Aufwendungen anlässlich Eintritt in Ruhestand, WK-Abzug: 1. Die berufliche Veranlassung von Werbungskosten ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. - 2. Bewirtungsaufwendungen, die einem Offizier für einen Empfang aus Anlass der Übergabe der Dienstgeschäfte (Kommandoübergabe) und der Verabschiedung in den Ruhestand entstehen, können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein. - Urt.; BFH 11.1.2007, VI R 52/03; SIS 07 06 43
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Ehegatten. Der Kläger war Berufssoldat im Rang eines
Brigadegenerals. Im Streitjahr 2000 schied er wegen Pensionierung
aus dem Dienst bei der Bundeswehr aus. Am ... wurden im Rahmen
einer militärischen Veranstaltung gemäß einem
Kommandostabsbefehl die „Dienstgeschäfte des ...“
vom Kläger auf seinen Nachfolger übertragen. Dabei wurde
der Kläger in den Ruhestand verabschiedet. Anschließend
fand im Offiziersheim ein Empfang statt, an dem Soldaten, Beamte
und Arbeitnehmer des Dienstherrn des Klägers sowie geladene
Gäste teilnahmen. Dem Kläger wurden Kosten für
Speisen und Getränke in Höhe von 1.996 DM in Rechnung
gestellt. Nach einer Erstattung durch den Dienstherrn in Höhe
von 1.200 DM verblieben 796 DM, die der Kläger als
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit geltend machte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erkannte die Aufwendungen - auch im
Einspruchsverfahren - nicht als Werbungskosten an.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2004, 90 = SIS 04 01 94 veröffentlichten
Gründen ab. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen mit festen
Bezügen für die Bewirtung anderer Personen seien nur dann
als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie rein beruflichen Zwecken
dienten. Stünden Bewirtungsaufwendungen auch mit einem
herausgehobenen persönlichen Ereignis des Bewirtenden in
Zusammenhang, seien die Aufwendungen gemäß § 12 Nr.
1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) insgesamt nicht
abziehbar. Im Streitfall habe für die Veranstaltung zwar
insofern ein beruflicher Anlass bestanden, als die
Dienstgeschäfte des Klägers an seinen Nachfolger
übergeben worden seien. Außerdem habe die Feier der
Kontaktpflege zwischen Vertretern der Rüstungsindustrie und
der militärischen Führung gedient. Die Verabschiedung in
den Ruhestand stelle jedoch auch ein herausgehobenes
persönliches Ereignis im Leben des Klägers dar, mit dem
eine persönliche Ehrung verbunden sei. Ohne Bedeutung sei
demgegenüber, dass der Kläger nicht als Gastgeber
aufgetreten sei.
Mit der Revision rügen die Kläger
Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung
des angefochtenen Urteils und Abänderung des
Einkommensteuerbescheids für 2000 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung weitere Werbungskosten bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
in Höhe von 796 DM zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Der Senat hat die von den Klägern
erhobene Verfahrensrüge geprüft. Er erachtet sie nicht
für durchgreifend und sieht insoweit von einer Begründung
ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
Die Revision hat jedoch mit der Sachrüge
Erfolg. Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Unrecht nicht dem
Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den
Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein
Veranlassungszusammenhang besteht (BFH-Beschlüsse vom
27.11.1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, 216 = SIS 79 01 12, und vom 28.11.1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II
1978, 105 = SIS 78 00 63; BFH-Urteil vom 1.10.1982 VI R 192/79,
BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17 = SIS 82 23 29). Das ist bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Fall, wenn
die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und
subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden (z.B.
BFH-Urteil vom 19.12.2005 VI R 63/01, BFH/NV 2006, 728 = SIS 06 15 09, m.w.N.). Dabei ist der objektive Zusammenhang stets zwingend
erforderlich, während die subjektive Absicht kein notwendiges
Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist (vgl. Schmidt/Drenseck,
EStG, 25. Aufl., § 9 Rz 7). Der Werbungskostenabzug kommt nach
§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG jedoch nicht in Betracht bei
„Aufwendungen für die Lebensführung, die die
wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des
Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung
des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen
erfolgen“. Ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus
beruflichem Anlass tätigt oder ob es sich um Aufwendungen
für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2
EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände
des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 126,
533, BStBl II 1979, 213 = SIS 79 01 12; BFH-Urteile vom 12.4.1979
IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513 = SIS 79 02 54; vom
10.4.2002 VI R 46/01, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579 = SIS 02 09 93, und vom 22.6.2006 VI R 61/02, BStBl II 2006, 782 = SIS 06 31 52).
2. Die berufliche oder private Veranlassung
von Aufwendungen für die Ausrichtung von Veranstaltungen wird
nach ständiger Rechtsprechung des BFH durch den Anlass der
betreffenden Veranstaltung indiziert (z.B. BFH-Urteile vom 8.3.1990
IV R 108/88, BFH/NV 1991, 436 = SIS 90 19 45; vom 27.4.1990 VI R
54/88, BFH/NV 1991, 85; vom 12.12.1991 IV R 58/88, BFHE 167, 46,
BStBl II 1992, 524 = SIS 92 11 13; vom 4.12.1992 VI R 59/92, BFHE
170, 131, BStBl II 1993, 350 = SIS 93 07 39; vom 15.7.1994 VI R
70/93, BFHE 175, 88, BStBl II 1994, 896 = SIS 94 19 39, und vom
27.2.1997 IV R 60/96, BFH/NV 1997, 560 = SIS 97 17 22;
BFH-Beschluss vom 4.11.1998 IV B 30/98, BFH/NV 1999, 467 = SIS 98 52 03). Aufwendungen für die Bewirtung von Gästen aus
Anlass eines in der privaten Sphäre des Einladenden liegenden
persönlichen Ereignisses beurteilt der BFH grundsätzlich
als nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähige Kosten
der Lebensführung (z.B. BFH-Urteile vom 12.12.1968 IV R
150/68, BFHE 94, 496, BStBl II 1969, 239 = SIS 69 01 53; vom
15.5.1986 IV R 184/83, BFH/NV 1986, 657 = SIS 86 20 21; in BFHE
167, 46, BStBl II 1992, 524 = SIS 92 11 13; vom 23.9.1993 IV R
38/91, BFH/NV 1994, 616, und in BFH/NV 1997, 560 = SIS 97 17 22;
BFH-Beschlüsse vom 29.7.1994 VIII B 71/93, BFH/NV 1995, 118,
und in BFH/NV 1999, 467 = SIS 98 52 03, jeweils für
Geburtstagsfeiern).
Für die Beurteilung der beruflichen oder
privaten Veranlassung von Bewirtungskosten ist indessen nicht
allein auf den Anlass der Veranstaltung als maßgebliches
Indiz abzustellen. Im Rahmen der erforderlichen
Gesamtwürdigung sind daneben auch weitere Umstände
heranzuziehen. Dabei kann auf die Gesichtspunkte
zurückgegriffen werden, die der BFH in seiner neueren
Rechtsprechung zur Abgrenzung einer Feier des Arbeitgebers von
einem privaten Fest des Arbeitnehmers entwickelt hat (vgl.
BFH-Urteil vom 28.1.2003 VI R 48/99, BFHE 201, 283, BStBl II 2003,
724 = SIS 03 18 70). Obwohl das genannte Senatsurteil die
Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und damit die
Einnahmenseite betrifft, steht einer entsprechenden
Berücksichtigung nichts entgegen, da es hier ebenso wie im
Streitfall auf der Ausgabenseite auf die Würdigung des
Gesamtbildes der Verhältnisse ankommt. Für die berufliche
oder private Veranlassung der Kosten einer Veranstaltung ist
folglich auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die
Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um
Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter (des
Steuerpflichtigen oder des Arbeitgebers), um Angehörige des
öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um
private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen
handelt. Zu berücksichtigen ist außerdem, in wessen
Räumlichkeiten bzw. an welchem Ort die Veranstaltung
stattfindet und ob das Fest den Charakter einer privaten Feier
aufweist oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. auch Offerhaus, DStR
2005, 446, 448; Siegers, Anm. in EFG 2004, 91; Flohr/Gußen,
INF 1990, 505).
3. Im Streitfall ist das FG bei der
Beurteilung der beruflichen Veranlassung der hier zu untersuchenden
Aufwendungen teilweise von anderen Grundsätzen ausgegangen.
Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Zwar obliegt die
Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen beruflich veranlasst sind,
in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG
(vgl. BFH-Urteil vom 26.1.2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II
2005, 349 = SIS 05 16 32, und BFH-Beschluss vom 8.6.2004 VI B
158/03, BFH/NV 2004, 1406 = SIS 04 35 99). Im Streitfall hat die
Vorinstanz die nach der Rechtsprechung des BFH maßgeblichen
Umstände jedoch nicht vollständig in ihre
Überzeugungsbildung einbezogen. Dies stellt einen
materiell-rechtlichen Fehler dar. Die Gesamtwürdigung des FG
bindet den Senat deshalb nicht gemäß § 118 Abs. 2
FGO. Die Vorinstanz hat allein darauf abgestellt, dass die
Verabschiedung in den Ruhestand ein herausragendes, mit einer
persönlichen Ehrung verbundenes Ereignis im Leben des
Klägers gewesen sei. Das FG hat es demgegenüber als
unerheblich angesehen, dass der Kläger nicht als Gastgeber
aufgetreten war. Auch die weiteren, nach der Rechtsprechung des BFH
im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden
Umstände hat das FG nicht hinreichend in seine
Überzeugungsbildung einbezogen.
4. Der Senat kann im Streitfall auf der
Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG jedoch
selbst beurteilen, dass die Aufwendungen des Klägers für
die fragliche Veranstaltung beruflich veranlasst waren.
Anlass für die Veranstaltung war die
Übergabe der Dienstgeschäfte des ..., ein rein
berufliches Ereignis, das keinen Bezug zur Lebensführung des
Klägers aufweist. Dass der Kläger nach dem hierzu
ergangenen Kommandostabsbefehl zugleich in den Ruhestand
verabschiedet werden sollte, ändert nichts an dem
berufsbezogenen Charakter der Kommandoübergabe. Im
Übrigen hat eine Verabschiedung in den Ruhestand ganz
überwiegend beruflichen Charakter (ebenso Schmidt/ Drenseck,
EStG, 25. Aufl., § 12 Rz 15; Kruse in Festschrift für
Klaus Offerhaus zum 65. Geburtstag, Köln 1999, S. 491, 494
f.). Denn sie stellt - ungeachtet der Tatsache, dass sie auch ein
persönliches Ereignis im Leben des Klägers ist - in
erster Linie den letzten Akt im aktiven Dienst des Klägers bei
der Bundeswehr dar. Sie ist folglich Teil der
Berufstätigkeit.
Die weiteren Umstände des Streitfalls
bestätigen die berufliche Veranlassung der durch die
Veranstaltung verursachten Kosten. Der Arbeitgeber des Klägers
trat als Gastgeber auf. Er legte die Gästeliste fest. Bei den
Gästen handelte es sich um Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer
des Dienstherrn des Klägers sowie um weitere geladene
Gäste, insbesondere aus dem Bereich der
Rüstungsindustrie. Persönliche, vom Beruf losgelöste
Beziehungen des Klägers zu den Gästen spielten in diesem
Zusammenhang keine Rolle. Das FG hat festgestellt, dass die
Veranstaltung unter anderem der Kontaktpflege zwischen den
eingeladenen Vertretern der Rüstungsindustrie und der
militärischen Führung diente. Die Feier fand in den
Räumlichkeiten des Arbeitgebers statt. Organisation und Ablauf
der Veranstaltung waren durch den Arbeitgeber im Einzelnen
vorgegeben. Die Veranstaltung hatte insgesamt keinen privaten,
sondern dienstlichen Charakter. Für die Veranstaltung waren
damit auch keine privaten Repräsentationspflichten des
Klägers von Bedeutung, die seine gehobene berufliche Stellung
mit sich brachten. Sofern sich aus dem BFH-Urteil vom 4.12.1992 VI
R 59/92 (BFHE 170, 131, BStBl II 1993, 350 = SIS 93 07 39) etwas
anderes ergeben sollte, hält der Senat an seiner dort
vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr fest.
Letztlich ist es für die berufliche
Veranlassung der im Streitfall zu untersuchenden Aufwendungen auch
nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass der Kläger als
Soldat keine erfolgsabhängigen Bezüge erhielt und nach
der Beendigung der aktiven Dienstzeit nur noch ein Ruhegehalt
bezog. Denn die berufliche Veranlassung einer Aufwendung hängt
grundsätzlich nicht davon ab, ob sie sich konkret auf die
Höhe des Arbeitslohns auswirkt (BFH-Urteil vom 28.11.1980 VI R
193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368 = SIS 81 09 56; vgl. auch
FG Köln, Urteil vom 20.12.1995 1 K 387/86, EFG 1997, 272,
Revision durch BFH-Beschluss vom 6.11.2001 VI R 88/96 nach §
126a FGO zurückgewiesen, nicht veröffentlicht, sowie
Dürr in Frotscher, EStG, § 12 Rz 80
„Bewirtungskosten“; Wolf/Schäfer, DB 2004,
775, 777). Soweit in der Rechtsprechung des BFH dahin erkannt
wurde, dass Aufwendungen von Arbeitnehmern mit feststehenden
Bezügen zugunsten anderer, ihnen unterstellter Arbeitnehmer
desselben Arbeitgebers, oder für die Bewirtung anderer
Personen in der Regel keine beruflich veranlassten Werbungskosten
seien (z.B. BFH-Urteile vom 23.3.1984 VI R 182/81, BFHE 141, 18,
BStBl II 1984, 557 = SIS 84 13 29; vom 8.11.1984 IV R 186/82, BFHE
143, 21, BStBl II 1985, 286 = SIS 85 08 13, und vom 23.1.1991 X R
6/84, BFHE 163, 372, BStBl II 1991, 396 = SIS 91 08 40), beruhte
dies nicht auf einem grundsätzlich anderen Verständnis
des Veranlassungsprinzips. Vielmehr hat der BFH das Vorliegen
erfolgsabhängiger bzw. erfolgsunabhängiger Bezüge
lediglich als Indiz für die berufliche oder private
Veranlassung der Aufwendungen herangezogen.
5. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif.
Das FG hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine
Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG dem vom
Kläger begehrten Werbungskostenabzug gegebenenfalls
entgegensteht. Dies wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen
sein.