1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den
Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 22.5.2017
2 V 22/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Anordnung zur
Vorlage von Unterlagen in der Anlage zur Prüfungsanordnung vom
29.11.2016 wird als unzulässig abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
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I. Der Antragsteller und
Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Kalenderjahren
2011 bis 2014 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer
veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für 2011
erklärte er u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen in
Höhe von 1.099.306 EUR als dem inländischen und in
Höhe von 84.237 EUR als nicht dem inländischen
Steuerabzug unterliegend. Darin enthalten waren Gewinne aus
Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 679.694 EUR. Er
stellte einen Antrag auf Günstigerprüfung für die
Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 6 EStG sowie
einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts
gemäß § 32d Abs. 4 EStG. Zudem beantragte er die
Verrechnung von Verlusten nach § 23 EStG nach der bis zum
31.12.2008 geltenden Rechtslage (a.F.). Gewinneinkünfte i.S.
des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG wurden vom Antragsteller im
Jahr 2011 nicht erzielt.
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Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das
Finanzamt - FA - ) legte bei der Einkommensteuerfestsetzung
für 2011 die Einkünfte des Antragstellers aus
Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG der tariflichen
Einkommensteuer zugrunde, da die Günstigerprüfung nach
§ 32d Abs. 6 EStG zu einer geringeren Steuer führte. Es
erfasste Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 EStG in
Höhe von 506.344 EUR und Kapitalerträge i.S. des §
20 Abs. 2 EStG (ohne Aktien) in Höhe von 679.694 EUR, somit in
Höhe von insgesamt 1.186.038 EUR als tariflich zu besteuernde
Einkünfte aus Kapitalvermögen. Es verrechnete die
Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 2 EStG (ohne Aktien) in
voller Höhe mit den Verlustvorträgen aus privaten
Veräußerungsgeschäften aus dem Vorjahr i.S. des
§ 23 EStG a.F. Abzüglich des Sparer-Pauschbetrags in
Höhe von 801 EUR ergaben sich danach Kapitaleinkünfte des
Antragstellers in Höhe von 505.543 EUR. Diese verrechnete das
FA mit negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in
Höhe von ./. 2.523 EUR (aus geschlossenen Immobilienfonds) und
./. 314.280 EUR. Nach der Verrechnung des Gesamtbetrags der
Einkünfte mit weiteren Verlustvorträgen ergab sich ein zu
versteuerndes Einkommen in Höhe von 21.823 EUR, das dem
Splittingtarif zugrunde gelegt wurde, und eine
Einkommensteuerfestsetzung in Höhe von 0 EUR.
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Mit Prüfungsanordnung vom 29.11.2016
ordnete das FA unter Verweis auf § 193 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) eine Außenprüfung betreffend die
Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014,
die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach
§ 10d EStG zum 31.12.2011 bis 31.12.2014 sowie die
Schenkungssteuer 2007 an. In der Anlage zur Prüfungsanordnung
verwies es darauf, dass sich die Summe der positiven Einkünfte
des Antragstellers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
bis 7 EStG im Jahr 2011 auf mehr als 500.000 EUR belaufen habe, so
dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer
Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. §
147a AO erfüllt seien. Zudem forderte es den Antragsteller zur
Vorlage zahlreicher Unterlagen auf.
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Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch vom
22.12.2016 machte der Antragsteller geltend, dass er die
Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO in
den Jahren 2011 bis 2014 nicht erfüllt habe. Gleichzeitig
stellte er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der
Prüfungsanordnung bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung im Einspruchsverfahren. Dies lehnte das FA mit
Bescheid vom 25.1.2017 ab. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.2.2017
wurde der Einspruch gegen die Prüfungsanordnung als
unbegründet zurückgewiesen. Der Antragsteller hat
hiergegen Klage beim Finanzgericht (FG) erhoben, die unter dem
Aktenzeichen ... anhängig ist.
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Auch gegen die Aufforderung zur Vorlage der
in der Anlage zur Prüfungsanordnung bezeichneten Unterlagen
legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die AdV. Der
Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10.4.2017 als
unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage
(Aktenzeichen ...) hat das FG mit dem Klageverfahren gegen die
Prüfungsanordnung (Aktenzeichen ...) verbunden.
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Den Antrag des Antragstellers auf AdV der
Prüfungsanordnung vom 29.11.2016 lehnte das FG mit dem in EFG
2017, 1236 = SIS 17 13 25 veröffentlichten Beschluss vom
22.5.2017 2 V 22/17 ab.
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Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde
macht der Antragsteller geltend, dass ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung vom 29.11.2016
sowie an der in der Anlage getroffenen Anordnung zur Vorlage
bestimmter Unterlagen bestehen würden. Da er in dem
Prüfungszeitraum 2011 bis 2014 weder einen gewerblichen noch
einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten habe,
noch freiberuflich tätig, noch Steuerpflichtiger i.S. des
§ 147a AO gewesen sei, seien die Voraussetzungen des §
193 Abs. 1 AO für eine Außenprüfung nicht gegeben.
In keinem der Kalenderjahre 2011 bis 2014 sei der in § 147a AO
vorgesehene Schwellenwert von 500.000 EUR der Summe der positiven
(Überschuss-)Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
bis 7 EStG überschritten worden. Die der Abgeltungsteuer
unterliegenden Kapitaleinkünfte i.S. des § 32d Abs. 1
EStG seien entgegen der Auffassung des FG bei der Ermittlung des
Schwellenwertes nach § 147a AO nicht zu berücksichtigen.
Dies gelte auch dann, wenn die Kapitaleinkünfte aufgrund der
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG der
tariflichen Besteuerung unterworfen würden. Zudem seien im
Kalenderjahr 2011 - unabhängig von dem Abzugsverbot des §
20 Abs. 9 EStG - die tatsächlich entstandenen Werbungskosten
zu berücksichtigen. Denn maßgeblich für den
Schwellenwert nach § 147a AO seien nach einem horizontalen
Verlustausgleich die Einkünfte und nicht die
Einnahmen.
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Auch die Erstattung der Kapitalertragsteuer
führe zu keiner anderen Beurteilung. Dem FA stehe mit dem
automatisierten Kontenabruf nach § 93b AO ein gegenüber
der Außenprüfung milderes Mittel zur Verfügung, um
eine gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Steuern
zu gewährleisten.
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Es bestünden auch ernstliche Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit des § 147a AO. Der
Schwellenwert in Höhe von 500.000 EUR sei mit Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbaren. Die Beschränkung
der Aufbewahrungspflicht auf Steuerpflichtige mit hohen
Überschusseinkünften sei willkürlich. Es sei zudem
verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass das Inkrafttreten des
§ 147a AO durch eine Rechtsverordnung, nämlich durch
§ 5 der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung vom
18.9.2009 (BGBl I 2009, 3046) - SteuerHBekV - geregelt worden sei.
Gemäß Art. 80 Abs. 1 GG müsse der Gesetzgeber dies
selbst regeln und dürfe wesentliche Regelungen nicht auf die
Exekutive abwälzen.
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Soweit sich der Antrag auf AdV im
Beschwerdeverfahren auch auf die Aufforderung des
Außenprüfers zur Vorlage von Unterlagen richte, handele
es sich entgegen der Auffassung des FA nicht um eine
unzulässige Erweiterung des Streitgegenstandes. Die Anlage der
Prüfungsanordnung sei ein rechtlich unselbständiger,
untrennbarer Bestandteil der Prüfungsanordnung. Der Antrag auf
AdV beim FG habe sich auch auf diesen Teil der
Prüfungsanordnung bezogen. Zudem sei im Beschwerdeverfahren
eine Änderung des ursprünglich im finanzgerichtlichen
Aussetzungsverfahren gestellten Antrags grundsätzlich
zulässig.
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Schließlich würde es zu einer
unbilligen Härte führen, wenn die Einkünfte des im
Jahr 1936 geborenen Antragstellers als Privatperson einer
Außenprüfung unterzogen würden.
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Der Antragsteller beantragt
sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Vorinstanz
aufzuheben und die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom
29.11.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.2.2017 und
der in der Anlage zur Prüfungsanordnung enthaltenen
Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10.4.2017 bis zur rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
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Das FA beantragt, den Antrag
abzulehnen.
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Es bestünden keine ernsthaften Zweifel
an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung vom
29.11.2016. Diese sei gemäß § 193 Abs. 1 AO
rechtmäßig, da der Antragsteller zu dem Personenkreis
i.S. des § 147a AO zähle. Mit seinen Einkünften nach
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG überschreite er im
Kalenderjahr 2011 die Einkommensgrenze des § 147a AO in
Höhe von 500.000 EUR. Entgegen seiner Auffassung seien die
Kapitaleinkünfte in die Berechnung des Schwellenwertes mit
einzubeziehen. Die Regelung des § 147a AO sei auch
verfassungsgemäß. Die Festlegung des Schwellenwertes
verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern diene der
Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO). Es sei
auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die
Anwendungsregelung zu § 147a AO durch Rechtsverordnung
geregelt worden sei.
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Bei dem Antrag auf AdV der Aufforderung zur
Abgabe von Unterlagen und Belegen handele es sich um eine
unzulässige Erweiterung des Streitgegenstandes. Im
erstinstanzlichen Verfahren sei dies weder beantragt noch
darüber entschieden worden. Zwar könne der Antragsteller
seinen Antrag im Beschwerdeverfahren ändern und erweitern.
Unzulässig sei es jedoch, den Antrag so wesentlich zu
ändern, dass der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren mit
dem erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr identisch sei.
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II. Die vom FG nach § 128 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Beschwerde ist nicht
begründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen
(§ 132 FGO).
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Der Antrag auf AdV der Prüfungsanordnung
vom 29.11.2016 betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2011 bis
2014 sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden
Verlustabzugs nach § 10d EStG zum Schluss der Kalenderjahre
2011 bis 2014 ist unbegründet.
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1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines
angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche
Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder die
Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte
zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2
Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des
angefochtenen Steuerbescheids neben für seine
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige
Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit
in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder
Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die AdV setzt
nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden
Gründe überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B.
Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.5.2017 IV B 10/17,
BFH/NV 2017, 1009 = SIS 17 11 90, m.w.N.).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist es
vorliegend nicht ernstlich zweifelhaft, dass die vom FA mit
Verfügung vom 29.11.2016 angeordnete Außenprüfung
im streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig ist.
Die Voraussetzungen für eine Außenprüfung waren
nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO gegeben.
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a) Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine
Außenprüfung zulässig bei Steuerpflichtigen, die
einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb
unterhalten, die freiberuflich tätig sind und bei
Steuerpflichtigen i.S. des § 147a AO. Bei Letzteren handelt es
sich um Steuerpflichtige, bei denen die Summe der positiven
Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG
(Überschusseinkünfte) mehr als 500.000 EUR im
Kalenderjahr beträgt (§ 147a Abs. 1 Satz 1 AO). Im Falle
der Zusammenveranlagung sind für die Feststellung des
Überschreitens des Betrags von 500.000 EUR die Summe der
positiven Einkünfte eines jeden Ehegatten oder Lebenspartners
maßgebend (§ 147a Abs. 1 Satz 2 AO).
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b) Danach ist die Rechtmäßigkeit
der Prüfungsanordnung des FA vom 29.11.2016 nicht ernsthaft
zweifelhaft. Der Antragsteller erzielte im Jahr 2011
gemäß dem Einkommensteuerbescheid vom 5.12.2016
Kapitaleinkünfte in Höhe von insgesamt 1.186.038 EUR, die
aufgrund seines Antrags auf Günstigerprüfung
gemäß § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Besteuerung
zugrunde gelegt wurden. Abzüglich des gemäß §
20 Abs. 9 EStG allein zu berücksichtigenden
Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 EUR liegen seine
Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG somit
über dem Schwellenwert des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO in
Höhe von 500.000 EUR, so dass eine Außenprüfung
nach § 193 Abs. 1 AO zulässig ist.
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aa) Der Antrag auf Günstigerprüfung
gemäß § 32d Abs. 6 EStG führt nach der
Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 30.11.2016 VIII R 11/14,
BFHE 256, 455, BStBl II 2017, 443 = SIS 17 06 32, Rz 47, und vom
29.8.2017 VIII R 5/15, BFHE 259, 329, BStBl II 2018, 66 = SIS 17 21 29) dazu, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven
Kapitaleinkünfte unter Verdrängung des § 32d Abs. 1,
3 und 4 EStG zu Einkünften i.S. des § 2 Abs. 2 bis 5 EStG
werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie sind
danach in die Berechnung des Schwellenwertes des § 147a Abs. 1
Satz 1 AO mit einzubeziehen.
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Nicht zu entscheiden ist im Streitfall die
umstrittene Frage, ob die gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1
EStG durch den Steuerabzug abgegoltenen Kapitaleinkünfte zu
einer Überschreitung des Schwellenwertes des § 147a AO
führen können (bejahend Drüen in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147a AO Rz 11;
Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 13; Koenig/Cöster,
Abgabenordnung, 3. Aufl., § 147a Rz 7; Geuenich, Neue
Wirtschafts-Briefe - NWB - 2010, 2300, 2302 f.; Dißars, BB
2010, 2085 f.; Brinkmann, Die steuerliche Betriebsprüfung -
StBp - 2011, 125 f.; verneinend Klein/Rätke, AO, 13. Aufl.,
§ 147a Rz 6; Grammes, AO -eKommentar, § 147a Rz 3;
Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 147a). Denn aufgrund
des Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6
EStG wurden die Kapitaleinkünfte in die tarifliche Besteuerung
mit einbezogen, so dass die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs
nach § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG entfallen ist
(Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 36. Aufl., § 43 Rz 6).
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bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellers
sind die tatsächlich entstandenen Werbungskosten bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen auch bei einem Antrag auf
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht zu
berücksichtigen (so bereits entschieden durch die
Senatsurteile vom 2.12.2014 VIII R 34/13, BFHE 248, 51, BStBl II
2015, 387 = SIS 15 04 11, und in BFHE 256, 455, BStBl II 2017, 443
= SIS 17 06 32). Danach ist auch in Bezug auf den Schwellenwert des
§ 147a Abs. 1 Satz 1 AO bei der Ermittlung der Höhe der
Kapitaleinkünfte nur der Sparer-Pauschbetrag in Höhe von
801 EUR als Werbungskosten in Abzug zu bringen.
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cc) Ein horizontaler Verlustausgleich
innerhalb der Kapitaleinkünfte, der nach der h.M. möglich
ist (Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 147a AO Rz 11;
Klein/Rätke, a.a.O., § 147a Rz 7; Koenig/Cöster,
a.a.O., § 147a Rz 7; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz
15; Geuenich, NWB 2010, 2300, 2302), kommt im vorliegenden Fall
nicht in Betracht, da der Antragsteller im Jahr 2011 keine
negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des §
20 EStG erzielt hat.
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dd) Auch die im Einkommensteuerbescheid
für 2011 vorgenommene Verrechnung der Kapitaleinkünfte
mit (Alt-)Verlusten nach § 23 EStG a.F. in Höhe von
679.694 EUR und mit negativen Einkünften i.S. des § 21
EStG in Höhe von 316.803 EUR aus dem Jahr 2011 führt zu
keinem anderen Ergebnis. Nach dem Wortlaut des § 147a Abs. 1
Satz 1 AO ist entscheidend für das Überschreiten des
Schwellenwertes die Summe der positiven Einkünfte im
Kalenderjahr. Danach sind weder Verlustvorträge noch
Verlustrückträge aus anderen Jahren noch vertikale
Verlustverrechnungen mit anderen Einkunftsarten bei der Berechnung
des Schwellenwertes nach § 147a AO zu berücksichtigen (so
auch die h.M. in der Literatur, Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 147a AO Rz 11; Klein/ Rätke, a.a.O., § 147a Rz 7;
Koenig/Cöster, a.a.O., § 147a Rz 7; Märtens in
Gosch, AO § 147a Rz 15; Brinkmann, StBp 2011, 125 f.;
Geuenich, NWB 2010, 2300, 2302; s.a. BTDrucks 16/13106, S. 12).
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3. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das
FA die Außenprüfung über einen
Prüfungszeitraum von vier Jahren angeordnet hat.
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a) Die Außenprüfung kann
gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 AO mehrere
Besteuerungszeiträume erfassen. Sie ist gemäß
§ 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO nicht nur für das
Jahr zulässig, in dem die in § 147a Abs. 1 Satz 1 AO
bestimmte Grenze erstmals überschritten wurde, sondern auch
für die fünf Folgejahre. Es ist danach unerheblich, ob
die Überschusseinkünfte des Antragstellers in den
Prüfungsjahren 2012 bis 2014 über dem Schwellenwert des
§ 147a AO lagen (so auch Gosch in Gosch, AO § 193 Rz
61).
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b) Einschränkungen des
Prüfungszeitraums ergeben sich auch nicht aus den Vorgaben der
Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000). Gemäß dem
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9.6.2015 IV A 4-S
1450/15/10001, 2015/0058091 (BStBl I 2015, 504 = SIS 15 12 80) sind
Fälle mit bedeutenden Einkünften, bei denen die Summe der
positiven Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 bis 7 EStG über 500.000 EUR liegt, als Großbetrieb
einzustufen. Die Prüfungsanordnung, die einen
Vier-Jahres-Zeitraum umschließt, entspricht danach den
Vorgaben des § 4 Abs. 2 BpO 2000.
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4. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft,
dass das FA sein Ermessen beim Erlass der Prüfungsanordnung
fehlerfrei ausgeübt hat.
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a) §§ 193 f. AO räumen dem FA
bezüglich der Anordnung und des Umfangs der
Außenprüfung ein Ermessen ein. Soweit die Behörden
ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, hat sich
die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken,
ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind
oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102
FGO).
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b) Nach der Rechtsprechung des BFH sind im
Rahmen des § 193 Abs. 1 AO Außenprüfungen in den
Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des
Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt
zulässig (BFH-Beschluss vom 14.7.2014 III B 8/14, BFH/NV 2014,
1880 = SIS 14 29 93, m.w.N.). Nach der Auffassung des Gesetzgebers
sind auch Steuerpflichtige i.S. des § 147a AO, die
Überschusseinkünfte von mehr als 500.000 EUR erzielen,
„prüfungsrelevant“. Er vermutet bei diesen
Steuerpflichtigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, bei einer
Außenprüfung „beachtliche“
Mehrergebnisse zu erzielen (vgl. BTDrucks 16/12852, S. 10).
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33
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Im Gegensatz zu dem Fall einer nach § 193
Abs. 2 Nr. 2 AO angeordneten Prüfung, unter die sog.
Einkunftsmillionäre vor der Einführung des § 147a AO
fielen, kommt es im Fall einer Prüfungsanordnung nach §
193 Abs. 1 AO nicht auf die weiteren Voraussetzungen an, ob die
für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der
Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle
nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht
zweckmäßiger ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11.9.2003 XI B
9/03, juris = SIS 03 60 24). Vielmehr hält der Gesetzgeber bei
den in § 193 Abs. 1 AO genannten Steuerpflichtigen -
typisierend - die Außenprüfung für das geeignete
Mittel, den Sachverhalt aufzuklären. Sie unterliegen kraft
Gesetzes der Außenprüfung und sind daher verpflichtet,
die damit verbundenen Eingriffe zu dulden.
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Auch in diesen Fällen reicht es danach
aus, dass es nach allgemeinen Erfahrungen nicht außerhalb des
Möglichen liegt, dass die betreffenden Einkünfte nicht
oder nicht ordnungsgemäß erklärt worden sind. Es
muss sich nicht um konkrete Anhaltspunkte handeln, die sich aus
besonderen Umständen des jeweils zu prüfenden
Einzelfalles ergeben.
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c) Dieser gesetzlichen Vermutung steht im
vorliegenden Fall nicht entgegen, dass es sich bei den
Einkünften des Antragstellers, die zum Überschreiten der
Schwellengrenze des § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a Abs. 1
Satz 1 AO geführt haben, um Kapitaleinkünfte handelt, die
gemäß § 43 Abs. 1 EStG dem inländischen
Steuerabzug unterlagen. Ein konkretes Prüfungsbedürfnis
ergibt sich daraus, dass die Kapitaleinkünfte aufgrund des
Antrags auf Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) den
Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der
tariflichen Einkommensteuer unterworfen wurden, da dies - aufgrund
der Verrechnung mit hohen negativen Einkünften - zu einer
niedrigeren Einkommensteuer führte. Zudem hat der
Antragsteller gemäß § 32d Abs. 4 EStG die
Überprüfung des Steuereinbehalts beantragt, so dass er
sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt, wenn er
anlässlich der Anordnung einer Außenprüfung geltend
macht, dass eine Überprüfung des
Kapitalertragsteuerabzugs nicht erforderlich sei.
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36
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d) Dem FA stand mit dem automatisierten
Kontenabrufverfahren nach § 93b AO auch kein milderes Mittel
zur Verfügung. Dieses Verfahren erlaubt keinen Zugriff auf die
Inhalte der Konten wie Kontenstand und Kontenbewegung, sondern nur
den Zugriff auf sog. Kontenstammdaten, da nur diese in der Datei
nach § 24c Abs. 1 des Kreditwesengesetzes zu speichern sind
(Klein/Rätke, a.a.O., § 93b Rz 3). Das
Kontenabrufverfahren ermöglicht dem FA somit keine umfassende
Prüfung des Steuerfalls, die nur durch die
Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO
gewährleistet wird. Die Anordnung der Außenprüfung
ist danach auch verhältnismäßig im engeren
Sinn.
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37
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e) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch
nicht aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Antragstellers. Die
Gewährleistung des in § 85 AO normierten
verfassungsrechtlichen Gebots der Gleichmäßigkeit der
Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG, s.u.) würde
beeinträchtigt, wenn sich Steuerpflichtige ab einem bestimmten
Alter der Überprüfung ihrer im Besteuerungsverfahren
gemachten Angaben entziehen könnten. Eine Rechtfertigung
hierfür ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der
Steuerpflichtige, wie im vorliegenden Fall der Antragsteller,
über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um einen
Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung seiner Interessen im
Zusammenhang mit der Außenprüfung zu beauftragen.
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5. Auch die vom Antragsteller
geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §
147a AO führen nicht zur AdV. Zwar können auch
verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem
angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm ernstliche
Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO begründen (vgl.
BFH-Beschluss vom 21.7.2016 V B 37/16, BFHE 254, 491, BStBl II
2017, 28 = SIS 16 22 85). Im vorliegenden Fall hat der Senat bei
summarischer Prüfung jedoch keine ernstlichen Zweifel daran,
dass der durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz
(StHintBekG) vom 29.7.2009 (BGBl I 2009, 2302) in Art. 3
eingeführte § 147a AO und der in Bezug auf diese
Vorschrift ergänzte § 193 Abs. 1 AO formell und materiell
verfassungsgemäß sind.
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a) Der Senat hat keine Bedenken, dass die
Regelungen der §§ 147a, 193 Abs. 1 AO formell
verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Die Delegation
der Bestimmung der erstmaligen Anwendung dieser Vorschriften durch
Art. 97 § 22 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur
Abgabenordnung (EGAO) auf die Bundesregierung mit Zustimmung des
Bundesrates verstößt bei summarischer Prüfung nicht
gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG.
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aa) Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG
kann durch Gesetz u.a. die Bundesregierung ermächtigt werden,
Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und
Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt
werden. Sinn der Regelung des Art. 80 Abs. 1 GG ist es, das
Parlament darin zu hindern, sich seiner Verantwortung als
gesetzgebende Körperschaft zu entäußern. Es soll
nicht einen Teil seiner Gesetzgebungsmacht der Exekutive
übertragen können, ohne die Grenzen dieser Befugnis
bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu
haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und
vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig
sein soll. Darüber hinaus wird die Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers im Verhältnis zum Verordnungsgeber im Hinblick
auf den Vorrang des Gesetzes dann nicht mehr gewahrt, wenn die
erteilte Ermächtigung es dem Adressaten überlässt,
nach Belieben von ihr Gebrauch zu machen, und erst dadurch das
Gesetz anwendbar wird. In einem solchen Falle würde von einer
Gesetzgebungskompetenz nur für die Art und Weise der Regelung,
nicht aber für das „ob überhaupt“
Gebrauch gemacht. Aus allem ergibt sich, dass der Gesetzgeber dem
Verordnungsgeber hinreichende normative Anhaltspunkte für
seine Entscheidung an die Hand geben muss, ob von einer solchen
Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen ist oder nicht. Sie
können entweder ausdrücklich in der jeweiligen
Ermächtigungsgrundlage festgeschrieben werden oder sich aus
dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes und dem vom Gesetzgeber
verfolgten Zweck, so wie er im Gesetz zum Ausdruck gekommen ist,
ergeben (s. hierzu z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 8.6.1988 2 BvL 9/85, 2 BvL 3/86, BVerfGE 78, 249,
m.w.N.).
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bb) Bei summarischer Prüfung genügt
die Verordnungsermächtigung in Art. 97 § 22 Abs. 2 EGAO
diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG
(so auch Klein/Rätke, a.a.O., § 147a Rz 3; Märtens
in Gosch, AO § 147a Rz 9 ff.; Dißars, BB 2010, 2085 f.;
zweifelnd Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 147a AO Rz 8;
Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 193 AO Rz 27; Frotscher in
Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 193 Rz 31b; Gosch in Gosch, AO
§ 193 Rz 5; Kessler/Eicke, DB 2009, 1314 f.). Aus der
Ermächtigungsnorm und den Gesetzesmaterialien lässt sich
ein hinreichend deutlicher Gesetzeszweck entnehmen, der die
erforderlichen normativen Vorgaben für den Verordnungsgeber in
Bezug auf die Regelung des Inkrafttretens des Gesetzes zum Ausdruck
bringt.
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cc) Gemäß Art. 97 § 22 Abs. 2
EGAO bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung
von § 147a AO und § 193 Abs. 1 AO i.d.F. des Art. 3
StHintBekG. Dies ist durch § 5 SteuerHBekV geschehen. Danach
gelten die Vorschriften für Besteuerungszeiträume, die
nach dem 31.12.2009 beginnen. Grund für diese Delegation war
das Erfordernis der Abstimmung der einzelnen Regelungskomplexe des
StHintBekG durch die Bundesregierung (BTDrucks 16/12852, S. 10 f.;
16/13106, S. 13).
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Der Gesetzgeber hat damit ausreichend zu
erkennen gegeben, dass er dem Verordnungsgeber nicht das
„ob überhaupt“, sondern lediglich die
Bestimmung des konkreten Zeitpunkts des Inkrafttretens der
gesetzlichen Regelung überlässt. Er hat dies auch
ausreichend damit begründet, dass dieser Zeitpunkt von der
Koordinierung weiterer gesetzlicher Regelungen abhängt.
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b) Die Regelung von Aufbewahrungspflichten
für Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften von
mehr als 500.000 EUR pro Jahr gemäß § 147a AO und
die damit verbundene Möglichkeit zur Vornahme einer
Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO
verstößt bei summarischer Prüfung auch nicht gegen
Art. 3 Abs. 1 GG, da sie die Gleichmäßigkeit der
Besteuerung sicherstellt.
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aa) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG
verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch
ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet
werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die
rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt,
kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen
Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen (BVerfG-Urteile vom 9.3.2004
2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 = SIS 04 13 59, BGBl I 2004, 591,
BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59; vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89,
BVerfGE 84, 239 = SIS 91 14 01).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die
Erweiterung der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO
i.V.m. § 147a AO auf Steuerpflichtige mit hohen
Überschusseinkünften nicht offensichtlich
verfassungswidrig. Sie war nach der Auffassung des Gesetzgebers
erforderlich, da die Überprüfung dieser Steuerpflichtigen
von erheblicher Bedeutung sei und beachtliche Mehrergebnisse
aufweise. Vor der Einführung der Regelung sei eine
Außenprüfung der sog. Einkommensmillionäre nur
unter den Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 AO möglich
gewesen und habe einer besonderen Begründung bedurft. Die
Neuregelung diene daher der Sicherung der
Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 GG
(BTDrucks 16/12852, S. 10).
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cc) Diese Einschätzung des Gesetzgebers
ist sachlich gerechtfertigt und keinesfalls willkürlich. Der
Senat hat daher im Hinblick auf den durch Art. 3 Abs. 1 GG
gewährleisteten gleichheitsgerechten Gesetzesvollzug keine
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 193
Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO (so auch Klein/Rätke, a.a.O.,
§ 147a Rz 3; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 9 ff.;
Dißars, BB 2010, 2085 f.; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 147a AO Rz 5 f.; a.A. Kessler/Eicke, DB 2009, 1314,
1316).
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III. Der Antrag auf AdV der Anordnung zur
Vorlage von Unterlagen in der Anlage zur Prüfungsanordnung vom
29.11.2016 ist wegen Änderung des Streitgegenstandes im
Beschwerdeverfahren nicht zulässig.
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1. Es kann offenbleiben, ob das FG im ersten
Rechtszug des Aussetzungsverfahrens den Umfang des Antrags auf AdV
verkannt hat, da es nur über den Antrag auf AdV der
Prüfungsanordnung vom 29.11.2016 entschieden hat. Der
Beschwerdeführer kann grundsätzlich im
Beschwerdeverfahren seinen Antrag ändern. Das
Beschwerdegericht ist auch nicht auf eine Nachprüfung in
rechtlicher Hinsicht beschränkt. Es hat auch einen neuen
Tatsachenvortrag zu berücksichtigen. Jedoch darf dies nicht zu
einer so wesentlichen Änderung führen, dass der
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht mehr mit dem des
erstinstanzlichen Verfahrens identisch ist; denn dann würde
der auf Überprüfung einer bereits ergangenen Entscheidung
des FG gerichtete Zweck des Beschwerdeverfahrens verfehlt
(Senatsbeschluss vom 20.6.2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911 =
SIS 07 32 59; BFH-Beschluss vom 23.8.1988 VII B 76/88, BFHE 154,
29, BStBl II 1988, 952 = SIS 88 21 54).
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2. Dies ist vorliegend der Fall. Der Antrag
auf AdV der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen unterscheidet
sich von dem vom FG entschiedenen Antrag über die AdV der
Prüfungsanordnung grundlegend. Denn die Frage, ob eine
Außenprüfung überhaupt angeordnet werden darf, ist
von der Frage nach der Rechtmäßigkeit einzelner
Maßnahmen im Zuge der Prüfung zu unterscheiden (vgl.
Senatsurteil vom 8.4.2008 VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl II
2009, 579 = SIS 08 24 21, m.w.N.). Es ist daher sachgerecht, dass
zunächst das erstinstanzliche Gericht die Frage prüft, ob
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Aufforderung des FA zur Vorlage der in der Anlage bezeichneten
Unterlagen bestehen (z.B. BFH-Urteil vom 16.12.2014 X R 29/13,
BFH/NV 2015, 790 = SIS 15 10 62; Senatsurteil vom 28.10.2009 VIII R
78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455 = SIS 10 02 72). Dies ist
auch im Sinne des Antragstellers. Der BFH als Rechtsmittelgericht
würde ansonsten die Funktion eines erstinstanzlichen Gerichts
übernehmen, wozu er nicht befugt ist, da andernfalls eine
Instanz übergangen würde (BFH-Beschluss vom 23.8.1988 VII
B 76/88, BFHE 154, 29, BStBl II 1988, 952 = SIS 88 21 54).
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §
135 Abs. 2 FGO.
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