Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 22.02.2018 - 3 K
3018/15 = SIS 18 07 16 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob bei Sachdarlehen über festverzinsliche Anleihen, die die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) nach Erhalt
veräußert und später zurückerworben hat,
Stückzinsen als Entgelte für Dauerschulden i.S. von
§ 8 Nr. 1 Alternative 3 des Gewerbesteuergesetzes in der bis
zum Jahr 2007 geltenden Fassung (GewStG 2002) hinzuzurechnen
sind.
|
|
|
2
|
Die Klägerin ist eine zum P-Konzern
gehörende GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland). An der gleichfalls zum P-Konzern gehörenden A
Ltd. mit Sitz in Übersee ist sie weder unmittelbar noch
mittelbar beteiligt.
|
|
|
3
|
Die Klägerin schloss am 19.01.2005 mit
der A Ltd. einen „Rahmenvertrag für
Wertpapierdarlehen“ (Rahmenvertrag), der nach dessen Nr. 1
die Grundlage für einzelne Wertpapiersachdarlehen i.S. des
§ 607 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bildet und nach
dessen Nr. 11 Abs. 5 dem Recht Deutschlands unterliegt. Die
Klägerin erhält danach als Darlehensnehmerin das
unbeschränkte Eigentum an den überlassenen Wertpapieren
(Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenvertrags) und schuldet der
Darlehensgeberin - der A Ltd. - ein Entgelt, das sich aus dem im
Einzelabschluss vereinbarten Prozentsatz bezogen auf den Marktwert
der Wertpapiere an dem im Einzelabschluss vereinbarten Tag
errechnet (Nr. 5). Die während der Laufzeit des Darlehens auf
die überlassenen Wertpapiere geleisteten Zinsen, Gewinnanteile
und sonstigen Ausschüttungen stehen der Darlehensgeberin zu.
Deren Gegenwert hat die Darlehensnehmerin mit Wertstellung zum Tag
der tatsächlichen Zahlung an die Darlehensgeberin zu zahlen
(sog. Kompensationszahlung, Nr. 6 des Rahmenvertrags). Am Ende der
Laufzeit des jeweiligen Darlehens hat die Darlehensnehmerin -
entsprechend § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB - Wertpapiere gleicher
Art, Güte und Menge zurück zu gewähren (Nr. 1 Abs. 1
Satz 3 des Rahmenvertrags).
|
|
|
4
|
In den Jahren 2005 bis 2009 schlossen die
Klägerin als Darlehensnehmerin und die A Ltd. als
Darlehensgeberin nacheinander 14 Verträge über
Wertpapiersachdarlehen. Auf das Jahr 2005 (Streitjahr) entfielen
zwei Verträge mit folgenden Konditionen:
|
|
|
|
Vertrag vom:
|
19.01.2005
|
16.12.2005
|
|
Laufzeit
|
25.01.2005 bis 30.12.2005
|
20.12.2005 bis 13.12.2006
|
|
Nennwert (Face Value)
|
323.500.000 EUR
|
365.160.000 EUR
|
|
Nominalzins (Coupon)
|
5,375 %
|
2,25
%
|
|
Kurswert (Bond price)
|
111,11 (25.01.2005)
|
99,600 (20.12.2005)
|
|
Kurswert inkl. Stückzinsen
(Dirty Price)
|
111,419246575
|
99,630821918
|
|
Betrag (Amount)
|
360.441.262,67 EUR
|
363.811.909,32 EUR
|
|
Nächster Zinstermin
|
04.01.2006
|
15.12.2006
|
|
Leihgebühr p.a.
|
0,7
%
|
0,48
%
|
|
Leihgebühr nominal
|
2.375.908,66 EUR (339d/360d)
|
1.736.595,51 EUR (358d/360d)
|
|
davon auf 2005 entfallend
|
2.375.908,66 EUR
|
53.359,00 EUR
|
|
|
|
|
5
|
Die Klägerin veräußerte die
ihr übertragenen Anleihen nach Erhalt am 25.01.2005 zu einem
Kurs von 111,09 % und am 20.12.2005 zu einem Kurs von 99,60 %
zuzüglich Stückzinsen an Dritte.
|
|
|
6
|
Zeitgleich schloss sie zur Sicherung der
ihr gegenüber der A Ltd. obliegenden
Rückgewährverpflichtung unbedingte Termingeschäfte
(Forwards) über entsprechende Anleihen mit der X-Bank
ab.
|
|
|
7
|
Die Anleihe über 323.500.000 EUR wurde
danach zu einem Kurs von 108,524; die Anleihe über 365.160.000
EUR zu einem Kurs von 100,105 % erworben. Die bis zum Erwerb
anfallenden Stückzinsen in Höhe von 17.149.931,51 EUR
(360 Zinstage) bzw. 8.171.080,27 EUR (363 Zinstage) wurden separat
ausgewiesen und in Rechnung gestellt. Davon entfielen rechnerisch
16.149.519 EUR (339 Zinstage) bzw. 247.608 EUR (11 Zinstage) auf
die in das Streitjahr fallenden Vertragslaufzeiten.
|
|
|
8
|
Zum Ende der Laufzeit der
Wertpapiersachdarlehen übertrug die Klägerin die auf
Grundlage der Termingeschäfte erworbenen Anleihen an die A
Ltd. zurück. Kompensationszahlungen nach Nr. 6 des
Rahmenvertrags waren nicht zu leisten, da in die Laufzeit der
Wertpapiersachdarlehen keine Zinstermine fielen.
|
|
|
9
|
Die Klägerin passivierte das
Wertpapiersachdarlehen (Rückübertragungsverpflichtung)
vom 20.01.2005 mit 360.441.263 EUR (Amount = Nennwert * Dirty
Price). Zum Ende der Laufzeit des Sachdarlehens nahm die
Klägerin aufwandswirksame Zuschreibungen auf das
Wertpapiersachdarlehen auf der Grundlage des Kurses der
Forwardgeschäfte unter zeitanteiliger Berücksichtigung
der Stückzinsen vor. Das Wertpapiersachdarlehen vom 20.12.2005
passivierte die Klägerin mit 363.811.909 EUR (Amount =
Nennwert * Dirty Price); zum Bilanzstichtag wurde eine Zuschreibung
in Höhe von 410.328 EUR vorgenommen.
|
|
|
10
|
In der am 13.04.2007 eingereichten
Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr ging die
Klägerin davon aus, dass aufgrund der aufeinanderfolgenden
Wertpapiersachdarlehen eine Dauerschuld vorliege und rechnete die
an die A Ltd. gezahlte bzw. geschuldete zeitanteilige
Leihgebühr in Höhe von 2.429.268 EUR gemäß
§ 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 zur Hälfte dem Gewinn
aus Gewerbebetrieb hinzu. Die Veranlagung wurde in diesem Punkt
erklärungsgemäß unter Nachprüfungsvorbehalt
durchgeführt (§ 164 der Abgabenordnung - AO - ).
|
|
|
11
|
Im Rahmen der bei der Klägerin
für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006
durchgeführten Außenprüfung vertraten die
Prüfer und ihnen folgend der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, dass neben der
Leihgebühr auch Abgrenzungsbeträge
(Stückzinsaufwand) oder Kompensationszahlungen - im Streitjahr
also Stückzinsaufwand in Höhe von 16.397.120 EUR - als
gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002
hinzuzurechnende Entgelte für Dauerschulden zu beurteilen
seien. Bei Anleihe und Zinsanspruch handele es sich um zwei
unterschiedliche und deshalb getrennt zu aktivierende
Wirtschaftsgüter. Dem Konto Wertpapiersachdarlehen seien die
auf die Laufzeit des Wertpapiersachdarlehens entfallenden
Stückzinsen aufwandswirksam zuzuschreiben. Der darin zum
Ausdruck kommende, durch den Zinslauf der entliehenen Wertpapiere
bei der Klägerin verursachte Aufwand sei wirtschaftlich als
weiteres Entgelt für das Wertpapiersachdarlehen
anzusehen.
|
|
|
12
|
Auf Antrag der Klägerin erging am
29.05.2012 ein Änderungsbescheid über den
Gewerbesteuermessbetrag 2005, in dem die vom FA angenommenen
weiteren Entgelte in Höhe von 16.397.120 EUR gemäß
§ 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 bei der Ermittlung des
Gewerbeertrags zur Hälfte hinzugerechnet wurden. Der
Nachprüfungsvorbehalt blieb bestehen.
|
|
|
13
|
Während des dagegen gerichteten
Einspruchsverfahrens ergingen aus nicht streitbefangenen
Gründen am 24.10.2012 und 29.09.2014 Änderungsbescheide.
Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit dem
Änderungsbescheid vom 29.09.2014 aufgehoben.
|
|
|
14
|
Der Einspruch der Klägerin wurde mit
Teil-Einspruchsentscheidung vom 28.09.2015 als unbegründet
zurückgewiesen.
|
|
|
15
|
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht
(FG) entschied, die während der Laufzeit eines
Wertpapiersachdarlehens über festverzinsliche Anleihen
aufgelaufenen Stückzinsen stellten keine Entgelte für
Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 dar
(EFG 2018, 1121 = SIS 18 07 16).
|
|
|
16
|
Das FA rügt die Verletzung materiellen
Rechts.
|
|
|
17
|
Das FA beantragt,
|
|
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als
unbegründet abzuweisen.
|
|
|
18
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
19
|
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie
war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die von der Klägerin beim
(Rück-)Erwerb der Anleihen dem Veräußerer
vergüteten Stückzinsen (2.) gehören ebenso wenig zu
den Entgelten für sog. Dauerschulden wie die zwischen der
Überlassung der Anleihen an die Klägerin und deren
Rückgabe an die A Ltd. aufgelaufenen Stückzinsen (3.).
Das FG hat deshalb zutreffend entschieden, dass sie dem Gewinn der
Klägerin aus Gewerbebetrieb nicht hinzuzurechnen sind.
|
|
|
20
|
1. Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7
GewStG 2002) sind gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3
GewStG 2002 die „Hälfte der Entgelte für
Schulden“ hinzuzurechnen, die der nicht nur
vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.
Eine solche Hinzurechnung setzt voraus, dass ein
Darlehensverhältnis vorliegt, das als sog. Dauerschuld
angesehen werden kann (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14.12.2011 - I R 37/11, BFH/NV 2012, 993 = SIS 12 13 52). Zinsen
und andere als Entgelte zu behandelnde Aufwendungen des
Darlehensnehmers sind auf dieser Grundlage als Entgelte i.S. von
§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu qualifizieren.
|
|
|
21
|
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht
unstreitig, dass das FG zutreffend davon ausgegangen ist, dass es
sich bei den von der Klägerin aufgrund der erhaltenen Anleihen
passivierten Sachdarlehensverbindlichkeiten (§ 607 BGB) um
Dauerschulden i.S. von § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002
handelt, weil sich durch die jeweils kurz vor dem Laufzeitende der
einzelnen Wertpapiersachdarlehen zwischen der Klägerin und der
A Ltd. vereinbarten Folgeverträge eine Laufzeit von insgesamt
mehr als einem Jahr ergab. Der wirtschaftliche Zusammenhang der
einzelnen Sachdarlehen lässt die Begründung mehrerer
einzelner Schuldverhältnisse in den Hintergrund treten und
bewirkt eine einheitliche Beurteilung (BFH-Urteile vom 06.06.1973 -
I R 257/70, BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670 = SIS 73 03 58, und
vom 16.01.1974 - I R 254/70, BFHE 111, 425, BStBl II 1974, 388 =
SIS 74 02 20; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 6.
Aufl., § 8 Nr. 1 Rz 27; Abschn. 45 Abs. 1 Satz 2 ff. der
Gewerbesteuer-Richtlinien 1998).
|
|
|
22
|
2. Die von der Klägerin beim Erwerb der
kurz darauf an die A Ltd. zurückgegebenen Anleihen für
die Stückzinsen aufgewendeten Beträge sind nicht
hinzuzurechnen, weil sie nicht i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 2002
zu Betriebsausgaben geführt haben; sie sind im Übrigen
auch keine „Entgelte für Schulden“.
|
|
|
23
|
a) Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden nach
§ 8 GewStG 2002 die dort genannten Beträge wieder
hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt
worden sind. Eine Hinzurechnung von Entgelten für Schulden
nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 setzt daher deren Abziehbarkeit als
Betriebsausgaben voraus. Der betreffende Aufwand muss bei der
einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung eine Betriebsausgabe
nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen
(BFH-Urteil vom 11.12.1997 - IV R 92/96, BFH/NV 1998, 1222 = SIS 98 18 37, Rz 13 und 19, betreffend Refinanzierungskredit für
Darlehen an Schwestergesellschaft). Eine Gewinnabsetzung liegt
daher nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines
Wirtschaftsguts eingeht (z.B. Senatsurteil vom 30.07.2020 - III R
24/18, BFHE 269, 342, BFH/NV 2021, 122 = SIS 20 17 28; BFH-Urteil
vom 20.05.2021 - IV R 31/18, BFH/NV 2021, 1367 = SIS 21 15 11,
beide betreffend Mietaufwendungen als Teil von Herstellungskosten
unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter).
|
|
|
24
|
b) Erwirbt ein Steuerpflichtiger - wie hier
die Klägerin - Wertpapiere, um seine Verpflichtung zur
Rückgabe von als Sachdarlehen erhaltenen Anleihen zu
erfüllen, so hat er dem Veräußerer die seit dem
letzten Zinszahlungstermin aufgelaufenen Stückzinsen zu
vergüten. Die aufgrund des (Rück-)Erwerbs der Anleihen an
den Veräußerer - die X-Bank - für die
Stückzinsen gezahlten Beträge minderten den Gewinn der
Klägerin jedoch nicht. Denn die Klägerin erhielt
dafür - mit der erworbenen Anleihe - eine gleichwertige
Zinsforderung, die als sonstiger Vermögensgegenstand zu
aktivieren war (Schubert/Gadek in Beck Bil-Komm., 12. Aufl., §
255 HGB Rz 307; Brandis/Heuermann/Ehmcke, § 6 EStG Rz 858);
der Vorgang war mithin erfolgsneutral.
|
|
|
25
|
Dabei ist unerheblich, ob das Wertpapier und
der Stückzins buchhalterisch zutreffend gesondert erfasst oder
die Stückzinsen fälschlich als Teil der
Anschaffungskosten des Wertpapiers behandelt werden. Für den
Betriebsausgabenabzug ist es ebenfalls unerheblich, ob die mit
Stückzinsen von der X-Bank erworbene Anleihe tatsächlich
über einen Bilanzstichtag gehalten und die erworbenen
Stückzinsen buchhalterisch erfolgsneutral behandelt und in der
Bilanz aktiviert wurden. Maßgeblich ist insofern, dass die
für den Erwerb der Stückzinsen aufgewendeten Beträge
den Gewinn der Klägerin nicht minderten, sondern aufgrund der
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
erfolgsneutral waren. Dies entspricht dem Senatsurteil in BFHE 269,
342, BFH/NV 2021, 122 = SIS 20 17 28 und dem BFH-Urteil in BFH/NV
2021, 1367 = SIS 21 15 11, wonach es für eine Hinzurechnung
von Mietzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG 2002 darauf
ankommt, ob diese sich unmittelbar als Betriebsausgaben ausgewirkt
haben oder aber den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff
erfüllen.
|
|
|
26
|
c) Einer Hinzurechnung der Beträge, die
beim Erwerb der kurz darauf an die A Ltd. zurückgegebenen
Anleihen für die Stückzinsen anfielen, steht weiter
entgegen, dass es sich dabei nicht um Entgelte
„für“ Schulden i.S. des § 8 Nr. 1
GewStG 2002 handelte.
|
|
|
27
|
aa) Als Entgelte für Schulden sind nach
§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 nur die Gegenleistungen für die
Zurverfügungstellung von Fremdkapital hinzuzurechnen
(BFH-Urteile vom 09.08.2000 - I R 92/99, BFHE 193, 141, BStBl II
2001, 609 = SIS 01 02 85, betreffend nach der Darlehenssumme
bemessene laufende Verwaltungskostenbeiträge; vom 30.04.2003 -
I R 19/02, BFHE 202, 357, BStBl II 2004, 192 = SIS 03 36 49,
betreffend aktivierte Bauzeitzinsen; vom 21.05.2014 - I R 85/12,
BFH/NV 2014, 1588, HFR 2014, 1007 = SIS 14 24 75, betreffend
Freistellungsverpflichtung aus Kaufvertrag, und vom 29.03.2007 - IV
R 55/05, BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655 = SIS 07 23 54,
betreffend Avalgebühr für Ausfallbürgschaft).
Leistungen, die nicht die Nutzung des Fremdkapitals abgelten, die
also nicht mit der tatsächlichen Nutzung oder der
Nutzungsmöglichkeit von Fremdkapital zusammenhängen,
sondern für eine andere Leistung oder aus einem anderen
Rechtsgrund erbracht werden, sind daher nicht hinzuzurechnen (vgl.
Brandis/ Heuermann/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 41; Haisch/
Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz 260;
Deloitte/ Bunzeck, GewStG, 2009, § 8 Nr. 1a Rz 19). Deshalb
werden z.B. Bereitstellungszinsen nicht hinzugerechnet, weil durch
sie nicht die Inanspruchnahme von Fremdkapital abgegolten wird,
sondern die Zurverfügungstellung und das Bereithalten der erst
später auszuzahlenden Gelder (BFH-Urteil vom 10.07.1996 - I R
12/96, BFHE 181, 86, BStBl II 1997, 253 = SIS 96 23 51; Güroff
in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl., § 8 Nr. 1 Buchst.
a Rz 6b).
|
|
|
28
|
bb) Die beim Erwerb der Anleihen für die
Stückzinsen aufgewendeten Beträge wurden nicht an die
Darlehensgeberin für die Kapitalüberlassung gezahlt,
sondern an den Veräußerer für die Übertragung
der Anleihen. Die Zahlungen beruhten auch nicht auf dem
Darlehensverhältnis mit der A Ltd., d.h. der Entgegennahme und
Rückgabe der Anleihen, sondern auf dem Entschluss der
Klägerin, die Anleihen nach ihrem Erhalt zu
veräußern, sodass sie vor Fälligkeit des
Sachdarlehens gleichartige Anleihen zurückerwerben und dabei
die beim Veräußerer aufgelaufenen Stückzinsen
vergüten musste. Hätte die Klägerin die Anleihen
nicht sogleich nach Erhalt veräußert, sondern bis zur
Rückgabe selbst gehalten, weil z.B. ihr Kapitalbedarf
unerwartet entfiel, oder hätte sie die ihr überlassenen
Anleihen zur Besicherung eines von einem Dritten gewährten
Gelddarlehens eingesetzt, so wäre es nicht zum Wiedererwerb
der Anleihen nebst aufgelaufener Stückzinsen gekommen. Der
Klägerin wären dann - auch wirtschaftlich betrachtet -
für das Sachdarlehen nur Aufwendungen in Höhe der
vereinbarten sog. Leihgebühr von 0,7 % bzw. 0,48 % entstanden,
die sie der A Ltd. schuldete.
|
|
|
29
|
Eine Zusammenfassung der
Sachdarlehensverträge und der Forwards, durch die die
zurückzugebenden Anleihen von der X-Bank erworben wurden,
wäre im Übrigen selbst dann ausgeschlossen, wenn beide
ohne einander nicht denkbar wären, denn jedes einzelne
Schuldverhältnis muss im Hinblick auf § 8 Nr. 1 GewStG
2002 grundsätzlich für sich beurteilt werden (BFH-Urteil
in BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655 = SIS 07 23 54, betreffend
Avalgebühr, zur Zusammenfassung mehrerer
Schuldverhältnisse s. dort Rz 22). Einer (ausnahmsweisen)
Zusammenfassung von Sachdarlehen und Forwards stand danach
entgegen, dass es der Klägerin frei stand, wann und von wem
sie die Anleihen zurückerwerben wollte.
|
|
|
30
|
3. Die im Zeitraum zwischen der
Überlassung der Anleihen an die Klägerin und deren
Rückgabe an die A Ltd. aufgelaufenen Stückzinsen sind
ebenfalls nicht hinzuzurechnen. Sie stehen zwar mit der
Überlassung des Sachdarlehens im Zusammenhang, es handelt sich
jedoch auch insoweit nicht um „Entgelte für
Schulden“ i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 2002.
|
|
|
31
|
a) Die Klägerin war nach § 607 Abs.
1 Satz 2 BGB verpflichtet, ein Darlehensentgelt zu zahlen und bei
Fälligkeit Anleihen „gleicher Art, Güte und
Menge“ zurückzugeben. Das Gesetz unterscheidet
mithin zwischen der Rückgabe der Sache einerseits und der
Zahlung eines Entgelts andererseits (vgl. dazu MüKoBGB/K. P.
Berger, 8. Aufl., § 607 Rz 28 und 32).
|
|
|
32
|
Die Rückerstattungspflicht des
Darlehensnehmers entsteht dabei nicht durch die im Abschluss des
Darlehensvertrags manifestierte Vereinbarung der Parteien, sondern
ohne Weiteres kraft Gesetzes als Folge der Vereinbarung der
zeitlich begrenzten Überlassung der vereinbarten vertretbaren
Sache durch den Darlehensgeber; sie steht - anders als die Pflicht
zur Zahlung des Entgelts - nicht im Synallagma (MüKoBGB/K. P.
Berger, a.a.O., § 607 Rz 32).
|
|
|
33
|
Da die während der Darlehenslaufzeit
aufgelaufenen Stückzinsen den Anleihen gewissermaßen
innewohnten oder anhafteten und eine Rückgabe der Anleihen
ohne die Stückzinsen oder aber nur mit den bis zum Empfang der
Anleihen von der A Ltd. aufgelaufenen Stückzinsen
ausgeschlossen war, erfüllte die Klägerin insoweit
lediglich ihre gesetzliche Rückerstattungspflicht und leistete
kein Entgelt. Entgelt für die Darlehensgewährung (§
609 BGB) war danach lediglich die in Nr. 5 des Rahmenvertrags
vereinbarte sog. Leihgebühr, da es zu den in Nr. 6 des
Rahmenvertrags geregelten Kompensationszahlungen nicht gekommen
ist.
|
|
|
34
|
Die entgegenstehende Auffassung des FA liefe
demgegenüber darauf hinaus, dass die Überlassung
verzinslicher Anleihen im Wege eines unentgeltlichen Sachdarlehens
ausgeschlossen wäre, weil Anleihen nicht von dem aufgelaufenen
Zinsanspruch getrennt werden können oder dass ein
unentgeltliches Sachdarlehen voraussetzen würde, dass der
Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die aufgelaufenen
Stückzinsen bei Rückgabe vergütet.
|
|
|
35
|
b) Die während der Darlehenslaufzeit
aufgelaufenen Stückzinsen sind auch nicht als Entgelt i.S. von
§ 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu behandeln, weil die Klägerin als
Eigentümerin von Wertpapieren oder als Forderungsinhaberin der
Anleihen nach § 101 BGB ein Recht auf deren Früchte -
hier: Zinsen - hatte und auf diese gegenüber der A Ltd.
verzichtet hat.
|
|
|
36
|
aa) § 101 BGB regelt das schuldrechtliche
Verhältnis sukzessiv Fruchtziehungsberechtigter untereinander
(Erman/J. Schmidt, BGB, 16. Aufl., § 101 Rz 1). Die
dispositive Vorschrift des § 101 BGB kommt jedoch in der
Praxis nur selten zur Anwendung (vgl. BFH-Urteil vom 21.05.1986 - I
R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794 = SIS 86 18 26, Rz 16
f.) und ist bei der Veräußerung von börsennotierten
Wertpapieren nicht anwendbar, weil dort der Ausgleich schon im
Kurswert berücksichtigt ist (Urteil des Bundesgerichtshofs vom
19.04.2011 - II ZR 237/09, BGHZ 189, 261 = SIS 11 19 56, Rz 23;
Staudinger/Stieper (2017), BGB § 101 Rz 7;
MüKoBGB/Stresemann, 9. Aufl., § 101 Rz 11).
|
|
|
37
|
bb) Nach dem zwischen der Klägerin und
der A Ltd. geschlossenen Rahmenvertrag sollen die Zinsen der
überlassenen Anleihen weiterhin der Verleiherin zustehen. In
dieser konkludenten Abbedingung des § 101 Nr. 2 BGB liegt
hinsichtlich des Verzichts auf die Vergütung von
Stückzinsen kein zusätzliches Entgelt für die
Gewährung des Wertpapierdarlehens.
|
|
|
38
|
Denn ein Anspruch aus § 101 Nr. 2 BGB
bestand nicht, weil es sich um börsennotierte Anleihen
handelte. Die Annahme eines zusätzlichen Entgelts wäre
aber selbst dann ausgeschlossen, wenn ein Anspruch der
Klägerin aus § 101 Nr. 2 BGB hätte entstehen
können. Denn eine vertragliche Vereinbarung, die die Anwendung
des § 101 Nr. 2 BGB ausschließt, ist der Besteuerung
grundsätzlich zugrunde zu legen; die Früchte sind dann
nicht anteilig dem Rechtsvorgänger zuzurechnen, weil sie
während seiner Inhaberschaft oder Besitzzeit entstanden sind
oder erwirtschaftet wurden (z.B. BFH-Beschluss vom 10.08.2004 - I B
2/04, BFH/NV 2005, 239 = SIS 05 08 09).
|
|
|
39
|
cc) Dem FA ist zuzugestehen, dass der Verzicht
auf eine zustehende Forderung als Entgelt zu qualifizieren sein
kann. Dies setzt indessen regelmäßig voraus, dass ein
entsprechender Anspruch bereits besteht. Ein Entgelt ist daher
nicht gegeben, wenn nicht ein bestehender Anspruch z.B. erlassen
wird, sondern ein - möglicher - Anspruch durch entsprechende
Vertragsgestaltung nicht zur Entstehung gelangt. Eine Regelung,
durch die von § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB abgewichen wird, ist
- sofern nicht rechtsmissbräuchlich - steuerlich hinzunehmen
(BFH-Urteile vom 27.06.1978 - VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl
II 1978, 674 = SIS 78 03 70, und vom 09.03.1982 - VIII R 160/81,
BFHE 136, 72, BStBl II 1982, 540 = SIS 82 16 01, bestätigt
durch Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29.11.1982 -
GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272 = SIS 83 07 37;
BFH-Urteil vom 22.05.1984 - VIII R 316/83, BFHE 141, 255, BStBl II
1984, 746 = SIS 84 17 18, Rz 12).
|
|
|
40
|
c) Für das vorstehende Ergebnis ist
unerheblich, wie der der Klägerin entstandene Aufwand für
die dem Veräußerer der Anleihen vergüteten
Stückzinsen oder die Sachdarlehensverbindlichkeit bilanziell
dargestellt wurde. Die von der Klägerin vorgenommene
Zuschreibung auf dem Wertpapierdarlehenskonto führt nicht
dazu, dass dieser Betrag - was für die Hinzurechnung
erforderlich wäre - als der A Ltd. zugeflossenes Entgelt
für deren Sachdarlehen zu behandeln wäre. Bilanzielle
Bewertungs- bzw. Wertberichtigungsmaßnahmen im
Schuldnervermögen sind nicht als Entgelt zu qualifizieren
(BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1588, HFR 2014, 1007 = SIS 14 24 75, Rz
18; Haisch/Helios, a.a.O., § 4 Rz 260; vgl. auch
Bundesministerium der Finanzen, Gewerbesteuer-Handbuch 2016, §
8 GewStG H 8.1 zu Teilwertabschreibungen).
|
|
|
41
|
d) Unerheblich ist auch, dass der
Rückerwerb aufgrund des mit der Bank vereinbarten Forwards
bereits im Zeitpunkt der Veräußerung der Anleihen
feststand. Ob die zurückgegebenen Anleihen vor Ende der
Sachdarlehenslaufzeit unmittelbar von der X-Bank geliefert
(physical delivery) oder aber von Dritten oder an der Börse
erworben wurden und die Bank aufgrund des Forwards lediglich einen
Barausgleich leistete, ist ebenfalls ohne Bedeutung.
|
|
|
42
|
e) Der Senat verkennt nicht, dass sich die
Klägerin durch die gewählte Gestaltung - Kombination des
Sachdarlehens mit der Veräußerung und dem
Rückerwerb der erhaltenen Anleihen, wobei die Stückzinsen
zu vergüten waren - wirtschaftlich betrachtet ein Gelddarlehen
verschafft hat, für das sie neben der Leihgebühr auch die
Differenz der bei der Veräußerung der Anleihen vom
Käufer erhaltenen und der von ihr beim Rückerwerb dem
Verkäufer vergüteten Stückzinsen aufwenden musste,
wobei die Rückgewähr zu einem Verlust der bis dahin ihr
zustehenden Stückzinsen führte, während die A Ltd.
sowohl die Leihgebühr als auch die während der
Darlehenslaufzeit entstandenen Anleihenszinsen erhalten hat.
|
|
|
43
|
Das ist für das Ergebnis des
Rechtsstreits aber ohne Bedeutung, weil für die Bestimmung der
hinzuzurechnenden „Entgelte für Schulden“
der Gesetzeswortlaut und grundsätzlich nicht eine davon
abweichende wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich ist.
Für eine am Gesetzeswortlaut orientierte und gegen eine
wirtschaftliche Auslegung hat sich der BFH im Übrigen auch -
dort zu Gunsten der Verwaltung - beim Leasing im Doppelstockmodell
sowie bei der Weiter- und Zwischenvermietung entschieden
(Senatsurteil vom 11.12.2018 - III R 23/16, BFHE 263, 260, BFH/NV
2019, 640 = SIS 19 04 35; BFH-Urteile vom 08.12.2016 - IV R 55/10,
BFHE 256, 519, BStBl II 2017, 722 = SIS 16 28 58; vom 04.06.2014 -
I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289 = SIS 14 25 07, und
Senatsurteil vom 17.07.2019 - III R 24/16, BFHE 265, 379, BStBl II
2020, 48 = SIS 19 15 56, Rz 25, offengelassen bei durchgeleitetem
Darlehen).
|
|
|
44
|
Dies widerspricht schließlich auch nicht
dem BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1588,
HFR 2014, 1007 = SIS 14 24 75. Denn
jener Entscheidung liegt keine wirtschaftliche Betrachtungsweise
zugrunde, sondern die Erwägung, dass die monatlichen Zahlungen
der dortigen Klägerin an die Verkäuferin nicht der
Abwicklung oder Erfüllung des Kaufvertrags dienten, sondern
die Klägerin auf den eigenständigen Rechtsgrund der
Freistellungsverpflichtung zahlte, durch die wiederum die
Anschaffung von Wirtschaftsgütern entgolten wurde.
|
|
|
45
|
f) Für den Senat ist nicht ersichtlich,
dass die gewählte Gestaltung als Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) gewertet
werden könnte. Die Beteiligten haben dazu nichts vorgetragen,
und das FG hat nicht festgestellt, dass es sich um eine
ungewöhnliche Gestaltung handelt.
|
|
|
46
|
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
§ 135 Abs. 1 FGO.
|