LuF, Abgrenzung sonstige Leistung zu Arbeitslohn, Arbeitsgerichtsprozess, Indizwirkung: 1. Macht ein Steuerpflichtiger nachträglich für geleistete Dienste wegen fehlgeschlagener Vergütungserwartung (Hofübergabe) vor dem Arbeitsgericht mit Erfolg eine Vergütung geltend, begründet dies noch nicht die Feststellung, er sei auch im steuerlichen Sinne von Anfang an als Arbeitnehmer anzusehen. - 2. Eine sonstige Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (Anschluss an BFH-Urteile vom 21.9.1982 VIII R 73/79, BFHE 137 S. 251, BStBl 1983 II S. 201 = SIS 83 04 44, und vom 21.9.2004 IX R 13/02, BFHE 207 S. 284, BStBl 2005 II S. 44 = SIS 04 40 01). - Urt.; BFH 8.5.2008, VI R 50/05; SIS 08 28 64
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren (1996 und
1997) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der
Kläger unterhielt einen land- und forstwirtschaftlichen
Betrieb. Von 1967 bis Ende Februar 1990 war er als
Landwirtschaftsmeister im Betrieb seines Vaters tätig.
Für diese Tätigkeit wurde ihm die spätere
Übernahme des väterlichen Hofes in Aussicht gestellt. Im
Hinblick darauf erhielt er während seiner Mitarbeit nur
Taschengeld und Naturalleistungen. Die Klägerin war ab dem
Jahr 1977 zu denselben Bedingungen im Betrieb ihres Schwiegervaters
beschäftigt.
Als die geplante Hofübergabe nicht
zustande kam, verklagte der Kläger, dem die Klägerin ihre
Ansprüche abgetreten hatte, seinen Vater vor dem
Arbeitsgericht auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Auf
der Grundlage der nachfolgend ergangenen arbeitsgerichtlichen
Entscheidungen erhielt der Kläger von seinem Vater Zahlungen
in Höhe von 320.234 DM (1996) und 89.430 DM (1997).
In den Einkommensteuerbescheiden 1996 und
1997 behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA - ) die Zahlungen als Arbeitslohn für mehrere Jahre. Auf
die Einsprüche der Kläger rechnete das FA die Zahlungen
teilweise der Klägerin als Arbeitslohn zu, gewährte eine
Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und ordnete die für die
Klageforderungen gezahlten Prozesszinsen den Einkünften aus
Kapitalvermögen zu. Im Übrigen wurden die Einsprüche
als unbegründet zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die
Kläger geltend machten, es handele sich um nichtsteuerbare
Vermögensmehrungen in der Privatsphäre, wies das
Finanzgericht (FG) mit den in den EFG 2006, 43 = SIS 06 01 58
veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§§ 19, 20
EStG).
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Einkommensteuerbescheide für 1996 und für 1997, jeweils
i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 17.6.2002, dahingehend
abzuändern, dass die Einkommensteuer für 1996 auf 18.330
DM und für 1997 auf 11.580 DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision der
Kläger als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist
unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Zwar ist das FG unzutreffend davon
ausgegangen, dass die streitbefangenen Zahlungen - soweit es sich
dabei nicht um die Leistung von Prozesszinsen gehandelt hat - als
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG) anzusehen sind. Die Entscheidung des FG stellt
sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126
Abs. 4 FGO), weil diese Zahlungen als sonstige Einkünfte der
Einkommensteuer unterliegen (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22
Nr. 3 EStG). Die mit den Zahlungen geleisteten Prozesszinsen hat
das FG zutreffend als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.
des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG angesehen.
1. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige
Einkünfte auch Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder
zu den anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. von
§ 22 Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören. Diese
Subsidiarität ist im vorliegenden Streitfall gewahrt.
a) Einkünfte aus nichtselbständiger
Tätigkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
liegen nicht vor.
Nach dieser Vorschrift gehören zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge
und Vorteile, die für eine Beschäftigung im
öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach
§ 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (i.V.m. § 51 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a EStG), die nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegen,
liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte
(Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet.
Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der
Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung
des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des
Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist
(BFH-Urteile vom 14.6.1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II
1985, 661 = SIS 85 20 25; vom 23.10.1992 VI R 59/91, BFHE 170, 48,
BStBl II 1993, 303 = SIS 93 09 33; vom 2.12.1998 X R 83/96, BFHE
188, 101, BStBl II 1999, 534 = SIS 99 09 24; vom 14.6.2007 VI R
5/06, BFHE 218, 233 = SIS 07 29 06).
Nach diesen Grundsätzen kann die
Arbeitnehmereigenschaft der Kläger in steuerlicher Hinsicht
nicht bejaht werden. Eine Würdigung nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass beide
allein auf familienrechtlicher Grundlage tätig geworden
sind.
Soweit das FG im Hinblick darauf, dass die
Arbeitsgerichte den Klägern einen arbeitsrechtlichen Anspruch
aufgrund „fehlgegangener
Vergütungserwartung“ zugestanden haben, eine
gegenteilige Auffassung vertreten hat, kann dem der Senat nicht
folgen. Die Eigenart der Fälle, für die das
Bundesarbeitsgericht (BAG) dieses Rechtsinstitut entwickelt hat,
liegt u.a. darin, dass als Gegenleistung für geleistete
Dienste die Übergabe eines Vermögens in Aussicht gestellt
wird, ein rechtswirksamer Anspruch hierauf jedoch nicht
begründet wird. Trotz dieses fehlenden Rechtsanspruchs auf
Gegenleistung soll der Arbeitnehmer nicht schutzlos bleiben,
sondern im Fall der Nichterfüllung seiner
Vergütungserwartung ersatzweise nach § 612 Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die übliche Vergütung
erhalten (BAG-Urteil vom 20.9.1978 5 AZR 365/77, DB 1979, 409).
Aus dem „ersatzweise“
zugesprochenen Vergütungsanspruch gemäß § 612
Abs. 2 BGB kann nicht ohne Weiteres auf ein Dienstverhältnis
im steuerlichen Sinne geschlossen werden.
Dieses ist nämlich ein tatsächlicher
Zustand, der nicht rückwirkend hergestellt werden kann (vgl.
Pflüger in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 53).
Deshalb begründet allein der Umstand, dass - wie das FG
ausgeführt hat - das Landesarbeitsgericht den Kläger
nachträglich wie einen landwirtschaftlichen Angestellten
behandelt hat, noch nicht die Annahme, dass die Kläger auch
einkommensteuerrechtlich als Arbeitnehmer anzusehen seien. Nach
ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 218, 233 = SIS 07 29 06, m.w.N.) ist die Frage,
ob jemand eine Tätigkeit nichtselbständig ausübt,
anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
Das Vorliegen von „typischen
Merkmalen“, wie sie zur Anerkennung von
Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen
gehören - schriftlicher Arbeitsvertrag, regelmäßige
Lohnzahlung, lohnsteuerliche und sozialversicherungsrechtliche
Konsequenzen - hat das FG verneint. Weitere Feststellungen,
insbesondere zu den in der Rechtsprechung des BFH beispielhaft
benannten Abgrenzungskriterien/Indizien (vgl. BFH-Urteil in BFHE
218, 233 = SIS 07 29 06 mit Verweis auf BFH-Urteil in BFHE 144,
225, BStBl II 1985, 661 = SIS 85 20 25), hat das FG nicht
getroffen.
b) Der Kläger hat mit den Zahlungen auch
keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13
EStG erzielt.
Die Einkünfte aus einem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb sind demjenigen zuzurechnen, der als
Unternehmer den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr betreibt. In
der Regel ist dies der Eigentümer des dem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb dienenden Betriebsvermögens, und
zwar auch dann, wenn er den Betrieb durch einen anderen, z.B. einen
Verwalter, bewirtschaften lässt.
Der Inhaber einer Land- und Forstwirtschaft
kann indessen das betriebliche Vermögen, ohne es zu
übereignen, einem anderen durch Vertrag derart zur Nutzung
überlassen, dass dieser das Unternehmen nunmehr auf eigene
Rechnung und Gefahr betreibt (BFH-Urteil vom 24.7.1975 IV R 99/72,
BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772 = SIS 75 04 49). Dies kann u.a.
durch die Verpachtung des gesamten Betriebes oder durch einen
Wirtschaftsüberlassungsvertrag geschehen. Anhaltspunkte
für einen Pachtvertrag zwischen dem Kläger und seinem
Vater liegen nicht vor. Auch ein
Wirtschaftsüberlassungsvertrag, der die unentgeltliche
Nutzungsüberlassung des land- und forstwirtschaftlichen
Betriebes gegen Versorgungsleistungen zum Gegenstand hat und mit
dem sich ein den Betrieb übermäßig belastender
Pachtzins vermeiden lässt, ist nicht anzunehmen (vgl. dazu
z.B. BFH-Urteil vom 18.2.1993 IV R 106/92, BFHE 170, 553, BStBl II
1993, 546 = SIS 93 14 06; Niedersächsisches FG, Urteil vom
14.9.2005 12 K 635/00, EFG 2006, 105 = SIS 06 04 66; Kanzler, FR
1992, 239).
Dazu müsste dem Kläger das alleinige
Nutzungsrecht am gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb,
das volle Verfügungsrecht über das lebende und tote
Inventar und die alleinige Entscheidungsbefugnis für alle zur
Führung des Betriebes erforderlichen Maßnahmen bis zum
Eintritt des Erbfalles, zumindest aber über einen
längeren Zeitraum eingeräumt worden sein (BFH-Urteil in
BFHE 170, 553, BStBl II 1993, 546 = SIS 93 14 06). Diese
Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
c) Die Zahlungen sind auch nicht als
Einkünfte aus der Tätigkeit des Klägers auf dem
väterlichen Hof als Mitunternehmer neben seinem Vater (§
13 Abs. 5 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der in den
Streitjahren geltenden Fassung) zu erfassen. Eine steuerliche
Mitunternehmerschaft wird durch ein Gesellschaftsverhältnis
begründet, das den Mitunternehmern ein Unternehmerrisiko
auferlegt und Unternehmerinitiative einräumt.
Anhaltspunkte für einen zumindest
konkludent geschlossenen Gesellschaftsvertrag liegen indes nicht
vor. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts hatte vielmehr der
Vater des Klägers den Vorschlag des Kreisbauernverbandes
abgelehnt, mit seinem Sohn eine BGB-Gesellschaft mit jeweils
50%iger Beteiligung zu gründen.
d) Die Zahlungen sind aber als sonstige
Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen. Eine
sonstige Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun,
Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen
Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst; es
kommt entscheidend darauf an, ob die Gegenleistung (das Entgelt)
durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist (vgl.
BFH-Urteile vom 21.9.2004 IX R 13/02, BFHE 207, 284, BStBl II 2005,
44 = SIS 04 40 01; vom 21.9.1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl
II 1983, 201 = SIS 83 04 44).
Danach haben die Kläger ein nach §
22 Nr. 3 EStG steuerbares Entgelt erhalten. Davon ist auch dann
auszugehen, wenn die Tätigkeit der Kläger auf dem Hof des
(Schwieger-)Vaters zunächst ausschließlich durch die
Erwartung der Hofübergabe motiviert gewesen sein sollte.
Entscheidend ist nämlich, dass die Kläger mit der
gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und letztlich mit
der Annahme einer Gegenleistung ihre Tätigkeit der
Erwerbssphäre zugeordnet haben (vg. BFH-Urteil in BFHE 207,
284, BStBl II 2005, 44 = SIS 04 40 01).
2. Die Prozesszinsen hat das FG zutreffend als
Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs.
1 Nr. 7 EStG erfasst. Prozesszinsen führen grundsätzlich
als Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen zu
Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung, es sei
denn, dass sie zu den Einkünften aus Land- und
Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit
oder aus Vermietung und Verpachtung gehören und daher
gemäß § 20 Abs. 3 EStG diesen Einkünften
zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 8.4.1986 VIII R 260/82, BFHE
146, 408, BStBl II 1986, 557 = SIS 86 18 13).