Kauf auf Probe, Ort der Lieferung: 1. Führt eine Versendung oder Beförderung zu einer Lieferung, so bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1999, ansonsten nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999. - 2. Der Ort der Lieferung bei einem Kauf auf Probe ist nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999 zu beurteilen. - Urt.; BFH 6.12.2007, V R 24/05; SIS 08 11 74
I. Streitig ist
der Ort von Lieferungen.
Die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine in den Vereinigten
Staaten von Amerika (USA) ansässige Kapitalgesellschaft; sie
handelte mit Damenfeinstrumpfhosen, die sie über ein
besonderes Vertriebssystem direkt an die Kunden in Deutschland
verkaufte.
Die Klägerin
warb für ihre Produkte in Zeitschriftenbeilagen. Interessenten
konnten durch Ausfüllen eines Formulars ein sogenanntes
„Gratis-Exemplar“ anfordern und damit für eine
Anknüpfung der Geschäftsbeziehung sorgen (im Weiteren:
Erstbestellung). In dem Anzeigentext hieß es:
„WICHTIGER
HINWEIS FÜR DIE NEUE INTERESSENTIN!
Der S...
Liefer-Service ohne Kaufverpflichtung: Zusammen mit Ihrem
GRATIS-Paar ... erhalten Sie zusätzlich zwei weitere Paare,
die wir Ihnen zum attraktiven Einführungspreis von nur je 1,50
EUR (zzgl. Porto und Verpackungsanteil) anbieten! Wenn Sie sie
nicht behalten möchten, schicken Sie sie einfach binnen 10
Tagen zurück - Sie schulden uns dann nicht das Geringste.
Jedesmal, wenn Sie von jetzt an S. ... kaufen, senden wir Ihnen
vier weitere Paare (die Sie nur bei Gefallen behalten) zu einem
besonders günstigen Preis.“
Gleichzeitig warb
die Klägerin in ähnlicher Weise auch im Internet für
ihre Produkte.
Im Streitzeitraum
(Mai 2004) erbrachte die Klägerin keine Umsätze aus
Erstbestellungen.
Wenn die Kunden
die Erstbestellung aufgegeben hatten, leitete eine „Anlaufadresse“ in Deutschland das
Bestellformular weiter in die USA zur Klägerin.
Die Klägerin
fügte entsprechend den Angaben im ersten Formular dem
Gratis-Exemplar zwei weitere Paare bei, welche die Interessenten
bei Gefallen erwerben konnten.
In dem mit der
Warensendung darüber hinaus ebenfalls verschickten zweiten
Formularsatz stellte die Klägerin entsprechend der
Ankündigung bei der ersten Bestellung nunmehr in Aussicht,
nach Bezahlung der jetzt übersandten Ware automatisch vier
weitere Paare - zunächst wiederum „zur Ansicht“ -
zu liefern. Im Abschnitt „Bestell-Änderung“
hieß es zudem:
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„UNSER
KAUF-OHNE-RISIKO-ANGEBOT:
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Nachdem wir Ihren
Zahlungseingang bzgl. unserer Rechnung über die Strumpfwaren
festgestellt haben, werden wir Ihnen die gleiche Lieferung noch
einmal senden. ... Sollte eine Lieferung einmal nicht zu Ihrer
Zufriedenheit ausfallen, können Sie diese vor Ablauf der
Zahlungsfrist zurücksenden.“ Die Klägerin
„wird dann auf weitere Forderungen verzichten, und es sind
keine weiteren Verpflichtungen für Sie damit
verbunden“.
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Die Lieferung
künftiger Warensendungen - vier weitere Paare wie
angekündigt - erfolgte in der nämlichen
Weise.
Die Waren wurden
überwiegend in den USA hergestellt und dann - entsprechend den
Bestellungen - in ein Warenverteilzentrum in der Schweiz
versandt.
In diesem
Warenverteilzentrum in der Schweiz wurden die Waren bestellungs-
bzw. auftragsgemäß individuell verpackt und durch von
der Klägerin beauftragte Spediteure und Frachtführer nach
Deutschland verbracht.
Der Wert der
übersandten Waren, um deren Lieferort die Beteiligten
streiten, betrug nicht mehr als 22 EUR (50 DM) pro Paket (sog.
qualified shipments = geringwertige Warenlieferungen), für die
eine Zoll- und Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 27 der
Zollbefreiungsverordnung i.V.m. § 1 Abs. 1 der
Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung bestand. Die Verbringung
der Waren wurde dementsprechend zoll- und einfuhrumsatzsteuerfrei
belassen. Warensendungen mit einem Warenwert über 22 EUR (50
DM) - sog. non-qualified shipments - hatte die Klägerin als
für sie umsatzsteuerpflichtig behandelt, während sie die
geringwertigen Warensendungen auch im Inland umsatzsteuerfrei
behandelte.
Mit Bescheid vom
16.8.2004 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) - aufgrund einer bereits durchgeführten
Außenprüfung - eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für
Mai 2004 in Höhe von 18.352,68 EUR fest, erfasste dabei die
streitigen Lieferungen der Klägerin an die Kunden (qualified
shipments) als steuerbare und steuerpflichtige Umsätze und zog
hiervon Vorsteuerbeträge ab.
Das FA war der
Auffassung, es liege ein Kauf auf Probe nach § 454 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Gemäß Abschn.
177 Abs. 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 2005 werde die
Lieferung erst zum Zeitpunkt der Billigung ausgeführt; der Ort
der Lieferung bestimme sich daher nicht nach § 3 Abs. 6 Satz 1
des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999), sondern liege
gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1999 im
Inland.
Gegen diesen
Bescheid erhob die Klägerin am 26.8.2004 eine Klage ohne
Vorverfahren (§ 45 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) beim
Finanzgericht (FG), die mangels rechtzeitiger Zustimmung des FA als
außergerichtlicher Rechtsbehelf an das FA abgegeben
wurde.
Mit Bescheid vom 21.10.2004 verringerte das
FA die Höhe der Umsätze der Klägerin und
änderte den angefochtenen Bescheid nach § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung auf 15.652,68 EUR.
Der Einspruch
blieb erfolglos.
Die Klage hatte insofern Erfolg, als die
Klägerin begehrte, die streitigen Umsätze seien im Inland
nicht steuerbar. Das FG wies die Klage aber ab, soweit die
Klägerin darüber hinaus den Abzug von
Vorsteuerbeträgen geltend machte. Das Urteil ist in EFG 2005,
817 = SIS 05 22 68 veröffentlicht.
Zur Begründung führte das FG im
Wesentlichen aus, die streitigen Umsätze der Klägerin
seien nicht steuerbar, da der Ort der Lieferung nach § 3 Abs.
6 UStG 1999 in der Schweiz sei; § 3 Abs. 7 UStG 1999 komme
nicht zur Anwendung.
Maßgeblich für die Anwendung von
§ 3 Abs. 6 oder Abs. 7 UStG 1999 sei die Unterscheidung
zwischen sog. bewegter und unbewegter Lieferung; diese richte sich
danach, ob der Gegenstand der Lieferung zur Verschaffung der
Verfügungsmacht befördert werden müsse.
Die streitigen Umsätze der
Klägerin seien rechtlich als „Kauf auf Probe“ nach
§ 454 BGB zu qualifizieren. Die Klägerin verschaffe den
Kunden nicht erst mit der durch die Kunden erklärten
Billigung, sondern bereits durch die Versendung die
Verfügungsmacht an den Strümpfen.
Nach wirtschaftlichen Aspekten hätten
die Kunden bereits die Verfügungsmacht erhalten, als sie
Besitzer der Gegenstände geworden seien. Ein
Leistungsaustauschverhältnis liege bereits bei Versendung vor,
obwohl zu diesem Zeitpunkt noch kein Kaufvertrag zustande gekommen
sei, da das Handeln der Klägerin auf den Abschluss eines
solchen Vertrages gerichtet sei.
Die zivilrechtliche Betrachtungsweise
spricht nach Ansicht des FG nicht gegen dieses Ergebnis: Der
Eigentumsübergang sei nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 24.4.1969 V 176/64, BFHE 95,
410, BStBl II 1969, 451 = SIS 69 02 85) und des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (Urteil vom 6.2.2003
C-185/01, Auto Lease Holland BV, Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage
2003, 108 = SIS 03 16 95, BStBl II 2004, 573 = SIS 03 16 95)
für die Ausführung einer Lieferung nicht erforderlich.
Eine hinreichende zivilrechtliche Verknüpfung bestehe bereits
während des Schwebezustandes, der mit dem Abschluss des
aufschiebend bedingten Kaufvertrages eintrete. Denn die Kunden
könnten gutgläubigen Dritten die Gegenstände nach
§§ 929, 932 BGB übereignen.
Mit der Revision rügt das FA
sinngemäß Verletzung des § 3 Abs. 6 UStG 1999 und
des § 3 Abs. 7 UStG 1999.
Das FA meint, die Verschaffung der
Verfügungsmacht erfolge erst mit der Billigung durch die
Kunden, so dass sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7
UStG 1999 bestimme.
Das FA beantragt, die angegriffene
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, nach dem
festgestellten Sachverhalt könne auch ein „Kauf mit
Rückgaberecht“ vorliegen, bei dem sich der Ort der
Lieferung unstreitig nach § 3 Abs. 6 UStG 1999 bestimme.
Dieser sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Kunden die Waren
bereits vor Lieferung bezahlt hätten. Unterschiedliche
Zahlungsweisen rechtfertigten aber keine umsatzsteuerrechtlich
unterschiedliche Behandlung.
Ferner meint die Klägerin, für
die Annahme eines Leistungsaustausches zum Zeitpunkt der Versendung
sei unerheblich, ob die Kaufverträge zwischen ihr und den
Kunden bei Versendung bereits wirksam gewesen seien.
Den Kunden ist nach Ansicht der
Klägerin bereits mit der Versendung die Verfügungsmacht
verschafft worden. Es sei nicht anzunehmen, sie, die Klägerin,
würde bei „Nichtbezahlung gerichtliche Hilfe in
Anspruch“ nehmen, da der Warenwert der streitigen Lieferungen
jeweils nicht mehr als 22 EUR betragen habe. Daher habe sie durch
die Versendung den Kunden faktisch die Substanz und den Wert der
Strumpfhosen übertragen.
Der Ort der Lieferung bestimme sich daher
nach § 3 Abs. 6 UStG 1999.
II. Die Revision des FA ist begründet;
sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung
der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Denn die streitigen
Lieferungen („qualified shipments“) der
Klägerin unterliegen im Inland der Umsatzsteuer.
1. Entgeltliche Umsätze eines
Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens sind gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 umsatzsteuerbar, wenn der Ort der
Lieferung - wie hier - im Inland liegt.
Der Ort der streitigen Lieferungen der
Klägerin an die Kunden bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz
1 UStG 1999 und nicht nach § 3 Abs. 6 UStG 1999.
a) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den
Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer
beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt nach
§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1999 die Lieferung dort als
ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den
Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden
liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen
selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen
lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG 1999). Wird der Gegenstand
der Lieferung hingegen nicht befördert oder versendet, wird
die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit
der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7
Satz 1 UStG 1999).
Die Regelungen in § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG
1999 und § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG 1999 stimmen mit der
gemeinschaftsrechtlichen Regelung überein: Nach Art. 8 Abs. 1
der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) gilt als Ort der Lieferung
„a)
|
für den Fall, dass der Gegenstand vom
Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder
befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum
Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den
Erwerber befindet. ...
|
|
|
b)
|
für den Fall, dass der Gegenstand nicht
versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der
Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet.“
|
Führt eine Versendung oder
Beförderung zu einer Lieferung, so bestimmt sich der Ort der
Lieferung nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG,
andernfalls nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG
(vgl. EuGH-Urteil vom 6.4.2006 Rs. C-245/04, EMAG, Slg. 2006,
I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294 = SIS 06 25 33 Randnr. 46).
b) § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG 1999 regeln
in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b
der Richtlinie 77/388/EWG den Leistungsort und damit zugleich auch
den Zeitpunkt der Leistung für Umsätze i.S. des § 1
Abs. 1 UStG 1999 (BFH-Urteil vom 21.4.1993 XI R 102/90, BFHE 171,
132, BStBl II 1993, 731 = SIS 93 15 36 zu § 3 Abs. 7 UStG
a.F.; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, I Rz 864.1; Fritsch in
Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 3 Abs. 6 Rz 620 f.;
Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz 459; Lippross,
Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 175; a.A. Heuermann in
Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 6 Rz 4; unklar:
Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 3 Rz 181; Leonard in
Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 3 Rz 68). Die Anwendbarkeit
von § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG 1999 setzt deshalb bereits das
„Umsatzgeschäft“ voraus, das zu einer
Lieferung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
1999 führt. Ob die Versendung/Beförderung zu einer
Lieferung führt (vgl. EuGH-Urteil „EMAG“ in
Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294 = SIS 06 25 33 Rz 46 zu
Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) bzw. ob ein
„Gegenstand der Lieferung“ (§ 3 Abs. 6 Satz
1 UStG 1999) versendet/befördert wird, hängt deshalb
davon ab, ob Grundlage der Versendung/Beförderung ein Umsatz
im Sinne des UStG ist. Es genügt nicht, dass eine Versendung/
Beförderung - erst bei Hinzutreten weiterer Umstände wie
z.B. die Billigung des zugesandten Gegenstandes durch den Kunden -
zu einem Umsatz im Sinne des UStG führen könnte.
c) Eine Leistung gegen Entgelt i.S. des §
1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 setzt einen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) und
Gegenleistung voraus. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich
die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet
haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch
grundsätzlich vor (BFH-Urteile vom 21.4.2005 V R 11/03, BFHE
211, 50, BStBl II 2007, 63 = SIS 05 47 50; vom 18.1.2005 V R 17/02,
BFH/NV 2005, 1394 = SIS 05 32 94, mit Nachweisen). Ein wirksamer
Vertrag ist aber hierfür keine Voraussetzung, sofern
tatsächlich ein Leistungsaustausch erfolgte (BFH-Urteil vom
24.2.2005 V R 1/03, BFH/NV 2005, 1160 = SIS 05 26 65, unter
II.1.b); so kann - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - ein
Umsatz auch bei verbotswidriger Ausfuhr eines Gegenstandes
umsatzsteuerbar sein (vgl. EuGH-Urteil vom 2.8.1993 Rs. C-111/92,
Lange, Slg. 1993, I-4677, Europäische Zeitschrift für
Wirtschaftsrecht 1993, 644 = SIS 93 22 26).
d) Im Streitfall lag bei Versendung der Waren
noch kein Leistungsaustausch vor. Denn erst mit der Billigung der
Waren durch die Kunden stand fest, dass die Kunden die
Gegenstände behalten werden und bereit waren, hierfür
einen Kaufpreis zu entrichten. Demnach entstand erst mit der
Billigung ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung der
Ware und dem Kaufpreis.
Über den von der Klägerin
aufgeworfenen, hier nicht vorliegenden Sachverhalt, dass die Kunden
die Waren schon vor der Versendung zu bezahlen hätten, war
nicht zu entscheiden. Jedenfalls kann - entgegen der Auffassung der
Klägerin - vom Zeitpunkt der Zahlung abhängen, ob bereits
bei Versendung ein Leistungsaustausch stattfindet.
e) Ferner hat die Klägerin den
Empfängern der Sendung nicht schon in dem Zeitpunkt, in dem
diese die Warensendung erhielten, sondern erst nach Billigung des
Angebots durch die Empfänger die Verfügungsmacht
verschafft.
aa) Lieferungen eines Unternehmers sind
Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den
Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im
eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen -
Verschaffung der Verfügungsmacht - (§ 3 Abs. 1 UStG
1999). Die Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
um. Danach gilt als Lieferung eines Gegenstandes die
Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die
Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung
von Substanz, Wert und Ertrag voraus. Sie ist in der Regel, aber
nicht notwendig, mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum
verbunden (Urteile des EuGH, Auto Lease Holland BV in Slg. 2003,
I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573 = SIS 03 16 95
Rz 31 ff.; vom 15.12.2005 Rs. C-63/04, Centralan Property, Slg.
2005, I-11087, BFH/NV Beilage 2006, 136 = SIS 06 06 85 Rz 60 ff.;
vom 29.3.2007 Rs. C-111/05, Aktiebolaget NN, UR 2007, 420 = SIS 07 14 87 Rz 32; Urteil des BFH vom 9.2.2006 V R 22/03, BFHE 213, 83,
BStBl II 2006, 727 = SIS 06 31 19).
bb) Bis zur Billigung der Sendung durch die
Empfänger durften diese nicht wie ein Eigentümer beliebig
mit den Waren verfahren, denn es stand noch nicht fest, ob sie die
Waren zurückzugeben hatten. Damit waren ihnen bis zu diesem
Zeitpunkt weder Substanz noch Wert der Strümpfe
übertragen worden (zum Kauf auf Probe: Abschn. 177 Abs. 6 Satz
2 UStR 2005; Nieskens in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 3280; Birkenfeld,
Umsatzsteuer-Handbuch, § 53 Rz 654.7; Martin in
Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz 85; Zeuner in Bunjes/Geist,
UStG, 8. Aufl., § 13 Rz 14; Köhler in
Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar,
§ 13 Rz 10; Büchter-Hole, EFG 2005, 822; a.A. Heuermann
in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 3 Abs. 1 Rz
167; Schwarz in Vogel/Schwarz, UStG, § 17 Rz 168;
Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13 UStG Rz
22 a; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 17 Rz
149).
cc) Entgegen der Auffassung des FG ist
für die Entscheidung der Frage, ob Verfügungsmacht im
Sinne des UStG verschafft worden ist, ohne Bedeutung, dass nach
nationalem Recht (§§ 929, 932 BGB) die Kunden der
Klägerin, wenn sie die Waren an einen gutgläubigen
Dritten verkauft hätten, diesem Eigentum hätten
verschaffen können. Dieser Umstand erlaubt schon deshalb keine
umsatzsteuerrechtlichen Folgerungen, weil ein gutgläubiger
Erwerb in allen Fällen der Besitzverschaffung durch den
Eigentümer und unabhängig vom Rechtsgrund (z.B. auch bei
Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung) besteht.
dd) Soweit die Klägerin vorträgt, es
sei nicht anzunehmen, die Klägerin würde bei
„Nichtbezahlung gerichtliche Hilfe in Anspruch“
nehmen, da der Warenwert der streitigen Lieferungen jeweils nicht
mehr als 22 EUR betragen habe, handelt es sich um neuen
Sachvortrag, der im Revisionsverfahren schon aufgrund der Bindung
an die Feststellungen des FG nicht berücksichtigt werden kann
(vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Darüber hinaus reicht für
die Ausführung einer Lieferung nicht aus, dass der Lieferer
die Verfügungsmacht verloren hat. Vielmehr ist zudem
erforderlich, dass der Leistungsempfänger die
Verfügungsmacht erhält. Hieran fehlt es im Zeitpunkt der
Versendung (vgl. II.1.e bb).
f) Da noch keine Versendung „des
Gegenstandes der Lieferung“ stattfand, bestimmt sich der
Ort der streitigen Lieferungen (qualified shipments) nach § 3
Abs. 7 Satz 1 UStG 1999.
Zum Zeitpunkt der Lieferung der Strümpfe
(Billigung durch die Empfänger der Sendung) befanden sich die
Gegenstände bereits im Inland bei den Kunden. Der Leistungsort
der Strümpfe lag danach im Inland (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG
1999).