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Einwirkung abkommensrechtlicher Begriffsbestimmungen auf innerstaatliches Steuerrecht

Einwirkung abkommensrechtlicher Begriffsbestimmungen auf innerstaatliches Steuerrecht: Der in § 9 Nr. 3 GewStG verwendete Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich nicht nach der Definition des jeweils einschlägigen DBA, sondern nach innerstaatlichem Recht (Bestätigung von BFH-Urteil vom 5.6.1986 IV R 268/82, BFHE 146 S. 447, BStBl 1986 II S. 659 = SIS 86 17 36; Abweichung von AEAO zu § 12 Tz. 4; BMF-Schreiben vom 31.1.2014, BStBl 2014 I S. 290 = SIS 14 08 32, zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 26.1.2016, BStBl 2016 I S. 155 = SIS 16 01 06). - Urt.; BFH 20.7.2016, I R 50/15; SIS 16 21 25

Kapitel:
International > Doppelbesteuerung
Fundstellen
  1. BFH 20.07.2016, I R 50/15 (ECLI:DE:BFH:2016:U.200716.IR50.15.0)
    BStBl 2017 II S. 230
    DStR 2016 S. 2457

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 9.2.2017
    Ch. Rengier in NWB 45/2016 S. 3360
    -/- in NWB 43/2016 S. 3220
    Ch. Levedag in GmbHR 22/2016 S. 1230
    B. Lieber in IWB 21/2016 S. 778
    J.H. in StuB 22/2016 S. 878
    S. Hielscher in BB 49/2016 S. 2984
    I. Berner in ISR 12/2016 S. 427
    L. Hilbert/P. Wittenstein in IWB 23/2016 S. 882
    J. Brandt in StBp 12/2016 S. 374
    P. Brandis in BFH/PR 1/2017 S. 27
    KAM in Stbg 3/2017 S. M17
Normen
[KStG] § 8 Abs. 1
[AO 1977] § 2 Abs. 1, § 12
[GewStG] § 2 Abs. 1, § 7 Satz 1, § 9 Nr. 3
[DBA-Türkei 1985] Art. 5
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 07.05.2015, SIS 15 19 84, Betriebsstätte, Ausland, Gewerbeertrag, Kürzung, Völkerrecht, Doppelbesteuerung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BMF 5.2.2024, SIS 24 03 20, Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO): Der AEAO wurde in zahlreichen Punkten geändert...
  • Niedersächsisches FG 15.11.2023, SIS 24 02 93, Betreiben von Handelsschiffen im internationalen Verkehr im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Kürzung (...
  • FG Berlin-Brandenburg 22.6.2021, SIS 21 13 28, Pauschalierung nach § 37 b EStG bei Anmietung einer VIP-Loge mit zwölf Plätzen in einer Mehrzweckhalle, u...
  • BFH 17.11.2020, SIS 21 07 68, Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung: Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung kommen auch dann zur Anw...
  • BFH 28.10.2020, SIS 21 07 66, Grenzen der nachgelagerten Besteuerung von Einkünften aus ausländischen Altersvorsorgesystemen ("401(k) p...
  • FG Berlin-Brandenburg 21.11.2019, SIS 19 21 85, Inländische Betriebsstätte bei Vermietung und Verpachtung inländischen Grundbesitzes: 1. Vermietete oder ...
  • FG Münster 12.4.2019, SIS 19 10 77, Inländische Betriebsstätte einer AG schweizerischen Rechts mit inländischen Vermietungseinkünften: 1. Ein...
  • FG Köln 8.11.2018, SIS 19 03 42, AStG-Hinzurechnungsbeträge in Altfällen nicht gewerbesteuerpflichtig: AStG-Hinzurechnungsbeträge gemäß § ...
  • BFH 20.12.2017, SIS 18 02 10, Einkünfte eines national und international tätigen Fußballschiedsrichters, Gewerblichkeit und abkommensre...
  • BFH 29.11.2017, SIS 18 02 89, Betriebsstättenzurechnung und Abgeltungswirkung bei gewerblich geprägter KG im Nicht-DBA-Fall: 1. Eine na...
  • BMF 7.8.2017, SIS 17 15 50, AEAO, Änderung August 2017: Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (BStBl 2014 I S. 290 = SIS 14 08 32, ...
  • FG Münster 17.6.2016, SIS 16 26 65, Bestimmung des Begriffs "Betriebsstätte" in § 9 Nr. 3 GewStG: Der Begriff "Betriebsstätte" in § 9 Nr. 3 G...
Fachaufsätze
  • LIT 03 78 38 J.-D. Kramer, IStR 3/2019 S. 96: Von einigen Fehlleistungen des BFH - Lit.; J.-D. Kramer, IStR 3/2019 S. 96; BFH v. 10.6.2015 - I R 66/09 ...
  • LIT 03 35 61 U. Andresen, IWB 3/2017 S. 90: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? - Importiert der Gesetzgeber nun den DBA-Betriebsstättenbegrif...

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 7.5.2015 10 K 73/13 = SIS 15 19 84 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 7.12.2012 aufgehoben.
Die Gewerbesteuermessbescheide für 2004 bis 2006 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 bis 31.12.2010 des Beklagten werden dahingehend abgeändert, dass der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung der Kürzung um den Gewerbeertrag aus dem Einkaufsbüro der Klägerin in der Republik Türkei nach § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes ermittelt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Einkaufsbüro in der Republik Türkei (Türkei) als nicht im Inland belegene Betriebsstätte i.S. von § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes 2002 in der für die Streitjahre (2004 bis 2010) geltenden Fassung (GewStG) anzusehen und dementsprechend der Gewerbeertrag zu kürzen ist.

 

 

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt im Inland eine Importvermittlung. Sie vermittelt für eine weitere GmbH deren gesamten Wareneinkauf in der Türkei. Zu diesem Zweck unterhielt die Klägerin ein Einkaufsbüro in der Türkei. Außer den hieraus erlösten Vermittlungsprovisionen erzielte die Klägerin keine weiteren Umsätze.

 

 

3

Die Klägerin hat das Einkaufsbüro in ihrer Steuererklärung als nicht im Inland belegene Betriebsstätte i.S. von § 9 Nr. 3 GewStG angesehen und dementsprechend den Gewerbeertrag um das Ergebnis des Einkaufsbüros in der Türkei gekürzt. Sie ist dabei davon ausgegangen, dass das Einkaufsbüro den Betriebsstättenbegriff des § 12 der Abgabenordnung (AO) erfüllt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) folgte dem zunächst im Rahmen der Gewerbesteuermessbescheide 2004 bis 2006. Nach einer Außenprüfung änderte das FA seine Auffassung dahingehend, dass das Einkaufsbüro in der Türkei aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in Art. 5 Abs. 3 Buchst. d des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 16.4.1985 (BGBl II 1989, 867, BStBl I 1989, 472) - DBA-Türkei 1985 - (i.V.m. dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 27.11.1989, BGBl II 1989, 866) nicht als Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG anzusehen sei. Dementsprechend änderte es die streitgegenständlichen Bescheide und gewährte die Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG nicht mehr.

 

 

4

Die Klägerin war dagegen weiterhin der Auffassung, dass für die Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG der Betriebsstättenbegriff in § 12 AO maßgeblich sei. Der Begriff der ausländischen Betriebsstätte sei ausschließlich nach deutschem Steuerrecht auszulegen. Die gegen die streitgegenständlichen (Änderungs-)Bescheide gerichtete Klage blieb erfolglos; das Finanzgericht (FG) Köln wies sie mit Urteil vom 7.5.2015 10 K 73/13 (EFG 2015, 1558 = SIS 15 19 84) als unbegründet ab.

 

 

5

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, das FG-Urteil aufzuheben und die Gewerbesteuermessbescheide für 2004 bis 2006 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 bis 31.12.2010 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung der Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG ermittelt wird.

 

 

6

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

7

II. Die Revision ist begründet. FA und FG haben die von der Klägerin bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages beanspruchte Kürzung des Hinzurechnungsbetrages zu Unrecht abgelehnt. Das FG-Urteil ist deshalb aufzuheben und die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 2004 bis 2006 sowie die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 bis 31.12.2010 sind antragsgemäß abzuändern (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

8

1. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), d.h. soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt. Dies war zwischen den Beteiligten in der Vorinstanz auch nicht streitig. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die für das Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, unterhielt die Klägerin am Sitz ihrer Geschäftsleitung eine Betriebsstätte i.S. von § 12 AO. Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung nunmehr ausführt, dass von dort aus eine operative Geschäftstätigkeit nicht betrieben worden sei“, ist dieser Vortrag neu und kann deshalb im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden.

 

 

9

2. Gemäß § 7 Satz 1 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Der Gewerbeertrag entspricht somit, abgesehen von den gewerbesteuerlichen Zu- und Abrechnungen, grundsätzlich dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Bemessung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugrunde zu legen ist. Zur Bemessungsgrundlage der Einkommen- und Körperschaftsteuer und damit auch zum Gewerbeertrag gehören nicht Einnahmen, die aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften als steuerfrei behandelt werden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.1.1978 IV R 84/74, BFHE 124, 204, BStBl II 1978, 267 = SIS 78 01 48; Senatsurteil vom 8.5.1991 I R 33/90, BFHE 165, 191, BStBl II 1992, 437 = SIS 91 24 16).

 

 

10

Hiernach hat das FG im Ausgangspunkt zutreffend die Einnahmen aus dem in der Türkei belegenen Einkaufsbüro in die Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 Satz 1 GewStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - ) einbezogen. Die Voraussetzungen der abkommensrechtlich (also bilateral) vereinbarten (sachlichen) Steuerfreistellung im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens liegen nicht vor. Das Einkaufsbüro in der Türkei ist nicht als Betriebsstätte anzusehen, da Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 ausdrücklich anordnet, dass „eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen“, nicht als Betriebsstätte gilt.

 

 

11

Die demnach allein streitige Frage, ob die Einnahmen aus dem in der Türkei belegenen Einkaufsbüro nach § 7 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zu kürzen sind, ist entgegen der Annahme von FA und FG zu bejahen.

 

 

12

a) Nach dieser Vorschrift wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens gekürzt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. So verhält es sich hier.

 

 

13

aa) Das FG hat hierzu festgestellt, dass das in der Türkei belegene Einkaufsbüro der Klägerin die Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffs gemäß § 12 Satz 2 Nr. 6 AO, nach dem als Betriebsstätte insbesondere auch Ein- oder Verkaufsstellen anzusehen sind, erfüllt.

 

 

14

bb) Soweit das FG - hieran anknüpfend - vertreten hat, dass der Betriebsstättenbegriff im DBA-Türkei 1985 den nationalen Betriebsstättenbegriff nach § 12 AO - sei es als lex specialis oder als vorrangige völkerrechtliche Vereinbarung i.S. von § 2 Abs. 1 AO - verdrängt, folgt dem der Senat nicht (gl.A. Lüdicke, IStR 2015, 770; Kahlenberg, Internationale Steuer-Rundschau - ISR - 2015, 380; derselbe, Internationale Wirtschaftsbriefe 2015, 940; Hielscher, BB 2015, 2088; Becker/Loose, Die Unternehmensbesteuerung 2015, 520; van der Ham/Retzer, DStR 2015, 2650; speziell zum Gewerbesteuergesetz: Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 6; Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 2512; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 162; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 218; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 9 Nr. 3 Rz 2a; Deloitte/Ziehr, GewStG, § 9 Nr. 3 Rz 4; unklar Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 2511 und 2825; speziell zu § 12 AO: Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO Rz 49; wohl auch Buciek in Beermann/Gosch, AO § 12 Rz 4; Klein/Gersch, AO, 13. Aufl., § 12 Rz 19; unklar und teilweise widersprüchlich Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 12 AO Rz 44; speziell zum Abkommensrecht: Wassermeyer in Wassermeyer MA Art. 5 Rz 8; Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 5 Rz 25).

 

 

15

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH legen die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) lediglich fest, in welchem Umfang die nach innerstaatlichem Recht bestehende Steuerpflicht entfallen soll. Die in den einzelnen DBA vorgenommene Bestimmung des Begriffs „Betriebsstätte“ ist deshalb grundsätzlich nur im Rahmen der DBA anwendbar (BFH-Urteil vom 5.6.1986 IV R 268/82, BFHE 146, 447, BStBl II 1986, 659 = SIS 86 17 36; Senatsurteile vom 26.11.1986 I R 256/83, BFH/NV 1988, 82; vom 5.10.1977 I R 90/75, BFHE 124, 29, BStBl II 1978, 205 = SIS 78 01 18; vom 7.3.1979 I R 145/76, BFHE 127, 517, BStBl II 1979, 527 = SIS 79 02 63; vom 2.4.2014 I R 68/12, BFHE 245, 98, BStBl II 2014, 875 = SIS 14 18 37; vom 11.3.2015 I R 10/14, BFHE 249, 241, BStBl II 2015, 1049 = SIS 15 10 18; vom 22.12.2015 I R 40/15, BFHE 253, 174, BStBl II 2016, 537 = SIS 16 09 14). Letzteres ergibt sich ausdrücklich aus den in den Abkommen häufig verwendeten Formulierungen „Für die Anwendung dieses Abkommens gilt folgendes ...“ oder - wie im Einleitungssatz von Art. 3 Abs. 1 DBA-Türkei 1985 - aus der Wendung „Im Sinne dieses Abkommens ... bedeutet der Ausdruck ...“ (vgl. hierzu auch Lüdicke, IStR 2015, 770). Die Frage, ob im Ausland erzielte Einnahmen bei der Ermittlung der Einkünfte zu kürzen sind und auf welche Fälle sich die Möglichkeit einer solchen Kürzung erstrecken soll, ist dagegen eine Angelegenheit des innerstaatlichen Rechts.

 

 

16

Das so verstandene „Nebeneinander“ bilateraler Vereinbarungen in Form eines DBA und nationaler Steuernormen bedingt zugleich ein Nebeneinander der tatbestandlichen Voraussetzungen mit der Folge, dass die im Abkommen - abweichend von den nationalen Vorschriften - definierten Begriffe abkommensautonom auszulegen sind (Gosch, ISR 2013, 87; derselbe in Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 42, 1 ff.; Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 113b, m.w.N.; aus der Senatsrechtsprechung z.B. Senatsbeschluss vom 11.12.2013 I R 4/13, BFHE 244, 1, BStBl II 2014, 791 = SIS 14 04 27, m.w.N.).

 

 

17

Zwar ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dieses „Nebeneinander“ selbständiger Rechtskreise aufzuheben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 447, BStBl II 1986, 659 = SIS 86 17 36). Dies ist indes vorliegend nicht geschehen; § 9 Nr. 3 GewStG lässt eine abkommensrechtliche Verknüpfung nicht erkennen (vgl. Kahlenberg, ISR 2015, 380 unter Hinweis auf § 50d Abs. 9 und 11 des Einkommensteuergesetzes).

 

 

18

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Regelung des § 9 Nr. 3 GewStG allein den innerstaatlich definierten Begriff zugrunde legen wollte. Denn durch die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG soll letztendlich die Konsequenz aus § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GewStG gezogen werden; danach unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Damit wird - wie auch die Überschrift des § 2 GewStG verdeutlicht - das Objekt der Steuerpflicht umschrieben. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bringt zugleich zum Ausdruck, dass sich die Steuerpflicht auf den Gewerbebetrieb nicht erstreckt, soweit er im Ausland betrieben wird. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bei der hierdurch bedingten Kürzung von einem einheitlichen Verständnis der ausländischen Betriebsstätte abweichen und zwischen DBA- und Nicht-DBA-Fällen unterscheiden wollte (vgl. Lüdicke, IStR 2015, 770).

 

 

19

cc) Eine von der Vorinstanz angenommene „Normenkonkurrenz“ zwischen § 12 AO und den jeweiligen abkommensrechtlichen Bestimmungen - im Streitfall Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 - besteht daher nicht. Insofern stellt sich auch nicht die Frage nach dem Verhältnis von Abkommensrecht und (unilateralem) nationalen Steuerrecht (s. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.2015 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 = SIS 16 06 95, Rz 48).

 

 

20

dd) Ferner kommt den von der Vorinstanz als maßgeblich angesehenen unterschiedlichen Funktionen und Inhalten der Betriebsstättenbegriffe in § 9 Nr. 3 GewStG sowie Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 auf der einen Seite und in § 12 AO auf der anderen Seite keine Bedeutung zu. Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass sich der Anwendungsbereich des DBA-Türkei 1985 nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. b Doppelbuchst. dd DBA-Türkei 1985 ausdrücklich auch auf die Gewerbesteuer erstreckt.

 

 

21

b) Weiterhin kann - abgesehen davon, dass eine Nichtbesteuerung der streitigen Einkünfte nur in Bezug auf die Gewerbesteuer erfolgt - auch nicht die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung als Abkommensziel gegen dieses Ergebnis angeführt werden. Zwar findet sich eine solche Zielsetzung z.B. in der (ministeriellen) „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 17.4.2013, Stand: 22.8.2013; abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440); im DBA-Türkei 1985 hat sie aber keinen Niederschlag gefunden (vgl. auch Lüdicke, IStR 2015, 770).

 

 

22

c) Dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 12 Tz. 4 (BMF-Schreiben vom 31.1.2014, BStBl I 2014, 290 = SIS 14 08 32; zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 26.1.2016, BStBl I 2016, 155 = SIS 16 01 06), wonach § 12 AO nicht anzuwenden ist, soweit andere Rechtsvorschriften (z.B. DBA) abweichende Regelungen zum Begriff „Betriebsstätte“ enthalten, kommt als bloßer Verwaltungsanweisung keine die Gerichte bindende Wirkung zu (z.B. Senatsurteil vom 24.7.2013 I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272 = SIS 13 23 39).

 

 

23

3. Schließlich weicht der Senat mit dem so verstandenen „Nebeneinander“ bilateraler Vereinbarungen und (rein) nationaler Steuernormen nicht vom Urteil des III. Senats des BFH vom 14.8.1997 III R 55/95 (BFHE 185, 86, BStBl II 1998, 355 = SIS 98 07 60) ab. Dieses Urteil ist zum Investitionszulagengesetz 1986 (InvZulG 1986) ergangen. Der III. Senat des BFH hat in seinen Entscheidungsgründen zwar ausgeführt, dass die Bestimmungen der DBA das Körperschaftsteuergesetz ergänzten und daher bei der Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 zu berücksichtigen seien. Er hat dies aber ausgerichtet an der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der sog. Forschungs- und Entwicklungszulage und insbesondere getragen von den „Elemente(n) der Ausgestaltung der Investitionszulage im (damaligen) Streitjahr 1998“ befürwortet. Vor diesem Hintergrund vermag der erkennende Senat einen Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung nicht zu erkennen.

 

 

24

4. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Steuerbescheide sind antragsgemäß abzuändern. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Gewerbesteuermessbeträge sowie der vortragsfähigen Gewerbeverluste wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

 

 

25

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.