Nahrungsmittel, USt-Satz, Imbissstand, EuGH-Vorlage: Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: - 1. Handelt es sich um eine Lieferung i.S. von Art. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden? - 2. Kommt es für die Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente erbracht werden (Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen)? - 3. Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Ist der Begriff "Nahrungsmittel" im Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind? (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 29.3.2010, IV D 2 - S 7100/07/10050, BStBl 2010 I S. 330 = SIS 10 06 83) - Urt.; BFH 27.10.2009, V R 35/08; SIS 09 36 69
I. Sachverhalt
Streitig ist, ob die Umsätze des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) dem
ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
Der Kläger verkaufte im Streitjahr
(2004) auf Wochenmärkten in drei gleichartigen Imbisswagen
verzehrfertig zubereitete Speisen (insbesondere verschiedene
Würste, Pommes frites) und Getränke. Die Imbisswagen
verfügen über eine Verkaufstheke mit Spritzschutz aus
Glas und ein darunter angebrachtes umlaufendes „Brett“
aus Resopal, das zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle genutzt
werden kann. Seitlich befindet sich über der Deichsel eine
herausklappbare „Zunge“, die nach Art eines Tisches in
gleicher Höhe und aus dem gleichen Material hergestellt ist
wie die umlaufende „Verzehrtheke“. Der Bereich, in dem
sich Kunden zum Verzehr aufhalten können, ist durch ein
herausklappbares Dach vor Regen geschützt.
In seiner Umsatzsteuererklärung
für das Streitjahr unterwarf der Kläger die Umsätze
aus dem Verkauf von Getränken dem Regelsteuersatz, die
Umsätze aus dem Verkauf von Speisen dagegen dem
ermäßigten Steuersatz. Im Rahmen einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Prüfer zu dem
Ergebnis, dass die Kunden des Klägers die Waren in der Regel
an Ort und Stelle verzehrten. Da der Kläger keine Angaben zum
Umfang des Verzehrs an den Imbisswagen gemacht habe, seien die
Umsätze zum Regelsteuersatz auf 70 % geschätzt
worden.
Aufgrund des Ergebnisses der
Außenprüfung erließ der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) am 27.12.2006 einen
geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004, der auf §
164 Abs. 2 der Abgabenordnung beruhte und setzte die Umsatzsteuer
auf 3.919,05 EUR fest. Der Einspruch des Klägers blieb ohne
Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Zur Begründung seines in EFG 2009, 144 = SIS 09 01 37
veröffentlichten Urteils führte es im Wesentlichen aus:
Entscheidend sei für die Abgrenzung, ob das
Dienstleistungselement qualitativ überwiege.
Der Kläger habe zwar
Verzehrvorrichtungen bereitgestellt, die dazu geeignet und bestimmt
gewesen seien, Kunden den Verzehr der Speisen an Ort und Stelle zu
ermöglichen. Sie seien auch tatsächlich von einer
Vielzahl der Kunden des Klägers zum Verzehr an Ort und Stelle
genutzt worden. Es könne aber nicht darauf ankommen, inwieweit
„Verzehrvorrichtungen“ an einem Imbisswagen
tatsächlich von der Kundschaft zum Verzehr an Ort und Stelle
genutzt würden, weil dann die Höhe des Steuersatzes von
einem Verhalten des Kunden nach Ausführung des Umsatzes
abhänge.
Im Streitfall handele es sich um
Lieferungen, denn neben der Zubereitung der Speisen habe der
Kläger nur überdachte Ablageflächen an seinem
Imbissstand bereitgehalten, auf denen die Speisen zum Verzehr
abgestellt werden könnten und Abfalleimer zur Verfügung
gestellt. Andere Dienstleistungselemente, die bei einem
Restaurantbesuch das Gesamtbild der angebotenen Leistungen des
Gastwirts prägten (Bedienung, Sitzgelegenheit, geschlossene
und temperierte Räume bzw. ansprechende Verzehrgelegenheiten
im Freien, Vorhandensein von Garderobe und Toiletten usw.) fehlten
dagegen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht
das FA geltend, das FG habe § 12 Abs. 2 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) verletzt, weil die Lieferungen mit
Leistungen (Zubereitung der Nahrungsmittel zu Speisen und Vorhalten
von überdachten Verzehrvorrichtungen) verbunden gewesen seien,
die über die bloße Vermarktung hinausgegangen
seien.
Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Er verteidigt die Vorentscheidung.
II. Entscheidungsgründe
Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Leitsatz
bezeichneten Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und
setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Zur Rechtslage nach nationalem Recht.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999
bestimmt:
„Der Umsatzsteuer unterliegen die
folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt.“
Die Höhe des Regelsteuersatzes ergibt
sich aus § 12 Abs. 1 UStG. Dieser beträgt im Streitjahr
16 % der Bemessungsgrundlage.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die
Lieferungen der in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG
bezeichneten Gegenstände, darunter z.B. Zubereitungen von
Fleisch, Fischen usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke
oder Milch sowie Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse,
Früchten usw. (Nr. 32) oder „verschiedene
Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33). Die Anlage verweist
auf die jeweiligen Kapitel, Positionen und Unterpositionen des
Zolltarifs (ZT).
2. Die Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates
vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) lautet:
„Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt ausführt;“
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
regelt:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt
die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu
verfügen.“
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmt:
„Als Dienstleistung gilt jede
Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des
Artikels 5 ist.“
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG sieht vor:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer
wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der
Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von
Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.
...
...
Die Mitgliedstaaten können
außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze
anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein
Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht
niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von
Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten
Kategorien anwendbar.“
Anhang H („Verzeichnis der
Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte
MWSt.-Sätze angewandt werden können“) der
Richtlinie 77/388/EWG nennt als Kategorie 1 u.a.
„Nahrungs- und Futtermittel“ sowie
„üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs-
und Futtermitteln verwendete Zutaten“.
Gemäß Art. 129 Abs. 1 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - (ABlEU Nr. L 347, 1)
darf Slowenien bis zum 31.12.2007 oder bis zur Einführung der
in Art. 402 MwStSystRL genannten endgültigen Regelung - je
nachdem welcher Zeitpunkt der frühere ist - einen
ermäßigten Satz von mindestens 8,5 % auf die Zubereitung
von Mahlzeiten beibehalten.
3. Rechtliche Würdigung
Im Streitfall ist entscheidungserheblich, ob
die Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr als
Lieferung i.S. des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG oder als
Dienstleistung i.S. des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie
77/388/EWG zu beurteilen ist und für den Fall der Beurteilung
als Lieferung, ob hierfür nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m.
Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG ein
ermäßigter Steuersatz angewendet werden darf.
a) Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und
Dienstleistung ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers
abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller
Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser
Gesamtbetrachtung ist das überwiegende Element des besteuerten
Umsatzes zu ermitteln (EuGH-Urteile vom 10.3.2005 Rs. C-491/03,
Hermann, Slg. 2005, I-2025; = SIS 05 17 79 vom 2.5.1996 Rs.
C-231/94, Faaborg-Gelting-Linien, Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998,
282 = SIS 96 15 24 Rdnrn. 13 und 14). Zur Abgrenzung von Lieferung
und Dienstleistung bei der Abgabe von Speisen und Getränken
hat der EuGH im Urteil „Faaborg-Gelting-Linien“
in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24 Rdnrn. 13
und 14, das die Frage des zutreffenden Leistungsortes von
Restaurationsleistungen auf einem Fährschiff betraf,
unterschieden zwischen Restaurationsumsätzen und
Umsätzen, die sich auf „Nahrungsmittel zum
Mitnehmen“ beziehen.
aa) Restaurationsumsätze sind danach
durch „eine Reihe von Dienstleistungen und Vorgängen
vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen“
gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von
Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei
weitem überwiegen. Sachverhaltsbezogen erwähnt der EuGH
im Urteil „Faaborg-Gelting-Linien“ in Slg. 1996,
I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24 Rdnr. 13 als
Dienstleistungen die Zurverfügungstellung einer
organisatorischen Gesamtheit, die sowohl einen Speisesaal mit
Nebenräumen (Garderoben u.a.) als auch das Mobiliar und das
Geschirr umfasst, und Bedienungsleistungen, und - ebenfalls
sachverhaltsbezogen - im Urteil „Hermann“ in
Slg. 2005, I-2025 Rdnr. 26 eine Infrastruktur, die Beratung und
Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke,
die Darbietung der Speisen in einem geeigneten Gefäß,
die Bedienung bei Tisch, das Abdecken der Tische sowie die
Reinigung nach dem Verzehr.
bb) „Nahrungsmittel zum
Mitnehmen“ (Lieferung) liegen dagegen vor, wenn neben der
Lieferung der Nahrungsmittel „keine Dienstleistungen
erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem
geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen“
(EuGH-Urteil „Faaborg-Gelting-Linien“ in Slg.
1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24 Rdnr. 14).
cc) In dem - nicht die Mehrwertsteuer
betreffenden - Urteil in der Rechtssache
„Hermann“ in Slg. 2005, I-2025 = SIS 05 17 79
hat der EuGH unter Hinweis auf das Urteil
„Faaborg-Gelting-Linien“ in Slg. 1996, I-2395,
BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24 Rdnrn. 13 und 14 die Kriterien
für die Abgrenzung konkretisiert. „Minimale
Dienstleistungen“, die notwendig mit der Vermarktung der
Ware verbunden sind, wie z.B. das Darbieten der Waren in Regalen
und das Ausstellen einer Rechnung, dürfen bei der Beurteilung
des Dienstleistungsanteils nicht berücksichtigt werden
(EuGH-Urteil „Hermann“ in Slg. 2005, I-2025
Rdnrn. 22, 23).
dd) Im Anschluss daran ist der Bundesfinanzhof
(BFH) bisher davon ausgegangen, dass es nicht auf ein quantitatives
Überwiegen der Dienstleistungselemente der Bewirtung
gegenüber den Elementen der Speisenherstellung und -lieferung,
sondern darauf ankommt, ob bei der gebotenen Gesamtwürdigung
die eine Bewirtung kennzeichnenden Dienstleistungen qualitativ
überwiegen (BFH-Urteile vom 18.2.2009 V R 90/07, BFHE 225,
210, BFH/NV 2009, 1551 = SIS 09 25 70; vom 1.4.2009 XI R 3/08,
BFH/NV 2009, 1469 = SIS 09 26 94; vom 10.8.2006 V R 55/04, BFHE
214, 474, BStBl II 2007, 480 = SIS 06 40 95; vom 10.8.2006 V R
38/05, BFHE 214, 480, BStBl II 2007, 482 = SIS 06 40 93; vom
26.10.2006 V R 59/04, BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487 = SIS 07 00 39; vom 12.10.2006 V R 36/04, BFHE 215, 356, BStBl II 2007, 485 =
SIS 07 03 18). Eine quantitative Betrachtung würde nach
Auffassung des Senats wegen der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte
(sowohl wegen der Verschiedenartigkeit und Komplexität der
Speisen als auch der Darreichungsformen) zu nicht praktikablen
Abgrenzungsproblemen führen.
ee) Den Vorgang der Zubereitung von Speisen
oder Mahlzeiten zu einem - vom jeweiligen Kunden - bestimmten
Zeitpunkt hat der BFH als ein wesentliches Dienstleistungselement
berücksichtigt, das jedenfalls zusammen mit einem
zusätzlichen Dienstleistungselement - wie im Streitfall die
Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen wie eine umlaufende
Verzehrtheke aus Resopal und ein Spritzschutz aus Glas, ein
herausklappbarer Tisch sowie ein herausklappbares Dach als
Wetterschutz— - die Beurteilung erlaubt, dass die
Dienstleistungen qualitativ überwiegen. Die Parallelwertung
aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers bestätigt das
Gewicht der Zubereitung und den Unterschied zum Verkauf von
Nahrungsmitteln zum Mitnehmen im Lebensmittelhandel, der dort
„zum Einkaufen“ und im Übrigen
„zum Essen“ geht.
ff) Bestätigt wird die Bedeutung der
Zubereitung zum sofortigen Verzehr durch eine - durch die
Erweiterung der Gemeinschaft veranlasste - Übergangsregelung.
Art. 129 Abs. 1 MwStSystRL erlaubt Slowenien die Anwendung eines
ermäßigten Steuersatzes für die Zubereitung von
Mahlzeiten. Der Gemeinschaftsgesetzgeber geht folglich offenbar
davon aus, dass Letztere dem Regelsteuersatz unterliegt.
gg) Der Umstand, dass der ZT auch
„Zubereitungen“ erwähnt, kann wegen des
unterschiedlichen Regelungsgegenstandes für die Frage, ob
umsatzsteuerrechtlich eine Lebensmittellieferung vorliegt oder ob
es sich um eine Verpflegungsdienstleistung handelt, keine Bedeutung
haben. Zwar sind dort u.a. „Zubereitungen von Fleisch
...“ (Nr. 28 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
UStG) und „verschiedene
Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33 der Anlage zu §
12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG) genannt. Entscheidende Kriterien
für die zollrechtliche Tarifierung sind grundsätzlich die
objektiven Merkmale und Eigenschaften der Waren. Auf die Art und
Weise der Herstellung kommt es nur an, wenn die betreffende
Tarifposition dies ausdrücklich vorschreibt (EuGH-Urteil vom
27.9.2007 Rs. C-208/06 und C-209/06, Medion und Canon, BFH/NV
Beilage 2008, 52; BFH-Urteil vom 10.6.2008 VII R 22/07, BFH/NV
2008, 1560 = SIS 08 32 38).
b) Zu Frage 1: Der Senat hat aufgrund einer
Änderung der Richtlinie Zweifel, ob nicht bereits die
Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr den
Umsatz wesentlich prägt, und es deshalb unerheblich ist, ob
noch weitere Dienstleistungen hinzukommen.
aa) Aufgrund der Richtlinie 2009/47/EG des
Rates vom 5.5.2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in
Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze (ABlEU Nr.
L 116, 18 bis 20) können die Mitgliedstaaten einen
ermäßigten Steuersatz für Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen einführen (Erweiterung von Anhang
III MwStSystRL). Auch in Art. 55 und 57 der Richtlinie 2006/112/EG
i.d.F. der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12.2.2008 zur
Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes
der Dienstleistung (ABlEU Nr. L 44, 11 bis 12) mit Wirkung ab dem
1.1.2010 werden „Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen“ genannt.
bb) Der Begriff
„Verpflegungsdienstleistungen“ ist in diesen
Richtlinien nicht definiert. Es können möglicherweise
damit Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum sofortigen
Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von Restaurants
überlassen werden, bei deren Abgabe außer der
Zubereitung von Nahrungsmitteln zu Speisen oder Mahlzeiten zum
sofortigen Verzehr keine weiteren Dienstleistungselemente
vorliegen. Träfe diese Auffassung zu, wäre die Klage im
Streitfall in vollem Umfang abzuweisen, unabhängig davon, ob
die Kunden die zubereiteten Speisen „zum
Mitnehmen“ erworben haben oder von den bereitgestellten
Verzehrvorrichtungen Gebrauch machen.
c) Zu Frage 2: Wäre die Abgabe von
Speisen oder Mahlzeiten nur als Dienstleistung zu beurteilen, wenn
zusätzlich zur Zubereitung zum sofortigen Verzehr noch weitere
Dienstleistungen hinzukommen - wie z.B. die Bereitstellung von
Verzehrmöglichkeiten -, handelte es sich nach Auffassung des
Senats im Streitfall um Dienstleistungen; denn der Kläger hat
Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr zubereitet und
zusätzlich Verzehrvorrichtungen bereitgestellt, die
überdacht und mit einem Spritzschutz versehen sind.
Im Streitfall hat ein Teil der Kunden die im
Sachverhalt genannten zubereiteten Speisen/Mahlzeiten jedoch nur
„zum Mitnehmen“ erworben und die
bereitgestellten Verzehrmöglichkeiten nicht benutzt. In
welchem Verhältnis die Speisen zum Mitnehmen abgegeben worden
sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ist die Abgabe von
Speisen und Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr nur dann eine
Lieferung, wenn zusätzliche Dienstleistungen hinzukommen,
handelt es sich bei den Umsätzen „zum
Mitnehmen“ um Lieferungen. Ob die Klage insoweit Erfolg
haben kann, hängt dann von der Beantwortung der Frage 3 ab.
Sind zum sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten oder Speisen
„Nahrungsmittel“ i.S. von Anhang H Kategorie 1
zu Art. 12 der Richtlinie 77/388/EWG, wären diese Umsätze
ermäßigt zu besteuern und hätte die Klage insoweit
Erfolg. Sind zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen keine
„Nahrungsmittel“ i.S. von Anhang H Kategorie 1
der Richtlinie 77/388/EWG, hat die Klage im vollen Umfang keinen
Erfolg.
d) Zu Frage 3: Sind die zum sofortigen Verzehr
zubereiteten Speisen oder Mahlzeiten keine
„Nahrungsmittel“ i.S. des Anhangs H Kategorie 1
der Richtlinie 77/388/EWG, wären die Mitgliedstaaten nicht
ermächtigt, derartige Speisen dem ermäßigten
Steuersatz zu unterwerfen. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 i.V.m.
der Anlage zum Gesetz wäre einschränkend dahin
auszulegen, dass die Leistungen des Betreibers eines Imbissstands
auf jeden Fall, also unabhängig davon, ob die Kunden die
Speisen oder Mahlzeiten an Ablagebrettern oder Stehtischen
verzehren oder „zum Mitnehmen“ erwerben, dem
Regelsteuersatz unterlägen. Im Streitfall wäre die Klage
abzuweisen.
aa) Die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes ist eine - grundsätzlich eng auszulegende -
Sonderregelung, so dass es nach dem Zweck der Bestimmung nicht
zwingend erscheint, als Nahrungsmittel i.S. des Anhangs H Kategorie
1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten anzusehen,
die - anders als z.B. zum Verkauf im Lebensmittelhandel zubereitete
und zur Mitnahme verpackte Speisen (z.B. Tiefkühlkost) - zum
sofortigen Verzehr zu einem bestimmten Zeitpunkt zubereitet worden
sind.
bb) Auch die Slowenien in Art. 129 Abs. 1
MwStSystRL erteilte Erlaubnis, für die Zubereitung von
Mahlzeiten einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, kann
möglicherweise so verstanden werden, dass zum sofortigen
Verzehr zubereitete Mahlzeiten nicht nach Anhang H Kategorie 1 der
Richtlinie 77/388/EWG begünstigt sind.
cc) Gleiches gilt, soweit in der Richtlinie
2009/47/EG in ABlEU Nr. L 116, 18 bis 20 und in Art. 55 und 57 der
Richtlinie 2006/112/EG i.d.F. der Richtlinie 2008/8/EG in ABlEU Nr.
L 44, 11 bis 12 mit Wirkung ab dem 1.1.2010 die
„Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“
genannt werden.
4. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft.
5. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.