Ausländisches Fotomodell, Selbständige: Ausländische Fotomodelle, die zur Produktion von Werbefilmen kurzfristig im Inland tätig werden, können selbständig tätig sei. - Urt.; BFH 14.6.2007, VI R 5/06; SIS 07 29 06
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) produziert Werbefilme. Dazu verpflichtet sie in
größerem Umfang ausländische Models (Fotomodelle),
die durch Agenturen vertreten werden. Auftraggeber der Produktionen
sind Werbeagenturen, die wiederum Beauftragte des jeweiligen
Produktherstellers sind. Nach einem von der Werbeagentur und dem
Produkthersteller festgelegten Profil werden für die Auswahl
des oder der Darsteller Probeaufnahmen mit zehn bis fünfzehn
Models durchgeführt (Casting). Die darstellenden Models werden
gemeinsam mit dem Regisseur, der in der Regel von der Werbeagentur
und dem Produkthersteller bestimmt wird, ausgewählt. Die
Drehzeit der Werbefilme beansprucht einen Zeitraum von ein bis drei
Tagen. Die Beschäftigung der ausgewählten Models bei der
Klägerin beschränkt sich regelmäßig auf einen
Werbespot. Die Vergütung setzt sich aus der Gage für das
Drehen eines Werbespots und dessen Weiterverwendung
(Wiederholungshonorar; sog. Buy-Out) zusammen. Der Ersatz von
Spesen, Agenturprovisionen und Überstundenentgelten ist
unterschiedlich vereinbart. Eine Vergütung auch im
Krankheitsfall ist regelmäßig nicht vorgesehen.
Die Klägerin unterwarf die in den
Streitjahren 1996 bis 1998 an die ausländischen Models
ausgezahlten Gagen und Wiederholungshonorare nicht dem
Lohnsteuerabzug. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung
vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -
) die Auffassung, dass die Models als Arbeitnehmer zu beurteilen
seien und deshalb für sie Lohnsteuer einzubehalten sei. Das FA
nahm die Klägerin daraufhin wegen nicht abgeführter
Lohnsteuer in Haftung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in den Entscheidungen der Finanzgericht (EFG) 2006, 409
veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist nicht
begründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist von
zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine
tatsächliche Würdigung ist möglich; sie
verstößt nicht gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze.
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die
Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Diese
Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn die Klägerin war
nicht Arbeitgeberin der Models und demgemäß nicht
verpflichtet, für diese Lohnsteuer einzubehalten und
abzuführen.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden. Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (i.V.m. § 51 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a EStG), die nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegen,
liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte
(Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet.
Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der
Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung
des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des
Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist
(BFH-Urteile vom 14.6.1985 VI R 150 - 152/82, BFHE 144, 225, BStBl
II 1985, 661 = SIS 85 20 25; vom 23.10.1992 VI R 59/91, BFHE 170,
48, BStBl II 1993, 303 = SIS 93 09 33; vom 2.12.1998 X R 83/96,
BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534 = SIS 99 09 24).
Es entspricht ständiger Rechtsprechung
des BFH, dass der Arbeitnehmerbegriff sich nicht durch
Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen
lässt. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich
scharf umrissenen Begriffs. Es handelt sich vielmehr um einen
offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und
unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Die Frage,
ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder
nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer
Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse zu beurteilen. Hierzu hat der BFH im Urteil in
144, 225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25 zahlreiche Kriterien
(Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die
bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale
sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander
abzuwägen. Diese Aufgabe obliegt in erster Linie den
Finanzgerichten als Tatsacheninstanz. Die im Wesentlichen auf
tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung ist revisionsrechtlich
nur begrenzt überprüfbar (BFH-Beschlüsse vom
9.9.2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42 = SIS 03 52 65; vom 9.11.2004
VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347 = SIS 05 12 37; vom 16.11.2006 VI B
74/06, BFH/NV 2007, 235 = SIS 07 03 72; Urteil vom 7.11.2006 VI R
81/02, BFH/NV 2007, 426 = SIS 07 06 80, jeweils m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG
eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis
gelangt, dass die Models selbständig tätig geworden sind.
Diese Gesamtwürdigung ist möglich; sie lässt keinen
Rechtsfehler erkennen. Die gegen die Gewichtung der Einzelmerkmale
und damit gegen das vom FG gefundene Gesamtergebnis vorgebrachten
Einwendungen des FA greifen nicht durch. Die Gewichtung der
einzelnen Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs ist eine
tatrichterliche Aufgabe des FG, die der BFH nur bei
Rechtsverstößen überprüfen kann (BFH in BFHE
144, 225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25). Denn bei jeder
Gesamtwürdigung ist denkbar, dass das eine oder andere Merkmal
anders gesehen werden kann, es aber wegen der Gesamtbetrachtung an
Bedeutung in der einen Richtung gewinnt oder verliert (BFH-Urteil
vom 1.3.1973 IV R 231/69, BFHE 109, 39, BStBl II 1973, 458 = SIS 73 02 33).
Zunächst hat das FG zu Recht
maßgeblich darauf abgestellt, dass die Models nur jeweils
äußerst kurzfristig für die Klägerin
tätig waren. Bei einer zeitlich nur kurzen Berührung mit
dem Betrieb des Auftraggebers ist die Arbeitnehmereigenschaft des
Auftragnehmers regelmäßig eher zu verneinen als zu
bejahen. Er ist weniger in den Betrieb des Auftraggebers
eingegliedert und dessen Weisungen auch nur in geringerem Umfang
unterworfen (BFH-Urteile in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25; vom 3.8.1978 VI R 212/75, BFHE 126, 271, BStBl II 1979,
131 = SIS 79 00 69; vom 10.9.1976 VI R 80/74, BFHE 120, 465, BStBl
II 1977, 178 = SIS 77 01 06). Das FG führt in diesem
Zusammenhang unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 109, 39,
BStBl II 1973, 458 = SIS 73 02 33 richtigerweise aus, dass die
Einbindung in den Organisationsablauf eines Betriebs nicht allein
für eine nichtselbständige Tätigkeit spricht.
Das FG hat auch zu Recht ein Unternehmerrisiko
der Models bejaht. Die Models, die für verschiedene
Auftraggeber tätig waren, mussten sich die neuen Aufträge
dadurch erarbeiten, dass sie die vorangegangenen jeweils zur
Zufriedenheit des Auftraggebers ausführten. Es bestand
ansonsten die Gefahr, dass sie bei schlechter Erfüllung des
jeweiligen Auftrags nicht erneut engagiert wurden (BFH-Urteil in
BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25). Es kommt hinzu,
dass die Models das Vergütungsrisiko trugen und keinen
Anspruch auf Sozialleistungen hatten.
Soweit das FG die Tätigkeit der Models
nicht als Ausübung einfacher Tätigkeit qualifiziert hat,
ist dies möglich. Das FG weist darauf hin, dass die
Tätigkeit eines Models durch persönliche Fähigkeiten
und Eigenschaften sowie Ausstrahlung geprägt ist. Dies
unterscheidet sie von einer rein mechanischen Tätigkeit, die
für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen kann. Aber auch
insoweit gilt im Übrigen der Grundsatz, dass kein Merkmal
isoliert betrachtet werden darf.