Erbe, wiederkehrende Leistungen aufgrund Vermächtnis: Wiederkehrende Leistungen, die der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zu zahlen hat, sind nur dann - unter weiteren Voraussetzungen - beim Empfänger der Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar, wenn er zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört. Personen, die zu einem früheren Zeitpunkt auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hatten, gehören nicht zum Generationennachfolge-Verbund. - Urt.; BFH 7.3.2006, X R 12/05; SIS 06 25 13
I. Die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hatte - ebenso
wie ihre Schwester - im Jahre 1981 auf Wunsch ihres Vaters (V)
notariell auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht verzichtet und
dabei erklärt, vollständig abgefunden worden zu sein. Zur
Sicherstellung ihres Lebensunterhalts unterstützte V die
Klägerin ab 1983 mit finanziellen Zuwendungen, zuletzt mit
monatlich 1.000 DM. Insgesamt wendete V der Klägerin in den
Jahren 1983 bis 1988 80.000 DM zu. Schenkungsteuerlich wurden die
Zuwendungen nicht erfasst, weil sie als Unterhaltsleistungen
angesehen wurden.
Im Jahr 1988
verstarb V. Im handschriftlichen Testament hatte er Anfang 1988
seine Ehefrau (M), die Stiefmutter der Klägerin, zu seiner
Erbin eingesetzt. In dem Testament heißt es weiter:
„Sie (M) übernimmt hieraus die Verpflichtung, für
meine Tochter ... (die Klägerin) mitzusorgen. Meine Tochter
... (die Klägerin) erhält z. Zt. eine Unterstützung
von 1.000 DM ... monatlich. Diese monatliche Zuwendung von mir
(Dauerauftrag ... Sparkasse ...) soll nach Möglichkeit
beibehalten werden. Die Mittel hierfür sind zu entnehmen aus
der Witwenrente meiner Frau, aus den Guthaben und Wertpapieren bei
den Banken (...), aus den 2 Bundesschatzbriefen bei meinem Neffen
... und aus den Anteilen bei der H“.
Zunächst
erfüllte M die ihr im Vermächtniswege auferlegte
Verpflichtung, an die Klägerin monatlich wenigstens 1.000 DM
zu zahlen, zumindest teilweise aus ihrer Witwenrente. 1993 verstarb
M und wurde von ihrer Tochter, der Beigeladenen, beerbt. Seit
dieser Zeit leistet die Beigeladene monatliche Zahlungen zugunsten
der Klägerin. Nachdem die Bundesschatzbriefe aufgebraucht
waren, erklärte sie sich in notarieller Form damit
einverstanden, dass „zur Erfüllung des
Vermächtnisses gegenüber der Klägerin“ ab
Januar 1998 monatlich 1.000 DM dem Depot bei der H entnommen
werden. Da die laufenden Erträge des Depots nicht ausreichten,
um die monatlichen Zuwendungen an die Klägerin abzudecken,
wurde das Depot bei der H im Laufe der Zeit
aufgezehrt.
Mit
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996 vom 12.10.1999
wich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
von den Angaben in der Einkommensteuererklärung der
Klägerin insoweit ab, als er die monatlichen Zahlungen von
1.000 DM abzüglich des Werbungskostenpauschbetrags von 200 DM
als sonstige Einkünfte berücksichtigte.
Das
Finanzgericht (FG) gab dem Begehren der Klägerin, die
monatlichen Zahlungen in Höhe von 1.000 DM nicht als sonstige
Einkünfte anzusetzen, statt. Sein Urteil ist
veröffentlicht in EFG 2005, 1053 = SIS 01 57 21.
Mit der
Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung
materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die
Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
Die
Beigeladene hat keinen eigenen Sachantrag gestellt.
II. Die
Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das FG
entschieden, dass es sich bei den monatlichen Zuwendungen an die
Klägerin nicht um sonstige Einkünfte i.S. von § 22
Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern um nicht
steuerbare Unterhaltsleistungen handelt. Die Geldrente wurde der
Klägerin nach § 22 Nr. 1 Satz 2, § 12 Nr. 2 EStG
zugewendet.
1. Nach §
22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind Einkünfte aus wiederkehrenden
Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis
6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören, als sonstige
Einkünfte steuerbar. Werden die Bezüge jedoch freiwillig
oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht
gewährt, sind diese - außerhalb der für die
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen geltenden
Sonderregelung - beim Bezieher nicht als wiederkehrende Leistungen
steuerbar und beim Zahlenden nicht als Sonderausgaben abziehbar
(vgl. § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung).
2.
Versorgungsleistungen unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen
i.S. von § 12 Nr. 1 EStG „durch ihre
Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie
enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des
Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter
Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG“. Diese
Aussage im Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs
(BFH) vom 5.7.1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 =
SIS 90 21 04) wird u.a. wie folgt erläutert: „Denn
die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den
wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben beruht auf dem
Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der
Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines
Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom
Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden
müssen.“ Dem liegt nach dem Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 12.5.2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464,
BStBl II 2004, 95 = SIS 03 42 57) die normleitende Vorstellung
zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen - ähnlich
wie beim Nießbrauchsvorbehalt - ohne die vorbehaltenen
Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen
zufließen, übertragen hat.
3. Die
Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall
ergibt, dass § 12 EStG nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen
ist. Die monatlichen Zuwendungen sind bei der Klägerin nicht
nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar.
a) Nach den
Entscheidungen des Großen Senats des BFH sind Leistungen, die
anlässlich einer Vermögensübergabe im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge vorbehalten worden sind, als
wiederkehrende Leistungen nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar bzw.
als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar
(Beschlüsse in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 = SIS 03 35 87, und vom 15.7.1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 =
SIS 91 22 01).
b) Der BFH hat
der vorweggenommenen Erbfolge den Fall gleichgestellt, dass
Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen
Verfügung (z.B. in einem Vermächtnis) haben, sofern
„z.B. der überlebende Ehegatte oder ein
erbberechtigter Abkömmling“ des Testators statt
seines gesetzlichen Erbteils aus übergeordneten Gründen
der Erhaltung des Familienvermögens lediglich
Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen
erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung
des Erbteils handelt (Senatsurteile vom 26.1.1994 X R 54/92, BFHE
173, 360, BStBl II 1994, 633 = SIS 94 09 01, unter 1.; vom
27.2.1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612 = SIS 92 13 02, unter 4. b, bb, und vom 27.3.2001 X R 106/98, BFH/NV 2001, 1242
= SIS 01 75 18, unter II. 1.).
c) Im
Streitfall haben die Zuwendungen der Beigeladenen an die
Klägerin nicht ihren Entstehungsgrund in der letztwilligen
Verfügung des Erblassers. Mit dem Vermächtnis im
Testament des V beschwert war ausschließlich M. Nur sie
sollte nach dem Willen des Testators monatliche Zuwendungen an die
Klägerin aus ihrer Witwenrente bzw. aus dem hinterlassenen
Kapitalvermögen bezahlen. Die Beigeladene ist mit dem
Vermächtnis des V nicht belastet. Zudem wäre es nach
Auffassung des Senats fraglich, ob V die Beigeladene überhaupt
mit einem Vermächtnis hätte beschweren können, da
sie nicht Nacherbin war und V ihr nichts unmittelbar und aus
eigenem Recht zugewendet hat (Palandt/Edenhofer, Bürgerliches
Gesetzbuch, 65. Aufl., § 2147 Rn. 1). Als Erbeserbin
hätte die Beigeladene allenfalls dann die testamentarische
Verpflichtung erfüllen müssen, wenn das Vermächtnis
bis zum Tod der M aufschiebend bedingt oder befristet (§ 2177
des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ) bzw. erst bei ihrem Tod
fällig (§ 2181 BGB) gewesen wäre (Palandt/Edenhofer,
a.a.O.).
d) Im
Übrigen gehört die Klägerin auch nicht dem
Personenkreis an, innerhalb dessen Vermögen privilegiert
übertragen werden kann.
Zwar kann sich
der Vermögensübergeber im Fall einer
Vermögensübergabe von Todes wegen Versorgungsleistungen
i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch für bestimmte
dritte Personen vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt zugunsten
dritter Personen setzt allerdings voraus, dass diese Personen dem
sog. Generationennachfolge-Verbund angehören. Nach dem
Senatsurteil vom 26.11.2003 X R 11/01 (BFHE 204, 192, BStBl II
2004, 820 = SIS 04 06 05) zählen dazu grundsätzlich nur
solche Personen, die gegenüber dem Erben bzw. den sonstigen
letztwillig bedachten Vermögensübernehmern Pflichtteils-
oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich, §§
1363 ff. BGB) hätten geltend machen können und sich
stattdessen mit den ihnen (vermächtnisweise) ausgesetzten
Versorgungsleistungen bescheiden. Nur diese übertragen -
vergleichbar dem Vermögensübergeber in Fällen
vorweggenommener Erbfolge - einen eigenen Vermögenswert. Die
Klägerin, die bereits 1981 notariell auf ihr gesetzliches
Pflichtteilsrecht verzichtet hatte, verfügte im Zeitpunkt der
Errichtung des Testaments durch V nicht über eigene, ihr auch
vom Erblasser nicht entziehbare (erb- und/oder familienrechtliche)
Ansprüche und konnte folglich auch nicht über derartige
Ansprüche in dem Sinne disponieren, dass sie auf deren
Geltendmachung im Interesse der Erhaltung des
Nachlassvermögens gegen die ihr zugedachten
Versorgungsleistungen verzichtete. Die monatlichen Zuwendungen
durch die Beigeladene waren „freiwillig“ und
werden nicht vom Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen erfasst. Eine ggf. bestehende sittliche
Verpflichtung - die Beigeladene, Stieftochter des V, hat das
Vermögen, das M von V geerbt hat, für die monatlichen
Zuwendungen an die Klägerin, die Tochter des V, eingesetzt -
schließt die Freiwilligkeit der Zuwendung nicht aus
(Senatsurteil in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612 = SIS 92 13 02).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Außergerichtliche
Kosten der Beigeladenen im Revisionsverfahren (§ 139 Abs. 4
FGO) sind nicht zu erstatten, weil die Beigeladene weder einen
Antrag gestellt noch das Verfahren durch Sach- oder
Rechtsausführungen gefördert hat.