Haftungsanspruch und Insolvenz, Prozessführung: 1. Ein durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Haftungsschuldners unterbrochener Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides kann sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom FA aufgenommen werden. - 2. Macht das FA den noch unerfüllten Haftungsanspruch als Insolvenzforderung geltend, handelt es sich um einen Passivprozess, dessen Aufnahme dem Schuldner verwehrt ist. - 3. Wenn der nicht beteiligtenfähige Schuldner den durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsstreit selbst aufnimmt, ist er aus dem Prozess zu weisen. Seine Prozesshandlungen sind unwirksam. - 4. Der Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO 1977 kommt nicht mehr in Betracht, wenn das FA seine Forderung gegenüber dem Schuldner bereits mit einem Haftungsbescheid geltend gemacht hat. - 5. Eine Beiladung des im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligten Insolvenzverwalters kommt im Revisionsverfahren nicht in Betracht. - Urt.; BFH 7.3.2006, VII R 11/05; SIS 06 20 69
I. Der Revisionskläger hatte mit einer
inzwischen insolvent gewordenen GmbH & Co. KG (KG), an der er
als Kommanditist zu 100 % beteiligt war, einen Pachtvertrag
über mehrere bebaute Grundstücke abgeschlossen. Über
das Vermögen der KG wurde das Insolvenzverfahren
eröffnet. Mit Haftungsbescheid vom selben Tage nahm der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den
Revisionskläger wegen rückständiger Steuerschulden
der KG, die sich aus Umsatzsteuervorauszahlungen sowie steuerlichen
Nebenleistungen zusammensetzten, gemäß § 69 und
§ 74 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in
Anspruch. Der Einspruch des Revisionsklägers führte zu
einer Reduzierung der Haftungssumme um die vom FA geltend gemachten
steuerlichen Nebenleistungen und zu einer Beschränkung der
Haftung auf insgesamt drei Grundstücke; im Übrigen wurde
der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Dies veranlasste den Revisionskläger
zur Klageerhebung vor dem Finanzgericht (FG). Während des
Rechtsstreits wurde im März 2003 auch über das
Vermögen des Revisionsklägers das Insolvenzverfahren
eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Im
Prüfungstermin haben sowohl der Insolvenzverwalter als auch
der Revisionskläger der zur Tabelle angemeldeten Forderung des
FA widersprochen. Auf Anfrage des FG - und den Hinweis, dass es
sich im Streitfall um einen Aktivprozess handle - erklärte der
Insolvenzverwalter, den Rechtsstreit nicht aufnehmen zu wollen.
Daraufhin beantragte das FA das unterbrochene Klageverfahren
einzustellen oder als Feststellungsverfahren fortzusetzen. Auf eine
Anfrage des FG erklärte auch der Revisionskläger, dass er
den Rechtsstreit aufnehme.
Das FG wies die Klage als unbegründet
ab (vgl. SIS 05 38 73). Es urteilte, dass nach § 85 Abs. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) ein Aktivprozess vorliege, der sowohl den
Revisionskläger als auch das FA zur Aufnahme des Rechtsstreits
berechtige. Im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 74
AO 1977 erfüllt, so dass das FA den Revisionskläger zu
Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen habe. Insoweit sei
die Klage unbegründet. Die Anträge des
Revisionsklägers auf Feststellung der Begründetheit der
vom Insolvenzverwalter und vom Revisionskläger im
Prüfungstermin erhobenen Widersprüche gegen die vom FA
angemeldete Forderung seien dagegen unzulässig. Denn der
Revisionskläger habe ein diesbezügliches
Feststellungsinteresse nicht substantiiert dargelegt. Im
Übrigen sei durch die Bestätigung der
Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides geklärt, dass
die beiden Widersprüche nicht begründet gewesen seien.
Selbst wenn von der Zulässigkeit der Anträge ausgegangen
werden könne, sei die Feststellungsklage aus den gleichen
Gründen, die zur Anfechtungsklage näher dargelegt worden
seien, unbegründet. Auch hinsichtlich des Antrages des FA,
dass die Forderung zu Recht zur Tabelle angemeldet worden sei und
die Widersprüche unbegründet seien, fehle das
Feststellungsinteresse, denn das FA könne die Forderung
gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 durch Verwaltungsakt
feststellen. Im Übrigen wirke das Urteil gemäß
§ 183 Abs. 1 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter und
allen Insolvenzgläubigern.
Mit der Revision rügt der
Revisionskläger die Verletzung bundesgesetzlichen
Verfahrensrechts. Zu Unrecht habe das FG den Insolvenzverwalter am
Rechtsstreit nicht beteiligt. In zwei an das FG gerichteten
Schriftsätzen habe der Insolvenzverwalter erklärt, dass
es sich aus seiner Sicht um einen Passivprozess i.S. von § 86
InsO handle und dass von seiner Seite eine Aufnahme des
Rechtsstreits nicht beabsichtigt sei. Daraufhin habe das FG
verfahrensfehlerhaft ihn, den Revisionskläger, zur Aufnahme
des Rechtsstreits gedrängt. Die unterlassene Beteiligung des
Insolvenzverwalters verstoße gegen das Erfordernis einer
ordnungsgemäßen Ladung (§ 53 Abs. 1, § 91 Abs.
1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und begründe zugleich
einen Mangel in der Vertretung i.S. von § 119 Nr. 4 FGO. In
der mündlichen Verhandlung sei die Vorgehensweise des FG
gerügt worden. Durch die Abweisung des Feststellungsantrages
habe das FG des Weiteren gegen § 185 i.V.m. § 184 Satz 2
InsO verstoßen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen des Revisionsklägers sei die
Umstellung des Klageantrages von der Gestaltungs- auf eine
Feststellungsklage erforderlich gewesen. Da das FA der
Klageänderung zugestimmt habe, sei diese nach § 67 Abs. 1
FGO sachdienlich und zulässig gewesen. Somit habe das FG die
Feststellungsanträge nach den Vorgaben der vorrangig
anzuwendenden InsO (§ 180 Abs. 2, § 184 Satz 2, §
183 Abs. 1 InsO) nicht als unzulässig zurückweisen
dürfen. Auch habe das FG rechtsfehlerhaft eine
Initiativpflicht für die Abgabe einer Aufnahmeerklärung
sowohl beim bestreitenden Insolvenzverwalter als auch beim
Schuldner sowie das Vorliegen eines Aktivprozesses angenommen. Da
es jedoch im Streitfall um die Abwehr einer gegen die
Insolvenzmasse gerichteten Forderung aus einem Haftungsbescheid
gehe, habe das FG von einem Passivprozess nach § 87 InsO
ausgehen müssen, bei dem keine Beteiligungspflicht des
Schuldners bestehe.
Das FA trägt vor, im Streitfall sei es
unabhängig von einer Aufnahmeerklärung des
Insolvenzverwalters oder des Schuldners nach § 179 Abs. 2 InsO
zur Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen
Rechtsstreits berechtigt gewesen. Durch die Aufnahme des
Rechtsstreits sei der Insolvenzverwalter Verfahrensbeteiligter
geworden. Nach § 184 Satz 2 InsO habe auch der
Revisionskläger die Stellung eines Verfahrensbeteiligten
erlangt. Der Verfahrensmangel der unterlassenen Beteiligung des
Insolvenzverwalters könne vorliegend durch eine nach §
123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO vorzunehmende
Beiladung geheilt werden. Rechtsfehlerhaft habe das FG die
Feststellungsanträge als unzulässig beurteilt und dabei
verkannt, dass § 41 FGO durch die Sonderregelungen der InsO
verdrängt werde. Auch habe das FG entgegen der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs (BFH) den Erlass eines Feststellungsbescheides
nach § 251 Abs. 3 AO 1977 trotz Anhängigkeit eines
Klageverfahrens für zulässig erachtet.
II. Die Revision des Revisionsklägers ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils, das § 57 Nr. 1 FGO verletzt, und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Zu
Unrecht hat das FG das Vorliegen eines Aktivprozesses und die
Beteiligtenfähigkeit des Revisionsklägers angenommen.
1. Die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2
InsO, unter denen der Revisionskläger den unterbrochenen
Rechtsstreit hätte aufnehmen können, liegen im Streitfall
nicht vor.
a) Da über das Vermögen des
Revisionsklägers nach Erhebung der gegen den Haftungsbescheid
gerichteten Anfechtungsklage das Insolvenzverfahren eröffnet
worden ist, trat gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240
der Zivilprozessordnung (ZPO) eine Unterbrechung des Verfahrens
ein. Der Fortgang des Verfahrens und die Möglichkeit einer
weiteren Beteiligung des Revisionsklägers richten sich somit
nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften.
Nach § 85 Abs. 1 InsO können zur Zeit der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens für den Schuldner anhängige
Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse
gehörende Vermögen vom Insolvenzverwalter aufgenommen
werden. Lehnt dieser die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so
können sowohl der Schuldner als auch der Gegner den
Rechtsstreit aufnehmen.
b) Voraussetzung für die Aufnahmebefugnis
des Schuldners ist jedoch das Vorliegen eines Aktivprozesses. Ein
solcher ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner einen
Anspruch verfolgt, der zur Insolvenzmasse gehört und im Falle
seines Obsiegens die zur Verteilung anstehende Masse
vergrößern würde. Nicht entscheidend ist dabei die
formelle Parteirolle, sondern allein, ob in dem anhängigen
Rechtsstreit über eine Pflicht zu einer Leistung gestritten
wird, die in die Masse zu gelangen hat (Beschluss des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14.4.2005 IX ZR 221/04, ZIP 2005,
952, m.w.N.). Wird dagegen vom Gläubiger ein Recht zu Lasten
der Insolvenzmasse beansprucht, so dass ein Unterliegen des
Schuldners zu einer Verringerung der Masse führen würde,
liegt ein Passivprozess vor, der nur unter den Voraussetzungen des
§ 86 InsO aufgenommen werden kann.
Im Streitfall handelt es sich nicht um einen
Aktivprozess, sondern um einen Passivprozess zur Schuldenmasse, da
das FA eine Insolvenzforderung, nämlich einen unerfüllten
Haftungsanspruch nach § 69 und § 74 AO 1977 und somit ein
Recht zu Lasten der Insolvenzmasse geltend macht, das der
Revisionskläger bestreitet. Eine Aufnahmebefugnis des
Revisionsklägers nach § 85 Abs. 2 InsO kommt damit nicht
in Betracht.
2. Auch aus dem Umstand, dass der
Revisionskläger im Prüfungstermin der vom FA angemeldeten
Insolvenzforderung widersprochen hat, lässt sich eine
Beteiligtenfähigkeit und die Befugnis zur Aufnahme des
unterbrochenen Rechtsstreits nicht ableiten.
a) Nach § 87 InsO können die am
Schuldenmassestreit beteiligten Insolvenzgläubiger ihre
Forderungen nur nach den Vorschriften über das
Insolvenzverfahren, d.h. nach den §§ 174 ff. InsO
verfolgen. Im Streitfall hat das FA unter Beachtung dieser Vorgaben
den Haftungsanspruch als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet.
Dabei handelt es sich um eine titulierte Forderung nach § 179
Abs. 2 InsO (vgl. MünchKommInsO-Schumacher, § 185 RdNr.
12, Fn. 34, m.w.N.). Im Prüfungstermin haben sowohl der
Insolvenzverwalter als auch der Revisionskläger der nach
§ 174 Abs. 1 InsO angemeldeten Forderung widersprochen. Eine
Befugnis zur Aufnahme des Rechtsstreits steht daher dem
Insolvenzverwalter (§ 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO),
aber auch dem FA zu (§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO).
Dagegen kann der Widerspruch des Revisionsklägers nicht dazu
führen, dass er nunmehr selbst als berechtigt anzusehen
wäre, den durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
unterbrochenen Rechtsstreit über die Insolvenzforderung nach
§ 180 Abs. 2 InsO fortzuführen. Dies würde selbst
dann gelten, wenn er im Prüfungstermin als einziger die
Forderung bestritten hätte (BGH-Beschluss vom 27.10.2003 II ZA
9/02, ZIP 2003, 2271).
b) Auch aus § 184 Satz 2 InsO lässt
sich eine Aufnahmebefugnis des Revisionsklägers nicht
ableiten; eine solche stünde nur dem FA zu. Denn im Streitfall
geht es nicht um die Durchsetzung des Haftungsanspruchs
außerhalb des Insolvenzverfahrens, sondern um die
Geltendmachung einer Insolvenzforderung mit dem vorrangigen Ziel,
eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse zu erlangen.
3. Entgegen der Ansicht des
Revisionsklägers folgen sein Ausschluss als Beteiligter und
die Befugnis des FA zur Aufnahme des Rechtsstreits allerdings nicht
aus § 86 InsO. Es liegt zwar ein Passivprozess vor, doch
findet § 86 InsO, nach dem der Rechtsstreit nur vom
Insolvenzverwalter oder vom Gegner aufgenommen werden kann, keine
Anwendung. Denn der Haftungsanspruch betrifft weder ein Recht zur
Aussonderung eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse oder auf
abgesonderte Befriedigung noch eine Masseverbindlichkeit.
Masseverbindlichkeiten sind die Kosten des Insolvenzverfahrens
(§ 54 InsO) und die in § 55 InsO aufgeführten
Verbindlichkeiten (sonstige Masseverbindlichkeiten), die in der
Regel erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
begründet werden und der ordnungsgemäßen
Verfahrensabwicklung dienen (vgl. MünchKommInsO-Hefermehl,
§ 55 RdNr. 1 f.). Gegen den Schuldner nach §§ 69 ff.
AO 1977 geltend gemachte Haftungsansprüche, die vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind,
gehören nicht zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten i.S. von
§ 55 InsO.
4. Die vom Revisionskläger gegenüber
dem FG abgegebene Aufnahmeerklärung ist unwirksam. Durch die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und
Verfügungsrecht des Schuldners nach § 80 InsO auf den
Insolvenzverwalter über, der bis zum Abschluss des
Insolvenzverfahrens den Schuldner aus seiner Rechtsstellung und
damit von seiner Prozessführungsbefugnis verdrängt. Wird
der Schuldner dennoch - etwa in der irrigen Annahme einer eigenen
Prozessführungsbefugnis - in einem vom Insolvenzverwalter
aufgenommenen Prozess tätig, so ist er durch Beschluss des FG
aus dem Prozess zu weisen (BFH-Entscheidungen vom 10.6.1970 III R
128/67, BFHE 99, 348, BStBl II 1970, 665, 666 = SIS 70 03 66, und
vom 23.11.1994 VIII R 51/94, BFH/NV 1995, 663). Dies muss erst
recht gelten, wenn der Schuldner ohne Vorliegen einer
Aufnahmeerklärung des Insolvenzverwalters und gegen dessen
Willen Prozesshandlungen vornimmt, die auf eine Fortsetzung des
unterbrochenen Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung
abzielen. Eine vom Schuldner in Verkennung der wahren Rechtslage
abgegebene Erklärung, dass er den Rechtsstreit aufnehme, ist
daher unzulässig und kann infolgedessen keine Rechtswirkungen
entfalten (BGH-Beschluss vom 10.10.1973 VIII ZR 9/72, NJW 1973,
2065, sowie Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Aufl., S. 259,
m.w.N.).
Eine solche Prozesssituation war im Streitfall
gegeben. Sowohl das FA als auch der Revisionskläger hatten
erklärt, den Rechtsstreit aufnehmen zu wollen. Die Aufnahme
durch das FA ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl.
BFH-Entscheidungen vom 23.2.2005 VII R 63/03, BFHE 209, 23, BStBl
II 2005, 591 = SIS 05 29 96; vom 18.12.2003 II B 31/00, BFHE 204,
35, BStBl II 2004, 237 = SIS 04 05 68, und vom 10.8.1993 VII B
46/91, BFH/NV 1994, 293), da das FA eine Insolvenzforderung geltend
macht und eine Befriedigung aus der Masse begehrt. Eine Befugnis
des Revisionsklägers zur Aufnahme des Rechtsstreits bestand
hingegen nicht; sie kann auch nicht aus der Weigerung des
Insolvenzverwalters zur Fortsetzung des finanzgerichtlichen
Verfahrens abgeleitet werden. Denn eine § 85 Abs. 2 InsO
vergleichbare Regelung besteht für Passivprozesse nicht. Es
verbleibt vielmehr bei der in § 80 InsO normierten
Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass der Schuldner für die
Dauer des Insolvenzverfahrens von der Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse
gehörende Vermögen ausgeschlossen ist. Wie § 85 Abs.
2 InsO belegt, bedürfen Abweichungen von diesem Grundsatz
einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
5. Unter Verstoß gegen § 57 Nr. 1
FGO hat das FG den Revisionskläger im
Insolvenzfeststellungsstreit als Beteiligten behandelt, obwohl
dieser aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der
Bestellung eines Insolvenzverwalters die Beteiligtenfähigkeit
verloren hatte (BFH-Urteil vom 22.1.1997 I R 101/95, BFHE 182, 269,
BStBl II 1997, 464 = SIS 97 21 96). Die Rechtsverletzung des FG
kann der Senat auch ohne ausdrückliche Rüge
berücksichtigen, denn nach der Rechtsprechung des BFH stellt
die Verletzung von § 57 Nr. 1 FGO keinen Verfahrensfehler,
sondern eine Verletzung materiellen Rechts dar (BFH-Beschluss vom
26.2.1970 IV B 93/69, BFHE 99, 6, BStBl II 1970, 545 = SIS 70 03 05).
6. Da das FG seiner Entscheidung eine von der
Rechtsauffassung des erkennenden Senats abweichende Handhabung der
einschlägigen Vorschriften zugrunde gelegt hat, war sein
Urteil aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif und
daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Der
Mangel der Beteiligung des Insolvenzverwalters kann nicht geheilt
werden. Die vom FA angeregte Beiladung des Insolvenzverwalters im
Revisionsverfahren kommt nicht in Betracht, weil der
Insolvenzverwalter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft
Gesetzes (§ 80 Abs. 1 InsO) Beteiligter des Rechtsstreits
geworden ist und deshalb nicht zugleich Beigeladener sein kann. Die
Stellung als Kläger oder Beklagter und die Stellung als
Beigeladener schließen sich nämlich aus (BFH-Beschluss
vom 7.10.1986 IX R 125/86, BFH/NV 1987, 784, sowie Brandis in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO
Tz. 10). Auch eine analoge Anwendung von § 123 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 60 Abs. 3 FGO auf einen Kläger oder Beklagten
kommt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht in Betracht.
Denn damit würde einem Hauptbeteiligten die Tatsacheninstanz
genommen; er müsste seinen Prozess in der Rechtsmittelinstanz
führen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie hat der
Gesetzgeber eine nachträgliche Beteiligung nur für Dritte
vorgesehen, die selbst nicht Hauptbeteiligte sind.
Unter Annahme eines Passivprozesses nach
§ 87 InsO wird das FG dem Insolvenzverwalter nochmals
Gelegenheit geben müssen, den vom FA aufgenommenen
Rechtsstreit für den Schuldner fortzuführen. Sollte der
Insolvenzverwalter an seiner Erklärung, den Rechtsstreit nicht
aufnehmen bzw. fortführen zu wollen, festhalten, wird das FG
darüber zu befinden haben, ob eine solche Erklärung als
konkludente Rücknahme des Widerspruchs bzw. der Klage gedeutet
werden könnte. In diesem Falle hätte sich das Verfahren
in der Hauptsache erledigt.
Ergänzend weist der Senat darauf hin,
dass der Feststellungsantrag des FA nicht deshalb als
unzulässig angesehen werden kann, weil das FA - wie das FG
meint - die Insolvenzforderung durch den Erlass eines
Verwaltungsaktes nach § 251 Abs. 3 AO 1977 selbst feststellen
könnte. Wie der Senat entschieden hat, kommt der Erlass eines
Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO 1977 nicht mehr
in Betracht, wenn bereits ein Steuer- oder Haftungsbescheid
existiert, der vom Schuldner vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens angefochten worden ist (Senatsentscheidung in
BFHE 209, 23, BStBl II 2005, 591 = SIS 05 29 96). In diesem Fall
ist das Rechtsbehelfsverfahren bzw. ein anhängiges
Klageverfahren fortzuführen, so dass es an der
Erforderlichkeit für den Erlass eines Feststellungsbescheides
fehlt. Die Rechtmäßigkeit der Beanspruchung einer
Steuerforderung als Insolvenzforderung ist im Einspruchs- bzw.
Klageverfahren zu klären (BFH-Urteil vom 26.11.1987 V R
133/81, BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199 = SIS 88 11 47).
Entgegen der Ansicht des FG ist eine
Umstellung der ursprünglichen Anträge nicht nur
zulässig, sondern geboten. Nach Aufnahme des Rechtsstreits
durch das FA hat sich das Anfechtungsverfahren kraft Gesetzes in
ein Insolvenz-Feststellungsverfahren gewandelt. Gegenstand dieses
Verfahrens ist nicht die Rechtmäßigkeit des
Haftungsbescheides, sondern die Beseitigung des Widerspruchs durch
Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung
zur Tabelle (FK-InsO/App, 3. Aufl., § 86 Rz. 7;
MünchKommInsO-Breuer, § 87 RdNr. 21). Soweit für die
Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht
nicht gegeben ist, ist die Feststellung nach § 185 Satz 1 InsO
bei dem zuständigen anderen Gericht - im Streitfall also beim
FG - zu betreiben. Der veränderten Prozesssituation haben die
Beteiligten durch eine Umstellung ihrer Anträge Rechnung zu
tragen.