Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23.07.2019 - 5 K
873/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2013) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt werden.
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Der Kläger war mit 50 % an der M-GmbH
beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2009 erwarb er von dem
Gesellschafter S weitere 50 % der Geschäftsanteile an der
M-GmbH. Zugleich trat S eine ihm gegen die M-GmbH zustehende
Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von
79.684,76 EUR an den Kläger ab. Der hierfür vom
Kläger zu zahlende Kaufpreis betrug 1 EUR.
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Zum 31.12.2013 erlosch die
Darlehensforderung des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt
weiterhin in Höhe von 79.684,76 EUR valutierte, durch
Aufrechnung der M-GmbH mit einer ihr gegenüber dem Kläger
in gleicher Höhe zustehenden Forderung.
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In der Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr erklärte der Kläger aus seiner
Beteiligung an der M-GmbH ausschließlich laufende
Kapitalerträge in Höhe von 2.701 EUR, die der tariflichen
Einkommensteuer unterlagen. Mit Einkommensteuerbescheid vom
28.05.2015 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt -
FA - ) die Einkommensteuer für das Streitjahr
erklärungsgemäß fest.
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Im Anschluss an eine Betriebsprüfung
vertrat das FA die Auffassung, der Kläger habe aufgrund der
Verrechnung der Forderungen zum 31.12.2013 einen
Veräußerungsgewinn i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr.
7 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (EStG) in Höhe von 79.683 EUR erzielt, der nach §
32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG der tariflichen
Einkommensteuer unterliege. Dementsprechend erließ das FA am
22.05.2017 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für
das Streitjahr.
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Der hiergegen von den Klägern
eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom
07.03.2018). Die nachfolgend erhobene Klage wies das Finanzgericht
(FG) Baden-Württemberg mit in EFG 2020, 1848
veröffentlichtem Urteil ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie machen geltend, der von dem Kläger
erzielte Gewinn aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG sei nach dem
gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG zu besteuern, weil der
Ausnahmetatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b
EStG nicht erfüllt sei. Die M-GmbH habe keine
Kapitalerträge an den Kläger
„gezahlt“, sondern lediglich eine
Darlehensschuld im Wege der Aufrechnung getilgt. Entgegen der
Auffassung des FG setze der Begriff der
„Zahlung“ i.S. des § 32d Abs. 2 Nr.
1 Satz 1 Buchst. b EStG das Vorliegen einer Gewinnauswirkung beim
Schuldner des Kapitalertrags voraus. Daran fehle es bei der M-GmbH,
da der Vorgang „Erhalt des Darlehens und Rückzahlung des
Darlehens“ auf Ebene der Kapitalgesellschaft
gewinnneutral sei.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des FG Baden-Württemberg
vom 23.07.2019 - 5 K 873/18 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 22.05.2017 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 07.03.2018 dahin zu ändern, dass
der Gewinn des Klägers aus Kapitalvermögen i.S. des
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 79.683 EUR nach
dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG besteuert
wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat zu Recht entschieden, dass der
Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung einer
Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2
Satz 2, Abs. 4 EStG in Höhe von 79.683 EUR erzielt hat (s.
unter 1.). Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass diese
Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a
EStG unterliegen, da die Anwendung des gesonderten Steuertarifs
für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d
Abs. 1 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst.
b EStG ausgeschlossen ist (s. unter 2.).
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1. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen der Gewinn aus der Veräußerung von
sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG. Als Veräußerung i.S. des Satzes 1 gelten
nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG auch die Einlösung,
Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine
Kapitalgesellschaft.
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a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
es sich bei dem von S erworbenen Darlehensanspruch des Klägers
gegen die M-GmbH um eine sonstige Kapitalforderung i.S. des §
20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt.
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aa) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7
EStG sind dies Kapitalforderungen jeder Art, wenn die
Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt
für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung
zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe der
Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis
abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der
zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
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bb) Danach ist der auf Rückzahlung der
Darlehensvaluta gerichtete Anspruch des Klägers gegen die
M-GmbH eine sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr.
7 EStG. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der
Kläger das Darlehen nicht selbst an die M-GmbH ausgereicht
hat, sondern den Rückzahlungsanspruch im Wege der Abtretung
von S als Darlehensgeber erworben hat. Auch eine erworbene
Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist
Gegenstand des Besteuerungstatbestands gemäß § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG (so auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 03.06.2021 - IV C 1-S
2252/19/10003:002, BStBl I 2021, 723 = SIS 21 09 40, Rz 61a). Bei
dem Erwerb einer Kapitalforderung liegt es in der Natur der Sache,
dass der Erwerber dem Schuldner das Kapital nicht selbst zur
Verfügung gestellt hat. Dies wird von der gesetzlichen
Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG aber
auch nicht vorausgesetzt.
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b) Die Aufrechnung der M-GmbH gegen die
Forderung des Klägers aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit
einer ihr gegenüber dem Kläger zustehenden Gegenforderung
erfüllt, wie das FG zu Recht entschieden hat, den Tatbestand
der Rückzahlung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG.
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aa) Der Begriff der Rückzahlung i.S. des
§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG bezieht sich grundsätzlich auf
die Erfüllung der Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG im Wege der Zahlung des geschuldeten Betrags durch den
Schuldner. Er ist jedoch nicht auf die Fälle beschränkt,
in denen der Schuldner den geschuldeten Kapitalbetrag bei
Fälligkeit an den Gläubiger tatsächlich entrichtet.
Der Begriff der Rückzahlung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2
EStG ist vielmehr weit auszulegen. Wie der Senat bereits im
Zusammenhang mit der Behandlung des insolvenzbedingten Ausfalls
einer privaten Darlehensforderung als Rückzahlung zu Null i.S.
des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeführt hat (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.10.2017 - VIII R 13/15, BFHE 259,
535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45), sollte mit Einführung
der Abgeltungsteuer eine vollständige steuerrechtliche
Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit
Kapitalanlagen erreicht werden. Auch die Gleichstellung der
Veräußerung mit verschiedenen Ersatztatbeständen in
§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG dient diesem Ziel, das daher auch bei
der Auslegung der Ersatztatbestände zu berücksichtigen
ist. Vor diesem Hintergrund erfasst § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG
nicht nur die vertragsgemäße Rückzahlung des
geschuldeten Kapitalbetrags bei Fälligkeit durch den
Schuldner, sondern auch andere Fälle der zivilrechtlichen
Erfüllung der Kapitalforderung (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2018
- VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507 = SIS 18 22 86,
zum Begriff der Einlösung).
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bb) Die Aufrechnung des Schuldners der
Kapitalforderung mit einer ihm gegen den Gläubiger zustehenden
Gegenforderung führt - ebenso wie die tatsächliche
Zahlung des geschuldeten Kapitalbetrags durch den Schuldner - zur
zivilrechtlichen Erfüllung der Forderung und damit zu einer
„Rückzahlung“ i.S. des
§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Denn die Aufrechnung bewirkt, dass
die Forderungen, soweit sie sich decken und ihrem Gegenstand nach
gleichartig sind, als in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in
welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander
gegenübergetreten sind (§ 389 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs - BGB - ). Der Aufrechnung kommt insofern die Funktion
eines Erfüllungssurrogats zu (MüKoBGB/Schlüter, 9.
Aufl., § 387 Rz 1, m.w.N.). Sie steht damit der Erfüllung
durch Zahlung des geschuldeten Kapitalbetrags durch den Schuldner
(§ 362 Abs. 1 BGB) gleich. Auch bei wirtschaftlicher
Betrachtung macht es keinen Unterschied, ob der Schuldner der
Forderung den geschuldeten Kapitalbetrag an den Gläubiger
zahlt und dieser mit dem erhaltenen Betrag eine eigene
Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner erfüllt oder ob
der Schuldner in Abkürzung des Zahlungswegs unmittelbar mit
seiner Forderung gegen diese Verbindlichkeit aufrechnet. Im Falle
einer Aufrechnung realisiert der Gläubiger seine Forderung
ebenfalls, da er in der Höhe, in der sich die Forderungen
decken, von einer eigenen Verbindlichkeit gegenüber dem
Schuldner befreit wird.
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c) Das FG hat den von dem Kläger
erzielten Gewinn aus der Veräußerung einer
Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2
Satz 2, Abs. 4 EStG auch in zutreffender Höhe ermittelt.
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aa) Aus der Gleichstellung der
Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung
folgt, dass die Fälle der Rückzahlung und der
Veräußerung im Rahmen der Gewinnermittlung nach §
20 Abs. 4 EStG den gleichen Grundsätzen unterliegen.
Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist der Gewinn i.S.
des Abs. 2 der Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen aus der
Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im
unmittelbaren Zusammenhang mit dem
Veräußerungsgeschäft stehen, und den
Anschaffungskosten.
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bb) Danach ist das FG zu Recht von einem
Rückzahlungsgewinn des Klägers i.S. des § 20 Abs. 4
EStG in Höhe von 79.683 EUR ausgegangen. Für den Erwerb
seiner Forderung gegenüber der M-GmbH waren dem Kläger
Anschaffungskosten in Höhe von 1 EUR entstanden. Infolge der
Aufrechnung erzielte der Kläger eine
„Einnahme“ i.S. des § 20
Abs. 4 Satz 1 EStG in Gestalt der Befreiung von seiner
Verbindlichkeit gegenüber der M-GmbH im Nennwert von 79.684
EUR.
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2. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen,
dass die von dem Kläger erzielten Kapitalerträge i.S. des
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG der tariflichen
Einkommensteuer nach § 32a EStG unterliegen, da die Anwendung
des gesonderten Tarifs ausgeschlossen ist. Denn die
Kapitalerträge wurden i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
Buchst. b EStG von einer Kapitalgesellschaft gezahlt, an der der
Kläger im Streitjahr zu mindestens 10 % beteiligt war.
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a) Für das Vorliegen des
Tatbestandsmerkmals „gezahlt“
i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG genügt
es, dass die Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7
EStG dem Gesellschafter von der Kapitalgesellschaft zivilrechtlich
geschuldet werden und die Kapitalgesellschaft die Forderung des
Gesellschafters - wie hier durch Aufrechnung mit einer eigenen
Forderung gegenüber der Gesellschafterforderung -
erfüllt. Die Regelung macht den Ausschluss des
Abgeltungsteuertarifs nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht davon
abhängig, dass die Zahlung der Kapitalerträge auf Ebene
der Schuldner-Kapitalgesellschaft zu einem gewinnwirksamen Aufwand
geführt hat. Maßgeblich ist allein, dass die
Kapitalerträge - wie hier - von einer Kapitalgesellschaft
gezahlt werden, an der der Gesellschafter zu mindestens 10 % als
Anteilseigner beteiligt war (vgl. BFH-Urteil vom 29.04.2014 - VIII
R 23/13, BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884 = SIS 14 21 83;
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2016 - 2 BvR
2325/14).
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b) Entgegen der Auffassung der Kläger ist
die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG auch
nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Norm in den
Fällen nicht zur Anwendung gelangt, in denen die Zahlung der
Kapitalerträge durch eine Kapitalgesellschaft, an der der
Steuerpflichtige zu mindestens 10 % beteiligt ist, auf Ebene der
Gesellschaft erfolgsneutral ist und daher nicht zu entsprechenden
Aufwendungen bei ihr führt.
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aa) Eine teleologische Reduktion zielt darauf,
den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren
Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut
einzuschränken. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt,
wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch
fehlerhaft erscheint. Ihre Aufgabe ist es daher nicht, das Gesetz
zu verbessern, obwohl es sich - gemessen an seinem Zweck - noch
nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist.
Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem
sinnwidrigen Ergebnis führen (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2019 - VIII R 20/16, BFHE 264, 459, BStBl
II 2019, 586 = SIS 19 11 77,
m.w.N.).
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bb) Danach kommt im Streitfall eine
teleologische Reduktion des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst.
b EStG in dem von den Klägern befürworteten Sinne nicht
in Betracht.
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aaa) Gegen eine einschränkende Auslegung
des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG spricht
insbesondere der Gesetzeszusammenhang. Denn während der
Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2010 vom 08.12.2010
(BGBl I 2010, 1768) die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz
1 Buchst. a EStG dahingehend ergänzt hat, dass die Ausnahme
vom Abgeltungsteuertarif erst dann Anwendung finden soll, wenn die
Kapitalerträge zusätzlich auf Ebene des Schuldners zu
Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit
Einkünften führen, die der inländischen Besteuerung
unterliegen, und § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG keine
Anwendung findet, hat er die Notwendigkeit einer derartigen
Einschränkung für Fälle der
Gesellschafterfremdfinanzierung durch einen zu mindestens 10 % an
einer Kapitalgesellschaft beteiligten Anteilseigner im Streitjahr
nicht gesehen und eine entsprechende Regelung erst mit dem JStG
2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) vorgenommen (vgl.
BR-Drucks. 503/20, S. 87). Der Ausnahmetatbestand des § 32d
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG galt im Streitjahr vielmehr noch
in seiner Ursprungsfassung, die - anders als die geänderte
Fassung des Buchst. a - gerade keine Einschränkung dahingehend
enthält, dass der Ausschluss vom Abgeltungsteuersatz auf die
Fälle zu beschränken sei, in denen eine
Steuersatzspreizung (abgeltende Besteuerung der Kapitalerträge
einerseits und Abzug der den Kapitalerträgen entsprechenden
Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten mit Wirkung
des tariflichen Steuersatzes andererseits) eintreten könne.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 32d Abs. 2
Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG durch das JStG 2020 den gleichen Zusatz
wie Buchst. a erhalten hat, denn die Gesetzesänderung
entfaltet keine Rückwirkung. Vielmehr ist § 32d Abs. 2
Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG i.d.F. des JStG 2020 (EStG n.F.) auf
Kapitalerträge aus Darlehen an die Kapitalgesellschaft, deren
rechtliche Grundlage - wie hier - vor dem 01.01.2021 begründet
wurde, erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden (§ 52
Abs. 33b Satz 2 EStG n.F.).
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bbb) Der Neuregelung des § 32d Abs. 2 Nr.
1 Satz 1 Buchst. b EStG n.F. kann auch nicht entnommen werden, dass
es schon immer der Wille des Gesetzgebers gewesen ist, nur solche
Kapitalerträge eines Gesellschafters aus Forderungen
gegenüber seiner Gesellschaft nach Maßgabe des §
32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG der Regelbesteuerung zu
unterwerfen, die auf Seiten der Gesellschaft mit entsprechenden
Betriebsausgaben korrespondieren. Das mit der Einführung eines
abgeltenden Steuersatzes für Kapitalerträge vom
Gesetzgeber verfolgte Ziel bestand vornehmlich darin, die
Standortattraktivität des deutschen Finanzplatzes im
internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr
Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland
anlegen könnten, durch eine leicht erkennbare
Belastungsminderung zu erhöhen (BT-Drucks. 16/4841, S. 1). Das
Ziel, die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auf Fälle zu
beschränken, bei denen die Gefahr besteht, dass Kapital in das
niedrig besteuerte Ausland verlagert wird, kann aber von vornherein
nicht zum Tragen kommen, wenn ein Anteilseigner - wie hier der
Kläger - die Refinanzierung seiner Gesellschaft im Inland
durch eine Verlagerung seines Kapitals in das Ausland nicht
erreichen könnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 352, BStBl II
2014, 884 = SIS 14 21 83).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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