Sale-and-Lease-back, USt: Beim "sale-and-lease-back"-Verfahren kann der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Leasinggut durch den Leasingnehmer an den Leasinggeber eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommen mit der Folge, dass weder diese Übertragung noch die Rückübertragung des Eigentums vom Leasinggeber an den Leasingnehmer umsatzsteuerrechtlich als Lieferung zu behandeln ist. - Die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann auch insoweit grundsätzlich nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet werden. - Urt.; BFH 9.2.2006, V R 22/03; SIS 06 31 19
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betreibt ein Unternehmen, das den Verkauf und die
Vermietung von Kopiergeräten nebst Wartung zum Gegenstand
hat.
Im 2. Halbjahr 1999 erwarb er von der Firma
L GmbH & Co. KG (L-KG) sechs Digitalkopiergeräte zu einem
Gesamtkaufpreis von 161.507,74 DM brutto einschließlich
22.276,92 DM Mehrwertsteuer. Diese Kopiergeräte vermietete er
an Dritte, in deren Geschäftsräumen sie aufgestellt
wurden.
Zum Zweck der Finanzierung des Kaufs
veräußerte der Kläger die Kopiergeräte mit
mündlichem Vertrag vom 16.12.1999 an die B-GmbH und erteilte
ihr am 16.12.1999 eine Rechnung über 139.230,81 DM
zuzüglich 22.276,93 DM Mehrwertsteuer. Gleichzeitig
unterzeichnete er den Vordruck über einen Mietkaufvertrag zum
Erwerb der genannten Kopiergeräte mit einer Laufzeit von 48
Monaten. Danach stellte ihm die B-GmbH die Kopiergeräte
für eine monatliche Mietkaufrate von 3.366,60 DM zur
Verfügung. Das zivilrechtliche Eigentum an den
Kopiergeräten sollte mit Zahlung der letzten Mietkaufrate
wieder auf den Kläger übergehen. Bis dahin trug er die
Gefahr des Untergangs der Kopiergeräte und die
Instandhaltungskosten. Eine Standortveränderung sowie eine
Überlassung an Dritte waren nur mit Genehmigung der B-GmbH
gestattet. Nach Ziff. 15 der Vertragsbedingungen des
Mietkaufvertrages war der Kläger „wirtschaftlicher
Eigentümer“ der Kopiergeräte. Ebenfalls am
16.12.1999 unterzeichnete der Kläger sowohl als
Mietkäufer als auch als „Lieferfirma“ eine
Übernahmebestätigung zum Mietkaufvertrag und gab als
Übernahmetermin den 15.12.1999 an. Die B-GmbH zeichnete den
Mietkaufvertrag am 20.12.1999 gegen. Gleichzeitig stellte sie ihm
einen Nettobetrag von 161.596,80 DM (bestehend aus dem
Nettokaufpreis von 139.230,81 DM und Mietgebühren in Höhe
von 22.365,99 DM) zuzüglich 25.855,49 DM Mehrwertsteuer in
Rechnung.
Der Kläger unterwarf in seiner
Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1999) die
Übereignung an die B-GmbH als steuerpflichtigen und
steuerbaren Umsatz der Umsatzsteuer. Gleichzeitig machte er die ihm
von der B-GmbH in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer in Höhe
von 25.855,49 DM als Vorsteuer geltend.
Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung
gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass zwischen dem
Kläger und der B-GmbH keine Lieferungen von Kopiergeräten
stattgefunden hätten. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht
sei durchgängig beim Kläger verblieben. Davon ausgehend
erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) am 25.5.2001 einen Umsatzsteuerbescheid für 1999, mit dem
er die Umsatzsteuer auf 133.908,00 DM festsetzte, wobei er die vom
Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus dem
Leasinggeschäft nicht anerkannte, die von ihm gesondert
ausgewiesene Umsatzsteuer aber nach § 14 Abs. 3 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) festsetzte.
Mit dem dagegen eingelegten Einspruch trug
der Kläger vor, wenn man die von ihm für gegeben
erachteten Liefervorgänge verneine, müsse man jedenfalls
eine kraft Option steuerpflichtige Darlehensgewährung
annehmen. Dem schloss sich das FA insoweit an, als es in der
Differenz zwischen dem Kaufpreis, den die B-GmbH dem Kläger
gezahlt hatte, und der Gesamtvergütung aus dem Mietkaufvertrag
ein Nettoentgelt für die Darlehensgewährung in Höhe
von 25.944,55 DM sah. Dementsprechend berücksichtigte es
weitere Vorsteuern in Höhe von 3.578,56 DM und setzte mit
Einspruchsentscheidung vom 28.11.2001 die Umsatzsteuer auf 130.330
DM herab. Im Übrigen wies das FA den Einspruch als
unbegründet zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen
Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2003, 887 =
SIS 03 30 79 veröffentlicht. Zur Begründung seiner
Entscheidung führte das FG aus, das FA gehe zu Recht davon
aus, dass der Kläger die der B-GmbH in Rechnung gestellte
Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1999 schulde
und aus der ihm erteilten Rechnung der B-GmbH vom 20.12.1999 keinen
über den Betrag von 3.578,56 DM hinausgehenden Anspruch auf
Vorsteuerabzug erworben habe. Der Kläger habe keine Lieferung
an die B-GmbH ausgeführt, weil er ihr nicht i.S. des § 3
Abs. 1 UStG 1999 die Verfügungsmacht an den Kopiergeräten
verschafft habe. Infolgedessen habe die B-GmbH die
Verfügungsmacht auch nicht (erneut) dem Kläger
verschaffen können.
Hiergegen richtet sich die vom FG
zugelassene Revision. Mit ihr rügt der Kläger Verletzung
materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 UStG 1999).
Er macht geltend, er habe nicht nur das zivilrechtliche Eigentum,
sondern auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht an den
Kopiergeräten auf die B-GmbH übertragen, weil das Recht
zur Verwertung der wirtschaftlichen Substanz, des Wertes und des
Ertrages ohne Einschränkung auf die B-GmbH übergegangen
sei. Die Verfügungsmacht sei entgegen der Annahme des FA am
16.12.1999 auch vollständig übertragen worden. Erst mit
Abschluss des Mietkaufvertrages und der Genehmigung der B-GmbH, die
Kopiergeräte bei seinen Kunden aufstellen zu dürfen,
jeweils am 20.12.1999, habe er die wirtschaftliche
Verfügungsmacht über die Kopiergeräte
zurückerlangt. Die Gestaltung des vorliegenden Falls
unterscheide sich von Fällen der Sicherungsübereignung
dadurch, dass Hauptleistung der B-GmbH die Nutzungsüberlassung
an den Leasinggütern sei. Daher erschöpfe sich deren
Leistung nicht in einer Kreditgewährung. Schließlich
stelle sich die Überlassung der Leasinggüter durch die
B-GmbH auch nicht als Rückgängigmachung der von ihm, dem
Kläger, an die B-GmbH erfolgten Lieferung dar. Mit der
Rücküberlassung werde nicht beabsichtigt, die
Rechtsfolgen der Lieferung an die B-GmbH
rückabzuwickeln.
Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG Berlin vom 18.3.2003 (7 K 7516/01) aufzuheben und die
Umsatzsteuer auf 55.246,66 EUR festzusetzen.
Das FA ist der Revision
entgegengetreten.
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Dem Kläger steht der Vorsteuerabzug aus
dem Mietkauf der Kopiergeräte von der B-GmbH nicht zu. Nach
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung
des UStG 1999 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des
§ 14 UStG 1999 gesondert ausgewiesene Steuer für
Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern
für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als
Vorsteuerbeträge abziehen. Die B-GmbH hat keine Lieferungen an
den Kläger ausgeführt.
1. Lieferungen sind gemäß § 3
Abs. 1 UStG 1999 Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in
seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag
einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht). Die B-GmbH hat dem Kläger zu keinem
Zeitpunkt die Verfügungsmacht an den Kopiergeräten
verschafft; diese ist vielmehr nach dem Erwerb der
Kopiergeräte von der L-KG durchgehend beim Kläger
verblieben.
a) Die Verschaffung der Verfügungsmacht
besteht darin, dass ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein
Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten
befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu
verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG 1999). Die Regelung setzt Art.
5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach
gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der
Befähigung, wie ein Eigentümer über einen
körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Verschaffung der
Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert
und Ertrag voraus. Sie ist in der Regel aber nicht notwendig mit
dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden (Urteile des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom
15.12.2005 Rs. C-63/04, Centralan, HFR 2006, 214 = SIS 06 06 85
RandNr. 60 ff.; vom 6.2.2003 Rs. C-185/01, Auto Lease Holland BV,
UR 2003, 137 = SIS 03 16 95 RandNr. 31 ff.; Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.4.2005 V R 11/03, BFH/NV 2005, 2320
= SIS 05 47 50).
Die vorliegende Vertragsgestaltung wird
verbreitet als „sale and lease back“ bezeichnet.
Dabei wird das Eigentum an einem Gegenstand aufgrund eines
Kaufvertrages auf einen Leasinggeber übertragen. Dieser
vermietet den Gegenstand an den Verkäufer (Leasingnehmer) und
ist sich mit ihm einig, dass das Eigentum an dem Gegenstand nach
Ablauf der Mietzeit an den Verkäufer (Leasingnehmer)
zurückfällt.
aa) Zivilrechtlich wird das
„sale-and-lease-back“-Verfahren ebenso behandelt
wie das Finanzierungsleasing, bei dem der Leasinggeber das Eigentum
an dem Leasinggegenstand von einem Dritten erwirbt und ihn an den
Leasingnehmer vermietet. D.h. auch beim
„sale-and-lease-back“ erwirbt der Käufer
(Leasinggeber) das zivilrechtliche Eigentum an dem
Leasinggegenstand (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH -, vom
29.11.1989 VIII ZR 323/88, BGHZ 109, 250).
bb) Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung
dieser Gestaltung ist umstritten. Im Schrifttum wird zum Teil eine
Lieferung des Verkäufers (Leasingnehmers) an den Käufer
(Leasinggeber) angenommen. Das lease-back wird dabei entweder als
nicht steuerbare Rückabwicklung dieser Lieferung i.S. des
§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1999 (FG München, Beschluss vom
15.5.2000 3 V 560/00, UVR 2000, 461 = SIS 04 07 71) oder als
umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Rücklieferung
angesehen (Grünwald/Pogodda, UR 2001, 140; Weimann,
Umsatzsteuer-Berater - UStB - 2001, 190).
Nach anderer Ansicht liegen beim
„sale-and-lease-back“ im Hinblick auf den
Leasinggegenstand keine Lieferungen vor, sondern es handelt sich um
ein einheitliches Geschäft, das umsatzsteuerrechtlich als
Kreditgewährung des Käufers (Leasinggebers) an den
Verkäufer (Leasingnehmer) zu beurteilen ist (FG Berlin, Urteil
vom 18.3.2003 7 K 7516/01, EFG 2003, 887 = SIS 03 30 79; Martin in
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz. 99; Fritsch in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 177.1; wohl auch
Lange, UR 2004, 574; unklar Nieskens in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz. 778).
b) Ungeachtet der zivilrechtlichen
Eigentumsübertragung hat der Verkauf der Kopiergeräte
seitens des Klägers an die B-GmbH nicht zu einer Verschaffung
der Verfügungsmacht geführt mit der Folge, dass auch die
B-GmbH dem Kläger keine Verfügungsmacht verschafft
hat.
aa) Ob beim Leasinggeschäft eine
Übertragung der Verfügungsmacht vorliegt, richtet sich
nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Dieses ergibt sich aus
dem von den Vertragspartnern nach den vertraglichen Vereinbarungen
vorgesehenen normalen, d.h. störungsfreien Ablauf des
Leasinggeschäftes. Eine für alle Erscheinungsformen des
Leasing einheitliche Beurteilung ist dabei nicht möglich, weil
sich beim Leasinggeschäft Elemente mehrerer zivilrechtlicher
Vertragstypen (insbesondere Miet-, Kauf- und Darlehensvertrag) in
unterschiedlicher Gewichtung miteinander verbinden können. Die
Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann
nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen
und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet
werden.
bb) Danach ist die Verfügungsmacht beim
Kläger verblieben, weil Substanz, Wert und Ertrag der
Kopiergeräte nicht auf die B-GmbH übergegangen, sondern
beim Kläger verblieben sind.
cc) Nach der Interessenlage der
Vertragsbeteiligten, die der im Falle der
Sicherungsübereignung zum Zwecke der Sicherung einer Forderung
vergleichbar ist, ist die Verfügungsmacht beim Kläger
verblieben. Auch bei der Sicherungsübereignung kommt es im
Falle des störungsfreien Ablaufs weder zu einer Lieferung des
Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer noch zu einer
(Rück-)Lieferung des Sicherungsgutes nach Fortfall des
Sicherungszwecks (vgl. BFH-Urteil vom 6.10.2005 V R 20/04, UR 2006,
119 = SIS 06 01 77). Der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen
zwischen dem Kläger und der B-GmbH hat in der Finanzierung des
Erwerbs der Kopiergeräte und einer Sicherung der B-GmbH durch
das zivilrechtliche Eigentum an diesen bestanden. Hierfür
spricht auch, dass Kaufvertrag und Leasingvertrag zwar formal
selbständig sind, wie sich schon aus den unterschiedlichen
Zeitpunkten des jeweiligen Vertragsschlusses ergibt
(16./20.12.1999), andererseits aber rechtlich und wirtschaftlich
eine Einheit bilden. Aus der Interessenlage der Vertragsparteien
ergibt sich, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen
geschlossen worden wäre.
Nach alldem hat die Übertragung des
zivilrechtlichen Eigentums seitens des Klägers an die B-GmbH
nur Sicherungs- und Finanzierungsfunktion gehabt; dem wesentlichen
Inhalt des Gesamtkonzepts zufolge haben diese Vereinbarungen nur
der Finanzierung des Kaufpreises gedient.
2. Dem steht nicht Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG entgegen. Danach gilt als Lieferung die
Übergabe eines Gegenstands auf Grund eines Vertrages, der die
Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten
Zeitraums oder den Ratenverkauf eines Gegenstands vorsieht, mit der
Klausel, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten
fälligen Rate erworben wird. Diese Regelung ist vorliegend
schon deshalb nicht einschlägig, weil es an einer
„Übergabe“ der Kopiergeräte durch die
B-GmbH an den Kläger fehlt.
3. Der Kläger kann die Rechnung, in der
er zu Unrecht Umsatzsteuer auf die tatsächlich nicht erfolgte
Lieferung der Kopiergeräte an die B-GmbH gesondert ausgewiesen
hat, grundsätzlich berichtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 19.9.2000
Rs. C-454/98, Schmeinck & Cofreth und Manfred Strobel, UR 2000,
470 = SIS 00 12 77; BFH-Urteile vom 8.3.2001 V R 61/97, BFHE 194,
517, BStBl II 2004, 373 = SIS 01 08 84; vom 11.4.2002 V R 26/01,
BFH/NV 2002, 1006 = SIS 02 08 69). Da eine solche Berichtigung aber
im Streitjahr nicht erfolgt ist, hatte der Senat hierüber
nicht zu befinden.