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Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem, keine Steuerermäßigung nach § 35 a EStG

Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem, keine Steuerermäßigung nach § 35 a EStG: Für ein Hausnotrufsystem, das im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24-Stunden-Servicezentrale herstellt, die soweit erforderlich Dritte verständigt, kann die Steuerermäßigung nach § 35 a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden (Abgrenzung vom Senatsurteil vom 3.9.2015 - VI R 18/14, BFHE 251 S. 435, BStBl 2016 II S. 272 = SIS 16 00 94). - Urt.; BFH 15.2.2023, VI R 7/21; SIS 23 06 97

Kapitel:
Privatbereich > Haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen
Fundstellen
  1. BFH 15.02.2023, VI R 7/21 (ECLI:DE:BFH:2023:U.150223.VIR7.21.0)
    BStBl 2023 II S. 647
    NJW 2023 S. 1679
    DStR 2023 S. 1070

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 6.6.2023
    Geserich in StBB 6/2023 S. 7
    S. Geserich in BFH/PR 8/2023 S. 247
    J.H. in StuB 10/2023 S. 435
    D. Littnanski in StBp 7/2023 S. 248
    A. Strecker in NWB 19/2023 S. 1355
    -/- in wistra 6/2023 S. R 5
Normen
[EStG] § 35 a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2, § 35 a Abs. 4 Satz 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Sächsisches FG, 14.10.2020, SIS 20 20 08, Haushaltsnahe Dienstleistung, Haushalt, Notrufsystem
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Münster 15.12.2023, SIS 24 04 46, Keine Anerkennung eines an arbeitsfreien Tagen genutzten häuslichen Arbeitszimmers, wenn zugleich ein bet...
  • BFH 23.3.2023, SIS 23 08 18, Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem, keine Steuerermäßigung nach § 35 a EStG: Für ein Hausnotrufsystem,...
  • BFH 15.2.2023, SIS 23 09 98, Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem, keine Steuerermäßigung nach § 35 a EStG: Für ein Hausnotrufsystem,...
Anmerkung RiBFH Dr. Geserich

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 14.10.2020 - 2 K 323/20 = SIS 20 20 08 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Jahr 1933 geborene Rentnerin. Im Streitjahr (2018) nahm sie Leistungen der ... GmbH für ein Hausnotrufsystem in Anspruch und zahlte dafür 288 EUR. Dabei buchte sie das Paket Standard mit Gerätebereitstellung und 24-Stunden-Servicezentrale. Nicht gebucht hatte sie u.a. den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnadresse sowie die Pflege- und Grundversorgung.

 

 

2

Die Einkommensteuer für das Streitjahr setzte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) erklärungsgemäß fest. Die Klägerin legte Einspruch ein und beantragte für ihre Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Einspruch blieb erfolglos.

 

 

3

Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage mit den in EFG 2021, 217 veröffentlichten Gründen statt.

 

 

4

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

5

Es beantragt,

 

das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

6

Die Klägerin beantragt,

 

die Revision zurückzuweisen.

 

 

7

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG kommt in Bezug auf die Aufwendungen der Klägerin für das Hausnotrufsystem nicht in Betracht.

 

 

8

1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG sind. Gemäß § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG muss die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden.

 

 

9

a) Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen die Leistungen eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen (Senatsurteile vom 13.07.2011 - VI R 61/10, BFHE 234, 391, BStBl II 2012, 232 = SIS 11 39 43, Rz 9, und vom 13.05.2020 - VI R 4/18, BFHE 269, 272, BStBl II 2021, 669 = SIS 20 18 08, Rz 17).

 

 

10

b) Dabei kann nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff des erkennenden Senats (hierzu Senatsurteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, BFHE 261, 42, BStBl II 2018, 641 = SIS 18 07 93, Rz 14 f., für Handwerkerleistungen) auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es muss sich hierbei allerdings auch insoweit um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Senatsurteil in BFHE 269, 272, BStBl II 2021, 669 = SIS 20 18 08, Rz 18).

 

 

11

aa) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG sind Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch wenn sie für den Haushalt erbracht werden. Insoweit kommt es auf die tatsächliche Erbringung der Leistung an (Senatsurteil in BFHE 269, 272, BStBl II 2021, 669 = SIS 20 18 08, Rz 26).

 

 

12

bb) Ob der Leistungserfolg im Haushalt erzielt wird, ist daher grundsätzlich unerheblich; auf den zivilrechtlichen Leistungsort kommt es insoweit deshalb ebenfalls nicht an. Ein bloßes Abstellen auf den Leistungserfolg würde zu einer rein funktionalen Betrachtungsweise führen, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht mehr gedeckt ist und auch nicht dem räumlich-funktionalen Verständnis des erkennenden Senats entspricht. Die räumlich-funktionale Verbindung zum Haushalt kann nicht allein dadurch begründet werden, dass sich die Leistung auf einen Haushaltsgegenstand bezieht (s. Senatsurteil in BFHE 269, 272, BStBl II 2021, 669 = SIS 20 18 08, Rz 27, für Handwerkerleistungen).

 

 

13

2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die von der Klägerin getragenen Aufwendungen für das Hausnotrufsystem vorliegend nicht in Betracht.

 

 

14

a) Zwar liegt den Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine haushaltsnahe Dienstleistung zugrunde. Wie auch im vom Senat mit Urteil vom 03.09.2015 - VI R 18/14 (BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272 = SIS 16 00 94) entschiedenen Fall wird durch das Hausnotrufsystem sichergestellt, dass die Klägerin, wenn sie sich im räumlichen Bereich ihres Haushalts aufhält, im Bedarfsfall Hilfe rufen kann. Eine solche Rufbereitschaft leisten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige (Senatsurteil in BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272 = SIS 16 00 94, Rz 16). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

 

 

15

b) Die Dienstleistung wird entgegen der Ansicht der Klägerin und anders als in dem der Entscheidung in BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272 = SIS 16 00 94 zugrunde liegenden Sachverhalt jedoch nicht im Haushalt der Klägerin erbracht.

 

 

16

Vorliegend zahlt die Klägerin nicht nur für die Bereitstellung der erforderlichen Technik, mittels derer der Kontakt zu der Einsatzzentrale ausgelöst wird, sondern im Wesentlichen für das Bereithalten des Personals für die Entgegennahme eines eventuellen Notrufs (die Rufbereitschaft) und - je nach Situation - anschließender Kontaktierung von Angehörigen, Nachbarn, eines vorhandenen Bereitschaftsdienstes, des Hausarztes, Pflege- oder Rettungsdienstes. Die wesentliche Dienstleistung ist mithin die Bearbeitung von eingehenden Alarmen und die Verständigung von Bezugspersonen, des Hausarztes, Pflegedienstes etc. per Telefon und nicht - wie das FG meint - das Rufen des Notdienstes durch die Klägerin selbst.

 

 

17

Wie das FA zu Recht ausführt, wird diese maßgebende Dienstleistung nicht in der Wohnung des Steuerpflichtigen und damit nicht in dessen Haushalt erbracht (ebenso Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 35a Rz 21; Wackerbeck, EFG 2021, 219; Geserich, DB 2017, 152, 154; s.a. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.09.2017 - 7 K 7128/17, EFG 2018, 40 = SIS 17 23 56, und FG Hamburg, Urteil vom 20.01.2009 - 3 K 245/08 = SIS 09 24 41, jeweils zu auswärtig untergebrachten Notrufzentralen in Form von Alarmüberwachungsleistungen, sowie Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 09.11.2016 - IV C 8 - S 2296 - b/07/10003:008, BStBl I 2016, 1213 = SIS 16 24 95, Rz 11).

 

 

18

Bei einem reinen Hausnotrufsystem im privaten Haushalt - wie im Streitfall - wird auch keine unmittelbare Direkthilfe in Form eines Sofort-Helfer-Einsatzes in der Wohnung des Steuerpflichtigen geschuldet, sondern ggf. als eigenständige Leistung Dritter vermittelt. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung in BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272 = SIS 16 00 94 zugrunde lag. Dort hatten die im Bereich des Betreuten Wohnens beschäftigten Pfleger jeweils einen sog. Piepser bei sich, der den Notruf sofort an sie weiterleitete. Geschuldet war dort entsprechend auch die Notfall-Soforthilfe im Haushalt durch das auf diese Weise verständigte Pflegepersonal.

 

 

19

c) Mangels Leistungserbringung im Haushalt scheidet auch eine Steuerermäßigung für in Anspruch genommene Pflege- und Betreuungsleistung i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 EStG aus.

 

 

20

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

Anmerkung RiBFH Dr. Geserich

Das Urteil grenzt sich von der Entscheidung des BFH betreffend die Aufwendungen für ein (Haus-)Notrufsystem in einer Seniorenresidenz ab (BFH, Urteil v. 3.9.2015 - VI R 18/14 = SIS 16 00 94, BStBl 2016 II S. 272). Dort erfolgte der Notruf über einen sog. Piepser unmittelbar an eine Pflegekraft, die sodann auch die erforderliche Notfall-Soforthilfe übernahm. Die vorgenannte Entscheidung betraf damit nicht ein "klassisches" Hausnotrufsystem, sondern ein Notrufsystem innerhalb einer betreuten Wohnform und damit einen (nicht nur räumlich) anders gelagerten Sachverhalt. Denn im Besprechungsfall schuldete der Betreiber des Hausnotrufs im Wesentlichen nur die Bearbeitung von eingehenden Alarmen und die Verständigung von Bezugspersonen, des Hausarztes, Pflegedienstes etc. per Telefon und nicht – wie das FG meinte – das Rufen des Notdienstes durch die Klägerin selbst.

 

Eine solche (bloße) Alarmüberwachungsleistung ist nicht nach § 35 a EStG begünstigt. Denn sie erschöpft sich letztlich im Vorhalten von personellen und sachlichen Mitteln außerhalb des "überwachten" Haushalts. Das genügt dem BFH trotz seines räumlich-funktionalen Haushaltsbegriffs nicht. Anderes kommt nur in Betracht, wenn der Betreiber des Hausnotrufsystems im Notfall selbst Pflege- und Hilfeleistungen schuldet.