LuF, Bestimmung des Unternehmers bei Ehegatten, Lieferungen aus Restbeständen nach Betriebsaufgabe: 1. Welcher Ehegatte als Unternehmer zu erfassen ist, richtet sich grundsätzlich danach, in wessen Namen die maßgebenden Umsätze ausgeführt wurden. - 2. Zur Frage, ob landwirtschaftliche Erzeugnisse, die nach Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes noch vorhanden sind, noch im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes i.S. des § 24 UStG 1999 geliefert werden. - Urt.; BFH 12.10.2006, V R 36/04; SIS 07 03 18
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 6.6.2007, IV A 5 - S 7410/07/0015,
BStBl 2007 I S. 507 = SIS 07 19 35
I. Nach den Feststellungen des
Finanzgerichts (FG) war der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) bis zum 31.12.1999 zusammen mit seiner Ehefrau
Inhaber eines Weinbaubetriebes; allein der Kläger trat als
Unternehmer nach außen auf und bediente sich jedoch aus
außersteuerlichen Gründen (Bezug der
landwirtschaftlichen Altersrente) teilweise des Namens der Ehefrau.
Der Betrieb wurde nach Betriebsaufgabe entgeltlich an den Sohn zum
1.1.2000 verpachtet. Den lagernden Weinbestand aus eigenem Anbau
behielt der Kläger zum Zwecke des späteren Verkaufs bzw.
Eigenverbrauchs zurück.
Bis einschließlich 1999 erfolgte die
Umsatzbesteuerung gemäß § 24 des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) nach
Durchschnittssätzen.
Im Jahr 2000 (Streitjahr) wurde Wein aus
der zurückbehaltenen Ernte verkauft. Nach den Feststellungen
des FG gab der Kläger die Umsatzsteuererklärung 2000 im
eigenen Namen ab. In dieser Erklärung ist aber die Ehefrau des
Klägers als Unternehmerin angegeben.
Entgegen der Umsatzsteuererklärung
2000 unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt
- FA - ) im Umsatzsteuerbescheid für dieses Jahr die
Weinumsätze beim Kläger der Regelbesteuerung und versagte
den pauschalen Vorsteuerabzug gemäß § 24 UStG 1999.
Umsätze aus der Verpachtung des Betriebes berücksichtigte
das FA - entsprechend der Erklärung - nicht.
Der Einspruch des Klägers blieb
erfolglos. Das FG hat der Klage „im Ergebnis“
stattgegeben.
Es hat im Wesentlichen ausgeführt,
§ 24 UStG 1999 finde keine Anwendung, weil zum Zeitpunkt der
Veräußerung des Weines kein aktiv bewirtschafteter
landwirtschaftlicher Betrieb des Klägers vorgelegen habe.
Gleichwohl sei aus dem Rechtsgedanken des § 15a UStG 1999
aufgrund des Prinzips der Belastungsneutralität eine
Vorsteuerkorrektur in Höhe von geschätzten 9 v.H. der
Ausgangsumsätze des Streitjahres vorzunehmen.
Das Urteil ist in EFG 2004, 1410 = SIS 04 24 70 abgedruckt.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung des § 15a UStG 1999 und § 24 UStG 1999. Das FG
habe zu Unrecht die Vorsteuer in entsprechender Anwendung des
Rechtsgedankens des § 15a UStG 1999 auf 9 v.H. der
Umsätze geschätzt. Über diesen Weg komme das FG zum
gleichen Ergebnis wie bei Anwendung des § 24 UStG
1999.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist - aus anderen als
den geltend gemachten Gründen - begründet. Sie führt
zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der
Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich,
dass der Kläger durch die Verpachtung des Weinbaubetriebes an
den Sohn steuerbare und steuerpflichtige Umsätze (§ 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999) im Streitjahr ausführte. Diese sind
aber im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr
nicht erfasst. Bei Berücksichtigung der Umsätze
erhöht sich die Umsatzsteuer und die Revision des FA hat
insofern bereits aus diesem Grund Erfolg. Der Senat kann aber nicht
selbst entscheiden. Denn das FG hat keine Feststellungen getroffen,
wie hoch die Pachteinnahmen waren. Das angefochtene Urteil war
deshalb aufzuheben und die Sache an das FG
zurückzuverweisen.
2. Darüber hinaus wird im zweiten
Rechtsgang zu klären sein, ob bzw. inwieweit der Kläger
überhaupt zutreffend als Unternehmer erfasst wurde. Er musste
Umsätze gemäß den zugrunde liegenden Vereinbarungen
im eigenen Namen ausgeführt haben (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.1.1999 V R 4/98, BFHE 188, 456,
BStBl II 1999, 628 = SIS 99 12 20; BFH-Beschluss vom 20.2.2004 V B
152/03, BFH/NV 2004, 833 = SIS 04 29 87). Das FG hat hierzu
widersprüchliche Feststellungen getroffen.
Denn das FG hat einerseits festgestellt, der
Kläger sei „zusammen mit seiner Ehefrau“
Inhaber eines Weinbaubetriebes gewesen. Andererseits hat das FG
festgestellt, der Kläger sei allein als Unternehmer nach
außen aufgetreten, habe sich aber teilweise des Namens der
Ehefrau bedient. Der Zusatz des FG, der Kläger habe
„nur aus außersteuerlichen Gründen (Bezug der
landwirtschaftlichen Altersrente)“ teilweise den Namen
der Ehefrau verwendet, liefert nur die Begründung für die
Einbeziehung der Ehefrau, lässt aber offen, in welchem Umfang
und Rahmen dies geschah.
Ferner steht die Feststellung des FG, der
Kläger habe die Umsatzsteuererklärungen stets in eigenem
Namen abgegeben, im Widerspruch zu der durch Bezugnahme i.S. des
§ 118 Abs. 2 FGO festgestellten Umsatzsteuererklärung
2000, in der als Unternehmerin die Ehefrau des Klägers
angegeben ist.
3. Zudem fehlen Feststellungen, ob die
zurückbehaltenen Weinbestände - sofern der Kläger
Unternehmer war - bereits im Jahr 1999 aus seinem Unternehmen
entnommen worden sind (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG 1999). In
diesem Fall wären die Weinverkäufe möglicherweise
nicht steuerbar, weil der Wein dann als Gegenstand des
Privatvermögens veräußert worden wäre. Diese
Umsätze hätte der Kläger möglicherweise nicht
als Unternehmer ausgeführt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG 1999).
Gegen eine Entnahme, die u.a. eine
Entnahmehandlung des Unternehmers voraussetzt, spricht zwar, dass
die Lieferungen des Weines in der Umsatzsteuererklärung 2000
als Umsätze angegeben wurden. Da andererseits das FG eine
Betriebsaufgabe annahm, die zur Entnahme führen kann, sind
weitere Feststellungen hierzu notwendig.
4. Sofern der Kläger als Unternehmer
anzusehen ist, die Umsätze aus der Verpachtung des Betriebes
nicht bereits zur Abweisung der Klage führen und auch keine
Entnahme vorliegt, wird zu klären sein, ob auf die
Weinverkäufe die Besteuerung nach Durchschnittssätzen
gemäß § 24 UStG 1999 anzuwenden ist.
a) Unter „Landwirtschaft“
versteht man die planmäßige Nutzung des Bodens und die
Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse (vgl. BFH-Urteile vom
12.1.1989 V R 129/84, BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432 = SIS 89 09 31; vom 6.12.2001 V R 43/00, BFHE 197, 330, BStBl II 2002, 701 =
SIS 02 06 45).
aa) Mit der Verpachtung an den Sohn betreibt
der Kläger keine „Landwirtschaft“ i.S. des
§ 24 UStG 1999 (vgl. BFH-Urteile vom 21.2.1980 V R 113/73,
BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613 = SIS 80 03 18; vom 25.11.2004 V
R 8/01, BFHE 208, 73, BStBl II 2005, 896 = SIS 05 13 47).
bb) Da die „Landwirtschaft“
die Verwertung der durch Bodennutzung gewonnenen Erzeugnisse
mitumfasst, fallen unter „die im Rahmen eines
landwirtschaftlichen Betriebes“ ausgeführten
Umsätze (§ 24 Abs. 1 UStG 1999) auch die Lieferungen des
selbsterzeugten Weines durch den Kläger.
b) Allerdings ist § 24 UStG 1999
richtlinienkonform auszulegen (BFH-Urteile in BFHE 208, 73, BStBl
II 2005, 896 = SIS 05 13 47; vom 22.9.2005 V R 28/03, BFHE 211,
566, BStBl II 2006, 280 = SIS 05 49 02). Die Vorschrift
„beruht“ nach der Gesetzesbegründung (so
BTDrucks 8/1779, S. 49) auf Art. 25 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/338/EWG).
Gemäß Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG können die Mitgliedstaaten für
landwirtschaftliche Erzeuger eine Pauschalregelung anwenden.
Landwirtschaftliche Erzeuger sind gemäß Art. 25 Abs. 2
1. und 2. Spiegelstrich i.V.m. Anhang A der Richtlinie 77/338/EWG
u.a. Betriebe des Weinbaus; Wein ist daher ein landwirtschaftliches
Erzeugnis i.S. von Art. 25 Abs. 2 4. Spiegelstrich der Richtlinie
77/338/EWG.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage,
ob der Kläger zum Zeitpunkt der Weinverkäufe noch
landwirtschaftlicher Erzeuger i.S. des Art. 25 Abs. 2 1.
Spiegelstrich der Richtlinie 77/338/EWG war, auch wenn er zu diesem
Zeitpunkt - nach Betriebsaufgabe - keine landwirtschaftlichen
Erzeugnisse mehr anbaute. Zwar hat der BFH entschieden, dass §
24 UStG 1999 auf einen bereits aufgegebenen oder in Abwicklung
befindlichen Betrieb keine Anwendung findet (BFH-Urteil vom
21.4.1993 XI R 50/90, BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696 = SIS 93 19 27; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6.12.2005,
BStBl I 2005, 1068 = SIS 06 01 88 Rn. 56; Urteil des
Schleswig-Holsteinischen FG vom 31.3.2003 4 K 282/01, EFG 2003,
1055 = SIS 03 35 15; Leonard in Bunjes/ Geist, UStG, 8. Aufl.,
§ 24 Rz. 6; a.A. Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer,
§ 24 Rz. 298; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG,
§ 24 Rz. 47; Leingärtner/Zaisch, Besteuerung der
Landwirte, Kap. 56 Rz. 22, Kap. 57 Rz. 22).
Ob hieran aufgrund der Rechtsprechung des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
festgehalten werden kann (vgl. Urteile vom 15.7.2004 Rs. C-321/02,
Harbs, Slg. 2004, I-7101, BFH/NV 2004, Beilage 4, 371 = SIS 04 28 53 RandNr. 29; vom 26.5.2005 Rs. C-43/04, Stadt Sundern, Slg. 2005,
I-4491, BFH/NV 2005, Beilage 4, 320 = SIS 05 30 11 RandNr. 28), ist
zweifelhaft.
5. Vorsteuerbeträge können -
entgegen der Ansicht des FG - im Rahmen der Umsatzsteuerkorrektur
nicht in Höhe von 9 v.H. der Weinumsätze geschätzt
werden.
§ 15a UStG 1999 findet bei einem Wechsel
der Besteuerungsart von § 24 UStG 1999 zur Regelbesteuerung
unmittelbar Anwendung (vgl. BFH-Urteile vom 16.12.1993 V R 79/91,
BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339 = SIS 94 12 36; vom 6.12.2001 V R
6/01, BFHE 197, 338, BStBl II 2002, 555 = SIS 02 06 46).
Voraussetzung für eine Berichtigung des
Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG 1999 beim Wechsel von der
Besteuerung nach Durchschnittssätzen (§ 24 UStG 1999) zur
Regelbesteuerung ist, dass bei Anschaffung/Herstellung des
jeweiligen Wirtschaftsguts die Voraussetzungen des Rechts auf
Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1999
vorlagen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 kann
der Unternehmer als Vorsteuerbeträge „die in
Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene
Steuer“ abziehen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.4.1997 XI R
63/93 BFHE 182, 440, BStBl II 1997, 582 = SIS 97 17 52, im
Anschluss an das Urteil des EuGH vom 5.12.1996 C-85/95, John
Reisdorf, Slg. 1996, I-6257, UR 1997, 144 = SIS 97 05 24). Fehlt
eine solche Rechnung, können Vorsteuerbeträge
grundsätzlich nicht geschätzt werden (BFH-Beschluss vom
28.12.2001 V B 148/01, BFH/NV 2002, 682 = SIS 02 62 70).