückwirkung greift der Steuergesetzgeber nicht
nur in Dispositionen des Steuerpflichtigen ein, sondern gerät
zusätzlich auch mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der
Rechtssicherheit in Konflikt (BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl
II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B.III.2.e aa der Gründe,
m.w.N.). Das Gebot der Kontinuität enthält als
Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ein objektives Element und
verlangt insoweit eine gewisse Rechtsbeständigkeit,
Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der geltenden
Rechtsordnung. Dieses objektive Element erlangt dort Bedeutung, wo
eine rückwirkende Rechtsänderung ohne Dispositionsbezug
erfolgt.
Demgegenüber ist bei der unechten
Rückwirkung rechtsstaatliche Kontinuität lediglich
zugunsten des Steuerpflichtigen in die dahingehende Abwägung
einzubeziehen, ob das Änderungsinteresse des Staates das durch
eine Disposition betätigte Vertrauen des Steuerpflichtigen
überwiegt.
Insoweit sind die Rechtfertigungsanforderungen
für eine echte Rückwirkung weit höher als für
eine tatbestandliche Rückanknüpfung. Nach traditioneller
Rechtsprechung ist eine echte Rückwirkung ausnahmsweise
zulässig, wenn die rückwirkende Norm eine unklare
Rechtslage beseitigt oder aus sonstigen Gründen ein Vertrauen
auf den Fortbestand der bisherigen Regelung nicht begründet
war (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 25.5.1993 1 BvR 1509, 1648/91,
BVerfGE 88, 384, 403 f.; in BVerfGE 72, 200, 257 ff. = SIS 86 25 18, BStBl II 1986, 628 = SIS 86 25 18).
b) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die
Anwendung der im Zeitpunkt der Veräußerung der
DAX-Zertifikate 1997 geltenden Fassung von § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 eine echte oder
unechte Rückwirkung bedeutet. Sie ist jedenfalls sachlich
gerechtfertigt.
aa) Der Dispositionsschutz des Klägers
hängt entscheidend davon ab, welche Disposition - Anschaffung,
Behalten bis zum Laufzeitende 1997 oder gestreckter
Dispositionstatbestand von Anschaffung bis 1997 - für
maßgeblich erachtet wird.
Begreift man die Anschaffung der
DAX-Zertifikate vom August 1992 als maßgebliche Disposition,
so wäre korrespondierend die zu beurteilende Rückwirkung
bereits durch das StMBG eingetreten. Der Kläger hätte
insoweit allenfalls auf die Rechtslage 1992, d.h. vor der
Änderung des § 20 Abs. 2 EStG durch das StMBG vertrauen
können. Dass er die DAX-Zertifikate im Vertrauen auf die
Rechtslage vor der Neuregelung durch das StMBG erworben hat, ist
jedoch nicht ersichtlich.
Das Behalten der Zertifikate bis zum Ende der
Laufzeit (18.3.1997) markiert das Ende eines gestreckten
Dispositionstatbestandes. Während des Haltens der Zertifikate
bis zum Ende der Laufzeit konnte der Kläger aber lediglich auf
den Rechtsstand nach dem StMBG vertrauen. Dabei kann in diesen
Rechtsstand nicht das erst nach Rückgabe erlassene
Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04
einbezogen werden. Unabhängig von der Maßgeblichkeit der
Auslegung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des
StMBG vor Klarstellung der dem gesetzgeberischen Willen
entsprechenden Auslegung durch das StÄndG 2001 kann dieses
Urteil jedenfalls nicht Grundlage einer Vertrauensbildung sein, die
bereits vor Erlass des Urteils stattgefunden haben muss. Nach dem
Rechtsstand 1997 bestanden hinsichtlich der Einbeziehung von
sonstigen Kapitalforderungen ohne von vornherein bezifferte
Emissionsrendite in die Steuerbarkeit gemäß § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2
EStG i.d.F. des StMBG Auslegungszweifel. Es kann nicht von einer
eindeutigen Rechtslage ausgegangen werden. Dies macht das Urteil
des Senats in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04
gerade deutlich.
Danach bestand jedenfalls kein
schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf die Rechtslage
des StMBG in der - erstmals Klarheit schaffenden - Auslegung durch
das Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04. Insoweit liegt keine unzulässige tatbestandliche
Rückanknüpfung vor, weder durch das StMBG noch durch das
StÄndG 2001. Denn das StÄndG 2001 hat die
Auslegungsunsicherheit, die noch 1997 bestand, seinerseits behoben.
Dass dies im Widerspruch zum Urteil des Senats in BFHE 193, 374,
BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04 erfolgte, ist für die
Beurteilung des Vertrauensschutzes des Klägers
unerheblich.
bb) Auch die Beurteilung der Erstreckung der
Fassung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des
StÄndG 2001 auf den Streitfall - Anschaffung 1992,
Laufzeitende 1997 - am Maßstab objektiver rechtsstaatlicher
Kontinuität führt nicht zur Annahme einer
unzulässigen echten Rückwirkung.
Soweit es um die objektive rechtsstaatliche
Kontinuität geht, ist maßgeblich beim Zeitpunkt der
Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes anzusetzen, vorliegend
dem der Gewinnrealisierung im Streitjahr 1997. Denn objektive
Kontinuität kann sich nur auf eine objektive Rechtslage, nicht
eine subjektive Disposition beziehen. Die Steuerpflicht der
Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
knüpft an die Veräußerung bzw. Einlösung bei
Endfälligkeit der Kapitalforderungen an sowie den Zufluss der
hieraus erzielten Einnahmen (vgl. BFH-Urteil vom 16.5.2001 I R
102/00, BFHE 195, 344, BStBl II 2001, 710 = SIS 01 11 68, unter
II.1.b a der Gründe). Die maßgebliche objektive
Rechtslage ergibt sich, soweit es um eine Korrektur der im
Zeitpunkt des Erlasses des StÄndG 2001 geltenden Rechtslage
geht, aus der maßgeblichen Auslegung von § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Senatsurteil in BFHE 193, 374,
BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04. Dass der Kläger auf diese
objektive Rechtslage 2001 subjektiv nicht hatte vertrauen
können, weil seine Disposition bereits 1997 abgeschlossen war,
ist bei der Beurteilung der objektiven rechtsstaatlichen
Gesetzeskontinuität unerheblich.
Gleichwohl ist die rückwirkende
eindeutige gesetzliche Fassung der ursprünglichen
gesetzgeberischen Intention ausnahmsweise als gerechtfertigt zu
erachten. Seit der Gesetzesänderung durch das StMBG war
streitig, ob sie auch Wertpapiere und Kapitalforderungen erfassen
sollte, die keine von vornherein berechenbare Emissionsrendite
haben (zum Streitstand BFH-Urteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001,
97 = SIS 01 01 04; FG Hessen, Urteil vom 12.3.1999 10 K 2555/98,
EFG 1999, 553). Nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl.
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.1.1994 IV B 4
- S 1980 - 5/94, FR 1994, 206) sollten Gewinne aus der
Veräußerung jeglicher Art von Floatern bereits nach der
vor dem StMBG geltenden Gesetzesfassung grundsätzlich
steuerbar sein. Die im Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II
2001, 97 = SIS 01 01 04 (unter 3.a der Gründe) getroffene
Auslegung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c i.V.m.
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (Unanwendbarkeit bei fehlender
Emissionsrendite) stützt sich maßgeblich darauf, dass
die Einbeziehung von sonstigen Kapitalforderungen ohne
Emissionsrendite einer entsprechenden eindeutigen und
unmissverständlichen Festlegung im Gesetz bedurft hätte.
Das Senatsurteil hat insoweit, ausgehend von einer unklaren
Gesetzesfassung, Klarheit für eben diese Gesetzesfassung
gebracht. Vor diesem Hintergrund ist die Klarstellung des
ursprünglich schon im StMBG gewollten Regelungsinhalts von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das StÄndG
2001 nicht als Verletzung der rechtsstaatlich gebotenen objektiven
Kontinuität zu begreifen.