Auf die Revision der Kläger werden das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 10.2.2016 12 K
1205/14 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 6.3.2014
aufgehoben.
Die Einkommensteuer wird unter Abänderung
des Einkommensteuerbescheids 2010 des Beklagten vom 10.7.2012 auf
den Betrag festgesetzt, der sich bei Berücksichtigung von
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
in Höhe von ... EUR ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten
übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die
Kläger mit 80 % und der Beklagte mit 20 % zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten um die
Steuerbarkeit von Entschädigungen nach dem
Justizvergütungs- und Justizentschädigungsgesetz
(JVEG).
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt werden. Der Kläger ist nichtselbständig
tätiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und erzielte
im Streitjahr u.a. Einkünfte nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von ... EUR. Der
Kläger war überdies im Streitjahr 2010 als ehrenamtlicher
Richter am Landgericht tätig. Er erhielt dafür
Entschädigungen nach dem JVEG; ihm wurde eine
Entschädigung in Höhe von 565 EUR für
Zeitversäumnis und in Höhe von 2.320 EUR für
Verdienstausfall (insgesamt 2.885 EUR) gezahlt. Daneben erhielt der
Kläger noch Fahrtkostenersatz nach § 15 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 5 JVEG in Höhe von 239,40 EUR (Fahrtkosten) und
175 EUR (Parkgebühren) und Aufwandsersatz nach § 15 Abs.
1 Nr. 2 i.V.m. § 6 JVEG in Höhe von 30 EUR.
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Die Kläger erklärten in ihrer
Einkommensteuererklärung 2010 die o.g. Entschädigungen
nach dem JVEG in Höhe von 2.860 EUR als Arbeitslohn ohne
Steuerabzug. Den Fahrtkostenersatz und den Ersatz sonstiger
Aufwendungen wie Parkgebühren erklärten sie nicht. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erfasste die
Entschädigungen nach § 16 und § 18 JVEG im
Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10.7.2012 als steuerpflichtige
Einnahmen. Der dagegen von den Klägern eingelegte Einspruch
blieb im Ergebnis ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom
6.3.2014 behandelte das FA die Entschädigung für
Zeitversäumnis (565 EUR) nach § 16 JVEG als sonstige
selbständige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
und die Entschädigung für Verdienstausfall (2.320 EUR)
nach § 18 JVEG als Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst.
a EStG. Eine Änderung der Steuerfestsetzung erfolgte mangels
steuerlicher Auswirkung in der Einspruchsentscheidung
nicht.
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Das Finanzgericht (FG) wies mit der in EFG
2016, 994 = SIS 16 10 64 veröffentlichten Entscheidung die
Klage als unbegründet ab. Die dem Kläger zugeflossenen
Leistungen nach dem JVEG gehörten zu den Einkünften aus
selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Aus der
abweichenden Einordnung ergebe sich keine steuerliche Auswirkung.
Die Einnahmen seien nicht nach § 3 Nr. 12 EStG oder § 3
Nr. 26 EStG steuerfrei.
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Mit ihrer Revision rügen die
Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die streitigen
Einnahmen (Entschädigung für Zeitversäumnis nach
§ 16 JVEG, Entschädigung für Verdienstausfall nach
§ 18 JVEG) flössen nicht im Rahmen einer Einkunftsart zu
und seien daher nicht steuerbar. Das FG habe die Voraussetzungen
des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG verkannt und damit Bundesrecht
verletzt. Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter sei nicht
zu dem Zweck ausgeübt worden, Einnahmen zu erzielen. Die
Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht stehe hier im
Vordergrund, so dass die Ausübung der ehrenamtlichen
Tätigkeit nicht als Ausdruck wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit angesehen werden könne. Für die
Annahme einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a
EStG fehle es daran, dass die Rechtsgrundlage für eine
Einnahme weggefallen und an ihre Stelle eine neue Rechts- und
Billigkeitsgrundlage für den Ersatzanspruch getreten
sei.
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Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Baden-Württemberg 12 K 1205/14 vom 10.2.2016 sowie die
Einspruchsentscheidung vom 6.3.2014 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10.7.2012 dahingehend zu
ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit um 2.860 EUR gemindert
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Entschädigungen nach dem JVEG
gehörten regelmäßig zu den Einkünften aus
sonstiger selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1
Nr. 3 EStG. Könne der ehrenamtliche Richter infolge der
Heranziehung zum Richteramt seiner Beschäftigung aus
nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG nicht nachgehen
und erhalte er deswegen eine Entschädigung, handele es sich um
eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Diese sei der Einkunftsart zuzuordnen, bei der der Verdienst- oder
Einnahmeausfall eintrete. Eine Steuerbefreiung der
Entschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 1 oder 2 EStG oder
nach § 3 Nr. 26a EStG komme nicht in Betracht.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die
nach § 16 und § 18 JVEG gezahlten Entschädigungen
als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1
Nr. 3 EStG) steuerlich zu erfassen sind (1.). Vielmehr handelt es
sich bei der nach § 18 JVEG gezahlten Entschädigung
für Verdienstausfall um eine steuerbare Einnahme nach §
24 Nr. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (2.). Die
Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG
ist nicht steuerbar (3.). Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 12
Satz 1 und 2, § 3 Nr. 26 und § 3 Nr. 26a EStG kommen
nicht in Betracht (4.). Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist
teilweise stattzugeben. Sie ist im Übrigen abzuweisen, soweit
die gezahlten Entschädigungen nach § 18 JVEG zu den
steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünften zählen
(5.).
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1. Die auf der Grundlage von § 16 und
§ 18 JVEG gezahlten Entschädigungen für
Zeitversäumnis und Verdienstausfall sind nicht als Einnahmen
aus einer sonstigen selbständigen Arbeit i.S. des § 18
Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerbar.
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a) Zu den Einkünften aus
selbständiger Arbeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG auch die Einkünfte aus sonstiger selbständiger
Tätigkeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung
von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die
Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Die Vorschrift
enthält keinen abschließenden Katalog in Betracht
kommender „Einkünfte aus sonstiger selbständiger
Arbeit“, sondern lediglich die Auflistung der
Regelbeispiele
„Testamentsvollstreckervergütung“,
„Vermögensverwaltung“,
„Aufsichtsratstätigkeit“ (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.6.2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47,
BStBl II 2010, 906 = SIS 10 22 55, unter II.2.c bb; Brandt in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 18 EStG Rz 251 f.;
Schmidt/Wacker, EStG, 35. Aufl., § 18 Rz 140;
Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 171; Pfirrmann in Kirchhof,
EStG, 15. Aufl., § 18 Rz 97). Weitere Tätigkeiten fallen
danach in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art
nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
ähnlich sind (Grundsatz der sog. Gruppenähnlichkeit; vgl.
BFH-Urteile vom 3.12.1987 IV R 41/85, BFHE 151, 446, BStBl II 1988,
266 = SIS 88 03 41, betreffend die Tätigkeit als
ehrenamtlicher Oberbürgermeister; vom 28.6.2001 IV R 10/00,
BFHE 196, 84, BStBl II 2002, 338 = SIS 01 12 22; vom 8.10.2008 VIII
R 58/06, BFHE 223, 139, BStBl II 2009, 405 = SIS 08 41 92,
betreffend die Tätigkeit als kommunaler Mandatsträger,
und in BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906 = SIS 10 22 55, unter
II.2.c bb; HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 252; Schmidt/Wacker,
a.a.O., § 18 Rz 140; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz
172; Pfirrmann in Kirchhof, a.a.O., § 18 Rz 97). Das ist z.B.
der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder
Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch
dann, wenn es sich um eine selbständig ausgeübte
fremdnützige Tätigkeit in einem fremden
Geschäftskreis handelt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 230, 47,
BStBl II 2010, 906 = SIS 10 22 55, unter II.2.c bb; vom 17.10.2012
VIII R 57/09, BFHE 239, 261, BStBl II 2013, 799 = SIS 12 34 04,
unter II.1.). Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG ist es danach ausreichend, aber auch erforderlich, dass die
Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten
ähnlich ist, denn die dort angeführten Beispiele sollen
den Begriff der sonstigen selbständigen Tätigkeit
charakterisieren (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a.
BFH-Urteile in BFHE 196, 84, BStBl II 2002, 338 = SIS 01 12 22,
unter 2.a; vom 28.8.2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004,
112 = SIS 03 53 51, unter 2.a).
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Wie die gesetzlichen Beispiele zeigen, sind
unter Einkünften „aus sonstiger selbständiger
Arbeit“ i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vor allem
gelegentliche Tätigkeiten und nur ausnahmsweise auch
nachhaltig ausgeübte Betätigungen zu verstehen.
Jedenfalls folgt aus den beispielhaft aufgezählten
Aktivitäten, dass es sich um vermögensverwaltende
Tätigkeiten in fremdem Vermögensinteresse handeln muss
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 2.9.1988 III R
58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24 = SIS 88 23 36, unter
II.4.; in BFHE 196, 84, BStBl II 2002, 338 = SIS 01 12 22, unter
2.a; in BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112 = SIS 03 53 51, unter
II.2.a; in BFHE 239, 261, BStBl II 2013, 799 = SIS 12 34 04, unter
2.a; HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 252; Schmidt/Wacker, a.a.O.,
§ 18 Rz 140; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 172;
Pfirrmann in Kirchhof, a.a.O., § 18 Rz 97).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt
sich für den Streitfall, dass die Tätigkeit des
Klägers den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beispielhaft
aufgezählten Tätigkeiten eines Testamentsvollstreckers,
Vermögensverwalters oder Aufsichtsratsmitglieds nicht
ähnlich ist. Der Kläger übt mit seiner in § 16
FGO näher umschriebenen Tätigkeit (vgl. dazu
Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 16 Rz
1 ff.) keine Tätigkeit aus, die wie die in § 18 Abs. 1
Nr. 3 EStG bezeichneten Regelbeispiele - berufsbildtypisch - durch
eine selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem
fremden Geschäftskreis sowie durch Aufgaben der
Vermögensverwaltung geprägt ist. Seine Tätigkeit ist
auch nicht mit der eines kommunalen Mandatsträgers
vergleichbar, der die Interessen der Einwohner einer kommunalen
Gebietskörperschaft zu vertreten hat und für die
Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig ist.
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2. Bei der nach § 18 JVEG gezahlten
Entschädigung für Verdienstausfall handelt es sich um
eine steuerbare Einnahme nach § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
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a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit auch Entschädigungen, die „als Ersatz für
entgangene oder entgehende Einnahmen“ gewährt worden
sind, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen
treten. Die Entschädigung muss unmittelbar durch den Verlust
von steuerbaren Einnahmen bedingt, d.h. durch den Fortfall der
erwarteten oder zu erwartenden Einnahmen sachlich begründet
sein. Dies erfordert, dass die bisherige Grundlage für den
Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der
bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen
Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (ständige
Rechtsprechung, vgl. u.a. zuletzt BFH-Urteile vom 21.9.1993 IX R
32/90, BFH/NV 1994, 308, unter 1.; vom 9.7.2002 IX R 29/98, BFH/NV
2003, 21 = SIS 03 06 39, unter II.4.; vom 11.1.2005 IX R 67/02,
BFH/NV 2005, 1044 = SIS 05 25 69, unter II.1.a aa, und vom
10.7.2008 IX R 84/07, BFH/NV 2009, 130 = SIS 09 02 32, unter
II.2.). Erforderlich ist daher, dass der Steuerpflichtige durch den
Wegfall von Einnahmen einen Schaden erleidet, der durch die Zahlung
unmittelbar ausgeglichen werden soll (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 21
= SIS 03 06 39, unter II.4.).
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Diese Zuwendungen werden durch § 24 Nr. 1
Buchst. a EStG den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit zugewiesen, zu denen die weggefallenen Einnahmen im Fall
ihrer Erzielung gehört hätten. Dies gilt auch, wenn der
Ersatz für die entgehenden Einnahmen von einem Dritten gezahlt
wird (vgl. BFH-Urteile vom 21.1.2004 XI R 40/02, BFHE 205, 129,
BStBl II 2004, 716 = SIS 04 21 93, unter II.1., und vom 8.11.2007
IV R 30/06, BFH/NV 2008, 546 = SIS 08 13 97, unter II.2.a). Daher
ist es unerheblich, dass die Zuwendung nicht vom Arbeitgeber des
Klägers, sondern aus dem Landeshaushalt geleistet worden
ist.
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b) Die vom Kläger vereinnahmten
Beträge nach § 18 JVEG stellen daher steuerbare Einnahmen
nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
dar. Die an den Kläger gezahlte Entschädigung nach §
18 JVEG tritt an die Stelle von entfallenen Einnahmen aus
nichtselbständiger Tätigkeit. Da nach den Feststellungen
des FG vom Gericht zugunsten des Klägers eine
Entschädigung festgesetzt und ausgezahlt worden ist, ist im
vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass dem Kläger ein
entsprechender Einnahmeausfall entstanden ist. Das JVEG
entschädigt in § 18 JVEG diesen durch die Heranziehung
als ehrenamtlicher Richter verursachten konkreten Verdienstausfall
(vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., § 18 JVEG Rz 1,
unter Hinweis auf ein Rundschreiben des Justizministeriums
Rheinland-Pfalz; ebenso Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26.
Aufl., § 18 Rz 2; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann,
GKG/FamGKG/JVEG, § 18 JVEG Rz 1).
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Der Senat folgt insoweit nicht der teilweise
im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach die Zahlungen nach dem
JVEG von einem bestehenden Arbeitsverhältnis unabhängig
sind und damit nicht unter § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24
Nr. 1 Buchst. a EStG fallen (so Pfab/Ch. Schießl, FR 2011,
795, 796; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 24 Rz 27 Stichwort
„Ehrenamtl. Richter“). Denn die Zahlungen nach
dem JVEG sollen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut
(„Entschädigung“) an die Stelle anderer -
hier nach § 19 EStG steuerbarer - Einnahmen treten. Sie sollen
die finanziellen Nachteile abgelten, die dem Kläger in der
Folge seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter entstanden
sind (vgl. BFH-Urteil vom 26.2.1988 III R 241/84, BFHE 153, 33,
BStBl II 1988, 615 = SIS 88 12 15, unter 2., betreffend eine
Aufwandsentschädigung für den Präsidenten einer
Berufskammer).
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3. Das FG hat zu Unrecht die
Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG
in Höhe des erklärten Betrags von 540 EUR der Besteuerung
unterworfen. Sie ist nicht steuerbar.
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a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 4, § 16 JVEG
erhalten ehrenamtliche Richter eine Entschädigung für
Zeitversäumnis. Nach § 16 JVEG in der im Streitjahr
geltenden Fassung beträgt die Entschädigung für
Zeitversäumnis 5 EUR (jetzt 6 EUR) die Stunde. Die
Entschädigung für Zeitversäumnis entsteht
unabhängig von einem Einkommensverlust oder einem sonstigen
Nachteil (vgl. Hartmann, a.a.O., § 16 JVEG Rz 3;
Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, a.a.O., § 16 Rz 1).
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b) Die Entschädigung nach § 16 JVEG
stellt keine Entschädigung i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Denn sie tritt sowohl
nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht an die
Stelle von entgangenen oder entgehenden Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit.
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c) Auch eine Steuerbarkeit nach § 22 Nr.
3 EStG liegt nicht vor. Denn im Rahmen der Tätigkeit als
ehrenamtlicher Richter fehlt es an einem wirtschaftlichen
Leistungsaustausch.
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aa) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind
sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG)
Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen
Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu
den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG
gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3
EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines
entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen
erbracht wird (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt
BFH-Urteil vom 16.6.2015 IX R 26/14, BFHE 250, 362, BStBl II 2015,
1019 = SIS 15 23 07, unter II.1.; Blümich/Nacke, § 22
EStG Rz 161; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 66).
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Einnahmen aus einer ehrenamtlichen
Tätigkeit können Einkünfte aus Leistungen i.S. des
§ 22 Nr. 3 EStG sein. Voraussetzung ist aber, dass die
Zahlungen durch die ehrenamtliche Tätigkeit ausgelöst und
die Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse den
Tatbestand eines auf Leistungsaustausch gerichteten Verhaltens
trägt (vgl. FG Berlin vom 6.12.1979 IV 460/78, EFG 1980, 280 -
rechtskräftig - ; Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 13.3.1996, FR 1996, 328; Pfab/Ch.
Schießl, FR 2011, 795, 798 f.; Fischer in Kirchhof, a.a.O.,
§ 22 Rz 66 und 69).
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bb) Daran gemessen liegen die Voraussetzungen
für die Annahme einer Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG
nicht vor. Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter und die
Entschädigungszahlung nach § 16 JVEG stehen nicht in
einem Gegenseitigkeitsverhältnis (vgl. Fischer in Kirchhof,
a.a.O., § 22 Rz 71). Vielmehr soll der ehrenamtliche Richter
nur pauschal für die entstandene Zeitversäumnis
entschädigt werden. Dies zeigt sich auch an der Formulierung
in § 16 JVEG, der insoweit nur von
„Entschädigung“ und nicht von
„Vergütung“ oder
„Honorar“ (wie z.B. bei Sachverständigen)
spricht.
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4. Für die streitige steuerbare
Entschädigung nach § 18 JVEG scheiden die
Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2 EStG (a),
§ 3 Nr. 26 EStG (b) und § 3 Nr. 26a EStG (c) aus.
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a) Eine Steuerbefreiung der Entschädigung
für Verdienstausfall nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2 EStG
kommt - wie vom FG zutreffend angenommen - nicht in Betracht.
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aa) Nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind aus
einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge steuerfrei,
die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf
bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung
beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer
Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und
als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden.
Es muss sich um den Ersatz von Aufwendungen handeln, die einen
steuerlich abziehbaren Aufwand abgelten (vgl. BFH-Urteil in BFHE
239, 261, BStBl II 2013, 799 = SIS 12 34 04, unter II.2.b bb,
m.w.N.; R 3.12 (2) der Lohnsteuer-Richtlinien 2015; HHR/Bergkemper,
§ 3 Nr. 12 EStG Rz 9, 17; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Rz
50; von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 3 Rz 30).
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30
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Die Zahlung nach § 18 JVEG stellt nach
dem Gesetzeswortlaut keine Aufwandsentschädigung, also keine
Ersatzleistung für entstandene Aufwendungen, dar. Die
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG kommt daher nicht
in Betracht (so auch Neu, EFG 2016, 994 = SIS 16 10 64, Anmerkung
unter IV.).
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bb) Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12
Satz 2 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 3 Nr. 12
Satz 2 EStG sind Bezüge von der Einkommensteuer befreit, die
als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an
öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit
nicht festgestellt wird, dass sie als Verdienstausfall oder
Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem
Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. § 3
Nr. 12 Satz 2 EStG befreit nur die Erstattung solcher Aufwendungen
von der Steuer, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
abziehbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile
vom 29.11.2006 VI R 3/04, BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308 = SIS 07 00 40, m.w.N., und vom 27.8.2013 VIII R 34/11, BFHE 242, 393,
BStBl II 2014, 248 = SIS 13 31 10, unter II.1.).
Entschädigungen für Verdienstausfall sind
ausdrücklich ausgenommen (vgl. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12
EStG Rz 12, 17; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz
52).
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32
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b) Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26
EStG greift bereits deswegen nicht ein, weil keiner der in der
Vorschrift genannten Tätigkeitsbereiche (nebenberufliche
Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer
oder vergleichbare Tätigkeit; nebenberufliche
künstlerische Tätigkeit; nebenberufliche Pflege alter,
kranker oder behinderter Menschen) vorliegt (vgl. auch
Oberfinanzdirektion - OFD - Karlsruhe vom 15.12.2009, unter Tz.
2.20; OFD Frankfurt/M., Rundvfg. vom 15.11.2016; Pfab/Ch.
Schießl, FR 2011, 795, 799 f.).
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33
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c) Auch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr.
26a EStG (sog. Ehrenamtsfreibetrag) greift nicht ein.
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34
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aa) Nach dieser durch das Gesetz zur weiteren
Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom
10.10.2007 (BGBl I 2007, 2332) eingefügten und durch das
Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) mit
Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2011 geänderten Vorschrift
sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten u.a. im Dienst
oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen
Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union
belegen ist, bis zur Höhe von insgesamt 500 EUR im Jahr
steuerbefreit (vgl. dazu BMF-Schreiben vom 21.11.2014, BStBl I
2014, 1581 = SIS 14 33 19; HHR/ Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG
Rz 2; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Rz 96; von Beckerath in
Kirchhof, a.a.O., § 3 Nr. 26a Rz 52). Die Steuerbefreiung ist
in der gesetzlichen Fassung des Streitjahres ausgeschlossen, wenn
für die Einnahmen aus der Tätigkeit - ganz oder teilweise
- eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2 oder Nr.
26 EStG gewährt wird (vgl. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a
EStG Rz 1).
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bb) Hier hatte der Kläger nach den
Feststellungen des FG neben den Entschädigungen nach § 16
und § 18 JVEG auch Zahlungen nach § 5 JVEG (Fahrtkosten
und Parkgebühren) und § 6 JVEG (Entschädigung
für Aufwand) in Höhe von insgesamt 444,40 EUR erhalten.
Die beiden Letzteren sind - was die Beteiligten auch nicht in
Streit stellen - nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG als
Aufwandsentschädigungen steuerfrei. Denn insoweit handelt es
sich um Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus
öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende
Personen gezahlt werden und nicht für Verdienstausfall oder
Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem
Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Aufgrund
der Gewährung der nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
steuerbefreiten Bezüge scheidet die Gewährung des
Freibetrags nach § 3 Nr. 26a EStG aus (vgl. dazu BMF-Schreiben
in BStBl I 2014, 1581 = SIS 14 33 19, Tz. 5; Blümich/Erhard,
a.a.O., § 3 Nr. 26a Rz 6).
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Mit dem Freibetrag wird pauschal der Aufwand,
der einer nebenberuflich tätigen Person durch ihre
Beschäftigung entsteht, abgegolten. Der Freibetrag wird daher
- bezogen auf die gesamten Einnahmen aus der jeweiligen beruflichen
Tätigkeit - nicht zusätzlich zu der Steuerbefreiung nach
§ 3 Nr. 12 EStG gewährt, um eine Doppelbegünstigung
zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/5985, S. 11; Schmidt/Levedag,
a.a.O., § 3 Rz 96; Blümich/ Erhard, a.a.O., § 3 Nr.
26a Rz 1; vgl. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 1; von
Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr.
26a Rz B26a/24). Liegen daher die Voraussetzungen für eine
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG und für § 3
Nr. 12 EStG im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigkeit
gleichzeitig vor, muss sich der Steuerpflichtige für eine
Steuerbefreiung entscheiden (vgl. Blümich/Erhard, a.a.O.,
§ 3 Nr. 26a Rz 6; HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 2;
Kolbe, DStR 2009, 2465, 2468). Beantragt und erhält der
Steuerpflichtige, wie im Streitfall, nach § 3 Nr. 12 EStG
steuerbefreiten Aufwendungsersatz, kommt die Gewährung des
Freibetrags nach § 3 Nr. 26a EStG daher nicht mehr in
Betracht.
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5. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist
stattzugeben, soweit das FA im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzung 2010 die Entschädigung nach §
16 JVEG der Besteuerung unterworfen hat. Die Klage ist hingegen
abzuweisen, soweit das FA die Entschädigung nach § 18
JVEG steuerlich im Rahmen der Einkünfte erfasst hat. Da das
Urteil des FG insgesamt aufzuheben ist, ändert der Senat den
Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10.7.2012 in der Weise, dass die
Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
statt wie bisher mit ... EUR nunmehr um 540 EUR - bisher in der
Veranlagung erfasster Ansatz der Entschädigung für
Zeitversäumnis nach § 16 JVEG - gemindert mit ... EUR
angesetzt werden. Bei der Ermittlung des Minderungsbetrags ist zu
berücksichtigen, dass im Einkommensteuerbescheid 2010 die
streitigen Entschädigungen bislang nur mit 2.860 EUR anstelle
von 2.885 EUR und damit rechnerisch um 25 EUR zu niedrig im Rahmen
der Veranlagung erfasst waren. Die Berechnung der Steuer wird dem
FA übertragen (§ 100 Abs. 2 FGO).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten waren nach dem
Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen zu teilen.
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