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Umgekehrte Betriebsaufspaltung und erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG

Umgekehrte Betriebsaufspaltung und erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG: 1. Aus einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden. - 2. Das Durchgriffsverbot gilt bei der Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft auch im Fall der mittelbaren Beteiligung der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft (Abgrenzung zu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.9.2021 - IV R 7/18, BFHE 274 S. 218, BStBl 2022 II S. 767 = SIS 22 00 92). - Urt.; BFH 22.2.2024, III R 13/23; SIS 24 07 29

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gesellschaften > Betriebsaufspaltung
Fundstellen
  1. BFH 22.02.2024, III R 13/23 (ECLI:DE:BFH:2024:U.220224.IIIR13.23.0)
    BStBl 2024 II S. 487
    DStR 2024 S. 1078

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 4.6.2024
    Adam in StBB 6/2024 S. 7
    G. Bodden in NWB 19/2024 S. 1303
    J. H. in StuB 10/2024 S. 405
    G. Nöcker in FR 14/2024 S. 677
    J. Schiffers in DStZ 12/2024 S. 428
    R. Wendl in BFH/PR 8/2024 S. 225
    -/- in GmbH-Stpr 9/2024 S. 279
Normen
[GewStG i.d.F. vom 25.7.2014] § 9 Nr. 1 Satz 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG München, 17.04.2023, SIS 23 10 91, Gewerbesteuer, Betriebsaufspaltung, Gewerbliche Einkünfte, Vermögensverwaltung, Kürzung, Personelle Verflechtung
Fachaufsätze
  • LIT 05 05 32 K. Broemel/H. Wierenberg, DStR 32/2024 S. 1795: BFH bestätigt Durchgriffsverbot bei Kapitalgesellschaften - Lit.; K. Broemel/H. Wierenberg, DStR 32/2024 ...
Anmerkung RiBFH Dr. Adam

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 17.04.2023 - 7 K 434/19 = SIS 23 10 91 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) im Jahr 2015 (Streitjahr) die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Anspruch nehmen kann.

 

 

2

Die Klägerin ist eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH. An ihrem Stammkapital waren im Streitjahr bis zum 04.11.2015 zu 47,62 % F und zu 52,38 % die Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in X (EB GmbH) beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der EB GmbH ist die F GmbH & Co. KG mit Sitz in X (F-KG), deren Kommanditkapital vollständig von der F Holding GmbH mit Sitz in X (FH GmbH) gehalten wird. Alleingesellschafter der FH GmbH war bis zum 04.11.2015 F. Komplementär der F-KG war die F Beteiligungsgesellschaft mbH. Die F-KG hält außerdem 100 % der Anteile an der A GmbH. Mit Wirkung zum 05.11.2015 übertrug F seine Anteile an der Klägerin sowie an der FH GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf A.

 

 

3

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der F-KG mietweise Teilflächen (1.740 m²) des Grundstücks in X. Dieser Gebäudebereich wird von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der F-KG genutzt. Ab 2015 wurden die beschriebenen Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A GmbH an die F-KG überlassen.

 

 

4

Die Klägerin wendete auf ihren Gewerbeertrag im Streitjahr die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG an. Nach einer Außenprüfung für die Erhebungszeiträume 2013 bis 2015 vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der F-KG vorläge und daher die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung nicht gegeben seien. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) folgte den Feststellungen und setzte mit Bescheid vom 23.01.2019 den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 - ohne Berücksichtigung der erweiterten Kürzung - auf 257.215 EUR fest. Dagegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Sprungklage, der das FA zugestimmt hat.

 

 

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom 17.04.2023 statt. Es änderte den Bescheid vom 23.01.2019 dahingehend, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2015 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Höhe von 7.349.009 EUR festgesetzt wird.

 

 

6

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

7

Das FA beantragt,

 

das Urteil des FG München vom 17.04.2023 - 7 K 434/19 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

8

Die Klägerin beantragt,

 

die Revision zurückzuweisen.

 

 

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht wegen des Bestehens einer Betriebsaufspaltung ausgeschlossen ist.

 

 

10

1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Kürzung).

 

 

11

a) § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG will den nur kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielenden Unternehmen die erweiterte Kürzung gewähren, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, ihre Tätigkeit insoweit also nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.09.2018 - GrS 2/16, BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262 = SIS 19 02 19, Rz 91). Zweck ist damit die Gleichbehandlung dieser Unternehmen mit Steuerpflichtigen, die als Einzelunternehmer oder in der Rechtsform einer Personengesellschaft Grundstücksverwaltung betreiben (BFH-Urteil vom 18.04.2000 - VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359 = SIS 00 10 89, unter II.2., m.w.N.; Senatsbeschluss vom 01.06.2022 - III R 3/21, HFR 2022, 1048 = SIS 22 14 57, Rz 15).

 

 

12

Bei einer Betriebsaufspaltung ist der Zweck der sogenannten Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird deshalb als gewerbliche Tätigkeit beurteilt, die eine erweiterte Kürzung ausschließt (ständige Rechtsprechung, grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 08.11.1971 - GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 = SIS 72 00 39, unter V.3.; vgl. z.B. auch BFH-Urteile vom 29.03.1973 - I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686 = SIS 73 03 69, unter 2.b; vom 22.02.2005 - VIII R 53/02, BFH/NV 2005, 1624 = SIS 05 37 77, unter II.1.; vom 22.06.2016 - X R 54/14, BFHE 254, 354, BStBl II 2017, 529 = SIS 16 19 78, Rz 21 und vom 20.05.2021 - IV R 31/19, BFHE 272, 367, BStBl II 2021, 768 = SIS 21 13 75, Rz 19).

 

 

13

Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sachlich und personell miteinander verflochten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 08.11.1971 - GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 = SIS 72 00 39, unter V.3.; BFH-Urteile vom 19.07.1994 - VIII R 75/93, BFH/NV 1995, 597 = SIS 95 10 14; vom 17.11.2020 - I R 72/16, BFHE 271, 390, BStBl II 2021, 484 = SIS 21 07 68, Rz 18). Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen (BFH-Urteil vom 28.01.2015 - I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109 = SIS 15 15 33, Rz 13). Bei einem nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisierten Besitzunternehmen ist ein solcher anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 08.11.1971 - GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 = SIS 72 00 39, unter V.4.; BFH-Urteile vom 28.05.2020 - IV R 4/17, BFHE 269, 149, BStBl II 2020, 710 = SIS 20 12 50, Rz 24 und vom 16.09.2021 - IV R 7/18, BFHE 274, 218, BStBl II 2022, 767 = SIS 22 00 92, Rz 28). Ist eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen, kommt es darauf an, ob diese selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 28.01.2015 - I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109 = SIS 15 15 33, Rz 13). Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ist nicht zulässig (sogenanntes Durchgriffsverbot, vgl. BFH-Urteile vom 01.08.1979 - I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77 = SIS 80 00 47, unter 1.c und vom 22.10.1986 - I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117 = SIS 87 05 40, unter 1.b; Senatsurteile vom 20.05.1988 - III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739 = SIS 88 17 12, unter 3.b und vom 16.09.1994 - III R 45/92, BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75 = SIS 95 01 31, unter II.3.e aa (2)).

 

 

14

Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden (z.B. BFH-Urteile vom 16.05.2013 - IV R 54/11, BFH/NV 2013, 1557 = SIS 13 25 11, Rz 32 und vom 24.09.2015 - IV R 9/13, BFHE 251, 227, BStBl II 2016, 154 = SIS 15 28 92, Rz 19).

 

 

15

b) Im Streitfall verwaltet die Klägerin Immobilien und übt damit keine originär gewerbliche Tätigkeit aus. Die Tätigkeit der Klägerin ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung als originär gewerblich anzusehen, da die erforderliche personelle Verflechtung nicht gegeben ist.

 

 

16

aa) Eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft liegt nicht vor, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50 % unmittelbar (BFH-Urteil vom 22.10.1986 - I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117, 3 = SIS 87 05 40. Leitsatz) oder mittelbar (BFH-Urteil vom 28.01.2015 - I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109 = SIS 15 15 33, Rz 14; Senatsbeschluss vom 26.02.1998 - III B 170/94, BFH/NV 1998, 1258 = SIS 98 17 39, unter 2.) an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Der Besitzkapitalgesellschaft können weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen (BFH-Urteil vom 22.06.2016 - X R 54/14, BFHE 254, 354, BStBl II 2017, 529 = SIS 16 19 78, Rz 25; Senatsbeschluss vom 26.02.1998 - III B 170/94, BFH/NV 1998, 1258 = SIS 98 17 39, unter 2.).

 

 

17

Das Durchgriffsverbot auf von dem oder den Gesellschafter(n) verwirklichte Tatbestände folgt aus dem Prinzip der Trennung (Verselbständigung) der Kapitalgesellschaft von der Person oder dem Kreis ihrer Gesellschafter (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.1962 - 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, unter III.3), welches es nicht zulässt, im Rahmen der Besteuerung der Besitzkapitalgesellschaft für die Frage, ob ein einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille hinsichtlich der Tätigkeit der Betriebsgesellschaft besteht, auf die Anteilsinhaberschaft beziehungsweise Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft abzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 01.08.1979 - I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77 = SIS 80 00 47, unter 1.c und vom 22.10.1986 - I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117 = SIS 87 05 40, unter 1.b). Dieses Prinzip unterscheidet die Kapitalgesellschaften von den Personengesellschaften, so dass eine Gleichbehandlung von Besitzkapitalgesellschaften und Besitzpersonengesellschaften nicht geboten ist (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2021 - IV R 7/18, BFHE 274, 218, BStBl II 2022, 767 = SIS 22 00 92, Rz 41).

 

 

18

Im Streitfall war die Klägerin (Besitz-GmbH) weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50 % an der F-KG als Betriebsunternehmen beteiligt.

 

 

19

bb) Eine originär gewerbliche Tätigkeit der Klägerin ergibt sich im Streitfall auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung.

 

 

20

(1) Bei einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung wird nicht die Betriebsgesellschaft durch die Besitzkapitalgesellschaft, sondern die Besitzkapitalgesellschaft durch die Betriebsgesellschaft beherrscht (vgl. Senatsbeschluss vom 26.03.1993 - III S 42/92, BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723 = SIS 93 14 26, unter II.2. c cc (1) (1.2)); Senatsurteil vom 16.09.1994 - III R 45/92, BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75 = SIS 95 01 31, unter II.3.d; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 2 Rz 350).

 

 

21

Die Rechtsprechung hat das Vorliegen einer umgekehrten Betriebsaufspaltung herangezogen, um im Zusammenhang mit Steuervergünstigungen und Investitionszulagen zu entscheiden, ob die Zugehörigkeits-, Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzungen in einer Betriebsstätte erfüllt sind (z.B. BFH-Urteil vom 29.11.2007 - IV R 82/05, BFHE 220, 98, BStBl II 2008, 471 = SIS 08 17 93, unter II.2.c; Senatsurteil vom 22.02.1996 - III R 91/93, BFHE 180, 293, BStBl II 1996, 428 = SIS 96 16 36, unter II.1.c aa). Insoweit sah bereits die Verwaltung die personenbezogenen Bindungsvoraussetzungen als erfüllt an, obwohl das Besitzunternehmen die Wirtschaftsgüter dem Betriebsunternehmen zur Nutzung in dessen Betrieb oder Betriebsstätte überlassen hat (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10.12.1985 - IV B 2 - InvZ 1200 - 6/85, IV B 2 - S 1900 - 25/85, BStBl I 1985, 683 = SIS 86 02 47, unter III.5.). Die von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung zugelassene Übertragung von durch das Betriebsunternehmen verwirklichten Merkmalen auf das Besitzunternehmen diente dabei dazu, einen Ausschluss der Steuervergünstigung oder Investitionszulage in den Fällen zu vermeiden, in denen die Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebes auf zwei Rechtsträger und damit zwei Betriebe aufgeteilt sind (Senatsurteil vom 20.05.1988 - III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739 = SIS 88 17 12, unter 3.a). Nicht dagegen wurde die umgekehrte Betriebsaufspaltung herangezogen, um zu begründen, dass eine ausschließlich vermögensverwaltend tätige Besitzkapitalgesellschaft originär gewerblich tätig ist.

 

 

22

(2) Aus einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden (Neu/Hamacher, Der Konzern 2013, 583, 598 f.). Es schließt aus, bei der Besteuerung der Besitzkapitalgesellschaft (hier der Klägerin) auf die Verhältnisse ihres Gesellschafters oder ihrer Gesellschafter (zunächst F, dann A zu 47,62 % und die EB GmbH zu 52,38 %) abzustellen.

 

 

23

Erst recht lässt sich aus der mittelbaren Beteiligung einer Betriebspersonengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft eine personelle Verflechtung nicht ableiten. Denn auch insoweit läge ein Durchgriff auf die unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft vor.

 

 

24

Damit weicht der Senat nicht von dem BFH-Urteil vom 16.09.2021 - IV R 7/18 (BFHE 274, 218, BStBl II 2022, 767 = SIS 22 00 92) ab, in dem der IV. Senat unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr davon ausgeht, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist. Anders als in dem der Entscheidung vom 16.09.2021 - IV R 7/18 (BFHE 274, 218, BStBl II 2022, 767 = SIS 22 00 92) zugrunde liegenden Sachverhalt steht im Streitfall die Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft in Rede.

 

 

25

(3) Die erweiterte Kürzung ist nach diesen Grundsätzen im Hinblick auf das Durchgriffsverbot nicht ausgeschlossen, auch wenn die EB GmbH mehrheitlich an der Klägerin beteiligt war und alleinige Gesellschafterin der EB GmbH die das streitgegenständliche Grundstück nutzende F-KG (Betriebsgesellschaft) war.

 

 

26

2. Soweit das FG weiter entschieden hat, dass auch § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

 

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

Anmerkung RiBFH Dr. Adam

Mit dem vorliegenden Urteil hat der BFH das klagestattgebende Urteil des FG München v. 17.4.2023 7 K 434/19 = SIS 23 10 91 (EFG 2023, 1152) und insbesondere dessen Abgrenzung vom BFH, Urteil v. 16.9.2021 - IV R 7/18 = SIS 22 00 92 (BFHE 274, 218) bestätigt. Die vorstehend genannten Urteile sind ein Beleg dafür, dass sich bei dem gesetzlich nicht näher geregelten und vom BVerfG als zulässige Rechtsfortbildung angesehenen Institut der Betriebsaufspaltung (vgl. Nachweise im BFH, Urteil v. 10.5.2016 - X R 5/14 = SIS 16 25 53, HFR 2017, 32 mit Anm. Nöcker und seit 2014 im Gesetz § 50 i Abs. 1 Satz 4 EStG) noch immer nicht hinreichend geklärte Probleme stellen. Dieser Befund gilt auch für die in nur wenigen BFH-Entscheidungen thematisierte "umgekehrte Betriebsaufspaltung". Bei ihr liegt eine im Vergleich zu einer "normalen" Betriebsaufspaltung "umgekehrte personelle Verflechtung" in dem Sinne vor, dass die Besitzgesellschaft, die der Betriebsgesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage überlässt (sachliche Verflechtung), von der Betriebsgesellschaft beherrscht wird; im Gegensatz zum Normalfall wird hier also nicht die Betriebsgesellschaft beherrscht (vgl. Rz 20 mit Fundstellen).

 

Ein klassischer Anwendungsbereich für die Frage, ob infolge einer Betriebsaufspaltung nicht mehr nur eine vermögensverwaltende, sondern eine gewerbliche Tätigkeit gegeben ist, ist die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zur erweiterten Kürzung bei eigenem Grundbesitz (vgl. dazu ausführlich Burbaum/Wessels, Grundlagen vom 4.10.2023, m.w.N.). Der BFH hat im Besprechungsurteil entschieden, dass eine die erweiterte Kürzung ausschließende gewerbliche Tätigkeit einer Besitzkapitalgesellschaft nicht aus einer umgekehrten Betriebsaufspaltung abgeleitet werden kann, und das mit dem bei einer Besitzkapitalgesellschaft geltenden sog. Durchgriffsverbot begründet (vgl. 1. Leitsatz und Rz 22; zum Durchgriffsverbot s. auch Rz 13, 16 f.). Dieses gilt "auch" (so 2. Leitsatz, Rz 23: "erst recht") im Fall einer nur mittelbaren Beteiligung einer Betriebspersonengesellschaft an einer Besitzkapitalgesellschaft.

 

Angemerkt sei noch, dass es für das Verständnis des Urteils und der darin verwendeten Begriffe der umgekehrten Betriebsaufspaltung, der Besitzkapitalgesellschaft und der Betriebspersonengesellschaft hilfreich sein dürfte, stets im Blick zu behalten, dass der BFH das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung im Streitfall mangels personeller Verflechtung verneint hat (vgl. den Obersatz in Rz 15 und zur umgekehrten Betriebsaufspaltung Rz 19 ff.).

 

Abschließender Hinweis: Die Anzahl der Revisionsverfahren zur erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist nach wie vor beachtlich. Beim III. Senat ist derzeit z.B. noch das zur Entscheidung anstehende Verfahren III R 26/21 anhängig (Revision gegen das Urteil des FG Münster v. 11.5.2021 9 K 2274/19 G = SIS 21 14 58, EFG 2021, 1567, vgl. die Anmerkung von Meding/Müller, Versagung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, sofern der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb einer Mitunternehmerschaft des Gesellschafters dient, NWB 35/21).