Private Veräußerungsgeschäfte, Verlustvortrag, gesonderte Feststellung: Ein verbleibender Verlustvortrag für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ist auch dann erstmals gemäß § 10 d Abs. 4 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 gesondert festzustellen, wenn im Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr Veräußerungsverluste in geringerer Höhe als tatsächlich erzielt ausgewiesen sind. - Urt.; BFH 11.11.2008, IX R 44/07; SIS 09 05 16
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr (2000) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielte im Streitjahr aus
der Veräußerung von Wertpapieren Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1
des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr
geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 361.648,37 DM. Der
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wies bei den
Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften
nur einen Verlust in Höhe von 12.064 DM aus, da der
Kläger seine Verluste erst im Klageverfahren in voller
Höhe erklärte.
Mit Bescheid vom 3.5.2004 stellte das
seinerzeit zuständige Finanzamt H den zum 31.12.2000
verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer für die
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
mit 12.064 DM gesondert fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch
wurde vom inzwischen zuständigen Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - )
zurückgewiesen.
Die Klage hatte aus den in EFG 2007, 1678 =
SIS 07 33 80 veröffentlichten Gründen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die
Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr
stehe der gesonderten Feststellung des tatsächlichen Verlusts
in Höhe von 361.648,37 DM nicht entgegen. Der Erlass eines
Feststellungsbescheids für vor dem 1.1.2007 entstandene
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften setze
nach § 52 Abs. 39 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes i.d.F.
des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I
2006, 2878) nur voraus, dass die Feststellungsfrist noch nicht
abgelaufen sei.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 52 Abs. 39 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes
i.d.F. des JStG 2007 (EStG 2007).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
Nach im Ergebnis zutreffender Entscheidung des
FG ist der zum 31.12.2000 verbleibende Verlustvortrag aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 361.648,37
DM gesondert festzustellen.
1. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9
zweiter Halbsatz EStG 2007 gilt § 10d Abs. 4 EStG 2007
für Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften entsprechend.
Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 9
zweiter Halbsatz EStG 2007 ist der am Schluss eines
Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert
festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die nicht
ausgleichbaren Veräußerungsverluste, vermindert um die
nach § 10d Abs. 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG abgezogenen
und die nach § 10d Abs. 2, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG
abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des
vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden
Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2, § 23 Abs. 3 Satz 9
zweiter Halbsatz EStG 2007). Nach § 10d Abs. 4 Satz 4, §
23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 sind
Feststellungsbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,
soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge
ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu
erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Ändern sich die
nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge aber nicht, ist
die Vorschrift von vornherein unanwendbar (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.9.2008 IX R 70/06, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2009, 65 = SIS 08 42 96).
2. Nach diesen Maßstäben ist der
zum 31.12.2000 verbleibende Verlustvortrag gemäß §
10d Abs. 4 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG
2007 gesondert festzustellen.
a) § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz
EStG 2007 gilt auch im Streitfall. Denn die Vorschrift ist nach
§ 52 Abs. 39 Satz 7 EStG 2007 in den Fällen anzuwenden,
in denen am 1.1.2007 die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen
ist. Die Feststellungsfrist war im Streitfall am 1.1.2007 noch
nicht abgelaufen, weil zu diesem Zeitpunkt über den
Rechtsbehelf noch nicht unanfechtbar entschieden worden war (vgl.
§ 171 Abs. 3a der Abgabenordnung - AO - i.V.m. § 181 Abs.
1 AO). Entgegen der Auffassung des FG bestimmt § 52 Abs. 39
Satz 7 EStG 2007 nach seinem klaren Wortlaut nur den zeitlichen
Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG
2007.
b) § 10d Abs. 4 Satz 4, § 23 Abs. 3
Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 ist mangels einer Änderung
der nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge nicht
anwendbar. Die nicht ausgleichbaren Veräußerungsverluste
können sich nicht geändert haben, weil der zum 31.12.2000
verbleibende Verlustvortrag mit dem angefochtenen Bescheid vom
3.5.2004 erstmals gesondert festgestellt wird.
Entgegen der Auffassung des FA ist es
unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr Veräußerungsverluste in geringerer Höhe
ausweist (gl.A. Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 235). Der
Einkommensteuerbescheid kann im Verfahren der gesonderten
Feststellung nach § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3 Satz 9
zweiter Halbsatz EStG 2007 nicht der Bezugspunkt für eine
Änderung der nicht ausgleichbaren
Veräußerungsverluste sein, da diese Beträge
für die Festsetzung der Einkommensteuer irrelevant sind.
Veräußerungsverluste dürfen nach § 23 Abs. 3
Satz 8 erster Halbsatz EStG nur bis zur Höhe des Gewinns, den
der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten
Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen
werden. § 23 Abs. 3 Satz 8 erster Halbsatz EStG schließt
einen vertikalen Verlustausgleich zwischen
Veräußerungsverlusten und positiven Einkünften aus
anderen Einkunftsarten aus (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R
28/05, BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259 = SIS 07 00 44). Nicht
ausgleichbare Veräußerungsverluste gehen daher nicht in
die Summe der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG ein und
haben damit keinen Einfluss auf die Höhe der
Einkommensteuer.