Betriebsaufspaltung bei Büroraumvermietung in Einfamilienhaus: Wird ein Teil eines normalen Einfamilienhauses von den Gesellschaftern der Betriebs-GmbH an diese als einziges Büro (Sitz der Geschäftsleitung) vermietet, so stellen die Räume auch dann eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung dar, wenn sie nicht für Zwecke des Betriebsunternehmens besonders hergerichtet und gestaltet sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Gebäudeteil nicht die in § 8 EStDV genannten Grenzen unterschreitet. - Urt.; BFH 13.7.2006, IV R 25/05; SIS 06 38 93
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) zu 1 und 2 sind Eheleute. Sie sind beide zu jeweils
50 % an der ... GmbH (GmbH) beteiligt, die seit 1985 besteht und
Unternehmensberatung im EDV-Bereich betreibt. Die
Betriebsräume der GmbH befanden sich zunächst in der
Mietwohnung der Kläger zu 1 und 2; ab 1986 befinden sie sich
in deren jeweiligen zu Wohnzwecken genutzten eigenen
Einfamilienhäusern. Im Einzelnen hat es damit folgende
Bewandtnis: Mit Mietvertrag vom 1.11.1986 vermieteten die
Kläger zu 1 und 2 in ihrem Haus ... zwei Zimmer mit einer
Bürofläche von 24 qm an die GmbH zur Benutzung als
Büroräume. Ab 1989 nutzte die GmbH statt des
ursprünglich im Erdgeschoss befindlichen Betriebsraums andere
Räume im Dachgeschoss.
Mit Mietvertrag vom 1.5.1998 vermieteten
die Kläger zu 1 und 2 in dem Haus ... der GmbH zur Benutzung
als Büroraum ein Zimmer, als Lagerraum einen Keller, sowie ein
WC. Die Bürofläche war mit 31 qm vereinbart.
Das Inventar der Betriebsräume besteht
aus Schreibtischen, Schränken und 2 PCs. Kunden kommen nur
selten in diese Betriebsräume. Der Kontakt mit Kunden findet
meist in Räumen der Kunden statt. Die GmbH beschäftigt
außer den Klägern zu 1 und 2 keine weiteren
Mitarbeiter.
Im Jahre 2000 fand bei den Klägern zu
1 und 2 eine Betriebsprüfung im Hinblick auf die Vermietung
und Verpachtung von Wohngebäuden und Wohnungen für die
Jahre 1996 bis 1998 statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung,
durch die Vermietung der Büroräume an die GmbH werde eine
Betriebsaufspaltung begründet, da diese Büroräume
die wesentliche Betriebsgrundlage für die GmbH darstellten.
Die Räume seien extra für die GmbH hergerichtet worden.
Eine anderweitige Anmietung von Büroräumen sei nicht
geplant gewesen. Die Vermietung der Büroräume an die GmbH
sei keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche
Tätigkeit. Das Besitzunternehmen (Kläger zu 1 und 2) sei
ein Gewerbebetrieb i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte der Rechtsansicht des Prüfers und
erließ erstmalige Bescheide über die gesonderte und
einheitliche Feststellung einer aus den Klägern zu 1 und 2
bestehenden GbR (Klägerin zu 3).
Hiergegen wandten sich die Kläger zu 1
und 2 jeweils für sich selbst und für die Klägerin
zu 3 nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.
Zur Begründung trugen sie vor, ein
betrieblich genutztes Grundstück sei keine wesentliche
Betriebsgrundlage, wenn es für das Betriebsunternehmen keine
oder nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung habe. Eine solche
wirtschaftliche Bedeutung liege nur vor, wenn das Gebäude
für Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet oder
gestaltet worden sei. An diesen Voraussetzungen mangele es im
vorliegenden Streitfall. Insbesondere seien die Räume nicht
besonders für die GmbH gestaltet. Vielmehr seien nach
Fertigstellung des Hauses die Räume der GmbH zur
Verfügung gestellt worden, ohne sie beim Bau des Objektes
besonders für die Zwecke der GmbH herzurichten. Die GmbH sei
auch nicht auf die Räume angewiesen, um ihren Betrieb
fortzusetzen. Die Gesellschaft sei jederzeit in der Lage, an jedem
beliebigen Ort Räume anzumieten und von dort aus ihr
Geschäft zu betreiben.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Die Entscheidung vom 13.10.2003 10 K 7519/00 ist in EFG 2005, 1932
= SIS 05 47 14 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA beantragt
sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist begründet, sie
führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Unrecht die
Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung verneint.
1. Die Voraussetzungen einer
Betriebsaufspaltung - sachliche und persönliche Verflechtung
(ständige Rechtsprechung, vgl. den Beschluss des Großen
Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8.11.1971 GrS 2/71, BFHE
103, 440, BStBl II 1972, 63 = SIS 72 00 39) - und damit eines
gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 EStG liegen im
Streitfall vor. Das ist für die persönliche Verflechtung
unstreitig, gilt aber auch für die sachliche Verflechtung. Die
vermieteten Teile der Einfamilienhäuser der Kläger zu 1
und 2 (bis April 1998 ..., ab Mai 1998 ...) stellen nach den
für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen
entgegen der Auffassung des FG eine wesentliche Grundlage für
den Betrieb der GmbH dar.
a) Eine wesentliche Betriebsgrundlage liegt
nach der neueren Rechtsprechung des BFH vor, wenn das von der
Betriebsgesellschaft genutzte Grundstück für diese
wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist (BFH-Urteile
vom 2.4.1997 X R 21/93, BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565 = SIS 97 15 19; vom 23.5.2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000,
621 = SIS 00 13 77; vom 23.1.2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894 =
SIS 01 09 70; BFH-Beschluss vom 3.4.2001 IV B 111/00, BFH/NV 2001,
1252 = SIS 01 75 24). So
verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück
angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht
fortgeführt werden könnte (BFH-Urteile in BFHE 183, 100,
BStBl II 1997, 565 = SIS 97 15 19; vom 26.5.1993 X R 78/91, BFHE
171, 476, BStBl II 1993, 718 = SIS 93 20 40; in BFHE 192, 474,
BStBl II 2000, 621 = SIS 00 13 77). Eine besondere Gestaltung
für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft
(branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht
erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die
räumliche und funktionale Grundlage für die
Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es
ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und
auszuüben (BFH-Urteile vom 19.3.2002 VIII R 57/99, BFHE 198,
137, BStBl II 2002, 662 = SIS 02 08 59, unter II.B.2.b bb, m.w.N.;
vom 18.9.2002 X R 4/01, BFH/NV 2003, 41 =
SIS 03 06 54; vom 11.2.2003 IX R 43/01, BFH/NV 2003, 910 =
SIS 03 32 72).
b) Ob diese Grundsätze auch für
„reine“ Büro- und Verwaltungsgebäude
galten, war früher zwischen den Senaten des BFH streitig
(Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 192,
474, BStBl II 2000, 621 = SIS 00 13 77). Mit seinem Urteil
in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621 =
SIS 00 13 77 hat der VIII. Senat des BFH diese
Unterscheidung aufgegeben. Andere Senate des BFH sind ihm gefolgt
(Nachweise vorstehend unter II.a). Auch die Finanzverwaltung hat
sich dem angeschlossen (Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 18.9.2001, BStBl I 2001, 634 = SIS 01 13 06).
c) Allerdings hielt es der VIII. Senat des BFH
in seinem Urteil in BFHE 192, 474, BStBl
II 2000, 621 = SIS 00 13 77 offenbar noch für
möglich, dass „Allerweltsgebäude“
keine wesentliche Betriebsgrundlage eines
Dienstleistungsunternehmens darstellten (vgl. HG, DStR 2000, 1865,
1866). So ist auch das vom FG zitierte BFH-Urteil in BFH/NV 2001,
894 = SIS 01 09 70 zu verstehen, in dem der VIII. Senat durch einen
Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2.2.2000 XI R 8/99 (BFH/NV 2000,
1135 = SIS 00 10 90) einer Differenzierung zwischen einem
„Gebäude, das alle Anforderungen an ein für den
Betrieb der GmbH geeignetes Verwaltungsgebäude
erfüllt“, einerseits und einem „einfachen
Einfamilienhaus“ andererseits zugestimmt hat.
d) Die nachfolgende Rechtsprechung hat jedoch
- in konsequenter Fortführung der vom VIII. Senat
eingeleiteten Rechtsprechungsänderung - dem Umstand, dass es
sich bei dem genutzten Gebäude um ein
„Allerweltsgebäude“ gehandelt hat, keine
Bedeutung mehr beigemessen (vgl. insbesondere BFH-Urteile in BFH/NV
2003, 910 = SIS 03 32 72, und vom 1.7.2003 VIII R 24/01, BFHE 202,
535, BStBl II 2003, 757 = SIS 03 36 53).
2. Nach diesen Grundsätzen stellen die
von den Klägern zu 1 und 2 der GmbH zur Nutzung
überlassenen Teile der jeweiligen Einfamilienhäuser eine
wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende
Betriebsgrundlage bei der GmbH dar. Den entscheidenden Grund
dafür, dass die Büroräume für die GmbH von
nicht nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind, sieht der Senat
darin, dass sich in ihnen der Mittelpunkt der Geschäftsleitung
des Unternehmens befindet. Ob die Geschäftsleitung auch von
einem Schreibtisch in einem Privatraum aus hätte ausgeübt
werden können, ist ohne Bedeutung. Denn solche hypothetischen
Betrachtungen spielen gegenüber der von den Beteiligten
tatsächlich gewählten Gestaltung keine Rolle (BFH-Urteil
in BFH/NV 2003, 41 = SIS 03 06 54).
3. Unmaßgeblich ist auch, dass die
Kläger zu 1 und 2 der GmbH in den verschiedenen Streitjahren
nicht jeweils ein ganzes Gebäude, sondern nur einzelne
Büroräume (Gebäudeteile) vermietet haben. Die
Rechtsprechung des BFH hat dem zu Recht keine Bedeutung beigemessen
(BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 910 = SIS 03 32 72). Ferner kann nicht
entscheidend sein, dass die Kläger zu 1 und 2 die nicht
vermieteten Räume selbst bewohnt haben. Fraglich könnte
allenfalls sein, ob ein Gebäudeteil nicht zu den wesentlichen
Betriebsgrundlagen gehört, wenn es ein Einzelgewerbetreibender
nach § 8 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
wegen Unterschreitens der dort genannten Grenzen nicht als
Betriebsvermögen behandeln müsste. Die Frage bedarf im
Streitfall keiner Vertiefung, weil dem vom FG in Bezug genommenen
Betriebsprüfungsbericht zufolge der Wert der jeweiligen
Büroräume mehr als 40.000 DM (nunmehr 20.500 EUR)
betragen hat.