1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) unterhielt in den
Streitjahren 2000 und 2001 festverzinsliche Kapitalanlagen bei
einem Herrn X. Dieser gab gegenüber der Klägerin und
weiteren Anlegern vor, Geschäftskontakte nach Irland zu
unterhalten, aufgrund derer er für an ihn ausgereichte
Darlehen eine hohe Verzinsung gewähren könne.
|
|
|
2
|
Die zwischen der Klägerin als
Darlehensgeberin und X abgeschlossenen zeitlich aneinander
anknüpfenden Darlehensvereinbarungen sahen jeweils vor, dass
die Laufzeit eines Darlehens drei Monate betragen und die gesamten
Zinsen zum Ende der Laufzeit fällig werden sollten.
|
|
|
3
|
Im Streitjahr 2000 endete zum 14.2.2000 das
am 15.11.1999 abgeschlossene erste Darlehen über eine Summe in
Höhe von 20.000 DM. Die Verzinsung belief sich auf 20 %,
mithin auf 4.000 DM. Zum 15.2.2000 vereinbarte die Klägerin
mit X nach dessen Vorschlag ein anschließendes Darlehen
über 35.000 DM zu einem Zinssatz von 20 %, das zum 14.5.2000
enden sollte. Um die Darlehenssumme aufzubringen, zahlte die
Klägerin an X einen Aufstockungsbetrag in Höhe von 11.000
DM, im Übrigen wurden die ursprüngliche Darlehenssumme
und die Zinsen aus dem ersten Darlehen (20.000 DM und 4.000 DM) von
der Klägerin stehengelassen.
|
|
|
4
|
In der Folge kam es im Streitjahr 2000
jeweils zur vollständigen Wiederanlage der fällig
werdenden Zinsen und Darlehensbeträge, teilweise unter
weiterer Aufstockung der Darlehensbeträge bei Wiederanlage. X
teilte der Klägerin in den folgenden Schreiben die Höhe
der von ihr erzielten Zinserträge mit:
|
|
|
5
|
Schreiben des X an die Klägerin
vom
|
Gutgeschriebene Zinsbeträge
|
Fälligkeit der Zinsen
|
|
|
28.04.2000
|
7.000 DM
|
14.05.2000
|
|
|
27.07.2000
|
10.000 DM
|
14.08.2000
|
|
|
10.11.2000
|
14.000 DM
|
14.11.2000
|
|
|
|
|
6
|
Im Streitjahr 2001 erteilte X der
Klägerin folgende Gutschriften:
|
|
|
|
|
|
|
7
|
Schreiben des X an die Klägerin vom
|
Gutgeschriebene Zinsbeträge
|
Fälligkeit der Zinsen
|
|
|
14.02.2001
|
21.000,00 DM
|
14.02.2001
|
|
|
29.04.2001
|
26.250,00 DM
|
14.05.2001
|
|
|
11.08.2001
|
32.812,50 DM
|
14.08.2001
|
|
|
23.11.2001
|
33.515,63 DM
|
14.11.2001
|
|
|
23.11.2001
|
6.500,00 DM
|
14.11.2001
|
|
|
|
8
|
Die Klägerin teilte dem X in einer
E-Mail vom 2.5.2001 mit, sie begehre die Auszahlung eines Betrags
aus dem zum 14.5.2001 auslaufenden Darlehen in Höhe von 30.000
DM, wünsche die Wiederanlage des Restbetrags und gab X ihre
Kontonummer für die Auszahlung bekannt. X antwortete in
Schreiben vom 8. Mai und 12.5.2001, bezüglich der Wiederanlage
könne er ihr nur einen Zinssatz von 25 % garantieren, wenn es
zur Wiederanlage des Gesamtbetrags des letzten Darlehens komme. Er
bitte, den Auszahlungswunsch bis zum 15.8.2001 zu verschieben, dann
könne er bei einer Neuanlage auch wieder Zinsen in Höhe
von 25 % gewähren.
|
|
|
9
|
Die Klägerin schloss daraufhin mit X
einen Darlehensvertrag über die Gesamtsumme aus den zum
14.5.2001 fälligen Zinsen und der Darlehenssumme zu einem
Zinssatz von 25 % für die Zeit vom 15.5.2001 bis zum
14.8.2001. Die Zinsen waren zum Ende der Laufzeit fällig. In
den Vertrag wurde ferner aufgenommen, dass die Klägerin zum
15.8.2001 eine Auszahlung in Höhe von 30.000 DM angemeldet
habe, die keine nachteilige Auswirkung auf die weitere
Zinsgestaltung haben solle. Im August bat X die Klägerin im
Hinblick auf den verschobenen Auszahlungsbetrag in Höhe von
30.000 DM, ihm die Kontonummer ihres Direktanlagekontos zuzusenden.
Er weise darauf hin, dass er das Geld bei seinen irischen
Geschäftspartnern anfordern werde, internationale
Überweisungen während der Euro-Umstellung aber
länger dauern könnten und sie sicher sein könne, das
Geld bis Ende August/Anfang September 2001 zu erhalten.
|
|
|
10
|
In der Folge kam es jedoch nicht zur
Auszahlung des zum 14.8.2001 fälligen Betrags von 30.000 DM. X
teilte der Klägerin in einer E-Mail vom 15.9.2001 mit, er
müsse im Nachgang der Ereignisse des 11. Septembers 2001 nach
Irland reisen. In einer E-Mail vom 25.9.2001 schrieb er an die
Klägerin, er müsse ein geplantes Treffen
krankheitsbedingt absagen und könne Irland nicht verlassen. In
einem Schreiben vom 19.10.2001, das X zur Vorbereitung eines
Treffens mit der Klägerin verfasste, entschuldigte er sich
für die von ihm verursachten Verzögerungen der Auszahlung
und machte der Klägerin zur Kompensation den Vorschlag, den
geschuldeten Auszahlungsbetrag in Höhe von 30.000 DM
rückwirkend vom 15.8.2001 bis zum 14.11.2001 zu einem Zinssatz
von 25 % als wiederangelegt zu betrachten.
|
|
|
11
|
X und die Klägerin vereinbarten
daraufhin mit Darlehensvertrag vom 19.10.2001 ein
rückbezogenes Darlehensverhältnis mit einer Laufzeit vom
15.8.2001 bis zum 14.11.2001 über eine Darlehenssumme von
30.000 DM zu einem Zinssatz von 25 %. Die Zinsen sollten zum Ende
der Laufzeit fällig sein. Bei Vertragsabschluss erhielt die
Klägerin 20.000 DM vereinbarungsgemäß als vorab
fällige Rückzahlung der Darlehenssumme in bar ausgezahlt.
Wegen dieser Vorabrückzahlung der Anlagesumme wurde ein
Zinsabschlag in Höhe von 1.000 DM vereinbart, d.h. statt der
sich für die Laufzeit rechnerisch ergebenden Zinsen in
Höhe von 7.500 DM sollte die Klägerin Zinsen in Höhe
von 6.500 DM erhalten.
|
|
|
12
|
Den Zinsbetrag in Höhe von 6.500 DM
und die Darlehenssumme in Höhe von 10.000 DM, die zum
14.11.2001 fällig wurden, legte die Klägerin im Rahmen
eines Darlehens mit einer Laufzeit vom 15.11.2001 bis zum 14.2.2002
erneut an.
|
|
|
13
|
Nach einem Schreiben des X vom 23.11.2001
hatte die Klägerin zum November 2001 einen weiteren
Auszahlungswunsch über 30.000 DM geltend gemacht. Diesen
Betrag zahlte X an die Klägerin nach den Feststellungen des FG
ebenfalls aus.
|
|
|
14
|
X wurde im August 2002 festgenommen und
später strafrechtlich verurteilt. Er leistete noch im Jahr
2002 Auszahlungen an verschiedene Anleger.
|
|
|
15
|
Die Klägerin, die in den Streitjahren
als Innenarchitektin u.a. Einkünfte aus selbständiger
Arbeit erzielte, gab in den Steuererklärungen für die
Streitjahre jeweils an, Einkünfte aus Kapitalvermögen in
Höhe von weniger als 3.100 DM erzielt zu haben. Die
Steuererklärungen wurden unter Mitwirkung eines Steuerberaters
gefertigt. Die Steuererklärung für das Streitjahr 2000
reichte sie am 14.8.2002 und für 2001 am 23.10.2003 beim
damals zuständigen Finanzamt Y ein. Die anschließend
ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre
enthielten keine Festsetzungen zu Einkünften aus
Kapitalvermögen und wurden bestandskräftig.
|
|
|
16
|
Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z
forderte die Klägerin mit Schreiben vom 5.12.2007 im Rahmen
eines gegen sie für den Zeitraum 1996 bis 2002 gerichteten
Steuerermittlungsverfahrens auf, über Zinseinkünfte aus
der Geschäftsbeziehung mit X Auskunft zu geben.
|
|
|
17
|
Auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses
der Steuerfahndungsstelle ergingen am 4.8.2009 jeweils
gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung
(AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für die
Streitjahre, in denen Einnahmen der Klägerin aus
Kapitalvermögen für 2000 in Höhe von 35.000 DM und
für 2001 in Höhe von 90.182 DM angesetzt wurden.
Während des folgenden Einspruchsverfahrens erließ das
Finanzamt Y am 17.5.2010 einen gemäß § 173 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für
das Streitjahr 2001, in dem es nach Verböserungshinweis die
Einnahmen aus Kapitalvermögen auf 120.078 DM erhöhte. Der
Einspruch wurde vom nunmehr zuständig gewordenen Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) zurückgewiesen.
|
|
|
18
|
Das Finanzgericht (FG) wies die
anschließend erhobene Klage ab. Die Entscheidung ist in EFG
2013, 1391 = SIS 13 20 90 veröffentlicht.
|
|
|
19
|
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision. Sie rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts
und eines Verfahrensfehlers des FG.
|
|
|
20
|
Das FG habe keine Feststellungen getroffen,
aus denen abgeleitet werden könne, dass X in den Streitjahren
leistungsbereit und leistungsfähig gewesen sei. Im Strafurteil
des Landgerichts Z gegen X vom 9.1.2006 sei festgestellt worden,
dieser habe spätestens seit Anfang 1997 das eingenommene Geld
nicht mehr an seine Gläubiger zurückzahlen können.
Er habe ab September oder Oktober 2001 das von Darlehensgebern
erhaltene Geld nur noch für seinen Lebensunterhalt und
vereinzelte Zinszahlungen verwendet.
|
|
|
21
|
Der rechtliche Standpunkt des FG, die
Klägerin habe sich massiv um eine Rückzahlung des
Kapitals bemühen müssen und dies nicht intensiv genug
getan, weshalb X als leistungsbereiter und leistungsfähiger
Schuldner anzusehen sei, sei nicht zutreffend. Es handele sich bei
der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Schuldners um
eine von der Finanzverwaltung für den Zufluss nachzuweisende
Voraussetzung, zu der das FG keine tragenden Feststellungen
getroffen habe. Es habe sich zur Werthaltigkeit der Forderung der
Klägerin gegen X nicht geäußert.
|
|
|
22
|
Das FG habe auch keine hinreichenden
Feststellungen getroffen, um eine leichtfertige
Steuerverkürzung der Klägerin bejahen zu können. Die
Klägerin habe einen Steuerberater bei Erstellung der
Einkommensteuererklärungen einbezogen. Damit habe sie alles
getan, was die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfordert
habe.
|
|
|
23
|
Dem FG sei ein Verfahrensfehler
unterlaufen. In den Prozessakten finde sich ein Aktenvermerk der
Steuerfahndungsstelle Z vom 21.12.2007, aus dem sich ergebe, X sei
im Streitzeitraum nicht mehr in der Lage gewesen, die Darlehen und
Zinsforderungen zu bedienen. Eine weitere Aufklärung des
Sachverhalts von Amts wegen durch das FG sei jedoch
unterblieben.
|
|
|
24
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG Köln vom 13.3.2013 10 K
2820/12 (EFG 2013, 1391 = SIS 13 20 90) und die
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 vom 4.8.2009 und
2001 vom 17.5.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
15.8.2012 aufzuheben.
|
|
|
25
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
26
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
27
|
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden,
dass die Klägerin in Höhe der von X bescheinigten und von
ihr wiederangelegten Zinserträge in den Streitjahren Einnahmen
aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat. X war entgegen der
Auffassung der Klägerin in beiden Streitjahren leistungsbereit
und leistungsfähig. Der Zufluss der in den
Steuererklärungen der Klägerin für beide Streitjahre
nicht erklärten Zinseinkünfte stellte jeweils eine neue
Tatsache gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dar und
berechtigte das FA, die bestandskräftigen
Einkommensteuerbescheide der Streitjahre zu ändern. Die
Festsetzungsverjährung war für beide Streitjahre im
Zeitpunkt der Änderung der Bescheide noch nicht eingetreten.
Der behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor.
|
|
|
28
|
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) führen Gutschriften über
wiederangelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus
Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG (vgl. Senatsurteile
vom 14.12.2004 VIII R 5/02, BFHE 209, 423, BStBl II 2005, 739 = SIS 05 22 04, und VIII R 81/03, BFHE 209, 438, BStBl II 2005, 746 = SIS 05 22 05; vom 28.10.2008 VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl II
2009, 190 = SIS 08 41 00 - Verfassungsbeschwerde nicht angenommen:
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.7.2009 2 BvR 2525/08;
vom 16.3.2010 VIII R 4/07, BFHE 229, 141, BStBl II 2014, 147 = SIS 10 19 14), wenn der Schuldner der Erträge leistungsbereit und
leistungsfähig ist. Der Senat hat sich in der Entscheidung vom
11.2.2014 im Verfahren VIII R 25/12 (BFHE 244, 406, BStBl II 2014,
461 = SIS 14 11 47) mit den in Rechtsprechung und Schrifttum gegen
diese Rechtsprechung erhobenen Einwänden erneut
auseinandergesetzt und hält an seiner Rechtsprechung fest. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Senatsurteil in BFHE
244, 406, BStBl II 2014, 461 = SIS 14 11 47 Bezug genommen.
|
|
|
29
|
a) Eine Gutschrift in den Büchern des
Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift
nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuld zu sehen
ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass
der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur
Verfügung steht (Senatsurteile vom 14.2.1984 VIII R 221/80,
BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480 = SIS 84 13 19; vom 30.10.2001
VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138 = SIS 02 03 76; vom
18.12.2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643 = SIS 02 62 23; in BFHE
244, 406, BStBl II 2014, 461 = SIS 14 11 47).
|
|
|
30
|
b) Ein Zufluss kann alternativ durch die
Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden,
dass ein Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet
sein soll. In dieser Vereinbarung kann nach der gefestigten
Rechtsprechung des BFH (siehe grundlegend die
„Ambros-Entscheidung“ vom 10.7.2001 VIII R
35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646 = SIS 01 10 68) eine
Verfügung des Gläubigers über die bisherige
Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist,
als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung
beglichen (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger
den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen
Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur
Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrags
beim Gläubiger). Voraussetzung für den Zufluss des
aufgrund der Altforderung geschuldeten Betrags i.S. von § 11
Abs. 1 EStG ist in derartigen Fällen der Schuldumschaffung
(Novation) nach der Rechtsprechung allerdings, dass sich die
Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen
Verfügungsmacht des Gläubigers (Anlegers) über den
Gegenstand der Altforderung darstellt und auf dessen freien
Entschluss beruht.
|
|
|
31
|
c) Beide Formen stellen getrennt voneinander
zu prüfende Tatbestände dar, von denen jeder für
sich genommen ausreicht, um einen Zufluss zu bejahen. Es muss bei
beiden „Zuflusstatbeständen“ aber jeweils
die weitere Voraussetzung erfüllt sein, dass der
Gläubiger (der Anleger) im Zeitpunkt der Novation oder der
Gutschrift in den Büchern des Betreibers des Schneeballsystems
tatsächlich in der Lage gewesen ist, die Auszahlung ohne
weiteres Zutun des leistungsbereiten und leistungsfähigen
Schuldners herbeizuführen (vgl. Senatsurteile in BFHE 196,
112, BStBl II 2001, 646 = SIS 01 10 68; in BFHE 223, 166, BStBl II
2009, 190 = SIS 08 41 00; vom 19.6.2007 VIII R 63/03, BFH/NV 2008,
194 = SIS 08 07 54).
|
|
|
32
|
2. Auf dieser Grundlage hat das FG im Ergebnis
zutreffend entschieden, dass der Klägerin in den Streitjahren
die in den Änderungsbescheiden angesetzten Zinseinkünfte
zugeflossen sind (siehe unter II.2.a und b), da X leistungsbereit
und leistungsfähig war (siehe unter II.3.).
|
|
|
33
|
a) Im Streitjahr 2000 erzielte die
Klägerin aus den Darlehensvereinbarungen mit X insgesamt
Zinseinkünfte in Höhe von 35.000 DM.
|
|
|
34
|
aa) Hiervon entfielen Zinsen in Höhe von
4.000 DM auf das zum 14.2.2000 ausgelaufene Darlehen, die die
Klägerin umgehend im Rahmen einer Novation unter Abschluss
eines neuen Darlehensvertrags wieder anlegte. Der Zufluss der
Einnahmen beruhte auf der Wiederanlage der Zinseinnahmen. Diese
Wiederanlage wurde auch im Interesse der Klägerin vereinbart.
Die Interessenlage bestimmt sich maßgeblich danach, ob der
Gläubiger (hier: die Klägerin) die ihm zustehende
Wahlmöglichkeit zwischen Auszahlung der Renditen und deren
Wiederanlage ausübt, um fortan höhere Renditen erzielen
zu können (Senatsurteil in BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646 =
SIS 01 10 68). Letzteres war der Fall. Die Klägerin
wählte die Wiederanlage der Gesamtsumme zu einer Verzinsung in
Höhe von 20 % aus freien Stücken.
|
|
|
35
|
bb) Im Übrigen beruhte der Zufluss der
Kapitaleinnahmen im Streitjahr 2000 auf den Zinsgutschriften, die X
der Klägerin im Vorfeld jeder Wiederanlage erteilte. X
bescheinigte der Klägerin Zinsen aus dem zum 14.5.2000
auslaufenden Darlehen in Höhe von 7.000 DM, aus dem
anschließenden Darlehen zum 14.8.2000 in Höhe von 10.000
DM und aus dem zum 14.11.2000 auslaufenden Darlehen in Höhe
von 14.000 DM.
|
|
|
36
|
b) Im Streitjahr 2001 erteilte X der
Klägerin Zinsgutschriften zum 14.2.2001 in Höhe von
21.000 DM, zum 14.5.2001 in Höhe von 26.250 DM, zum 14.8.2001
über 32.812,50 DM sowie zum 14.11.2001 über 33.515,63 DM
und über 6.500 DM, mithin insgesamt über 120.078,13 DM.
Auf die Wiederanlagen dieser Beträge im Rahmen erneuter
Darlehensverträge kommt es für den Zufluss bei der
Klägerin nicht entscheidend an.
|
|
|
37
|
3. X war während beider Streitjahre als
leistungsbereiter (zahlungswilliger) und leistungsfähiger
(zahlungsfähiger) Schuldner anzusehen.
|
|
|
38
|
a) Der Zufluss von (Kapital-)Einnahmen i.S.
von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG durch bloße Gutschrift in den
Büchern des Schuldners oder durch sog. Novation kann nur dann
angenommen werden, wenn der Gläubiger (Steuerpflichtige) nach
den gesamten Umständen des Einzelfalles davon ausgehen durfte,
dass er, hätte er statt des „Stehenlassens“
des gutgeschriebenen Betrags und ggf. dessen
„Novation“ die Auszahlung gewählt, den
betreffenden Betrag vom Schuldner ohne weiteres Zutun ausgezahlt
bekommen hätte (Senatsurteil in BFHE 197, 126, BStBl II 2002,
138 = SIS 02 03 76).
|
|
|
39
|
b) Ob während des Zeitraums der Erteilung
von Gutschriften oder Vereinbarung von Wiederanlagen eine
Deckungslücke zwischen den dem Betreiber des Schneeballsystems
tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln
und den tatsächlich bestehenden Forderungen aller Anleger,
wenn diese hypothetisch auf einen Schlag zu befriedigen wären,
besteht, ist dabei für den Zufluss grundsätzlich
unbeachtlich. Aus einer solchen Deckungslücke lässt sich
für die Frage des Zuflusses von Erträgen jedenfalls so
lange nichts herleiten, wie das Schneeballsystem als solches
funktioniert, d.h. die Auszahlungsverlangen der Anleger ohne
Einschränkung bedient werden (Senatsurteile in BFHE 229, 141,
BStBl II 2014, 147 = SIS 10 19 14; in BFHE 244, 406, BStBl II 2014,
461 = SIS 14 11 47).
|
|
|
40
|
c) Vor Eintritt der generellen
Zahlungsunfähigkeit kann auf die fehlende
Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Betreibers des
Schneeballsystems jedoch aufgrund der Umstände des
Einzelfalles zu schließen sein. Dabei hat der Senat
insbesondere dem Umstand Bedeutung beigemessen, ob und inwieweit
der Betreiber des Schneeballsystems konkreten und berechtigten
(d.h. fälligen) Auszahlungsbegehren unverzüglich, nur
„schleppend“ (zögerlich) oder
überhaupt nicht nachkommt (Senatsurteil in BFHE 197, 126,
BStBl II 2002, 138 = SIS 02 03 76; vgl. auch Senatsurteil in BFHE
229, 141, BStBl II 2014, 147 = SIS 10 19 14). Ersteres spricht
für, die beiden letztgenannten Konstellationen sprechen gegen
einen Zufluss. Von einem nicht mehr leistungsbereiten und
leistungsfähigen Betreiber des Schneeballsystems kann zudem
ausgegangen werden, wenn dieser auf einen berechtigten
Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung
ablehnt und stattdessen über anderweitige
Zahlungsmodalitäten verhandelt (Senatsurteil in BFHE 197, 126,
BStBl II 2002, 138 = SIS 02 03 76).
|
|
|
41
|
Für die Annahme fehlender
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ist hingegen abweichend
von der Auffassung des FG nicht zu fordern, der Anleger müsse
vom Betreiber des Schneeballsystems die Auszahlung angeforderter
Beträge „massiv einfordern“ und der
Betreiber des Schneeballsystems diese verweigern. Der Senat
verlangt in den Fällen der Gutschrift und der Wiederanlage
für den Zufluss nur, der Anleger müsse die Auszahlung
dieser Erträge „ohne weiteres Zutun“
herbeiführen können. Wird ein berechtigter
Auszahlungswunsch des Anlegers hinsichtlich fälliger Zins-
oder Darlehensbeträge geäußert, ist somit für
die Prüfung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit
nicht erheblich, in welchem Umfang der Anleger Bemühungen
entfaltet, um seinen Auszahlungswunsch durchzusetzen, sondern wie
der Betreiber auf den Auszahlungswunsch reagiert, ob er - wie unter
II.2.c dargelegt - insbesondere die sofortige Auszahlung ablehnt,
stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten
verhandelt oder diesen verschleppt (Senatsurteile in BFHE 197, 126,
BStBl II 2002, 138 = SIS 02 03 76; in BFHE 229, 141, BStBl II 2014,
147 = SIS 10 19 14). Im Fall eines non-liquet trägt das FA die
Feststellungslast für den Umstand, ob der Betreiber des
Schneeballsystems noch leistungsbereit und leistungsfähig war
(Senatsurteil in BFHE 229, 141, BStBl II 2014, 147 = SIS 10 19 14).
|
|
|
42
|
e) Nach diesen Maßstäben ist auf
Grundlage der Feststellungen des FG dessen tatsächliche und
rechtliche Würdigung, X sei während beider Streitjahre
leistungsbereit und leistungsfähig gewesen, im Ergebnis aus
revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
|
|
|
43
|
aa) Während des gesamten Streitjahres
2000 hat die Klägerin keinen Auszahlungswunsch geltend
gemacht. Es ist für die Annahme der Leistungsbereitschaft und
-fähigkeit des X - wie oben unter II.3. angeführt - somit
im Grundsatz ausreichend, dass in diesem Streitjahr keine generelle
Zahlungsunfähigkeit des X festgestellt worden ist. Indizielle
Bedeutung kann - wenn die Auszahlung von
„Renditen“ wie im Streitfall nicht verlangt wird
- zwar auch das Zahlungsgebaren des Schuldners gegenüber
anderen Gläubigern erlangen. Erfüllt der Betreiber des
Schneeballsystems in den zu beurteilenden Zeiträumen
gegenüber anderen Gläubigern und Anlegern seine
(fälligen) Zahlungsverpflichtungen nicht, nur teilweise oder
nur zögerlich und sporadisch, so lässt dies - wenn nicht
besondere Umstände im Verhältnis des Anlegers zu dem
Betreiber des Schneeballsystems das Gegenteil nahe legen - den
Schluss zu, dass sich der Betreiber auch gegenüber diesem
Anleger (hier: der Klägerin) nicht anders verhalten hätte
(Senatsurteil in BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138 = SIS 02 03 76).
Das FG hat jedoch in für den Senat bindender Weise (§ 118
Abs. 2 FGO) festgestellt, X sei bis in das Jahr 2002 hinein
zahlungsfähig gewesen. Verweigerte oder verschleppte
Auszahlungen des X gegenüber konkreten anderen Anlegern hat
das FG für das Streitjahr 2000 ebenfalls nicht
festgestellt.
|
|
|
44
|
bb) Im Streitjahr 2001 war X trotz des
verschobenen Auszahlungswunsches der Klägerin ebenfalls als
leistungsbereit und leistungsfähig anzusehen.
|
|
|
45
|
aaa) Zwar hat die Klägerin im Mai 2001
die Auszahlung eines Teilbetrags in Höhe von 30.000 DM von ihm
verlangt und am 19.10.2001 hiervon nur einen Teilbetrag in
Höhe von 20.000 DM vereinnahmt. Sie hat ihren
Auszahlungswunsch aus dem Mai 2001 jedoch einvernehmlich mit X
zeitnah zur Fälligkeit der Zinsen und der Darlehenssumme am
14.5.2001 nach Hinweis des X auf schlechtere Zinskonditionen
für einen niedrigeren Wiederanlagebetrag verschoben und die
Wiederanlage des Gesamtbetrags der Zinsen und der Darlehenssumme
mit diesem vereinbart. Unbeachtlich ist, dass dieser Entschluss auf
einer Überredung durch X beruht hat. Die Leistungsbereitschaft
und -fähigkeit des Betreibers eines Schneeballsystems ist vor
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dessen
Vermögen zwar zweifelhaft, wenn dieser auf einen
Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung
ablehnt und stattdessen über anderweitige
Zahlungsmodalitäten verhandelt oder die Auszahlung verschleppt
(Senatsurteile in BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138 = SIS 02 03 76;
in BFHE 229, 141, BStBl II 2014, 147 = SIS 10 19 14). Einer solchen
verweigerten oder verschleppten Auszahlung steht es aber weder
gleich, wenn der Betreiber des Schneeballsystems den Anlegern bei
Fälligkeit der Erträge die Wiederanlage nahelegt, um den
Zusammenbruch des Schneeballsystems zu verhindern, vom Anleger
angeforderte Teilbeträge jedoch auszahlt (Senatsurteil in BFHE
244, 406, BStBl II 2014, 461 = SIS 14 11 47) noch, wenn - wie hier
X - der Betreiber des Schneeballsystems den Anleger, der die
Auszahlung fälliger Beträge verlangt, mit Hinweis auf
eine schlechtere Rendite zur vollen Wiederanlage des Gesamtbetrags
aus Zinsen und Anlagesumme und zur Verschiebung des
Auszahlungswunsches überredet. Denn in diesem Fall treffen
Anleger und Betreiber des Schneeballsystems einvernehmlich eine
gesonderte Fälligkeitsvereinbarung für den
Auszahlungsbetrag, welche alleiniger Maßstab für die
Beurteilung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit ist.
|
|
|
46
|
bbb) Die Auszahlung des zum 14.8.2001
fällig gestellten Betrags in Höhe von 30.000 DM
verschleppte X zwar anschließend vorübergehend durch
Entschuldigungen wie Auslandsaufenthalte, Erkrankungen sowie
Hinweise auf eine verlängerte Abwicklung des Zahlungsvorgangs
von Irland nach Deutschland. Er überredete die Klägerin
jedoch am 19.10.2001 abermals zu einer (rückbezogenen)
verzinslichen Wiederanlage des fälligen Betrags in Höhe
von 30.000 DM ab dem 15. August bis zum 14.11.2001 und zahlte ihr
am 19.10.2001 auf Grundlage dieser Vereinbarung auf die
Darlehensvaluta vorab einen Teilbetrag in Höhe 20.000 DM
zurück. Diese rückbezogene Auszahlungs- und
Fälligkeitsvereinbarung ist für die Beurteilung der
Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des X maßgeblich. X
verhielt sich auf dieser Grundlage insgesamt
vertragsgemäß, denn er zahlte der Klägerin den
sofort fällig gestellten Darlehensteilbetrag am 19.10.2001
aus.
|
|
|
47
|
ccc) Für die durchgehende
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des X im Streitjahr 2001
hat das FG zudem zutreffend als Indizien herangezogen, dass X den
weiteren Auszahlungswunsch der Klägerin in Höhe von
30.000 DM aus dem November 2001 erfüllt hat. Zudem hat er nach
den Feststellungen des FG bis in das Jahr 2002 hinein noch
Forderungen anderer Anleger erfüllt. Diese Feststellungen des
FG, die die Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffen
hat, binden den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).
|
|
|
48
|
4. Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden,
dass für beide Streitjahre geänderte
Einkommensteuerbescheide ergehen konnten.
|
|
|
49
|
a) Die nicht erklärten steuerpflichtigen
Zinseinnahmen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung
mit X stellen neue Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 AO dar, die das FA zur Änderung der vorherigen
bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheide
berechtigen.
|
|
|
50
|
b) Die Einkommensteueränderungsbescheide
für die Streitjahre ergingen vor Eintritt der
Festsetzungsverjährung.
|
|
|
51
|
aa) Es ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass das FG für beide Streitjahre eine
leichtfertige Steuerverkürzung der Klägerin (§ 370
Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 378 Abs. 1 AO) und eine gemäß
§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängerte
Festsetzungsfrist bejaht hat. Ob eine Steuerhinterziehung oder
leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, bestimmt sich auch
bei Prüfung der Festsetzungsverjährung gemäß
§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO nach §§ 370, 378 AO, da
§ 169 AO diesbezüglich keine Legaldefinition
enthält. Hängt die Rechtmäßigkeit eines
Steuerbescheids von der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf
fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) und somit vom
Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung ab,
müssen zur Rechtmäßigkeit des Bescheids die
objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 378 AO
erfüllt sein. Die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des
Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts sind materiell-rechtlich wie
im Strafrecht zu beurteilen (vgl. Senatsurteile vom 15.1.2013 VIII
R 22/10, BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526 = SIS 13 10 41; vom
29.10.2013 VIII R 27/10, BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295 = SIS 13 32 69). Wird eine Steuererklärung - hier die
Einkommensteuererklärungen der Klägerin für beide
Streitjahre - abgegeben, in der nicht alle steuerpflichtigen
Einnahmen (hier: aus Kapitalvermögen) erklärt werden,
macht der Steuerpflichtige selbst unrichtige oder
unvollständige Angaben i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
gegenüber der Finanzbehörde, da er die Richtigkeit und
Vollständigkeit seiner Angaben in der Erklärung
versichert (vgl. Klein/Jäger, AO, 11. Aufl., § 370 Rz
60), nicht aber (auch) dessen mitwirkender Steuerberater, wenn sich
dessen Tätigkeit - wie im Streitfall - auf die Vorbereitung
der Steuererklärung des Steuerpflichtigen beschränkt
(Senatsurteil in BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295 = SIS 13 32 69).
|
|
|
52
|
bb) Nach diesen Maßstäben ist die
Würdigung des FG nicht zu beanstanden. Es handelt sich bei der
Prüfung, ob ein Beteiligter leichtfertig gehandelt hat, im
Wesentlichen um eine Tatfrage. In der Revisionsinstanz können
die dazu getroffenen Feststellungen des FG grundsätzlich nur
daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der
Leichtfertigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten
richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der
Verhältnisse hinsichtlich des notwendigen individuellen
Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 4.2.1987 I R
58/86, BFHE 149, 109, BStBl II 1988, 215 = SIS 87 08 11; vom
31.10.1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518 = SIS 90 13 54 - zu § 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO - ; ferner vom
24.4.1996 II R 73/93, BFH/NV 1996, 731, m.umf.N.;
BFH-Beschlüsse vom 22.8.2011 III B 4/10, BFH/NV 2011, 2092 =
SIS 11 36 77; vom 18.11.2013 X B 82/12, BFH/NV 2014, 292 = SIS 14 03 72). Die Klägerin konnte nach den gemäß §
118 Abs. 2 FGO für den Senat bindenden Feststellungen des FG
aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten zumindest erkennen,
dass gutgeschriebene und wiederangelegte Zinseinnahmen auch bei
endgültiger Nichtauszahlung zu zugeflossenen steuerpflichtigen
Einnahmen führen konnten. Die hieraus abgeleitete
Schlussfolgerung des FG, die Klägerin habe leichtfertig ihre
Verpflichtung nicht erfüllt, sich für beide Streitjahre
nach der zutreffenden steuerlichen Behandlung der gutgeschriebenen
und wiederangelegten Zinserträge zu erkundigen, ist denkbar
und vertretbar (zur Erkundigungspflicht des Steuerpflichtigen bei
qualifizierten Auskunftspersonen siehe Klein/Jäger, a.a.O.,
§ 378 Rz 23, m.w.N.). Der pauschale Hinweis der Revision, die
Klägerin habe einen Steuerberater mit der Anfertigung der
Steuererklärungen für die Streitjahre beauftragt, vermag
die Klägerin im Übrigen nicht zu entlasten. Denn es ist
weder vom FG festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die
Klägerin ihren Steuerberater über die
Geschäftsbeziehung zu X unterrichtet und von diesem die
Auskunft erhalten haben könnte, die gutgeschriebenen
Zinseinnahmen seien nicht steuerpflichtig.
|
|
|
53
|
cc) Es begann gemäß § 170 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 AO die auf fünf Jahre verlängerte
Festsetzungsfrist für das Streitjahr 2000 mit Ablauf des
Jahres 2002 und für das Streitjahr 2001 mit Ablauf des Jahres
2003 zu laufen. Vor Eintritt der Festsetzungsverjährung
für beide Streitjahre wurde aufgrund der mit Schreiben vom
5.12.2007 eingeleiteten Ermittlungen der Steuerfahndung gegen die
Klägerin der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß
§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt, bis die aufgrund der
Ermittlungen erlassenen Änderungsbescheide für die
Streitjahre unanfechtbar wurden.
|
|
|
54
|
5. Eine Aufhebung der Vorentscheidung wegen
des behaupteten Verfahrensfehlers, das FG habe von Amts wegen
ermitteln müssen, ab wann X objektiv zahlungsunfähig und
die Forderungen der Klägerin wertlos gewesen seien, kommt
nicht in Betracht. Denn nach dem maßgeblichen (ständige
Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 14.7.2010 VIII B 83/09,
BFH/NV 2010, 1848 = SIS 10 27 61, unter 2.d cc) und zutreffenden
Rechtsstandpunkt des FG (siehe oben unter II.2.b) kam es allein auf
die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Betreibers des
Schneeballsystems an, sodass das FG von Amts wegen nicht zu
weiteren Sachaufklärungsmaßnahmen verpflichtet war.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|