Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts München vom 14.12.2020 - 7 K 899/19
= SIS 21 02 67 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft,
hatte im Jahr 2006 (Streitjahr) mit der …bank (Bank) auf der
Grundlage eines am …2006 geschlossenen Rahmenvertrags
zahlreiche Wertpapierpensionsgeschäfte mit zeitgleichen
gegenläufigen Wertpapierdarlehensgeschäften
(umgangssprachlich auch als
„Wertpapierleihe“ bezeichnet) wie folgt
durchgeführt:
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Die Klägerin erwarb von der Bank zu
verschiedenen Zeitpunkten festverzinsliche Wertpapiere zum Preis
von insgesamt … EUR kombiniert mit einer
Rückkaufvereinbarung (Repo), nach welcher sie die Wertpapiere
zu einem bestimmten vereinbarten Zeitpunkt an die Bank
zurückübertragen musste (echte
Wertpapierpensionsgeschäfte im Sinne des § 340b Abs. 2
des Handelsgesetzbuchs - HGB - ). Beim Rückkauf zum
ursprünglichen Kaufpreis erhielt die Klägerin einen
vorher jeweils ausgehandelten Repozins (im Streitjahr in Summe:
… EUR).
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Die jeweils im Rahmen der
Wertpapierpensionsgeschäfte von der Bank erworbenen
festverzinslichen Wertpapiere übertrug die Klägerin
für die Laufzeit der Wertpapierpensionsgeschäfte
darlehensweise unmittelbar an die Bank zurück
(Wertpapier-Sachdarlehen im Sinne des § 607 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dafür bekam sie eine
„Leihgebühr“ von 0,02 % auf den
Wert der überlassenen festverzinslichen Wertpapiere (im
Streitjahr in Summe: … EUR). Eine vorzeitige Beendigung des
Wertpapierdarlehens war lediglich für den Fall der
Vertragsverletzung (zum Beispiel unterlassene Zahlung, unterlassene
Leistung beziehungsweise Rückgewähr von Sicherheiten,
Insolvenz) oder wegen einer Änderung von Umständen (zum
Beispiel Änderung von Rechtsvorschriften oder ihrer amtlichen
Auslegung, Bonitätsveränderungen bei einer Umwandlung)
grundsätzlich durch Abgabe einer Kündigungserklärung
unter Benennung des Beendigungstags möglich (s. Nr. 6 der
Allgemeinen Bestimmungen des geschlossenen Rahmenvertrags).
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Zur Absicherung der jeweils darlehensweise
überlassenen Wertpapiere übertrug die Bank der
Klägerin das Eigentum an einem Aktien-Collateral an
börsennotierten britischen Aktiengesellschaften, die beim
elektronischen CREST-Börsensystem registriert und über
dieses verwaltet wurden. Die Aktien wurden aufgrund einer
dinglichen Einigung zwischen der Klägerin und der Bank in
einem für die Klägerin bei der Bank geführten Depot
gutgeschrieben. Der zwischen der Bank und der Klägerin
geschlossene Rahmenvertrag enthielt zur Sicherheitengestellung im
„Sicherheitenanhang für Pensionsgeschäfte und
Wertpapierdarlehen“ (Sicherheitenanhang) unter
Nr. 1 Abs. 1 eine Regelung, nach welcher dann, wenn die
Verbindlichkeiten einer Partei (des Sicherungsgebers) aus
Pensionsgeschäften, Wertpapierdarlehen oder
Sicherheitsleistungen nach diesem Anhang die Verbindlichkeiten der
anderen Partei (des Sicherungsnehmers) übersteigen, der
Sicherungsnehmer durch Erklärung an den Sicherungsgeber diesen
auffordern kann, ihm einen Geldbetrag (oder Wertpapiere) zu
übertragen, der mindestens dem Betrag des Nettoausfallrisikos
entspricht. Nr. 2 Abs. 6 des Sicherheitenanhangs bestimmte dazu
näher, dass außer im Fall einer Rückgewähr von
Sicherheiten eine Leistung von Sicherheiten nur erfolgt, soweit das
Nettoausfallrisiko den gegebenenfalls von den Parteien vereinbarten
Schwellenwert überschreitet und falls der Marktwert der zu
erbringenden Sicherheitsleistung den gegebenenfalls dafür
vereinbarten Mindesttransferbetrag überschreitet. Dieser war
nach den besonderen Bestimmungen und einer
Ergänzungsvereinbarung für beide Parteien auf jeweils
… EUR festgelegt. Der Klägerin stand an den
übertragenen britischen Aktien das uneingeschränkte Recht
zu, über die Wertpapiere zu verfügen (s. Nr. 5 I. Abs. 1
der besonderen Bestimmungen des Rahmenvertrags für
Finanzgeschäfte - besondere Bestimmungen - ). Sie war jedoch
vertraglich verpflichtet, diese Sicherheiten nach Beendigung des
Wertpapierdarlehens an die Bank zurückzuliefern (Nr. 2 Abs. 5
des Sicherheitenanhangs). Vertraglich reichte insoweit die
Übertragung von Wertpapieren mit gleichem Emittenten, Gattung,
Nennwert und verbrieften Rechten wie bei den ursprünglich
übertragenen Wertpapieren (Nr. 3 des Sicherheitenanhangs
i.V.m. Nr. 2 Abs. 3 des Produktanhangs für Wertpapierdarlehen
- Wertpapierdarlehensanhang - ).
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Nach den besonderen Bestimmungen des
geschlossenen Rahmenvertrags für Finanzgeschäfte war
über die Art der zu leistenden Sicherheiten durch den
Sicherungsnehmer (Klägerin) und den Sicherungsgeber (Bank) im
Einvernehmen zu entscheiden. Alsdann stand dem Sicherungsnehmer die
Bestimmung über die Wertpapiere der betreffenden Art zu, wobei
der Sicherungsgeber einer Sicherheitsleistung widersprechen konnte
(s. II. Abs. 2 der besonderen Bestimmungen). Der Sicherungsgeber
konnte mit Zustimmung des Sicherungsnehmers auf seine Kosten die
zur Sicherheit übertragenen Wertpapiere durch andere
Wertpapiere ersetzen, die im Zeitpunkt der Einigung der Parteien
über die Ersetzung einen Marktwert mindestens in Höhe des
Marktwerts der durch sie ersetzten Wertpapiere haben (s. Nr. 3 des
Sicherheitenanhangs i.V.m. Nr. 3 des Produktanhangs für
Pensionsgeschäfte).
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Für Barausschüttungen, die
während der Zeit erfolgten, in der die jeweiligen britischen
Aktien auf die Klägerin übertragen waren, musste sie am
Tag der Ausschüttung an die Bank eine Zahlung in Höhe des
Brutto-Ausschüttungsbetrags leisten (s. Nr. 3 des
Sicherheitenanhangs i.V.m. Nr. 3 Abs. 1 und 2 des
Wertpapierdarlehensanhangs).
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Für die Übertragung des
Aktien-Collaterals hatte die Klägerin eine
„Arrangierungsgebühr“ in Höhe
von 2,2 % der unter den Aktien effektiv gezahlten Dividenden an die
Bank zu zahlen (im Streitjahr: … EUR). Ausweislich eines
internen Dokuments der Klägerin sollte die
„Arrangierungsgebühr“
wirtschaftlich die Prämie dafür sein, dass die Bank die
Aktien während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens nicht
(oder im Rahmen eines Leerverkaufs nur mit zusätzlichem
Risiko) verkaufen konnte und zudem auch noch den Kursverlust
aufgrund der Dividendenzahlung hinnehmen musste. Sie sollte nur
anfallen, wenn während der Laufzeit der Sicherheitengestellung
eine Dividendenzahlung erfolgen würde.
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Die Auswahl der als Sicherheiten zu
übertragenden Aktien wurde durch einen Mitarbeiter der
Wertpapierabteilung der Klägerin vorgenommen. Dieser
wählte Aktien, deren Dividendenstichtag kurz bevor stand, und
er ließ diese vor Ausschüttung auf die Klägerin
übertragen. Nach der Dividendenausschüttung wurden die
Aktien regelmäßig gegen andere Aktien aus dem Bestand
der Bank getauscht, für die eine Dividendenzahlung anstand.
Die Auswahl im Rahmen des Austauschs erfolgte ebenfalls durch einen
Mitarbeiter der Wertpapierabteilung der Klägerin.
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Die Klägerin hielt die auf sie
übertragenen Aktien jeweils für einen Zeitraum von
wenigen Tagen bis zu maximal drei Wochen. Das Gesamtvolumen der
verschiedenen Aktien, die der Klägerin nach und nach zur
Sicherheit überlassen wurden, betrug - bedingt durch den
häufigen Tausch der Aktien - im Streitjahr … EUR. Die
Klägerin vereinnahmte Dividenden in Höhe von … EUR
und leistete in gleicher Höhe Kompensationszahlungen an die
Bank. Stimmrechte auf den Hauptversammlungen der übertragenen
Aktien übte die Klägerin nicht aus.
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Kursschwankungen der Aktien wurden
entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen bei
Überschreitung eines Schwellenwerts von … EUR über
sogenannte Marginzahlungen ausgeglichen. Sank der Wert der Aktien
unter den Wert der überlassenen festverzinslichen Wertpapiere,
hatte die Bank zu geringe Sicherheiten gestellt und musste eine
entsprechende Marginzahlung leisten. Stieg der Wert der Aktien
über den Wert der überlassenen festverzinslichen
Wertpapiere, hatte die Klägerin zu hohe Sicherheiten erhalten
und musste in Höhe der Differenz eine Marginzahlung leisten.
Die Zahlungen wurden verzinst. Im Streitjahr entstand der
Klägerin aufgrund von Marginzahlungen ein Zinsaufwand von
… EUR. Am Ende des Wertpapierdarlehens wurden die auf dem
Margin-Konto verbuchten Gelder zurückgezahlt.
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Die Klägerin erfasste die an sie zur
Sicherheit übertragenen britischen Aktien zum Zeitpunkt der
Gutschrift in ihrem Wertpapierdepot mit dem Kurswert. Zudem setzte
sie in gleicher Höhe eine Verbindlichkeit auf
Rückübertragung dieser Aktien an. Bei Rückgabe oder
Austausch der Aktien beziehungsweise der Beendigung des
Wertpapierdarlehens buchte sie die Aktien und die Verbindlichkeit
auf Rückübertragung mit dem gleichen Wert aus, sodass
sich aus der Sicherheitengestellung selbst keine Gewinnauswirkung
ergab.
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Die bezogenen Dividenden wurden bei der
Klägerin als nach § 8b Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr
geltenden Fassung (KStG) steuerfrei behandelt. Gemäß
§ 8b Abs. 5 KStG erfolgte eine außerbilanzielle
Hinzurechnung zum Gewinn in Höhe von … EUR. Die
Kompensationszahlungen behandelte die Klägerin in voller
Höhe als Betriebsausgabe. Aus dem einheitlich behandelten
Pensionsgeschäft und dem Wertpapierdarlehen ergab sich vor
Steuern im Streitjahr ein Ertrag von … EUR.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) sah in den Geschäften einen
Gestaltungsmissbrauch zwecks Generierung eines steuerlichen
Verlustes, der wirtschaftlich tatsächlich nicht entstanden
sei, und ebenfalls die Umgehung von § 8b Abs. 7 KStG. Das FA
erhöhte daher das zu versteuernde Einkommen der Klägerin
für das Streitjahr um die bezogenen Dividenden in Höhe
von … EUR abzüglich des nach § 8b Abs. 5 KStG
nicht abziehbaren Betrags von … EUR (Summe: …
EUR).
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Die nach erfolglosem Einspruch erhobene
Klage hat das Finanzgericht (FG) München mit Urteil vom
14.12.2020 - 7 K 899/19 (EFG 2021, 723 = SIS 21 02 67) als
unbegründet abgewiesen.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die
Revision der Klägerin.
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Sie beantragt,
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das FG-Urteil aufzuheben und den
Körperschaftsteuerbescheid 2006 vom 05.02.2016 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 29.03.2019 dahingehend zu ändern,
dass das zu versteuernde Einkommen um … EUR gemindert
wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Die streitgegenständlichen britischen
Aktien waren der Klägerin - entgegen der Ansicht des FG - im
Zeitpunkt der Dividendenausschüttung gemäß §
39 der Abgabenordnung in der für das Streitjahr geltenden
Fassung (AO) steuerrechtlich zuzurechnen. Dementsprechend hat das
FG die in der Konsequenz seiner Rechtsauffassung offen gelassene
Frage, ob die vereinbarte Sicherheitengestellung in Form der
britischen Aktien im konkreten Streitfall eine missbräuchliche
Gestaltung darstellt, im zweiten Rechtsgang aufzuklären.
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1. Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben
nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG Bezüge im Sinne des §
20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das
Streitjahr geltenden Fassung (EStG) außer Ansatz. Diese
grundsätzlich auf die Klägerin anwendbare Steuerbefreiung
von Dividenden setzt jedoch voraus, dass ihr die Dividenden
steuerrechtlich zuzurechnen sind (s. allgemein z.B. Senatsurteile
vom 16.04.2014 - I R
2/12, BFHE 246, 15 = SIS 14 25 66; vom 18.08.2015 - I R 88/13, BFHE 251, 190, BStBl II
2016, 961 = SIS 15 30 16; vom 14.08.2019 - I R 44/17, BFHE 267, 1 = SIS 20 06 59, Rz 54; Senatsbeschluss vom 04.03.2020 - I B 57/18, BFH/NV 2020, 1236 = SIS 20 11 52, Rz 22). Dies richtet sich im Streitjahr nach § 20
Abs. 2a EStG - mittlerweile § 20 Abs. 5 EStG n.F. - i.V.m.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, wonach der
„Anteilseigner“ die Einkünfte aus
Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
erzielt. Anteilseigner ist derjenige, dem die Anteile an der
Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses
gemäß § 39 AO zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 2a
Satz 2 EStG).
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Ob dies bei bilanzierenden Steuerpflichtigen,
wie der Klägerin, auch im Lichte des § 340b HGB, dessen
Verhältnis zu § 39 AO umstritten ist (s. zum Streitstand:
Anzinger, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2022, 199, m.w.N.),
uneingeschränkt gilt, kann dahinstehen. Denn § 340b HGB
ist auf die im Streitfall vereinbarte Sicherheitengestellung nicht
anwendbar. Die Vorschrift gilt nur für echte
Pensionsgeschäfte, bei denen eine entgeltliche
Übertragung von Wirtschaftsgütern vom Pensionsgeber auf
den Pensionsnehmer sowie die entgeltliche Rückübertragung
vereinbart ist (s. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.01.2024 - IV R 24/21, BFH/NV
2024, 769 = SIS 24 08 06, Rz 50; s.a. Heymann/Roth, HGB, 2.
Aufl., § 340b Rz 6; Grewe in Kirsch, Rechnungslegung, §
340b HGB Rz 19).
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a) § 39 Abs. 1 AO bestimmt, dass
Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen sind.
„Eigentümer“ im Sinne dieser
Regelung ist grundsätzlich der zivilrechtliche Eigentümer
(Inhaber des Wirtschaftsguts). Abweichend von § 39 Abs. 1 AO
bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, dass die Zurechnung an
diejenige Person erfolgt, die die tatsächliche Herrschaft
über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass sie den
Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche
Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut
wirtschaftlich ausschließen kann (sogenanntes
wirtschaftliches Eigentum). Wirtschaftliches Eigentum in diesem
Sinne erlangt der Erwerber von Anteilen an Kapitalgesellschaften
dann, wenn er alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen
(Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere
Gewinnbezugs- und Stimmrechte) ausüben kann und die mit den
Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen auf ihn
übergegangen sind (Senatsurteile vom 02.02.2022 - I R 22/20, BFHE 276, 20, BStBl II
2022, 324 = SIS 22 03 76, Rz 41 und vom 23.11.2022 - I R 36/19, GmbHR 2023, 624 = SIS 23 03 62, Rz 20).
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Als Beispiel für das Auseinanderfallen
des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums nennt § 39 Abs.
2 Nr. 1 Satz 2 AO das Sicherungseigentum. Für dieses ist
charakteristisch, dass das Sicherungsgut zwar an den
Sicherungsnehmer übereignet (Sachen) oder an ihn abgetreten
(Forderung) wird, der Sicherungsgeber das Sicherungsgut jedoch
weiterhin nutzen kann (s. Urteil des Bundesgerichtshofs vom
26.09.2006 - XI ZR 156/05, NJW 2007, 216, unter B.II.3.) und den
Sicherungsnehmer von der Einwirkung auf das Sicherungsgut
ausschließen kann, indem er den Eintritt eines allein durch
ihn abwendbaren Sicherungsfalls verhindert. Deshalb ist bei diesem
typischen Fall des Sicherungseigentums das Sicherungsgut dem
Sicherungsgeber zuzuordnen (vgl. Senatsurteil vom 23.11.1983 - I R
147/78, BFHE 140, 102, BStBl II 1984, 217 = SIS 84 25 09, unter 2.
der Entscheidungsgründe). Kann der Sicherungsnehmer jedoch
(anders als im Regelfall des Sicherungseigentums) rechtlich und
tatsächlich jederzeit - auch ohne Eintritt des Sicherungsfalls
- das Sicherungseigentum übertragen (veräußern),
liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht vor,
sodass eine Zurechnung zum Sicherungsnehmer und Eigentümer
angezeigt ist (s. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz
50; Fu in Gosch, AO § 39 Rz 177; s.a. FG Hamburg, Urteil vom
24.09.1987 - II 133/84, EFG 1988, 475).
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b) Auch wenn die Übertragung der
britischen Aktien in den hier zu beurteilenden Verträgen als
Sicherheitengestellung bezeichnet wird, liegt kein Fall des in
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO beispielhaft aufgezählten
typischen Sicherungseigentums vor. Denn die Klägerin als
Sicherungsnehmerin konnte und durfte die Sicherheit jederzeit auch
ohne Eintritt eines Sicherungsfalls veräußern. Aufgrund
dieser besonderen rechtlichen Ausgestaltung der Sicherungsabrede
ist die so bezeichnete Vereinbarung vielmehr mit einem
Wertpapierdarlehen vergleichbar. Denn die Klägerin erhielt
nach der getroffenen Vereinbarung, wie der Darlehensnehmer eines
Wertpapierdarlehens, uneingeschränktes (Voll-)Eigentum an den
britischen Aktien und schuldete bei Beendigung des abgesicherten
Geschäfts die Rückübertragung gattungsgleicher
Aktien (und keine Rückgabe der nämlichen Aktien).
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c) Für Wertpapierdarlehen hat der Senat
bereits entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum an
Wertpapieren im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO
ausnahmsweise beim Darlehensgeber verbleiben kann, wenn die
Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass
dem Darlehensnehmer lediglich eine formale zivilrechtliche
Rechtsposition verschafft werden sollte (s. z.B. Senatsurteil vom
18.08.2015 - I R 88/13, BFHE 251, 190, BStBl II 2016, 961 = SIS 15 30 16). Dies kann der Fall sein, wenn bei einem abgestimmten
„Gesamtvertragskonzept“ dem Erwerber
zwar schuldrechtlich das volle Eigentum an Aktien verschafft werden
soll und die freie Verfügung über die Aktien vereinbart
ist, allerdings wegen der weiteren abgeschlossenen Verträge im
Ergebnis der Erwerber weder die Kursrisiken und Kurschancen
trägt noch die Dividenden erhält, er außerdem an
einer Verfügung über die Aktien während der
Darlehensdauer tatsächlich oder rechtlich gehindert ist und
überdies die mit dem Aktienbesitz verbundenen (Verwaltungs-
und Vermögens-)Rechte nicht ausüben kann (s. die
Sachverhalte der Senatsurteile vom 16.04.2014 - I R 2/12, BFHE 246,
15 = SIS 14 25 66 und vom 18.08.2015 - I R 88/13, BFHE 251, 190,
BStBl II 2016, 961 = SIS 15 30 16). Eine solche Verschaffung einer
lediglich formalen zivilrechtlichen Rechtsposition, die sich bei
Gesamtwürdigung als „leere
Eigentumshülle“ erweist und dem
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums entgegensteht, liegt
hingegen nicht vor, wenn die mit den Aktien verbundenen Kurschancen
und Kursrisiken auf den Darlehensnehmer übergegangen sind,
weil er an einer Verfügung über die Wertpapiere weder
rechtlich noch faktisch gehindert ist und er folglich eine
Änderung des Kurswerts durch Veräußerung der Aktien
am Markt und spätere Wiederbeschaffung von Aktien der gleichen
Gattung realisieren könnte (Senatsurteil vom 29.09.2021 - I R
40/17, BFHE 274, 463, BStBl II 2023, 127 = SIS 22 02 80).
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Bedeutsam dafür, ob bei einem
Wertpapierdarlehen wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO übergeht, ist insbesondere der Umstand,
ob der Darlehensnehmer rechtlich und tatsächlich über die
überlassenen Wertpapiere verfügen kann (wirtschaftliche
Dispositionsbefugnis, vgl. Senatsurteil vom 02.02.2022 - I R 22/20,
BFHE 276, 20, BStBl II 2022, 324 = SIS 22 03 76, Rz 36); dies wird
insbesondere durch Vereinbarungen über die zeitliche
Befristung der Überlassung und die Ausgestaltung des
Kündigungsrechts mitbestimmt (Anzinger, StuW 2022, 194, 196).
Aus der Zusammenschau entsprechender Vereinbarungen kann sich im
Einzelfall ergeben, dass der Darlehensnehmer ungeachtet rechtlicher
Möglichkeit faktisch nicht sinnvoll über die Wertpapiere
verfügen kann, weil er diese - für ihn unvorhersehbar -
innerhalb kürzester Zeit zurückübertragen muss (s.
Anzinger, StuW 2022, 194, 197).
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2. Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze war die Klägerin vor der Fassung des
Ausschüttungsbeschlusses nicht nur zivilrechtliche
Eigentümerin der britischen Aktien, die Aktien waren ihr zu
diesem Zeitpunkt auch nach § 39 AO steuerrechtlich
zuzurechnen.
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a) Das FG ist zunächst zutreffend davon
ausgegangen, dass die laufenden Erträge aus den Aktien
wirtschaftlich weiterhin der Bank und nicht der Klägerin
zustanden, weil die Dividenden betrags- und zeitgleich als
Kompensationszahlungen an die Bank ausgekehrt wurden.
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b) Soweit die Vorinstanz allerdings angenommen
hat, dass die übrigen mit dem Eigentum an Aktien verbundenen
wesentlichen Rechte ebenfalls nicht der Klägerin zustanden,
beruht diese Wertung auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung und
nicht auf einer abweichenden tatsächlichen Würdigung, an
die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich
gebunden wäre. Denn das FG hat seine Würdigung allein auf
die subjektiven Absichten der Klägerin gestützt und dabei
außer Acht gelassen, dass bei der Bestimmung des
wirtschaftlichen Eigentümers danach zu fragen ist, ob die mit
dem Vollrecht verbundenen rechtlichen Befugnisse, soweit sie
wirtschaftlich wertvoll sind, rechtlich einem anderen zustehen oder
tatsächlich von einem anderen wahrgenommen werden können
(s. Senatsurteil vom 29.09.2021 - I R 40/17, BFHE 274, 463, BStBl
II 2023, 127 = SIS 22 02 80, Rz 38). Nicht relevant ist hingegen
die subjektive Absicht, rechtlich und tatsächlich bestehende
Befugnisse auch wahrnehmen zu wollen.
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c) Bei der danach gebotenen objektiven
Betrachtungsweise kann es entgegen der Auffassung der Vorinstanz
keine Rolle spielen, ob die Klägerin tatsächlich die auf
sie übertragenen Aktien hat veräußern oder die mit
den Aktien verbundenen Stimmrechte hat ausüben wollen oder ob
sie dies tatsächlich auch getan hat. Entscheidend ist
vielmehr, ob der Klägerin die Ausübung der mit den Aktien
verbundenen Stimmrechte und die Möglichkeit zur Realisation
einer Kursänderung der Aktien rechtlich zugestanden haben und
ihr auch tatsächlich möglich gewesen sind. Dies war auf
der Grundlage der Feststellungen des FG der Fall (gleicher Ansicht
z.B. Weitbrecht/Strehlke-Verkühlen, BB 2021, 2022; s.
allgemein auch BeckOK AO/Brühl, § 42 Rz 174 ff.).
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aa) Die Klägerin war nach der
Sicherungsabrede rechtlich befugt, über die Aktien zu
verfügen, insbesondere sie zu veräußern. Sie war
aufgrund dieser Abrede lediglich verpflichtet, nach Beendigung der
besicherten Geschäfte (hier: der
Wertpapierdarlehensgeschäfte), gattungsgleiche Aktien an die
Bank zurückzuübertragen.
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bb) Aus den vom FG getroffenen Feststellungen
ergeben sich auch keine faktischen
Verfügungsbeschränkungen, aufgrund derer die
Klägerin an einer Veräußerung gehindert gewesen
wäre, weil sie mit einer jederzeitigen kurzfristigen
Fälligkeit der Rückübertragungsverpflichtung
hätte rechnen müssen. Eine daraus folgende faktische
Unmöglichkeit der Veräußerung ergibt sich
zunächst nicht aus dem vereinbarten Austausch von
Sicherheiten, weil dieser jedenfalls nicht einseitig durch die Bank
erfolgen konnte, sondern entweder einvernehmlich zwischen der Bank
und der Klägerin vereinbart werden musste (so die
vertraglichen Regelungen) oder sogar von der Klägerin allein
ausgeübt werden (so die Feststellungen des FG zur
tatsächlichen Umsetzung) und daher von ihr beeinflusst werden
konnte. Ferner ergibt sich ein faktisches
Veräußerungshindernis auch nicht aus einem kurzfristigen
ordentlichen Kündigungsrecht für die Bank. Denn ein
solches war im Streitfall vertraglich ausgeschlossen. Daher kannte
die Klägerin den Zeitpunkt des Endes des Wertpapierdarlehens,
zu dem die Sicherheiten zurückübertragen werden mussten,
bereits bei der Übertragung der Aktien und hätte auch
tatsächlich planbar eine Veräußerung und
rechtzeitige Wiederbeschaffung vornehmen können.
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Schließlich steht auch die zeitliche
Dauer der besicherten Wertpapierdarlehensgeschäfte und der
damit einhergehenden Dauer der Sicherungsübereignung der
britischen Aktien der Möglichkeit, diese tatsächlich zu
veräußern, nicht entgegen. Denn die Klägerin hat
die jeweiligen Aktien nach den Feststellungen des FG für einen
Zeitraum von zwischen wenigen Tagen bis zu drei Wochen
tatsächlich gehalten. Unter Berücksichtigung des von ihr
selbst veranlassten Austauschs der Aktien als Sicherheit vor
Beendigung des abgesicherten Geschäfts lag die Zeit, in
welcher sie im Falle des Verzichts auf die vorzeitige Rückgabe
Kursänderungen hätte realisieren können, noch
darüber. Selbst eine Haltedauer von wenigen Tagen reicht
allerdings bereits aus, um Kursschwankungen von
börsennotierten Aktien - zu denen die übertragenen
britischen Aktien zählten - kurzfristig realisieren zu
können (Senatsurteil vom 29.09.2021 - I R 40/17, BFHE 274,
463, BStBl II 2023, 127 = SIS 22 02 80, Rz 38).
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cc) Die Klägerin hatte während der
Zeit, in der sie zivilrechtlich Inhaberin der Aktien gewesen war,
auch die Möglichkeit, die mit den Aktien verbundenen
Stimmrechte auszuüben. Nach den Feststellungen des FG wurde
der Inhaberwechsel über das elektronische Börsensystem
CREST abgewickelt, das automatisch eine zeitgleiche Aktualisierung
des von der betreffenden Aktiengesellschaft geführten
elektronischen Registers über die Anteilseigner auslöste.
Daher war der Klägerin die Ausübung ihrer Stimmrechte
für den Fall, dass eine Hauptversammlung in den Zeitraum ihrer
zivilrechtlichen Inhaberschaft der Aktien gefallen wäre, auch
faktisch möglich, weil die Aktiengesellschaft ungeachtet des
kurzfristigen Inhaberwechsels ihre Stellung als neue Inhaberin
kannte.
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3. Der Senat kann wegen fehlender
Feststellungen des FG dazu, ob - wie das FA meint - die
Übertragungen der britischen Aktien zur Sicherung der
abgeschlossenen Wertpapierdarlehensgeschäfte jeweils als eine
unangemessene Gestaltung im Sinne des § 42 AO anzusehen sind,
nicht abschließend darüber entscheiden, ob das zu
versteuernde Einkommen der Klägerin nach § 8b Abs. 1 Satz
1 KStG antragsgemäß zu vermindern ist. Das FG hat diese
Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Dabei können
diese Feststellungen und die mit ihr verbundene
Zurückverweisung der Sache an das FG - entgegen der von der
Klägerin vertretenen Rechtsauffassung - nicht schon deshalb
unterbleiben, weil im vorliegenden Streitfall die Anwendbarkeit von
§ 42 AO ausgeschlossen wäre.
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a) § 8b Abs. 10 KStG i.d.F. des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom
14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) vermag § 42
AO im Streitjahr schon mangels zeitlicher Anwendbarkeit nicht als
spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift (s. BFH-Urteil
vom 18.12.2013 - I R 25/12, BFH/NV 2014, 904 = SIS 14 13 64, Rz 18)
zu verdrängen.
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b) Aus der nach dem Streitjahr erfolgten
Einführung des § 8b Abs. 10 KStG i.d.F. des UntStRefG
2008 ergibt sich auch nicht im Umkehrschluss, dass entsprechende
Sachverhaltskonstellationen, auf die diese spätere
spezialgesetzliche Regelung abzielt, zuvor nicht vom Tatbestand des
§ 42 AO umfasst gewesen sein können (ebenso Hessisches
FG, Urteil vom 28.01.2020 - 4 K 890/17, EFG 2020, 1160 = SIS 20 11 94; a.A. Drüen in Tipke/Kruse, § 42 AO Rz 7). Denn
ansonsten wäre dem Gesetzgeber die Verwirklichung weiterer mit
einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsregelung
verbundener legitimer Ziele - wie einer Verwaltungsvereinfachung -
versagt, wenn er bekannt gewordene konkrete Gestaltungen
nachträglich legitimieren und damit auf ein erhebliches
Steueraufkommen verzichten wollte. Die Gegenauffassung würdigt
nicht ausreichend, dass selbst dann, wenn eine besondere
Sachverhaltskonstellation bereits von § 42 AO umfasst war,
angesichts der in § 42 Abs. 1 Satz 2 AO angeordneten relativ
unbestimmten Rechtsfolge, nach der der Steueranspruch so entsteht,
wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen
rechtlichen Gestaltung entstanden wäre, ein Bedürfnis des
Gesetzgebers besteht, über die Zielsetzung der allgemeinen
Missbrauchsvermeidung hinaus eine für die Verwaltung in der
Praxis handhabbare Rechtsfolge zur Korrektur konkret bekannt
gewordener häufig praktizierter Gestaltungen anzuordnen.
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c) Schließlich trägt auch der
Einwand der Klägerin nicht, § 42 AO könne im
Streitfall deshalb nicht angewendet werden, weil dessen Anwendung
eine verfassungsrechtlich unzulässige rückwirkende
Anwendung von § 8b Abs. 10 KStG i.d.F. des UntStRefG 2008
bewirke. Denn im Streitfall soll nicht § 8b Abs. 10 KStG
i.d.F. des UntStRefG 2008 rückwirkend angewendet werden,
vielmehr sind allein die Voraussetzungen des bereits im
Streitzeitraum gültigen § 42 AO zu prüfen.
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4. Für den zweiten Rechtsgang (s. zu 3.)
weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Für die Beurteilung des Vorliegens
einer unangemessenen Gestaltung dürfte der Umstand wesentlich
sein, ob die Absicherung des Wertpapierdarlehens durch die
Übertragung der britischen Aktien auch außersteuerliche
Gründe gehabt hat. Denn hat eine Gestaltung überhaupt
keinen über die Verschaffung eines Steuervorteils
hinausgehenden eigenen wirtschaftlichen Zweck, ist dies ein
gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer
missbräuchlichen Gestaltung (s. BFH-Urteile vom 08.03.2017 - IX R 5/16, BFHE
257, 211, BStBl II 2017, 930 = SIS 17 08 92, Rz 17; vom
12.06.2018 - VIII R
32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221 = SIS 18 13 93, Rz 19;
Senatsurteil vom 17.11.2020 - I R 2/18, BFHE 271, 330, BStBl II
2021, 580 = SIS 21 08 90, Rz 28).
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b) Für das Fehlen eines über die
Verschaffung eines Steuervorteils hinausgehenden Grundes für
die Sicherheitengestellung spricht jedenfalls, dass wegen der
Gegenläufigkeit der zeit- und betragsgleich abgeschlossenen
Wertpapierpensionsgeschäfte und der
Wertpapierdarlehensgeschäfte kein abzusicherndes Risiko
für die von der Klägerin überlassenen Wertpapiere
erkennbar ist. Ferner spricht die vereinbarte Höhe der von der
Klägerin für die Sicherheitengestellung zu zahlenden
„Arrangierungsgebühr“ in Höhe
von 2,2 % der vereinnahmten Dividenden dafür, dass die
Sicherheitengestellung allein zur Verschaffung eines Steuervorteils
vereinbart wurde. Denn letztlich erhält die Bank
wirtschaftlich deshalb, weil die Bemessungsgrundlage der
Gebühr die vereinnahmten Dividenden (und nicht etwa die
überlassenen Sicherheiten) sind, eine Provision aus dem
generierten Steuervorteil der Klägerin, dem tatsächlich
nicht entstandenen steuerlichen Verlust. Schließlich spricht
dafür, dass es den Beteiligten nicht auf eine Absicherung der
geschlossenen Wertpapierdarlehensgeschäfte ankam, die Art und
Weise, wie die Klägerin von der ihr gewährten
Möglichkeit zum Austausch von Sicherheiten Gebrauch gemacht
hat. Denn sie nahm die Auswahl der Aktien allein unter dem
Gesichtspunkt vor, ob zeitnah eine Ausschüttung anstand, und
ihre Rückgabe danach, ob die Ausschüttung erfolgt ist.
Dies belegt, dass es ihr bei der Auswahl allein um die Generierung
eines möglichst hohen steuerlichen Verlustes ging und nicht um
den Erhalt einer möglichst effektiven und werthaltigen
Sicherheit.
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c) Durch das FG zu prüfen bleibt, ob die
Besicherung der Wertpapierdarlehen durch die Übertragung der
britischen Aktien tatsächlich (auch) deshalb erfolgt ist, weil
sich insoweit versicherungs(aufsichts)rechtliche Vorteile für
die Klägerin ergeben haben, für die sie bereit gewesen
ist, im Streitjahr Arrangierungsgebühren in Höhe von
… EUR zu zahlen.
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d) Als außersteuerlicher Grund nicht
tragend sein dürfte hingegen der von der Klägerin
vorgetragene Umstand, dass die von ihr abgeschlossenen
Geschäfte (Wertpapierpensionsgeschäfte, gegenläufige
Wertpapierdarlehensgeschäfte sowie Sicherheitengestellung),
wenn man sie gemeinsam betrachtet, einen handelsrechtlichen Gewinn
erzielt haben. Denn auch bei verbundenen Geschäften kann jedes
Geschäft einzeln auf das Vorliegen eines Missbrauchs der
Gestaltungsmöglichkeiten untersucht werden. Die
Sicherheitengestellung hat bei isolierter Betrachtung nach den
bisherigen Feststellungen des FG - abgesehen von der Generierung
eines Steuervorteils - ausschließlich Aufwand in Höhe
der gezahlten
„Arrangierungsgebühren“ von
… EUR verursacht und könnte damit für die
Klägerin wirtschaftlich lediglich nachteilig gewesen sein.
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e) Sollte das FG keine außersteuerlichen
Gründe für die Besicherung der
Wertpapierdarlehensgeschäfte feststellen können,
dürfte in der vereinbarten Sicherheitengestellung eine
missbräuchliche Gestaltung zu sehen sein. Denn die Besicherung
hätte dann allein dem Zweck gedient, die mit den vereinnahmten
Dividenden im Zusammenhang stehenden Beteiligungsaufwendungen, die
der Gesetzgeber zur Vermeidung von Nachweisschwierigkeiten
typisierend auf 5 % der Dividenden bestimmt hat (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07,
BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57, Rz 60), mittels Einschaltung einer
Körperschaft, die nach § 8b Abs. 7 KStG von der Anwendung
des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG ausgenommen ist, künstlich in
einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Weise auf einen Anteil von 100
% der Dividenden zu erhöhen mit der Folge, dass der
Klägerin entgegen dem in § 3c EStG zum Ausdruck
gekommenen steuerlichen Grundsatz, dass Aufwendungen nicht
abgezogen werden dürfen, die im Zusammenhang mit steuerfreien
Einnahmen stehen (s. BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07,
BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57, Rz 60), der Abzug entsprechender
Aufwendungen in erheblichem Umfang (nämlich im
wirtschaftlichen Ergebnis in Höhe von 95 % der vereinnahmten
Dividenden) möglich wäre.
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5. Inwieweit die von der Klägerin
gerügten Verfahrensfehler vorliegen, kann dahinstehen, da das
Verfahren bereits aus materiellen Gründen an das FG
zurückzuverweisen ist.
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung
folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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