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EuGH-Vorlage zum Umsatzsteuersatz auf Lieferungen von Holzhackschnitzeln
EuGH-Vorlage zum Umsatzsteuersatz auf Lieferungen von Holzhackschnitzeln: Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: - 1. Ist der Begriff des Brennholzes in Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass er jegliches Holz umfasst, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist? - 2. Kann ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich entsprechend Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen? - 3. Falls die zweite Frage zu bejahen ist: Darf ein Mitgliedstaat die ihm durch Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG und Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG eingeräumte Befugnis, den Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für Lieferungen von Brennholz anhand der Kombinierten Nomenklatur abzugrenzen, bei Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität so ausüben, dass die Lieferungen verschiedener Formen von Brennholz, die sich nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unterscheiden, aber aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nach dem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung demselben Bedürfnis (hier: Heizen) dienen und somit miteinander in Wettbewerb stehen, unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen. - Urt.; BFH 10.6.2020, V R 6/18; SIS 20 15 19
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Ermäßigter Umsatzsteuersatz
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BFH 10.06.2020, V R 6/18 (ECLI:DE:BFH:2020:VE.100620.VR6.18.0)
BStBl 2021 II S. 890
BFHE 268 S. 560
BFH/NV 2020 S. 1394
DStR 2020 S. 2426
Anmerkungen:
J.H. in StuB 21/2020 S. 853
L. Joost/M. Szabo in UVR 12/2020 S. 353
Ch. Wäger in BFH/PR 1/2021 S. 27
R. Weymüller in MwStR 2/2021 S. 81
[RL 2006/112/EG] Art. 98 Abs. 3, Art. 122
[UStG] § 12 Abs. 2 Nr. 1, Anlage 2 Nr. 48
- vor: FG München, 19.12.2017, SIS 18 01 68, Ermäßigter Steuersatz, Heizung, Holz
- nach: EuGH, 03.02.2022, SIS 22 01 87, EG, EU, Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer, ermäßigter Steuersatz, Brennholz, Holzhackschnitzel
- OFD Karlsruhe 14.4.2023, SIS 23 07 55, Vorlagen an den EuGH, die seit dem 1.1.2009 ergangen sind: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit ...
- FG München 27.10.2022, SIS 23 01 53, Besteuerung von Restgasen: 1. Bei der Produktion von Industriegasen aus Erdgas anfallende Restgase, die i...
- BFH 21.4.2022, SIS 22 11 53, Bedeutung des Neutralitätsgrundsatzes für Steuersatzermäßigungen: 1. Ein Mitgliedstaat, der auf der Grund...
- OFD Karlsruhe 3.3.2021, SIS 21 03 65, Umsatzsteuer, EuGH-Vorlagen: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit dem 1. Januar 2009 eingegangen...
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff des Brennholzes in Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass er jegliches Holz umfasst, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist?
2. Kann ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich entsprechend Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen?
3. Falls die zweite Frage zu bejahen ist: Darf ein Mitgliedstaat die ihm durch Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG und Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG eingeräumte Befugnis, den Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für Lieferungen von Brennholz anhand der Kombinierten Nomenklatur abzugrenzen, bei Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität so ausüben, dass die Lieferungen verschiedener Formen von Brennholz, die sich nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unterscheiden, aber aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nach dem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung demselben Bedürfnis (hier: Heizen) dienen und somit miteinander in Wettbewerb stehen, unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen?
II. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
1 |
I. Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei der Lieferung von Holzhackschnitzeln. |
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2 |
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelte im Jahr 2015 (Streitjahr) u.a. mit Holzhackschnitzeln der geschützten Bezeichnungen „Flokets weiß“ (sog. Industriehackschnitzel) und „Flokets natur“ (sog. Waldhackschnitzel) und betrieb Hackschnitzel-Heizanlagen. |
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3 |
Die Industriehackschnitzel bestehen aus dem beim Zerlegen von Baumstämmen anfallenden Sägerestholz, das mittels mit Hackmessern ausgestatteten Häckslern zu Holzhackschnitzeln zerkleinert wird. |
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Die Waldhackschnitzel werden aus Wipfelholz oder Schwachholz bei der Waldpflege gewonnen. Das Waldrestholz wird im Wald mechanisch zerhackt und anschließend von der Klägerin getrocknet. |
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5 |
Am 14.12.2015 lieferte die Klägerin Waldhackschnitzel an die Gemeinde A und stellte am 31.12.2015 dafür … EUR zuzüglich 7 % Umsatzsteuer (… EUR) in Rechnung. |
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Ebenfalls im Dezember 2015 lieferte die Klägerin Industriehackschnitzel an das Pfarramt B. Dafür stellte die Klägerin am 31.12.2015 einen Betrag in Höhe von … EUR zuzüglich 7 % Umsatzsteuer (… EUR) in Rechnung. Außerdem entsorgte die Klägerin für das Pfarramt B die Asche, die bei der Verbrennung der Holzhackschnitzel entsteht. Hierfür war kein gesondertes Entgelt zu entrichten. |
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7 |
Im Rahmen eines Vertrags über das „Betreiben einer Hackschnitzelheizungsanlage einschließlich Wartung und Reinigung“ mit der Gemeinde C lieferte die Klägerin im Dezember 2015 Holzhackschnitzel als Brennstoff (Waldhackschnitzel, denen ein unter 50 % liegender Anteil an Pukets beigemischt gewesen sein kann) und übernahm die Rücknahme der Asche, den Festbrennstoffkesselbetrieb einschließlich der Kesselreinigung, die Wartung und den Betrieb von Holzheizkessel- und Brennstoffbeschickungsanlage mit der Erstellung von Messungen. Für ihre Leistungen stellte die Klägerin … EUR zuzüglich 7 % Umsatzsteuer (… EUR) am 31.12.2015 in Rechnung. |
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8 |
In der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2015 wandte die Klägerin auf die Leistungen an die Gemeinde A, das Pfarramt B und die Gemeinde C entsprechend der bei einer vorangegangenen Umsatzsteuersonderprüfung geäußerten Auffassung des Beklagten, Revisionsbeklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA - ) den Regelsteuersatz (19 %) an. |
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9 |
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Sprungklage. An die Stelle der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2015 trat während des finanzgerichtlichen Verfahrens die nach § 168 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzung geltende Umsatzsteuerjahreserklärung der Klägerin für das Streitjahr. |
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10 |
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Die Lieferungen von Holzhackschnitzeln an die Gemeinde A und das Pfarramt B (einschließlich der Nebenleistung in Form der Ascheentsorgung) unterlägen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) i.V.m. Nr. 48 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG. Demgegenüber sei das von der Klägerin gegenüber der Gemeinde C erbrachte Leistungsbündel mit dem Regelsteuersatz zu versteuern, weil es eine einheitliche Gesamtleistung darstelle. Hiergegen wenden sich sowohl die Klägerin als auch das FA mit der Revision zum Bundesfinanzhof (BFH). |
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11 |
II. Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die in den Leitsätzen bezeichneten Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung durch den EuGH aus. |
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1. Rechtlicher Rahmen |
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a) Unionsrecht |
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Art. 98 MwStSystRL bestimmt: |
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„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. |
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(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar. Die ermäßigten Steuersätze sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen mit Ausnahme der unter Anhang III Nummer 6 fallenden Dienstleistungen. |
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(3) Zur Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Sinne des Absatzes 1 auf Kategorien von Gegenständen können die Mitgliedstaaten die betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen.“ |
13 |
Die Art. 109 ff. MwStSystRL regeln die Bedingungen, unter denen bestimmte Mitgliedstaaten bis zur Einführung einer endgültigen Mehrwertsteuerregelung verschiedene Maßnahmen im Bereich der ermäßigten Steuersätze anwenden können. |
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14 |
Insoweit sieht Art. 122 MwStSystRL vor: |
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15 |
Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16.10.2014 (Kombinierte Nomenklatur - KN - ) enthält unter der Position 4401 die folgenden Unterpositionen: |
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16 |
KN-Code |
Warenbezeichnung |
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4401 |
Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen; Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln; Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst |
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4401 10 00 |
– Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen |
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– Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln |
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4401 21 00 |
– – Nadelholz |
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4401 22 00 |
– – anderes Holz |
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– Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst |
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4401 31 00 |
– – Holzpellets |
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4401 39 |
– – andere |
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4401 39 20 |
– – – zusammengepresst (z.B. Briketts) |
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– – – andere |
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4401 39 30 |
– – – – Sägespäne |
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4401 39 80 |
– – – – andere |
17 |
b) Nationales Recht |
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§ 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG bestimmt: |
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„(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4). |
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(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze: |
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1. die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände; (...)“. |
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Nr. 48 der Anlage 2 zum UStG lautet: |
18 |
Lfd. Nr. |
Warenbezeichnung |
Zolltarif (Kapitel, Position, Unterposition) |
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48 |
Holz, und zwar |
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a) Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen. |
Unterposition 4401 10 00 |
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b) Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst |
Unterposition 4401 30 |
19 |
2. Vorbemerkungen |
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20 |
Anlage 2 zum UStG verweist zur Abgrenzung auf den Gemeinsamen Zolltarif der Europäischen Gemeinschaft, dem die KN des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Codierung der Waren zu Grunde liegt (BFH-Urteil vom 09.02.2006 - V R 49/04, BFHE 213, 88, BStBl II 2006, 694 = SIS 06 20 51, unter II.2.b). Nach der Rechtsprechung des BFH ist daher die Frage der Einreihung von Gegenständen in diese Positionen oder Unterpositionen - und damit die Reichweite des Anwendungsbereichs des ermäßigten Steuersatzes - ausschließlich nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen zu beantworten (BFH-Urteile vom 26.06.2018 - VII R 47/17, BFHE 261, 569 = SIS 18 14 10, Rz 10, und vom 18.12.2008 - V R 55/06, BFHE 223, 539 = SIS 09 08 71, unter II.3.e, m.w.N.). Für die Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist also entscheidend, ob die Holzhackschnitzel, um die es hier geht, zolltariflich in eine der Unterpositionen 4401 10 00 oder 4401 30 KN einzuordnen sind. |
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21 |
Die KN in der im Streitjahr geltenden Fassung enthält allerdings die von Nr. 48 Buchst. b der Anlage 2 zum UStG in Bezug genommene Unterposition 4401 30 KN nicht mehr. Gleichwohl kann die KN nach der Rechtsprechung des BFH weiterhin für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes herangezogen werden, weil die Warenbeschreibung - bei veränderter Positionsnummer (nunmehr: Unterpositionen 4401 31 oder 4401 39 KN) - inhaltlich unverändert geblieben ist (BFH-Urteil in BFHE 261, 569 = SIS 18 14 10, Rz 12). |
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22 |
b) Anwendung des Regelsteuersatzes auf
Lieferungen von Holzhackschnitzeln bei zolltariflicher
Abgrenzung |
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23 |
aa) Kein Brennholz „in
ähnlicher Form“ wie Rundlinge,
etc. |
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24 |
Gleichwohl steht der Annahme, die Holzhackschnitzel könnten als Brennholz „in ähnlicher Form“ wie Rundlinge, Scheite etc. der Unterposition 4401 10 00 KN angesehen werden, nach der Rechtsprechung des BFH der Umstand entgegen, dass die Unterpositionen 4401 21 und 4401 22 KN ausdrücklich „Holz in Form von Schnitzeln“ erfassen (BFH-Urteil in BFHE 261, 569 = SIS 18 14 10, Rz 11). |
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25 |
bb) Waldhackschnitzel kein Holzabfall oder
Holzausschuss |
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26 |
cc) Industriehackschnitzel kein Holzabfall
oder Holzausschuss |
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27 |
c) Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes auf Lieferungen anderer Formen von Brennholz |
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28 |
3. Zur ersten Frage |
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29 |
Bei der Auslegung des Begriffs „Brennholz“ in Art. 122 MwStSystRL dürfte der allgemeine Sprachgebrauch (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Spanien, EU:C:2013:17, HFR 2013, 269 = SIS 13 02 35, Rz 63 zu Anhang III MwStSystRL) dafür sprechen, dass er jegliches Holz umfasst, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist. Dabei entspräche sowohl das Merkmal der Ausschließlichkeit als auch die Maßgeblichkeit der objektiven Eigenschaften des Holzes - unter Außerachtlassen subjektiver Intentionen - dem Grundsatz der engen Auslegung ermäßigter Steuersätze (EuGH-Urteil Oxycure Belgium vom 09.03.2017 - C-573/15, EU:C:2017:189, HFR 2017, 455 = SIS 17 04 01, Rz 32). Diesem Grundsatz könnte hier umso größere Bedeutung zukommen, als es sich bei Art. 122 MwStSystRL um eine nur für einen vorübergehenden Zeitraum zugelassene Ausnahme handelt (vgl. dazu EuGH-Urteil Kommission/Frankreich vom 28.02.2012 - C-119/11, EU:C:2012:104, HFR 2012, 811, Rz 29, und EuGH-Urteil Kommission/Finnland vom 07.03.2002 - C-169/00, EU:C:2002:149, HFR 2002, 563 = SIS 02 06 36, Rz 34). |
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30 |
b) Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage |
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31 |
4. Zur zweiten Frage |
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32 |
Für eine solche Beschränkung könnte zunächst sprechen, dass Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL mit den „betreffenden Kategorien“ den Wortlaut des Abs. 2 der Vorschrift aufgreift, der auf die „in Anlage III genannten Kategorien“ verweist. Zudem konkretisiert dieser Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL nach der Binnensystematik der Vorschrift die Regelung des Abs. 1 der Vorschrift, auf den sich Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL nach seinem klaren Wortlaut bezieht. |
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33 |
Andererseits könnte der Verweis des Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL auf die „Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Sinne des Absatzes 1“ der Vorschrift - der lediglich bestimmt, dass die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden können - auch dahin verstanden werden, dass die Befugnis zur Abgrenzung anhand der KN unabhängig davon besteht, auf welcher Vorschrift die Möglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats zur Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes beruht. Dies entspräche dem Umstand, dass Art. 122 MwStSystRL - übergangsweise - die sich aus Art. 98 Abs. 1 und Abs. 2 MwStSystRL ergebende Möglichkeit erweitert, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden (vgl. EuGH-Urteil Regards Photographiques vom 05.09.2019 - C-145/18, EU:C:2019:668, HFR 2019, 928 = SIS 19 13 41, Rz 44 zu Art. 103 MwStSystRL). |
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34 |
Dabei ist nicht zu verkennen, dass es wegen des Charakters als Übergangsvorschrift rechtstechnisch schwierig gewesen wäre, die in Art. 122 MwStSystRL genannten Kategorien von Gegenständen - hier des Brennholzes - in Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III MwStSystRL aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund könnte der Umstand, dass die Befugnis zur Abgrenzung anhand der KN - anders als nach der früheren Regelung des Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in den Fassungen seit der Änderung durch die Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom 19.10.1992 - nunmehr außerhalb der Anlage III MwStSystRL verortet ist, für eine bewusste Entscheidung des Richtliniengebers sprechen, diese Befugnis auch auf die in den Übergangsvorschriften der Art. 109 ff. MwStSystRL enthaltenen Möglichkeiten zur Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes zu erstrecken. |
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35 |
b) Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage |
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36 |
Sollte die zweite Vorlagefrage dagegen zu verneinen sein und eine ausschließlich zolltarifliche Auslegung der Nr. 48 der Anlage 2 zum UStG daher ausscheiden, käme es für deren Auslegung entscheidend auf den Wortlaut der dort in Spalte 2 enthaltenen Warenbezeichnung an, während der in Spalte 3 enthaltenen Beschränkung auf eine Unterposition des Zolltarifs keine entscheidende Bedeutung zukäme. Die Lieferungen der Holzhackschnitzel, die Gegenstand dieser Streitsache sind, unterlägen dann aufgrund ihrer ausschließlichen Bestimmung zur thermischen Verwertung als Brennholz „in ähnlicher Form“ wie Rundlinge, Scheite etc. dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 48 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG. |
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37 |
5. Zur dritten Frage |
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38 |
bb) Zweifel am Maßstab zur Bestimmung
der Gleichartigkeit zweier Gegenstände |
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39 |
Insoweit hat der vorlegende Senat mit Senatsurteil in BFHE 213, 88, BStBl II 2006, 694 = SIS 06 20 51, unter II.5.c bis d zu Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG entschieden, dass Gegenstände, die in unterschiedliche Unterpositionen der KN einzureihen sind, unabhängig von einem identischen Anwendungsbereich nicht gleichartig sind und darum auch bei Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nicht demselben Mehrwertsteuersatz unterworfen werden müssen. |
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40 |
Zwischenzeitlich hat der EuGH jedoch hinsichtlich des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität festgehalten, dass für die Frage der Gleichartigkeit zweier Gegenstände oder Dienstleistungen maßgeblich auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei, wobei künstliche, auf unbedeutenden Unterschieden beruhende Unterscheidungen vermieden werden müssten (EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz vom 27.02.2014 - C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437 = SIS 14 08 10, Rz 53, und EuGH-Urteil The Rank Group vom 10.11.2011 - C-259/10 und C-260/10, EU:C:2011:719, HFR 2012, 98 = SIS 11 39 83, Rz 43). Zwei Gegenstände oder Dienstleistungen seien daher gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen (EuGH-Urteil Belgisch Syndicaat van Chiropraxie u.a., EU:C:2019:544, HFR 2019, 827 = SIS 19 09 69, Rz 48, und EuGH-Urteil The Rank Group, EU:C:2011:719, HFR 2012, 98 = SIS 11 39 83, Rz 44). |
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41 |
Vor diesem Hintergrund hat der vorlegende Senat Zweifel, ob er an seiner Rechtsprechung festhalten kann, nach der eine unterschiedliche zolltarifliche Einreihung die Gleichartigkeit der betreffenden Gegenstände ausschließt. Denn während die nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH maßgebliche Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine Prüfung der Gleichartigkeit hinsichtlich der Verwendung der Leistung durch den Durchschnittsverbraucher erfordert, kommt es bei der zolltariflichen Einreihung grundsätzlich nur auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware an (vgl. zuletzt EuGH-Urteil DHL Logistics (Slovakia) vom 30.04.2020 - C-810/18, EU:C:2020:336, StE - StEd - 2019, 196 = SIS 20 06 95, Rz 25, m.w.N.): Zwar kann auch der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er dieser Ware innewohnt (EuGH-Urteil DHL Logistics (Slovakia), EU:C:2020:336, StEd 2019, 196, Rz 26, m.w.N.). Jedoch kann der Verwendungszweck nur dann ein erhebliches Kriterium sein, wenn die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware erfolgen kann (EuGH-Urteil TDK-Lambda Germany vom 05.09.2019 - C-559/18, EU:C:2019:667, StEd 2019, 570, Rz 27). |
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42 |
Im vorliegenden Fall tritt die Gegensätzlichkeit der beiden Maßstäbe deutlich zutage: Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers weisen die Holzhackschnitzel, um die es hier geht, keine wesentlichen Unterschiede zu anderen Formen von Brennholz - etwa zu Pellets oder Briketts gepressten Holzabfällen, auf deren Lieferung (wie bereits unter II.2.c dargestellt) der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist - auf, weil sie gleichermaßen zur Verbrennung und Wärmegewinnung in Heizanlagen verwendet werden. Im Hinblick auf ihre objektiven Merkmale und Eigenschaften unterscheiden sich die Holzhackschnitzel dagegen aufgrund der besonderen Verarbeitungsform des Häckselns, ihrer daraus resultierenden Form und der äußeren Umstände ihrer Verwendung als Brennmaterial erkennbar von solchen anderen Formen von Brennholz. Je nach Maßstab ist die Gleichartigkeit der Holzhackschnitzel und anderer Formen von Brennholz daher entweder zu bejahen oder zu verneinen. |
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43 |
cc) Bedeutung der Befugnis zur Abgrenzung
anhand der KN |
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44 |
Auch der EuGH hat jedoch in anderem Zusammenhang bereits hervorgehoben, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität einer vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Ausnahme nicht entgegenstehen und deren praktische Wirksamkeit nicht beeinträchtigen kann (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 08.02.2018 - C-380/16, EU:C:2018:76, HFR 2018, 259 = SIS 18 00 70, Rz 58; vgl. auch EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 08.05.2012 - C-44/11, EU:C:2012:276 = SIS 12 24 99, Rz 60). Allerdings hängt die Einschränkung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität hier von der Ausübung der Befugnis zur Abgrenzung anhand der KN durch den Mitgliedstaat ab und beruht deshalb nur mittelbar auf einer Regelung der MwStSystRL. |
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45 |
Stellt die in Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL vorgesehene Befugnis gleichwohl eine vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Ausnahme im genannten Sinne dar, könnte eine bei der Tarifierung nicht zu berücksichtigende Verwendungsart - und die darauf gestützte Sicht eines Durchschnittsverbrauchers - der auf einer Abgrenzung anhand der KN beruhenden Anwendung des Regelsteuersatzes nicht entgegen gehalten werden. Dies entspräche auch dem Grundsatz der engen Auslegung ermäßigter Steuersätze, der neben dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität anzuwenden ist (EuGH-Urteil Oxycure Belgium, EU:C:2017:189, HFR 2017, 455 = SIS 17 04 01, Rz 32). Eine solche enge Auslegung könnte hier umso mehr gerechtfertigt sein, als es sich bei Art. 122 MwStSystRL um eine nur für einen vorübergehenden Zeitraum zugelassene Ausnahme handelt (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Frankreich, EU:C:2012:104, HFR 2012, 811, Rz 29, und EuGH-Urteil Kommission/Finnland, EU:C:2002:149, HFR 2002, 563 = SIS 02 06 36, Rz 34). |
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46 |
b) Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage |
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47 |
Die Revision der Klägerin, mit der sie die Würdigung des FG angreift, bei dem gegenüber der Gemeinde C erbrachten Leistungsbündel handele es sich um eine mit dem Regelsteuersatz zu versteuernde einheitliche Gesamtleistung, ist nach derzeitiger Einschätzung des Senats, unabhängig von der Beantwortung der Vorlagefragen, unbegründet. |
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48 |
6. Zum Rechtsgrund der Vorlage |
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49 |
7. Zur Verfahrensaussetzung |