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Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG

Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Der Verkauf von Merchandising-Artikeln durch eine in der Rechtsform einer GbR auftretende Gesangsgruppe führt nicht zur Umqualifizierung der im Übrigen ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit in eine gewerbliche Tätigkeit, wenn die Nettoumsatzerlöse aus den Verkäufen 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen. - Urt.; BFH 27.8.2014, VIII R 16/11; SIS 15 03 08

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewerbesteuer
Fundstellen
  1. BFH 27.08.2014, VIII R 16/11
    BStBl 2015 II S. 996
    BFH/NV 2015 S. 592
    BFHE 247 S. 499

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 7.12.2015
    H.J.K. in FR 11/2015 S. 512
    H.J.P. in BFH/PR 5/2015 S. 151
    J.M. in AktStR 2/2015 S. 248
Normen
[GewStG] § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
[EStG] § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 3 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 01.03.2011, SIS 11 16 99, Abfärbetheorie, Geringfügigkeit, Verhältnismäßigkeit, Gewerbebetrieb
Zitiert in... / geändert durch...
  • LfSt Niedersachsen 17.10.2023, SIS 23 18 52, Ertragsteuerliche und gewerbesteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen: Das Landesamt für Steuern Ni...
  • LfSt Niedersachsen 7.11.2022, SIS 22 22 34, Ertragsteuerliche und gewerbesteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen: Das Landesamt für Steuern Ni...
  • BFH 30.6.2022, SIS 22 18 29, Abfärbung von Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit auf die im Übrigen vermögensverwaltende Tätigkeit eine...
  • FG Düsseldorf 12.8.2021, SIS 21 16 07, Künstlerische Tätigkeit eines Discjockeys, eigenschöpferische Leistung durch Mischen und Bearbeiten von M...
  • BMF 18.3.2021, SIS 21 04 64, Fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8 d KStG: Das Bundesfinanzministerium hat ausführlich zur An...
  • FG Köln 26.6.2020, SIS 21 06 41, Verfassungskonforme Auslegung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG bei Bezug gewerbliche...
  • BFH 6.6.2019, SIS 19 10 33, Keine Geringfügigkeitsgrenze bei Abfärbung von gewerblichen Beteiligungseinkünften, durch gewerbliche Bet...
  • LfSt Niedersachsen 12.7.2018, SIS 18 17 08, Blockheizkraftwerke, ertragsteuerliche Behandlung: Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat die Verfüg...
  • FG Hamburg 5.6.2018, SIS 18 14 92, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bei angestelltem Anwalt als Insolvenzverwalter: 1. Die Gesellschaft...
  • LfSt Rheinland-Pfalz 24.11.2016, SIS 16 25 01, Land- und Forstwirtschaft, Einkommensteuer 2014: Das Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz hat sich ausfü...
  • OFD Frankfurt 17.8.2016, SIS 16 19 60, Ärztliche Berufsausübungsgemeinschaften: Die OFD Frankfurt a.M. hat zur steuerrechtlichen Behandlung von ...
  • OFD Frankfurt 16.8.2016, SIS 16 19 85, Ärztliche Gemeinschaftspraxen, integrierte Versorgung, Abfärberegelung: Unter Berücksichtigung der BFH-Ur...
  • FG Baden-Württemberg 22.4.2016, SIS 16 15 53, Gewerbliche Infektion der Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft durch Beteiligung an...
  • OFD Niedersachsen 22.2.2016, SIS 16 17 31, Fotovoltaikanlagen, Ertragsteuer, Gewerbesteuer: Die OFD Niedersachsen hat eine neue Verfügung zur ertrag...
  • OFD Nordrhein-Westfalen 16.12.2015, SIS 16 09 51, Land- und Forstwirte, ESt-Veranlagung 2014: Die OFD Nordrhein-Westfalen hat eine ausführliche Verfügung z...
  • OFD Frankfurt 29.6.2015, SIS 15 18 47, Organschaften, Änderungen durch das StVergAbG: Die OFD Frankfurt a.M. hat das BMF-Schreiben vom 10.11.200...
  • FG Köln 24.6.2015, SIS 15 24 96, Qualifizierung der Einkünfte nach dem Tod eines freiberuflichen Erfinders: 1. Der Erbe eines Freiberufler...
  • FinBeh Hamburg 20.4.2015, SIS 15 15 41, Überwiegend selbständig und in geringem Umfang gewerblich tätige GbR, Bagatellgrenze für die Nichtanwendu...
Fachaufsätze
  • LIT 03 05 60 H.J. Kanzler, FR 11/2015 S. 512: Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG - Abfärbewirkung der ...
  • LIT 03 06 48 J. Moritz, AktStR 2/2015 S. 248: Bagatellgrenze bei der Abfärberegelung - Anmerkungen und Praxishinweise zu den BFH-Urteilen vom 27.8.2014...
Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

 

1

I. Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GbR, bilden eine Gesangsgruppe, die überwiegend im Rahmen des Karnevals bei Konzerten und (Karnevals-) Veranstaltungen auftritt. Sie erklärte ihre Einkünfte als solche aus selbständiger - künstlerischer - Tätigkeit.

 

 

2

In der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) des Streitjahres erklärte sie (Netto-)Erlöse (7 v.H. Umsatzsteuer) in Höhe von 216.374 EUR und (Netto-)Erlöse (16 v.H. Umsatzsteuer) in Höhe von 5.000 EUR. Die Erlöse in Höhe von 5.000 EUR entfielen auf Verkäufe von Merchandising-Artikeln (T-Shirts, Aufkleber, Kalender und CDs), die im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung festgestellt und vom Prüfer wegen unvollständiger Unterlagen in dieser Höhe geschätzt worden waren.

 

 

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) beurteilte die Einkünfte der Klägerin nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als solche aus Gewerbebetrieb und setzte mit Bescheid vom 31.7.2007 einen Gewerbesteuermessbetrag fest.

 

 

4

In der Einspruchsentscheidung änderte das FA den Gewinn aus Gewerbebetrieb aus anderen, nicht streitigen Gründen auf 119.522 EUR, den Gewerbesteuermessbetrag entsprechend auf 3.550 EUR und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

 

 

5

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Mit in EFG 2011, 1167 = SIS 11 16 99 veröffentlichtem Urteil vom 1.3.2011 8 K 4450/08 hat das Finanzgericht (FG) der Klage stattgegeben.

 

 

6

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das FG habe zu Unrecht die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abgelehnt, da die von der Klägerin erzielten gewerblichen Einkünfte aus dem Verkauf der Merchandising-Artikel in Höhe von 5.000 EUR 2,26 v.H. des Gesamtumsatzes (221.374 EUR) betragen hätten und damit über der vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten Bagatellgrenze von 1,25 v.H. des Umsatzes (BFH-Urteil vom 11.8.1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22; von der Finanzverwaltung in H 15.8 (5) der Einkommensteuer-Hinweise „Geringfügige gewerbliche Tätigkeit“ anerkannt) lägen.

 

 

7

Eine allgemeine quantitative Unschädlichkeitsgrenze habe bislang weder der Gesetzgeber noch der BFH festgelegt. Im Urteil vom 15.12.2010 VIII R 50/09 (BFHE 232, 162, BStBl II 2011, 506 = SIS 11 06 55) habe der BFH jedoch ausgeführt, dass er an der Grenze von 1,25 v.H. festhalte. Die 2,81 v.H.-Grenze hingegen stamme lediglich aus einem summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (BFH-Beschluss vom 8.3.2004 IV B 212/03, BFH/NV 2004, 954 = SIS 04 22 81). Die vom BFH in diesem Beschluss ebenfalls herangezogene Grenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Höhe von 24.500 EUR laufe dem Vereinfachungszweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zuwider. Bei Bemessung der Geringfügigkeitsgrenze nach dem Ertrag würden sich Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Zuordnung der Betriebsausgaben ergeben.

 

 

8

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

10

Sie trägt vor, sie habe im Streitjahr Merchandising-Artikel sowohl verkauft als auch als Werbeartikel kostenlos an Agenturen und Literaten verschickt, um Konzertauftritte zu generieren. Teilweise habe sie die Artikel auch an Fans verschenkt. Der Verkauf der Artikel habe der Werbung gedient. Die daraus erzielten Umsätze hätten im Streitjahr entgegen der Schätzung durch das FA lediglich 3.460 EUR, d.h. 1,56 v.H. des Gesamtumsatzes (221.374 EUR) betragen.

 

 

11

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

12

Das FG hat im Ergebnis zu Recht § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht angewandt, so dass die Einkünfte der Klägerin nicht insgesamt zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert werden.

 

 

13

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach Satz 2 der Vorschrift ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.

 

 

14

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer oHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen) ausübt. Die GbR ist eine Personengesellschaft im Sinne dieser Norm (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.11.2012 IV R 37/10, BFH/NV 2013, 910 = SIS 13 13 90, m.w.N.).

 

 

15

2. Die Klägerin erzielt mit den Gesangsauftritten ihrer Gesellschafter Einkünfte aus freiberuflicher, künstlerischer Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

 

 

16

a) Eine Personengesellschaft, wie vorliegend die GbR, entfaltet nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. des § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Sie müssen über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung sie persönlich qualifiziert sind, tatsächlich auch entfalten. Dies gilt auch für eine Personengesellschaft, welche beansprucht, insgesamt eine künstlerische Tätigkeit auszuüben (BFH-Urteil vom 10.10.2012 VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79 = SIS 12 33 50; BFH-Beschluss vom 16.4.2009 VIII B 216/08, BFH/NV 2009, 1264 = SIS 09 21 53).

 

 

17

b) Einen allgemeinen Kunstbegriff gibt es nicht. Im Gegensatz zu den sog. Katalogberufen ist für eine künstlerische Tätigkeit auch keine bestimmte fachliche Qualifikation erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine künstlerische Tätigkeit vielmehr dann vor, wenn der Schaffende eigenschöpferisch tätig wird, d.h. Leistungen vollbringt, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, und wenn diese Leistungen eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen. Auch die Darbietung von Tanz- und Unterhaltungsmusik ist grundsätzlich unter den Begriff der Kunst nach diesen Maßstäben einzuordnen (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 19.8.1982 IV R 64/79, BFHE 136, 474, BStBl II 1983, 7 = SIS 82 23 26; vom 28.10.1982 IV R 202/80; Schmidt/ Wacker, EStG, 33. Aufl., § 18 Rz 66).

 

 

18

Im Streitfall sind alle Gesellschafter der Klägerin gemeinsam als Sänger tätig und treten als Gruppe unter dem Bandnamen „X“ vor allem im Rahmen des Karnevals auf. Die Gesangsdarbietungen der Gesellschafter im Rahmen von Veranstaltungen und Konzerten als Gesangsgruppe erfüllen danach den Tatbestand der künstlerischen Tätigkeit.

 

 

19

3. Die Einkünfte der Klägerin werden durch den Verkauf der Merchandising-Artikel nicht nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert.

 

 

20

Denn obwohl es sich hierbei um eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG handelt (siehe hierzu unter II.3.b), ist diese von so untergeordneter Bedeutung, dass die Umqualifizierung der Einkünfte der Klägerin in gewerbliche Einkünfte zu einem unverhältnismäßigen Ergebnis führen würde (siehe hierzu unter II.3.c). Es kommt daher im Streitfall nicht darauf an, ob die Klägerin die gewerbliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat.

 

 

21

a) Im Unterschied zur sog. gemischten Tätigkeit eines Einzelunternehmers, bei dem gleichzeitig verrichtete gewerbliche und freiberufliche Betätigungen selbst bei sachlichen und wirtschaftlichen Berührungspunkten in der Regel getrennt zu beurteilen sind, fingiert die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für gemischt tätige Personengesellschaften sämtliche Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb, wenn die Personengesellschaft neben nicht gewerblichen Tätigkeiten gleichzeitig eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Unerheblich ist dabei nach dem Wortlaut der Norm, ob der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten Unternehmens nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung zukommt (BFH-Urteile vom 10.8.1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171 = SIS 95 01 13; vom 19.2.1998 IV R 11/97, BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603 = SIS 98 18 30).

 

 

22

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gerade im Hinblick auf diese Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften und die erheblichen steuerrechtlichen Folgen - die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der gewerblichen Einkünfte und des Verhältnisses zum Gesamtgewinn eintreten - grundsätzlich bestätigt (BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, 247 = SIS 08 25 65, unter C.II.). Die mit der Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verbundenen Nachteile stehen danach in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen, die Ermittlung der Einkünfte auch gewerblich tätiger Personengesellschaften durch Fiktion nur einer Einkunftsart zu vereinfachen und das Gewerbesteueraufkommen zu schützen.

 

 

23

Dabei ist das BVerfG allerdings davon ausgegangen, dass die gewerbesteuerliche Belastung auf ein zumutbares Maß gemildert wird durch die Möglichkeit, mit Hilfe gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen der Abfärberegelung auszuweichen (sog. Ausgliederungsmodell - vgl. hierzu BFH-Urteile vom 12.6.2002 XI R 21/99, BFH/NV 2002, 1554 = SIS 03 02 27; in BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603 = SIS 98 18 30, jeweils m.w.N), durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG und schließlich durch die restriktive Rechtsprechung des BFH zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, u.a. durch den Ausschluss einer die Einkunftsart insgesamt fingierenden Wirkung einer originär gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß (BFH-Urteile in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22; vom 30.8.2001 IV R 43/00, BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152 = SIS 02 04 23; vom 29.11.2001 IV R 91/99, BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221 = SIS 02 05 21).

 

 

24

b) Voraussetzung für die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist zunächst, dass die Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch von diesen zu trennende nicht gewerbliche Einkünfte erzielt, d.h. dass die unterschiedlichen Tätigkeiten nicht derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen. Ist die Tätigkeit der Gesellschaft hingegen wegen untrennbarer Verflechtung der Tätigkeiten einheitlich als originär gewerblich zu qualifizieren, ergibt sich die Gewerbesteuerpflicht unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Liegt hingegen eine einheitliche freiberufliche Tätigkeit vor, entfällt die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 186, m.w.N.).

 

 

25

Der Verkauf der Merchandising-Artikel durch die Klägerin ist eine solche originär gewerbliche Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, die getrennt von der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin zu betrachten ist. Denn deren Auftritte können auch ohne den Verkauf der Waren stattfinden; sie schuldet auch keinen einheitlichen Erfolg in Form von Auftritt und Verkauf.

 

 

26

c) Die danach trennbaren gewerblichen Einkünfte der Klägerin aus dem Verkauf der Merchandising-Artikel führen nicht zu einer Umqualifizierung der Einkünfte aus ihrer künstlerischen Tätigkeit. Denn der geringfügige Umfang dieser gewerblichen Tätigkeit schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Streitfall aus.

 

 

27

aa) Aufgrund der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG, das die Verhältnismäßigkeit der Abfärberegelung u.a. auf der Grundlage der restriktiven Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch den BFH bejaht hat, hält der Senat an der Rechtsprechung fest, dass einer originär gewerblichen Tätigkeit einer ansonsten Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielenden Personengesellschaft dann keine die übrige Tätigkeit der Gesellschaft umqualifizierende Wirkung zukommt, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß handelt (BFH-Urteile in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22; in BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152 = SIS 02 04 23; in BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221 = SIS 02 05 21; BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 954 = SIS 04 22 81).

 

 

28

bb) Eine Tätigkeit von noch äußerst geringem Ausmaß, die nicht dazu führt, dass die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft einheitlich als gewerblich fingiert wird, liegt dann vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum als Obergrenze nicht übersteigen.

 

 

29

(1) Ob es sich bei der gewerblichen Tätigkeit um eine äußerst geringfügige Tätigkeit handelt, die nicht zur Umqualifizierung der übrigen Einkünfte führt, kann nur anhand eines Vergleichs beider Tätigkeiten festgestellt werden.

 

 

30

Als geeigneter Vergleichsmaßstab ist das - im Regelfall ohne Schwierigkeiten zu ermittelnde - Verhältnis der Nettoumsätze der gewerblichen Tätigkeit zu den Gesamtnettoumsätzen der Gesellschaft aus selbständiger Arbeit und gewerblicher Tätigkeit heranzuziehen. Die erwirtschafteten Umsätze erlauben bei typisierender Betrachtung Rückschlüsse auf den auf die verschiedenen Tätigkeiten entfallenden zeitlichen und finanziellen Aufwand der Gesellschaft und damit darauf, ob der gewerblichen Tätigkeit eine völlig untergeordnete Bedeutung zukommt.

 

 

31

(2) Hinsichtlich der Höhe des Anteils der gewerblichen Umsätze folgt der Senat nicht der Auffassung des FA, wonach lediglich ein Anteil von 1,25 v.H. als äußerst geringfügig anzusehen ist. Zwar hat der BFH bereits entschieden, dass jedenfalls bei einem Anteil der gewerblichen Umsatzerlöse in Höhe von 1,25 v.H. der Gesamtumsatzerlöse eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Umfang vorliege (BFH-Urteil in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22; bestätigt im BFH-Urteil in BFHE 232, 162, BStBl II 2011, 506 = SIS 11 06 55, bei dem die gewerblichen Umsätze jedoch noch unter 1 v.H. lagen). Eine Entscheidung, dass höhere gewerbliche Umsätze immer zum Eintritt der Abfärbewirkung führen, war damit jedoch nicht getroffen. So hat der BFH bereits im Urteil in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22 darauf hingewiesen, dass erst bei gewerblichen Umsätzen in Höhe von 6 v.H. ein äußerst geringer Umfang nicht mehr vorliegen dürfte (unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171 = SIS 95 01 13). In einem späteren summarischen Verfahren wurde zumindest ein Umsatzanteil in Höhe von 2,81 v.H. des Gesamtumsatzes noch als äußerst geringfügig angesehen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 954 = SIS 04 22 81).

 

 

32

(3) Der erkennende Senat hält auf dieser Grundlage einen gewerblichen Umsatzanteil von 3 v.H. typisierend noch für von so untergeordneter Bedeutung, dass eine Umqualifizierung der gesamten Einkünfte unverhältnismäßig wäre. Dabei sind die Nettoumsätze zugrunde zu legen, um das Verhältnis der Umsätze bei unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen nicht zu verfälschen.

 

 

33

cc) Zur Vermeidung einer Privilegierung von Personengesellschaften, die besonders hohe freiberufliche Umsätze erzielen und damit in größerem Umfang gewerblich tätig sein könnten und unter Berücksichtigung des Normzwecks, das Gewerbesteueraufkommen zu schützen, ist es außerdem erforderlich, den Betrag der gewerblichen Nettoumsatzerlöse, bei dem noch von einem äußerst geringfügigen Umfang ausgegangen werden kann, auf einen Höchstbetrag in Höhe von 24.500 EUR zu begrenzen. Dieser orientiert sich an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag für Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG. Denn im Regelfall droht dann kein Ausfall von Gewerbesteuer, wenn bereits die gewerblichen Umsätze unter dem gewinnbezogenen Freibetrag in Höhe von 24.500 EUR liegen.

 

 

34

(1) Allerdings handelt es sich bei dem Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG um eine Gewinn- und nicht um eine Umsatzgrenze. Auch liegt der Zweck dieser Regelung nicht in der Freistellung von Kleingewerbetreibenden von der Gewerbesteuer, sondern in der Herstellung einer vergleichbaren gewerbesteuerlichen Belastung im Vergleich zu Kapitalgesellschaften durch Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohnes (vgl. zur Kritik FG Münster, Urteil vom 19.6.2008 8 K 4272/06 G, EFG 2008, 1975 = SIS 08 36 42).

 

 

35

(2) Gleichwohl ist es sachgerecht, den für Personengesellschaften geltenden gewerbesteuerlichen Freibetrag als Umsatzgrenze für eine typisierende Einschränkung der Abfärbewirkung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG heranzuziehen.

 

 

36

Der Normzweck des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG steht einer Anwendung des Freibetrages als absolute Umsatzgrenze im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Denn wenn auch eine Freistellung von geringen gewerblichen Einkünften nicht Zweck der Norm ist, so ist sie doch deren Ergebnis. Da gewerbliche Erträge in dieser Höhe nicht mit Gewerbesteuer belastet werden, droht insoweit auch nicht die Gefahr von Steuerausfällen.

 

 

37

Dass eine Gewerbesteuerpflicht der ansonsten freiberuflichen Einkünfte dann nicht geboten ist, wenn die gewerblichen Einkünfte für sich genommen keine Gewerbesteuer zeitigen würden, steht im Übrigen auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach auch eine Gewerbesteuerbefreiung der gewerblichen Einkünfte auf die freiberuflichen Einkünfte „abfärbt“, so dass im Ergebnis keine Gewerbesteuer entsteht (BFH-Urteil in BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152 = SIS 02 04 23).

 

 

38

Es würde jedoch dem vorrangigen Zweck der Abfärberegelung - der vereinfachten weil einheitlichen Einkünfteermittlung - zuwider laufen, den Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG - wie dort vorgesehen - im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewinngrenze zu berücksichtigen, da dies eine getrennte Einkünfteermittlung für die verschiedenen Tätigkeiten - mit den damit verbundenen Zuordnungs- und Aufteilungsschwierigkeiten - zur Folge hätte. Die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG darf nicht dazu führen, dass damit der eigentliche Normzweck gefährdet wird (so auch Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1426; Korn in Korn, § 18 EStG Rz 153; Kempermann, DStR 2002, 664). Die Berücksichtigung des Freibetrages als Umsatzgrenze vermeidet derartige Schwierigkeiten.

 

 

39

dd) Das weitere Argument der Vorinstanz, die gewerblichen Umsätze dürften aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch deswegen nicht zu einer Umqualifizierung führen, weil die festgesetzte Gewerbesteuer (17.572 EUR) höher als die originär gewerblichen Einkünfte (5.000 EUR) sei, hält der Senat für nicht sachgerecht. Denn die definitive Gewerbesteuerbelastung wird durch die Möglichkeit der Anrechnung auf die Einkommensteuerschuld der Gesellschafter nach § 35 EStG und dem für das Streitjahr 2005 noch zulässigen Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008) wesentlich gemindert.

 

 

40

4. Die Entscheidung des FG steht im Ergebnis mit den oben genannten Grundsätzen in Einklang.

 

 

41

Da die gewerblichen Nettoumsatzerlöse der Klägerin auch nach der vom FA vorgenommenen Schätzung nur 2,26 v.H. der Gesamtumsätze betragen und mit 5.000 EUR die Höchstgrenze von 24.500 EUR nicht überschreiten, hat das FG zu Recht § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht angewandt und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid aufgehoben.

 

Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

1. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gerade im Hinblick auf diese Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften und die erheblichen steuerlichen Folgen – die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der gewerblichen Einkünfte und des Verhältnisses zum Gesamtgewinn eintreten – bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04 = SIS 08 25 65, BVerfGE 120 S. 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, S. 247 unter C.II.) und dabei insbesondere auf Milderung der gewerbesteuerlichen Belastung durch die Möglichkeit hingewiesen, mit Hilfe gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen der Abfärberegelung auszuweichen (sog. Ausgliederungsmodell – vgl. hierzu BFH Urteile vom 12.6.2002 XI R 21/99 = SIS 03 02 27, BFH/NV 2002 S. 1554; vom 19.2.1998 IV R 11/97 = SIS 98 18 30, BStBl 1998 II S. 603, BFHE 186 S. 37 jeweils m.w.N.), wie auch auf die Milderung durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG und schließlich durch die restriktive Rechtsprechung des BFH zur Anwendung dieser Vorschrift, u.a. die Verneinung einer prägenden Wirkung einer originär gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß auf die übrige – trennbare – Tätigkeit der Personengesellschaft (BFH, Urteile vom 11.8.1999 XI R 12/98 = SIS 99 22 22, BStBl 2000 II S. 229; vom 30.8.2001 IV R 43/00 = SIS 02 04 23, BStBl 2002 II S. 152; vom 29.11.2001 IV R 91/99 = SIS 02 05 21, BStBl 2002 II S. 221).

2. Die bisherige Rechtsprechung hatte bislang, ohne abschließende Aussagen zur absoluten Grenze für die Annahme einer unbeachtlichen gewerblichen Tätigkeit, die Bagatellgrenze bei einem Anteil der gewerblichen Umsatzerlöse i.H.v. 1,25 v.H. der Gesamtumsatzerlöse als gewahrt angesehen (BFH vom 11.8.1999 = SIS 99 22 22, BStBl 2000 II S. 229; bestätigt im Urteil vom 15.12.2010 VIII R 50/09 = SIS 11 06 55, BStBl 2011 II S. 506) und im Rahmen eines summarischen Verfahrens einen Umsatzanteil i.H.v. 2,81 v.H. des Gesamtumsatzes noch als äußerst geringfügig angesehen (BFH, Beschluss vom 8.3.2004 IV B 212/03 = SIS 04 22 81, BFH/NV 2004 S. 954).