AStA-Mitglieder, Arbeitnehmer: Der Vorsitzende und die Referenten des AStA sind Arbeitnehmer im Sinne des Einkommensteuerrechts. Die an sie gezahlten Aufwandsentschädigungen sind als einkommensteuerpflichtiger Lohn zu behandeln. - Urt.; BFH 22.7.2008, VI R 51/05; SIS 08 35 55
I. Die Beteiligten streiten um die
Rechtmäßigkeit eines für den Zeitraum 1.1.1997 bis
30.9.2000 ergangenen, die Lohnsteuer betreffenden
Haftungsbescheides.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Studentenschaft der
Universität X. Sie ist nach § 62 Abs. 2 des Hessischen
Hochschulgesetzes vom 6.6.1978 (HHG) i.d.F. vom 28.3.1995 (GVBl I
1995, 294 ff.) und den nachfolgenden Fassungen (§ 98 Abs. 1
Satz 2 HHG vom 3.11.1998, GVBl I 1998, 431 ff.; § 95 Abs. 1
Satz 2 HHG i.d.F. vom 31.7.2000, GVBl I 2000, 374 ff.) eine
rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Die Klägerin, die sie vertretenden Organe - der allgemeine
Studentenausschuss (AStA) - sowie die dafür handelnden
Personen - die Vorsitzenden und Referenten des AStA - waren im
streitigen Zeitraum auf Grundlage der Satzung der Studentenschaft
vom … tätig (Satzung der Studentenschaft …,
genehmigt mit Erlass des Hessischen Kultusministers …
).
Die Klägerin zahlte an die
Vorsitzenden und Referenten des AStA monatliche
Aufwandsentschädigungen nach Ziffer 31.1 der Satzung, behielt
hierfür allerdings keine Lohnsteuer ein.
Eine im Januar 2001 bei der Klägerin
für den streitigen Zeitraum durchgeführte
Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte zu der Auffassung, dass
die von der Klägerin an die AStA-Mitglieder gezahlten
Aufwandsentschädigungen steuerpflichtigen Arbeitslohn
darstellten. Der Prüfer berücksichtigte jeweils 300 DM
monatlich als nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) steuerfreie Zahlungen, ermittelte für die
Differenzbeträge die Lohnsteuer nach den persönlichen
Merkmalen der einzelnen AStA-Mitglieder unter Anwendung der
Lohnsteuerklasse VI und rechnete dabei auch die in den Jahren 1997
und 1998 bereits gezahlte Lohnsteuer an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich dieser Auffassung an. Das FA
erließ einen entsprechenden Lohnsteuer-Haftungsbescheid
gemäß § 42d Abs. 1 EStG über Lohnsteuer nebst
Annexsteuern.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit den in EFG
2005, 1866 = SIS 06 05 28 veröffentlichten Gründen ab.
Das FA habe zu Recht die Arbeitnehmereigenschaft der
AStA-Mitglieder bejaht und die Klägerin als Arbeitgeberin
behandelt. Die gemäß Ziffer 31.1 der Satzung gezahlten
(pauschalen) Aufwandsentschädigungen seien als Arbeitslohn zu
versteuern. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der
Klägerin als Haftende gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1
EStG, § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) seien
gegeben.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils
des Hessischen FG den Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 6.3.2001 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.5.2001
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die Entscheidung des FG, dass die Mitglieder
des AStA als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sind und das
FA die Klägerin als Haftungsschuldnerin für nicht
abgeführte Lohnsteuer in Anspruch nehmen durfte, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet
der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs.
3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für
Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden. § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) i.V.m. § 51
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG legen nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Arbeitnehmerbegriff
zutreffend aus. Danach liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn
der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine
Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige
Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens
unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im
geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu
folgen verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 14.6.1985 VI R 150-152/82,
BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25; vom 23.10.1992 VI
R 59/91, BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303 = SIS 93 09 33; vom
2.12.1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534 = SIS 99 09 24; vom 14.6.2007 VI R 5/06, BFHE 218, 233, BFH/NV 2007, 1977 = SIS 07 29 06, m.w.N.).
Der steuerliche Arbeitnehmerbegriff lässt
sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale
abschließend bestimmen, sondern als offener Typusbegriff nur
durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen
beschreiben. Ob jemand eine Tätigkeit als Arbeitnehmer
ausübt, ist deshalb jeweils im Einzelfall nach dem Gesamtbild
der Verhältnisse zu beurteilen. Dabei sind die für und
gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale, wie im
Senatsurteil in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25 an
Hand von Beispielen aufgeführt, im konkreten Einzelfall
jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Diese
Aufgabe obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz und ist
als eine vom Tatrichter getroffene Beurteilung revisionsrechtlich
nur begrenzt überprüfbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218,
233, BFH/NV 2007, 1977 = SIS 07 29 06, m.w.N.).
2. Das FG ist bei seiner Gesamtwürdigung
von diesen Grundsätzen ausgegangen. Das Ergebnis seiner
Würdigung, dass die Mitglieder des AStA als Arbeitnehmer
anzusehen seien, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die
übrigen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der
Klägerin als Haftungsschuldnerin sind zwischen den Beteiligten
zu Recht nicht streitig.
Zutreffend hat das FG auf Grundlage seiner
seitens der Klägerin nicht angegriffenen tatsächlichen
Feststellungen die Merkmale des Schuldens der Arbeitskraft, der
persönlichen Weisungsgebundenheit, der organisatorischen
Eingliederung und des fehlenden Unternehmerrisikos in seine
Würdigung einbezogen, gewichtet und gegeneinander abgewogen.
Danach konnte das FG ohne Rechtsverstoß zu der Folgerung
gelangen, dass die AStA-Mitglieder mit der Annahme der Wahl durch
das Studentenparlament ein Dienstverhältnis zur
Studentenschaft i.S. des § 1 Abs. 2 LStDV begründet
hatten.
Das FG stützte sich dazu zunächst
zutreffend auf die Erwägung, dass die AStA-Mitglieder ihre
Arbeitskraft einsetzten, um als Organmitglieder die Aufgaben des
AStA zu erfüllen, und sie dabei angesichts ihrer durch das HHG
und die Satzung der Studentenschaft normierten Beziehungen zur
Studentenschaft die in § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV genannten
wesentlichen Kriterien für ein Dienstverhältnis,
nämlich „Weisungsgebundenheit“ und
„Eingliederung in einen geschäftlichen
Organismus“, erfüllten. Zu Recht
berücksichtigte das FG insoweit, dass die AStA-Mitglieder als
Teil des Organs AStA die Studentenschaft nach außen
vertreten, die Mitglieder des AStA vom Studentenparlament
gewählt und in allen grundlegenden Fragen weisungsgebunden
seien. Hierzu konnte das FG den Umstand heranziehen, dass die
Satzung der Studentenschaft den AStA als das die Beschlüsse
des Studentenparlaments ausführendes Exekutivorgan behandelt
und der AStA dem Studentenparlament nach Ziffer 18.1 der Satzung
verantwortlich ist. Der Einwand der Revision, dass im
Innenverhältnis der AStA die laufenden Geschäfte in
eigener Verantwortung ausführe, steht der Würdigung, dass
eine Eingliederung und Weisungsgebundenheit vorliege, nicht
entgegen. Insoweit verweist das FG zutreffend auf den Umstand, dass
der AStA nicht nur nach Ziffer 18.2 der Satzung in seiner
Wirtschaftsführung, sondern grundsätzlich an jegliche
Beschlüsse des Studentenparlaments als oberstem, durch Wahl
unmittelbar legitimiertem Organ der Studentenschaft mit
Allzuständigkeit gebunden sei und umfassender Kontrolle
unterliege. Wenn das FG zur Begründung dessen auf die
Berichtspflichten des AStA zur Durchführung des
Haushaltsplans, auf die Überwachung der
Wirtschaftsführung mit Entlastung des AStA, auf die
Rechenschaftspflicht des AStA gegenüber dem Studentenparlament
nach entsprechender Aufforderung und auf die überdies
bestehende Möglichkeit, den AStA durch konstruktives
Misstrauensvotum abzuwählen, verweist, ist dies nicht nur eine
mögliche, sondern naheliegende Würdigung.
Weiter konnte das FG noch zu Recht
berücksichtigen, dass trotz Organeigenschaft des AStA die
einzelnen AStA-Mitglieder etwaigen Weisungen des
Studentenparlaments bei der Art und Weise der Ausübung der
Tätigkeit Folge leisten müssten, wie dies bei
Organmitgliedern im Rahmen eines Dienstverhältnisses
typischerweise anzutreffen sei, so dass insgesamt nicht von einem
eigenständigen, die Arbeitnehmereigenschaft
ausschließenden Mandat für den AStA ausgegangen werden
könne. Entsprechendes gilt für die Erwägung, dass
sich der AStA als Exekutivorgan der Studentenschaft durchaus mit
der Bundesregierung oder einer Landesregierung vergleichen lasse
und es für Bundeskanzler, Ministerpräsidenten und
Minister unbestritten sei, dass sie aus ihrer Tätigkeit
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielten,
steuerrechtlich also als Arbeitnehmer anzusehen seien.
Schließlich konnte das FG auf Grundlage
des HHG und der Satzung ebenso das Merkmal der funktionellen
Eingliederung in einen geschäftlichen Organismus mit der
Erwägung bejahen, dass die AStA-Mitglieder als Organteile
bestimmte Aufgaben in dem Organismus
„Studentenschaft“ in Abstimmung mit den anderen
Organen zu erfüllen hätten und daher nicht in eigenem
Interesse, sondern in dem des Organismus
„Studentenschaft“ tätig seien, wie es damit
auch eine Unternehmerinitiative, ein Unternehmerrisiko und eine
Selbständigkeit der AStA-Mitglieder ausschließen
konnte.
Ergänzend konnte das FG auch noch
Höhe und Umfang der gezahlten Aufwandsentschädigungen in
seine Erwägungen einbeziehen und dabei berücksichtigen,
dass der bereits in der Satzung festgeschriebene zeitliche
Mindestaufwand durch Sitzungen mehr für eine hauptamtliche als
für eine ehrenamtliche Tätigkeit spreche und nicht
lediglich tatsächlich entstandener Aufwand der AStA-Referenten
abgedeckt werde.
Zuletzt steht dieser Gesamtwürdigung auch
nicht der Beschluss des erkennenden Senats vom 26.1.1998 VI R 47/97
(juris) entgegen. Denn dort wurde zwar entschieden, dass der AStA
als Arbeitgeber und Schuldner von Lohnsteuer nicht in Betracht
komme, aber die Frage, ob die Studentenschaft selbst Arbeitgeberin
der AStA-Mitglieder sein kann, ausdrücklich offen
gelassen.