Arbeitnehmer, Bewirtung für Arbeitgeber: Der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG ist bei einem Arbeitnehmer nur eröffnet, wenn dieser selbst als bewirtende Person auftritt. - Urt.; BFH 19.6.2008, VI R 48/07; SIS 08 31 18
I. Das Verfahren befindet sich im zweiten
Rechtsgang.
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Ehegatten. Der Kläger war Berufssoldat im Rang eines
Brigadegenerals. Im Streitjahr (2000) schied er wegen Pensionierung
aus dem Dienst bei der Bundeswehr aus. Am … wurden im Rahmen
einer militärischen Veranstaltung gemäß einem
Kommandostabsbefehl die „Dienstgeschäfte des
…“ vom Kläger auf seinen Nachfolger
übertragen. Dabei wurde der Kläger in den Ruhestand
verabschiedet. Anschließend fand im Offizierheim ein Empfang
statt, an dem Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer des Dienstherrn des
Klägers sowie geladene Gäste teilnahmen; insgesamt
handelte es sich um rund 400 Personen. Dem Kläger wurden
Kosten für Speisen und Getränke in Höhe von 1.996 DM
in Rechnung gestellt. In der Rechnung waren Kosten für Speisen
in Höhe von insgesamt 1.125 DM sowie für Getränke in
Höhe von 871 DM abgerechnet. Die Rechnung enthielt das
Veranstaltungsdatum, jedoch keinen Hinweis auf den Anlass der
Bewirtung und die bewirteten Personen. Nach einer Erstattung durch
den Dienstherrn in Höhe von 1.200 DM verblieben 796 DM, die
der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit geltend machte. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erkannte die Aufwendungen
nicht als Werbungskosten an.
Das Finanzgericht (FG) wies im ersten
Rechtsgang die Klage mit den in EFG 2004, 90 = SIS 08 02 50
veröffentlichten Gründen ab.
Mit Urteil vom 11.1.2007 VI R 52/03 (BFHE
216, 320, BStBl II 2007, 317 = SIS 07 06 43) hob der
Bundesfinanzhof (BFH) das FG-Urteil auf und verwies die Sache an
das FG mit der Begründung zurück, die Aufwendungen des
Klägers für die fragliche Veranstaltung seien beruflich
veranlasst gewesen. Die Sache sei allerdings nicht spruchreif. Das
FG habe auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine
Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m.
§ 9 Abs. 5 EStG dem vom Kläger begehrten
Werbungskostenabzug gegebenenfalls entgegenstehe.
Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage
mit den in EFG 2007, 1890 = SIS 08 02 50 veröffentlichten
Gründen erneut ab. Im Streitfall seien die Voraussetzungen des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG nicht
erfüllt. Die streitigen Werbungskosten seien Bewirtungsaufwand
i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Allerdings
genügten die Angaben des Klägers nicht den
Nachweisanforderungen nach den Sätzen 2 und 3 der
Vorschrift.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen, unter Aufhebung des
angefochtenen Urteils und Abänderung des
Einkommensteuerbescheids 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 796 DM zu
berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie hat
jedenfalls mit der Sachrüge Erfolg. Das FG hat zu Unrecht den
von den Klägern begehrten weiteren Werbungskostenabzug unter
Hinweis auf die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG
i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG verneint.
1. Im ersten Rechtsgang hat der erkennende
Senat - für das FG bindend (§ 126 Abs. 5 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ) - entschieden, dass die streitigen
Aufwendungen beruflich veranlasst und deshalb dem Grunde nach als
Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
anzuerkennen sind. Somit ist im zweiten Rechtsgang nur noch
über die Höhe der als Werbungskosten abziehbaren
Aufwendungen zu befinden.
2. Der Abzug beruflich veranlasster
Bewirtungsaufwendungen eines Arbeitnehmers ist unter bestimmten
Voraussetzungen der Höhe nach begrenzt. Gemäß
§ 9 Abs. 5 EStG gilt bei Werbungskosten § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 2 EStG sinngemäß. In seiner im Streitjahr geltenden
Fassung sah § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG für den
Abzug von Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) vor, dass
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus
geschäftlichem Anlass den Gewinn nicht mindern dürfen,
soweit sie 80 v.H. der Aufwendungen übersteigen, die nach der
allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren
Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind. Auf der
Grundlage der im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen hat
das FG jedoch zu Unrecht angenommen, dass hinsichtlich der
streitigen Werbungskosten die Voraussetzungen für eine
sinngemäße Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2
EStG vorliegen.
a) Dabei kann offen bleiben, ob das FG zu
Recht davon ausgegangen ist, dass im Streitfall eine Bewirtung i.S.
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgelegen hat. Die in
Rechtsprechung und Literatur kontrovers behandelte Frage, ob hierzu
die Darbietung von Speisen und Getränken eindeutig im
Vordergrund stehen muss (vgl. dazu z.B. Blümich/Wied, § 4
EStG Rz 719; Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl., § 4 Rz 544;
Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz H
46 f., jeweils m.w.N.), braucht vorliegend nicht entschieden zu
werden. Auch die Frage, ob und mit welchem Ergebnis der Empfang im
Offizierheim im Zusammenhang mit der militärischen
Veranstaltung („Übergabe der Dienstgeschäfte des
…“) zu gewichten wäre, kann insoweit dahin
stehen.
b) Das FG hat nämlich unzutreffend
angenommen, dass im Streitfall der persönliche
Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m.
§ 9 Abs. 5 EStG eröffnet ist.
aa) Der persönliche Anwendungsbereich des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (vgl. dazu Blümich/Wied,
a.a.O., Rz 718; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., Rz 541) umfasst auch bei
sinngemäßer Anwendung der Vorschrift nach § 9 Abs.
5 EStG auf Werbungskosten von Arbeitnehmern nur denjenigen
Steuerpflichtigen, der selbst als bewirtende Person anzusehen ist.
Scheidet für den betrieblichen Bereich die Möglichkeit
einer „mittelbaren“ Bewirtung aus, weil
Aufwendungen für die Bewirtung durch einen Dritten nur dann
betrieblich veranlasst sind, wenn die Bewirtung im Auftrag des
Steuerpflichtigen erfolgt, so kommt die Abzugsbegrenzung auch bei
sinngemäßer Anwendung auf Arbeitnehmer nur dann zum
Tragen, wenn diese „unmittelbar“ Bewirtende
sind. Das FG hat den persönlichen Anwendungsbereich der
Vorschrift nicht näher geprüft; im Ergebnis ist es schon
allein aufgrund des Umstandes, dass die vom Kläger getragenen
Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Bewirtung angefallen sind,
davon ausgegangen, dass der Kläger auch als bewirtende Person
anzusehen sei. Dies hält einer revisionsrechtlichen
Prüfung nicht stand. Zwar hat der erkennende Senat im ersten
Rechtsgang hinsichtlich der Maßstäbe, die bei der
Prüfung der beruflichen Veranlassung der vom Kläger
geltend gemachten Aufwendungen anzuwenden sind, auf (auch) für
Bewirtungskosten entwickelte Grundsätze abgestellt. Damit ist
indes noch nicht die Aussage verbunden, dass der Kläger selbst
als bewirtende Person aufgetreten sei. Vielmehr kann im Rahmen der
Gesamtwürdigung, die zur Beurteilung der beruflichen oder
privaten Veranlassung von Aufwendungen für die Ausrichtung von
Veranstaltungen anzustellen ist, gerade dem Umstand besondere
Bedeutung zukommen, dass nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern
sein Arbeitgeber als Gastgeber aufgetreten ist. So hat der
erkennende Senat im ersten Rechtsgang seine Auffassung, die
streitigen Aufwendungen seien dem Grunde nach beruflich veranlasst,
u.a. auf die besondere Stellung des Arbeitgebers des Klägers
im Rahmen der fraglichen Veranstaltung gestützt.
Demgegenüber ist jedoch der persönliche Anwendungsbereich
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG)
gesondert zu prüfen.
bb) Der Senat kann auf der Grundlage der
tatsächlichen Feststellungen des FG selbst entscheiden, dass
im Streitfall der persönliche Anwendungsbereich des § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) nicht
eröffnet ist. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen trat
der Arbeitgeber des Klägers als Gastgeber auf, er legte die
Gästeliste fest, in seinen Räumlichkeiten fand die
Veranstaltung statt und Organisation sowie Ablauf der Veranstaltung
waren durch den Arbeitgeber im Einzelnen vorgegeben. Der Empfang im
Offizierheim stand im unmittelbaren Zusammenhang mit einer
vorangegangenen militärischen Veranstaltung des Dienstherrn.
Auf dieser Tatsachengrundlage kann nicht der Kläger selbst,
sondern nur sein Arbeitgeber als Bewirtender angesehen werden.
Unter den besonderen Umständen des Streitfalles ist die
Bewirtung lediglich als Annex einer dienstlichen Veranstaltung des
Arbeitgebers des Klägers zu sehen.
cc) Ungeachtet der Frage, ob § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 2 EStG für Bewirtungen des Dienstherrn des
Klägers überhaupt steuerliche Bedeutung erlangen
könnte, führt dieses Ergebnis nicht zu einer Umgehung der
in dieser Vorschrift bestimmten Abzugsbeschränkung. Ist der
Arbeitgeber als Bewirtender anzusehen und trägt ein
Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen die Kosten der Bewirtung
des Arbeitgebers, so lösen aus der Sicht des Arbeitnehmers
dessen der Erwerbssphäre zuzuordnende Motive für die
Kostenübernahme regelmäßig den Zusammenhang der
Aufwendungen mit der konkreten Bewirtung. Dies rechtfertigt es, die
entsprechenden Aufwendungen beim Arbeitnehmer in voller Höhe
als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu
berücksichtigen, soweit dieser damit endgültig
wirtschaftlich belastet ist. Ob die Abzugsbeschränkung auch
für in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber geleistete
Kostenerstattungen entfällt oder ob es sich dabei aus der
insoweit maßgeblichen Sicht des Arbeitgebers weiterhin um
Bewirtungsaufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG
handelt, ist vorliegend nicht zu entscheiden.
3. Damit führt die beruflich veranlasste
Übernahme der Kosten der streitbefangenen Bewirtung, soweit
sie der Kläger nach Erstattung durch seinen Arbeitgeber
wirtschaftlich getragen hat, nicht zu Aufwendungen des Klägers
für die Bewirtung von Personen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG, deren Abzug der Höhe
nach beschränkt und von bestimmten Nachweisanforderungen
abhängig gemacht ist. Vielmehr zählen die streitigen
Aufwendungen in voller Höhe zu den Werbungskosten (§ 9
Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit. Die Neuberechnung der
Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz
2, § 121 Satz 1 FGO).