Die Verfahren X K 3-7/16 werden zu gemeinsamer
Entscheidung verbunden.
Der Beklagte wird verurteilt, an den
Kläger wegen unangemessener Dauer der beim Finanzgericht
München anhängigen Verfahren 3 K 752/13, 6 K 768/13 und 6
K 774/13 jeweils 600 EUR (insgesamt 1.800 EUR) nebst seit dem
4.1.2017 zu berechnender Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an die
Klägerin wegen unangemessener Dauer der beim Finanzgericht
München anhängigen Verfahren 6 K 768/13, 6 K 770/13 und 6
K 772/13 jeweils 600 EUR (insgesamt 1.800 EUR) nebst seit dem
4.1.2017 zu berechnender Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Kosten der Verfahren hat der Beklagte zu
tragen.
1
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I. Die Kläger begehren
gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)
Entschädigung wegen der von ihnen als unangemessen angesehenen
Dauer der seit dem 11.3.2013 vor dem Finanzgericht (FG)
München anhängigen Verfahren 3 K 752/13 sowie 6 K 768,
770, 772, 774/13. Das Verfahren 3 K 752/13 wurde nach Erledigung
der Hauptsache durch einen Kostenbeschluss vom 14.7.2016 beendet,
die Verfahren 6 K 768, 770, 772, 774/13 wurden am 18.5.2016 durch
Zustellung der Urteile an die Kläger beendet.
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Den Ausgangsverfahren liegt der folgende
Sachverhalt zugrunde: Die Kläger sind Eheleute, die im Jahr
1999 geheiratet haben. Für das Jahr 1999 wurde auf Antrag die
besondere Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der
Eheschließung (§ 26c des Einkommensteuergesetzes - EStG
- in der damals geltenden Fassung) durchgeführt; seit 2000
werden die Kläger zur Einkommensteuer
zusammenveranlagt.
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Der Kläger erzielte als Steuerberater
sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als auch -
zunächst in nur geringem Umfang - Einkünfte aus
freiberuflicher Tätigkeit. Die Klägerin war bei ihm
angestellt; die entsprechenden Lohnkosten zog er als
Betriebsausgaben bei seinen freiberuflichen Einkünften ab.
Ferner machte die Klägerin bei den Einkünften aus
Gewerbebetrieb Verluste aus dem Betrieb eines Nagelstudios geltend,
wobei die von ihr erzielten Einnahmen sehr gering waren.
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Beide Eheleute waren zudem Gesellschafter
einer GmbH. Diese mietete mit Vertrag vom 2.1.2001 das Dachgeschoss
des offenbar von den Klägern selbst bewohnten
Einfamilienhauses von einer Steuerberaterkanzlei - bei der es sich
wohl um die Arbeitgeberin des Klägers handelte - für
monatlich 800 DM zzgl. Umsatzsteuer an. Mit weiterem Vertrag vom
selben Tage gestattete die GmbH dem Kläger die betriebliche
„Mitnutzung“ der von ihr angemieteten Räume
für ebenfalls monatlich 800 DM zzgl. Umsatzsteuer. Diese
Beträge machte der Kläger als Betriebsausgaben bzw.
Vorsteuern im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit
geltend.
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5
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Bei den Klägern, die damals noch in
Baden-Württemberg wohnten, begann im Jahr 2004 eine
Außenprüfung, die 2006 abgeschlossen wurde. Die
geänderten Steuerbescheide für die
Veranlagungszeiträume ab 1999 ergingen Anfang 2007 und wurden
von den Klägern angefochten. 2008 verzogen die Kläger
nach Bayern in den Zuständigkeitsbereich des in den
Ausgangsverfahren beklagten Finanzamts (FA). Dieses erließ am
19.9.2012 hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 bis 2002
Teilabhilfebescheide und hinsichtlich der Einkommensteuer 2003 und
2004 verbösernde Festsetzungen. Die Einspruchsverfahren wurden
im Februar 2013 durch Erlass von Einspruchsentscheidungen
abgeschlossen; darin wurden die Einsprüche - bei
geringfügigen Herabsetzungen der Einkommensteuer 2001 bis 2004
- im Wesentlichen als unbegründet zurückgewiesen.
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6
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Im Einzelnen führte das FA u.a. aus,
Aufwendungen für das Ehegatten-Arbeitsverhältnis
könnten nicht als Betriebsausgaben der freiberuflichen
Tätigkeit des Klägers anerkannt werden. Die Vereinbarung,
dass die Klägerin - zur Erlangung der Steuerfreiheit nach
§ 3b EStG - hauptsächlich Sonn- und Feiertagsarbeit
durchführen solle, sei nicht fremdüblich. Auch sei die
tatsächliche Durchführung des Arbeitsverhältnisses
nicht nachgewiesen, zumal aufgrund des äußerst geringen
Umfangs der freiberuflichen Einnahmen des Klägers die
Notwendigkeit der Beschäftigung einer Angestellten nicht
erkennbar sei. Die Raumkosten, die dem Kläger aufgrund des
„Mitbenutzungsvertrags“ mit der GmbH entstanden seien,
seien nicht allein durch seine freiberufliche Tätigkeit,
sondern auch durch das private Wohnen und das Nagelstudio der
Klägerin veranlasst. Einkommensteuerlich sei hierfür der
Höchstbetrag für häusliche Arbeitszimmer (2.400 DM
bzw. 1.250 EUR jährlich) zu berücksichtigen. Ein
Vorsteuerabzug sei wegen § 15 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes
nicht möglich. Negative gewerbliche Einkünfte der
Klägerin aus dem seit 1997 betriebenen Nagelstudio seien nur
für die ersten beiden Jahre als Anlaufverluste anzuerkennen,
ab 1999 jedoch nicht mehr. Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit
seien geringfügig geblieben; Werbemaßnahmen seien nicht
erkennbar.
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Am 11.3.2013 erhoben die Kläger beim
FG die folgenden Klagen:
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- Umsatzsteuer 2001, 2002 (3 K 752/13; nur
der Kläger),
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- Einkommensteuer 2000 bis 2004 (6 K
768/13; beide Eheleute),
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- Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlusts zum 31. Dezember der Jahre 2000 und 2001 (6 K
770/13; nur die Klägerin),
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- Einkommensteuer 1999 (6 K 772/13; nur die
Klägerin),
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- Einkommensteuer 1999 (6 K 774/13; nur der
Kläger)
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In dem vor dem 3. Senat des FG
geführten Verfahren wegen Umsatzsteuer 2001 und 2002 (3 K
752/13) endete der Wechsel der vorbereitenden Schriftsätze am
22.4.2013. Am 20.3.2016 erhob der Kläger eine
Verzögerungsrüge. Am 31.3.2016 übertrug das FG die
Entscheidung auf den Einzelrichter. Dieser richtete am 1.4.2016
einen rechtlichen Hinweis an die Beteiligten, der mit einem
pauschalen Vorschlag für eine tatsächliche
Verständigung (Anerkennung von 25 % der streitigen
Vorsteuerbeträge) verbunden war. Nach anfänglicher
Ablehnung stimmte der Kläger am 14.6.2016 dem Vorschlag des FG
zu. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt. Das FG legte mit Beschluss vom
14.7.2016 75 % der Kosten des Verfahrens dem Kläger und 25 %
der Kosten dem FA auf. Wann die - vom FG angeordnete - Zustellung
des Kostenbeschlusses durch Empfangsbekenntnis vollzogen wurde,
lässt sich den Akten des Ausgangsverfahrens nicht
entnehmen.
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In den vor dem 6. Senat des FG
geführten ertragsteuerrechtlichen Ausgangsverfahren 6 K 768,
770, 772/13 endete der Wechsel der vorbereitenden Schriftsätze
am 19.6.2013; in dem weiteren Verfahren 6 K 774/13 geschah dies am
22.7.2013. Auch in diesen Verfahren erhoben die Kläger am
20.3.2016 Verzögerungsrügen. Am 24.3.2016 übertrug
das FG die Entscheidung auf die Einzelrichterin, die noch am selben
Tage für den 3.5.2016 zu mündlichen Verhandlungen lud. Im
Anschluss an die mündlichen Verhandlungen ergingen in den
Verfahren wegen Einkommensteuer 2000 bis 2004 sowie wegen der
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts
klageabweisende Urteile. In den Verfahren wegen der beiden
Einkommensteuerfestsetzungen 1999 gab das FG den Klagen hingegen
statt.
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Zur Begründung führte das FG aus,
die Verböserung hinsichtlich der Einkommensteuer 2003 und 2004
sei zulässig gewesen, weil das FA nach Vornahme der
Verböserung Verböserungshinweise erteilt habe. In Bezug
auf die Verluste aus dem Nagelstudio seien die Klagen insoweit
begründet, als noch für ein drittes Jahr (1999)
Anlaufverluste zu berücksichtigen seien; danach aber nicht
mehr. Das Ehegatten-Arbeitsverhältnis sei anzuerkennen, weil
das FA keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe. Im
Ergebnis komme es gleichwohl nicht zu einer Herabsetzung der
Einkommensteuer für 2000, weil eine im Jahr 1998 gebildete
Ansparrücklage aufzulösen sei. Hinsichtlich der
Raumkosten sei der zwischen dem Kläger und der GmbH
geschlossene Überlassungsvertrag nicht anzuerkennen.
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11
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Die Urteile wurden den Klägern am
18.5.2016 zugestellt. Sie wurden rechtskräftig.
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Die vorliegend streitgegenständlichen
Entschädigungsklagen gingen am 9.11.2016 beim Bundesfinanzhof
(BFH) ein. Die Kostenstelle forderte am 18.11.2016 die
Gerichtskostenvorschüsse an, die am 14.12.2016 gezahlt wurden.
Die Klagen wurden dem Beklagten am 4.1.2017 zugestellt.
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13
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Die Kläger sind der Auffassung, die
bis zum Eingang der Verzögerungsrüge am 20.3.2016
unbearbeitet gebliebenen Verfahren seien jeweils um mindestens
zwölf Monate verzögert worden. Trotz objektiver
Klagehäufung bestehe ein Entschädigungsanspruch für
jeden einzelnen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Dies
sei für die subjektive Klagehäufung (Klagen von Ehegatten
gegen Zusammenveranlagungsbescheide) bereits entschieden worden.
Auch bei der objektiven Klagehäufung bleibe die rechtliche
Selbständigkeit jeder Klage unberührt.
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14
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Die Kläger beantragen, den Beklagten
zu verurteilen,
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- an den Kläger wegen unangemessener
Dauer der vor dem FG geführten Verfahren 3 K 752/13 und 6 K
774/13,
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- an die Klägerin wegen unangemessener
Dauer der vor dem FG geführten Verfahren 6 K 770/13 und 6 K
772/13 und
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- an beide Kläger wegen unangemessener
Dauer des vor dem FG geführten Verfahrens 6 K 768/13 eine
angemessene Entschädigung in Geld, deren Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber jeweils 600
EUR pro Verfahren (in Bezug auf das Verfahren 6 K 768/13 mindestens
jeweils 600 EUR pro Kläger) nebst Zinsen zu zahlen.
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15
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Der Beklagte beantragt, die Klagen
abzuweisen.
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16
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Die Sachverhalte seien sehr
unübersichtlich und rechtlich schwierig zu beurteilen gewesen.
Die Akten seien unvollständig gewesen. Der
Zuständigkeitswechsel des Jahres 2008 habe offenbar auch die
Bearbeitung beim FG zusätzlich erschwert.
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17
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II. Die Verfahren werden gemäß
§ 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu
gemeinsamer Entscheidung verbunden. Die Verbindung entspricht wegen
der im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalte dem Gebot der
Prozessökonomie. Zwar handelt es sich auf Klägerseite um
zwei verschiedene Beteiligte (Eheleute); diese haben die fünf
Entschädigungsklagen aber in einem einheitlichen Schriftsatz
erhoben und werden durch einen gemeinsamen
Prozessbevollmächtigten vertreten. Die Beteiligten haben auf
einen entsprechenden Hinweis der Senatsvorsitzenden erklärt,
gegen eine Verbindung der Verfahren keine Bedenken zu haben.
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III. Die Klagen sind zulässig.
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19
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1. Insbesondere ist die Klagefrist für
sämtliche Entschädigungsklagen gewahrt.
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20
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Gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG
muss eine Entschädigungsklage spätestens sechs Monate
nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das
Ausgangsverfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des
Ausgangsverfahrens erhoben werden.
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21
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a) In Bezug auf das Ausgangsverfahren wegen
Umsatzsteuer 2001 und 2002 (3 K 752/13), dessen Erledigung
frühestens mit dem Erlass des Kostenbeschlusses vom 14.7.2016
eingetreten ist, kann offenbleiben, ob für die Wahrung der
Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG auf den Eingang
der Entschädigungsklage beim BFH (hier: 9.11.2016) oder die
Zustellung der Entschädigungsklage an den Beklagten (hier:
4.1.2017) abzustellen ist. Beide Termine liegen innerhalb der
Sechs-Monats-Frist.
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22
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b) In Bezug auf die vier
ertragsteuerrechtlichen Ausgangsverfahren sind die
verfahrensabschließenden Urteile den Klägern am
18.5.2016 zugestellt worden, so dass sie am 20.6.2016 (Montag)
rechtskräftig wurden. Die Sechs-Monats-Frist zur Erhebung der
Entschädigungsklage endete daher am 20.12.2016. Diese Frist
hätten die Kläger nur gewahrt, wenn bereits auf den
Klageeingang beim BFH, nicht aber erst auf die Zustellung beim
Beklagten abzustellen wäre.
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23
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aa) Bis zur Anfügung des § 66 Satz 2
FGO i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des
Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des
Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der
Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des
Gerichtskostengesetzes vom 11.10.2016 (BGBl I 2016, 2222) trat die
Rechtshängigkeit in finanzgerichtlichen Verfahren bereits mit
Erhebung der Klage ein (§ 66 [Satz 1] FGO). Dieser Zeitpunkt
war auch für die Wahrung der sechsmonatigen Klagefrist in
Entschädigungsklageverfahren maßgeblich (Senatsurteile
vom 19.3.2014 X K 8/13, BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584 = SIS 14 15 45, Rz 39, und vom 25.10.2016 X K 3/15, BFH/NV 2017, 159 = SIS 16 27 77, Rz 48).
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24
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bb) Seit dem 15.10.2016 (Art. 10 des genannten
Gesetzes vom 11.10.2016) bestimmt § 66 Satz 2 FGO, dass in
Verfahren nach dem 17. Teil des GVG die Streitsache auch vor dem
BFH erst mit Zustellung der Entschädigungsklage beim Beklagten
rechtshängig wird.
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25
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Allerdings knüpft § 198 Abs. 5 Satz
2 GVG für die Wahrung der Klagefrist nicht an den Eintritt der
Rechtshängigkeit, sondern bereits an den Zeitpunkt der
„Klageerhebung“ an. Für die Klageerhebung
wird in § 64 Abs. 1 FGO aber - durch das Gesetz vom 11.10.2016
unverändert - auf den Zeitpunkt der schriftlichen Einreichung
der Klage bei Gericht abgestellt (demgegenüber ist in der
ordentlichen Gerichtsbarkeit gemäß § 253 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung - ZPO - auch für die Klageerhebung
ausdrücklich erst die Zustellung beim Beklagten
maßgebend). Der Senat ist daher der Auffassung, dass es auch
im zeitlichen Anwendungsbereich des § 66 Satz 2 FGO für
die Frage der Wahrung der Klagefrist bei der Maßgeblichkeit
des Zeitpunkts der Klageerhebung bleibt (angedeutet bereits im
Senatsurteil in BFH/NV 2017, 159 = SIS 16 27 77, Rz 48). Dies dient
zudem der Rechtsklarheit, da im Fall der Abstellung auf die
Rechtshängigkeit bei einem - wie hier - relativ langen
Zeitraum zwischen dem Eingang der Entschädigungsklage beim BFH
und der Zustellung der Klageschrift beim Beklagten ggf. im
Einzelfall zusätzlich zu entscheiden wäre, ob die
Zustellung i.S. des § 167 ZPO noch als
„demnächst erfolgt“ angesehen werden
könnte und daher die in dieser Vorschrift angeordnete
Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage zu
berücksichtigen wäre.
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26
|
Damit beschränkt sich die Bedeutung des
§ 66 Satz 2 FGO zum einen auf die Hinausschiebung des Beginns
des Laufs der Prozesszinsen (dazu noch unten IV.2.c) und zum
anderen auf den - in den Materialien zum Änderungsgesetz
allein erwähnten - Umstand, dass die
Entschädigungsgerichte nunmehr erst nach Einzahlung des
erforderlichen Gerichtskostenvorschusses tätig werden
müssen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Recht und Verbraucherschutz vom 6.7.2016, BTDrucks
18/9092, 20 ff.).
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27
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2. Der Umstand, dass die Kläger ihren
Zahlungsantrag lediglich in Höhe eines Mindestbetrags
beziffert haben, steht der hinreichenden Bestimmtheit des
Klageantrags und damit der Zulässigkeit der Klage nicht
entgegen (Senatsurteil in BFH/NV 2017, 159 = SIS 16 27 77, Rz 15,
m.w.N.); zur gleichwohl bestehenden Begrenzung des
Entscheidungsprogramms des angerufenen Gerichts siehe aber unten
IV.2.b.
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IV. Die Klagen sind auch in vollem Umfang
begründet.
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29
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1. Die Dauer der Ausgangsverfahren war
unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich auf jeweils
elf Monate.
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30
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a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2
GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den
Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der
Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten
der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen
Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu und zum Folgenden
ausführlich Senatsurteil vom 7.11.2013 X K 13/12, BFHE 243,
126, BStBl II 2014, 179 = SIS 13 32 59, Rz 48 ff., auf das zur
Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten Bezug genommen
wird).
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31
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Nach dieser Entscheidung ist der Begriff der
„Angemessenheit“ für Wertungen offen, die
dem Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einem
möglichst zügigen Abschluss des Rechtsstreits einerseits
und anderen, ebenfalls hochrangigen sowie verfassungs- und
menschenrechtlich verankerten prozessualen Grundsätzen - wie
dem Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes
durch inhaltlich möglichst zutreffende und qualitativ
möglichst hochwertige Entscheidungen, der Unabhängigkeit
der Richter und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter -
Rechnung tragen. Danach darf die zeitliche Grenze bei der
Bestimmung der Angemessenheit der Dauer des Ausgangsverfahrens
nicht zu eng gezogen werden; dem Ausgangsgericht ist ein
erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens -
auch in zeitlicher Hinsicht - einzuräumen. Zwar schließt
es die nach der Konzeption des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG
vorzunehmende Einzelfallbetrachtung aus, im Rahmen der Auslegung
der genannten Vorschrift konkrete Fristen zu bezeichnen, innerhalb
der ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein
sollte. Gleichwohl kann für ein finanzgerichtliches
Klageverfahren, das im Vergleich zu dem typischen in dieser
Gerichtsbarkeit zu bearbeitenden Verfahren keine wesentlichen
Besonderheiten aufweist, die Vermutung aufgestellt werden, dass die
Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei
Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die
das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die
damit begonnene („dritte“) Phase des
Verfahrensablaufs nicht durch nennenswerte Zeiträume
unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet
lässt. Dies gilt nicht, wenn der Verfahrensbeteiligte
rechtzeitig und in nachvollziehbarer Weise auf Umstände
hinweist, aus denen eine besondere Eilbedürftigkeit des
Verfahrens folgt.
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32
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b) Nach diesen Grundsätzen sind die
Ausgangsverfahren um jeweils elf Monate in unangemessener Weise
verzögert worden.
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33
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aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1
Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im
Streitfall kein einheitliches Bild.
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34
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(1) Der Schwierigkeitsgrad der
Ausgangsverfahren war - anders als der Beklagte meint - lediglich
als durchschnittlich anzusehen.
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35
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Im Verfahren wegen Umsatzsteuer ging es um
eine isolierte Frage (Vorsteuerabzug aus dem Mitnutzungsvertrag).
Der Einzelrichter konnte dieses Verfahren mit einem einzigen
rechtlichen Hinweis (samt Vorschlag für eine pauschale
tatsächliche Verständigung) erledigen.
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36
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In den ertragsteuerrechtlichen Verfahren ging
es zwar um mehrere Streitpunkte. Diese Einzelpunkte waren
allerdings auch über insgesamt vier einzelne Verfahren
(Aktenzeichen) verteilt. Da es sich bei jedem Einzelpunkt - wie die
Kläger zutreffend darlegen - für sich genommen um eine
Standardfrage (Ehegatten-Arbeitsverhältnis,
Einkunftserzielungsabsicht bei dauerhaften Verlusten, Anerkennung
von Raumkosten als Betriebsausgaben, Zulässigkeit einer
Verböserung) handelte, ist nicht erkennbar, dass der
Bearbeitungsaufwand für das FG um mehr als das Vierfache
höher war als in einem durchschnittlichen finanzgerichtlichen
Verfahren.
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37
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Der - bereits im Jahr 2008 und damit fünf
Jahre vor Erhebung der Klagen in den Ausgangsverfahren -
eingetretene Zuständigkeitswechsel war entgegen der Auffassung
des Beklagten ohne Bedeutung für die Verfahrensdauer. Die
Einzelrichterin hat sich in der Lage gesehen, durch Urteile
über die Klagen zu entscheiden, ohne Maßnahmen zur
Vervollständigung der Akten oder sonstige
Sachaufklärungsmaßnahmen zu treffen. Der Umstand, dass
in den Akten einige der angefochtenen Steuerbescheide sowie weitere
Unterlagen fehlten, ist daher nicht kausal für die
Verfahrensdauer geworden. Hätte die Einzelrichterin in diesen
Punkten Sachverhaltsermittlungen angestellt, wäre die
dafür erforderliche Verfahrensdauer nicht als unangemessen
anzusehen gewesen. Es fehlte in den Ausgangsverfahren aber gerade
an derartigen - ggf. zeitintensiven - Ermittlungshandlungen.
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38
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(2) Die Streitwerte der Ausgangsverfahren -
und damit die Bedeutung der Verfahren für die Kläger -
waren im Vergleich zu sonstigen finanzgerichtlichen Verfahren
allenfalls durchschnittlich.
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39
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bb) Besondere Gründe für eine
Eilbedürftigkeit haben die Kläger innerhalb der
zweijährigen Regelfrist weder geltend gemacht noch sind solche
Gründe für das FG aus den Akten erkennbar gewesen.
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40
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cc) Die Würdigung, dass die
Verfahrensdauer in Bezug auf einen Zeitraum von jeweils elf Monaten
unangemessen war, ergibt sich daher aus einer Betrachtung der
konkreten Verfahrensabläufe.
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41
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In dem seit dem 11.3.2013 beim FG
anhängigen Ausgangsverfahren wegen Umsatzsteuer 2001 und 2002
endete der Wechsel der vorbereitenden Schriftsätze zwischen
den Beteiligten am 22.4.2013. In den ebenfalls seit dem 11.3.2013
beim FG anhängigen ertragsteuerrechtlichen Verfahren war der
Schriftsatzaustausch am 19.6.2013 bzw. 22.7.2013 (Verfahren 6 K
774/13) beendet.
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42
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Geht man nach den vorstehend unter a
dargelegten Grundsätzen davon aus, dass die Angemessenheit der
Verfahrensdauer zu vermuten ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre
nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das
Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, hätte das
FG die Verfahren ab April 2015 wieder aufgreifen und durch
kontinuierliches Tätigwerden zur Entscheidung führen
müssen. Tatsächlich ist es in allen Verfahren erst im
März 2016 tätig geworden. Demzufolge sind die Verfahren
in den Monaten April 2015 bis Februar 2016 (elf Monate) als
verzögert anzusehen.
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43
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Ab dem Beginn ihres Tätigwerdens im
März 2016 haben die jeweils zuständigen Einzelrichter die
Verfahren kontinuierlich bis zur Erledigung geführt. Weitere
Verzögerungen sind daher nicht eingetreten.
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44
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2. Die Klagen sind mit den gestellten
Anträgen in vollem Umfang begründet.
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45
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a) Die Kläger haben beantragt, ihnen
für jedes Verfahren und jeden Verfahrensbeteiligten eine
angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens jeweils
600 EUR zuzusprechen. Vorliegend ist jedes Verfahren um elf Monate
verzögert worden. Das Entstehen eines
Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener
Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG
vermutet. Anhaltspunkte dafür, dass eine Wiedergutmachung auf
andere Weise (§ 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG) im Streitfall
ausreichend wäre, sind nicht erkennbar. Auch Umstände
dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte
Regelbetrag von 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung
vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein
könnte, sind weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst
ersichtlich. Obwohl im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, ist
dieser im konkreten Fall nach Monaten zu bemessen (Senatsurteil in
BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584 = SIS 14 15 45, Rz 37,
m.w.N.).
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46
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Bei einem verzögerten Ausgangsverfahren,
das durch Ehegatten geführt wurde, steht der
Entschädigungsanspruch jedem Ehegatten gesondert zu
(Senatsurteil vom 4.6.2014 X K 12/13, BFHE 246, 136, BStBl II 2014,
933 = SIS 14 24 92, Rz 47). Dies ist hier in Bezug auf die Klage
wegen Einkommensteuer 2000 bis 2004 (6 K 768/13) der Fall.
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47
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Danach werden die von den Klägern jeweils
beantragten Mindestbeträge von 600 EUR durch die eingetretenen
Verzögerungen in den Ausgangsverfahren in vollem Umfang
getragen.
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48
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b) Der Senat sieht allerdings keinen Grund,
über die beantragten Mindestbeträge der
Entschädigungen hinauszugehen.
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49
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aa) Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2
FGO „soll“ die Klage einen bestimmten Antrag
enthalten (nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO handelt es sich sogar
um ein „Muss“-Erfordernis). Das Gericht darf
über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die
Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2
FGO). Die Entschädigungsklage nach § 198 GVG ist eine auf
Zahlung gerichtete Leistungsklage (Urteil des Bundesgerichtshofs -
BGH - vom 23.1.2014 III ZR 37/13, BGHZ 200, 20, Rz 24).
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50
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bb) Der erkennende Senat hat bisher
Entschädigungsklagen, in denen lediglich ein Mindestbetrag
angegeben und die Höhe der Entschädigung im Übrigen
in das Ermessen des Entschädigungsgerichts gestellt worden
war, als zulässig angesehen und sich für befugt gehalten,
über den vom Entschädigungskläger bezeichneten
Mindestbetrag hinauszugehen (Senatsurteile vom 2.12.2015 X K 7/14,
BFHE 252, 233, BStBl II 2016, 405 = SIS 16 04 55, Rz 15 ff., und
vom 2.12.2015 X K 6/14, BFH/NV 2016, 755 = SIS 16 07 19, Rz 17
ff.). Zur Begründung hat er sich auf Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des BGH bezogen.
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Darin hat das BVerwG formuliert, bei einer
unmittelbar auf Zahlung gerichteten Klage sei die Forderung
grundsätzlich der Höhe nach im Klageantrag zu beziffern.
Ein unbezifferter Klageantrag sei aber ausnahmsweise zulässig,
wenn die Schwierigkeit, den Klageantrag hinreichend genau zu
bestimmen, durch außerhalb der Klägersphäre
liegende Umstände verursacht werde. Dies gelte für die
Entschädigungsklage „jedenfalls“ deshalb,
weil sie von Amts wegen eine Ermessensausübung des Gerichts
nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG erfordere (Urteil des BVerwG vom
26.2.2015 5 C 5/14 D, NVwZ - Rechtsprechungsreport 2015, 641, Rz
15). Der BGH hat in der vom erkennenden Senat herangezogenen
Entscheidung ausgeführt, wenn ein
Entschädigungskläger den Regelsatz des § 198 Abs. 2
Satz 3 GVG geltend machen wolle, sei ihm „die Bezifferung
des Klageantrags unproblematisch möglich“. Nur in
den Fällen des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG könne er sich
darauf beschränken, einen unbezifferten Klageantrag zu stellen
(BGH-Urteil in BGHZ 200, 20, Rz 55 f.).
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Im Hinblick auf die vom Senat schon seiner
bisherigen Rechtsprechung zugrunde gelegten Entscheidungen anderer
oberster Gerichtshöfe des Bundes sowie angesichts der
grundsätzlichen Zumutbarkeit und gesetzlichen Notwendigkeit
eines bestimmten Klageantrags präzisiert der Senat seine
Rechtsprechung dahingehend, dass der Verzicht auf einen bestimmten
Klageantrag (Beschränkung auf die Nennung eines
Mindestbetrags) und die Inanspruchnahme einer Befugnis des
Gerichts, über einen bezifferten Mindestbetrag hinauszugehen,
nur insoweit erforderlich und geboten ist, als das Gericht
gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in Fällen der
„Unbilligkeit“ einen höheren oder
niedrigeren als den im Gesetz genannten Pauschalbetrag für
Nichtvermögensnachteile festsetzen kann. Soweit die Höhe
des Entschädigungsanspruchs hingegen maßgeblich durch
die Dauer der Verzögerung (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG:
„1.200 EUR für jedes Jahr der
Verzögerung“) bestimmt wird, ist es dem
Entschädigungskläger - wie jedem anderen Kläger auch
- zuzumuten, sich in seinem Klageantrag auf die Annahme einer
bestimmten Dauer der Verzögerung festzulegen, seinen Antrag
danach auszurichten und den Entscheidungsumfang des Gerichts sowie
sein eigenes Kostenrisiko damit zu begrenzen.
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cc) In Anwendung dieser Grundsätze kommt
die Zuerkennung einer höheren Entschädigung als 600 EUR
pro Verfahren und Verfahrensbeteiligten vorliegend nicht in
Betracht. Die Kläger haben durch die Benennung des Betrages
von 600 EUR zu erkennen gegeben, dass sie von einer
entschädigungspflichtigen Verzögerung von sechs Monaten
je Verfahren ausgehen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des
erkennenden Senats, wonach eine Verzögerungsrüge im
Regelfall nur gut sechs Monate zurückwirkt (Senatsurteile vom
6.4.2016 X K 1/15, BFHE 253, 205, BStBl II 2016, 694 = SIS 16 11 18, Rz 46 ff., und in BFH/NV 2017, 159 = SIS 16 27 77, Rz 39).
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Vorliegend wurden die
Verzögerungsrügen am 20.3.2016 erhoben. Nach den
dargelegten Grundsätzen der Senatsrechtsprechung würden
sie bis einschließlich September 2015 zurückwirken, so
dass für die sechs Monate von September 2015 bis Februar 2016
Entschädigung zu gewähren wäre.
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Aufgrund der vom Senat angenommenen Begrenzung
seiner Entscheidungsbefugnis auf den jeweils gestellten Antrag von
600 EUR ist nicht darüber zu befinden, ob in der
Senatsrechtsprechung, die von einer nur eingeschränkten
Rückwirkung der Verzögerungsrüge ausgeht, eine
Abweichung zum Urteil des BVerwG vom 29.2.2016 5 C 31/15 D (NJW
2016, 3464, Rz 33 ff.) liegt. Dort geht das BVerwG in seinen
abstrakten Rechtsausführungen von einer Rückwirkung der
Verzögerungsrüge aus, ohne sich zu einer etwaigen
Begrenzung zu äußern. Im konkret entschiedenen Fall hat
das BVerwG aber nur eine Rückwirkung von gut zwei Monaten
angenommen: Das dortige Ausgangsgericht hatte im Juni 2013 seine
verfahrensabschließende Entscheidung getroffen; das BVerwG
hat eine Verfahrensverzögerung um sechs Monate angenommen
(BVerwG-Urteil in NJW 2016, 3464, Rz 41). Daraus ergibt sich ein
Verzögerungszeitraum von Dezember 2012 bis Mai 2013. Die
Verzögerungsrüge war von der dortigen Klägerin am
25.2.2013 erhoben worden. Bei einer solchen Fallkonstellation
hätte auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der
vom BVerwG angenommenen Rückwirkung der
Verzögerungsrüge um letztlich gut zwei Monate
geführt, so dass in der Sache selbst keine Divergenz besteht.
Hinzu kommt, dass die dortigen Ausführungen des BVerwG allein
dadurch veranlasst waren, dass die Vorinstanz die Auffassung
vertreten hatte, eine Verzögerung könne für die Zeit
vor Erhebung einer Verzögerungsrüge niemals und für
die ersten sechs Monate nach Erhebung der
Verzögerungsrüge nur in Ausnahmefällen angenommen
werden. Diese Auffassung erachtet auch der erkennende Senat
für unzutreffend.
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dd) Ebenso muss der Senat nicht darüber
entscheiden, ob die Entschädigungsansprüche der
Kläger in den Fällen, in denen sie im Ausgangsverfahren
mehrere angefochtene Steuerbescheide in einer einzigen Klage
zusammengefasst haben (objektive Klagehäufung), mit der Zahl
der Steuerbescheide zu multiplizieren sind. Eine solche
Entschädigung könnte den Klägern nur zugesprochen
werden, wenn der Senat über den gestellten Antrag hinausginge.
Hinreichende Billigkeitsgründe dafür, den Klägern zu
gestatten, diese Rechtsfrage durch den BFH auch ohne Stellung eines
entsprechenden bezifferten Klageantrags entscheiden zu lassen, sind
nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine reine Rechtsfrage, so
dass es demjenigen, der die Klärung dieser Rechtsfrage
erstrebt, zuzumuten ist, die Entscheidungsbefugnis des Gerichts
durch seinen Antrag ausdrücklich zu definieren und ein
entsprechendes Kostenrisiko einzugehen.
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In der Sache selbst neigt der Senat aber zu
der Auffassung, dass die von den Klägern vertretene
Vervielfachung des Regel-Entschädigungsanspruchs in
Fällen objektiver Klagehäufung nicht vorzunehmen ist. Die
Kläger berufen sich auf die zur subjektiven Klagehäufung
(Klageerhebung durch mehrere Personen, insbesondere durch Eheleute)
ergangene Rechtsprechung, wonach jedem Verfahrensbeteiligten ein
eigener Entschädigungsanspruch zusteht. Diese vom BVerwG
begründete und vom erkennenden Senat übernommene
Rechtsprechung beruht aber auf der menschenrechtlichen Grundlage
des Entschädigungsanspruchs und darauf, dass er als
Jedermann-Recht konzipiert ist und es sich um einen
personenbezogenen Anspruch handelt (BVerwG-Urteil vom 27.2.2014 5 C
1/13 D, NVwZ 2014, 1523, Rz 37; Senatsurteil in BFHE 246, 136,
BStBl II 2014, 933 = SIS 14 24 92, Rz 47). Keiner dieser tragenden
Gründe trifft auf die objektive Klagehäufung zu.
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c) Der Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom
Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit der
Entschädigungsklage an folgt aus § 291 i.V.m. § 288
Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Da § 66 Satz
2 FGO im Streitfall bereits anwendbar ist (vgl. oben III.1.b), ist
die Rechtshängigkeit in Bezug auf die Prozesszinsen erst mit
der Zustellung der Entschädigungsklagen beim Beklagten
(4.1.2017) eingetreten.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO. Die Kläger haben in Höhe des von ihnen
gestellten Antrags in vollem Umfang obsiegt.
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