Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 10.1.2013 5 K 4513/09 E
= SIS 13 15 47 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
1
|
I. Zwischen den Klägern und
Revisionsklägern (Kläger) und dem Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ist noch streitig, ob die
vom Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für
das Streitjahr (2006) geltend gemachten Werbungskosten bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen aus der Anschaffung einer
sog. Asset Linked Note gemäß § 15b i.V.m. § 20
Abs. 2b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006
(BGBl I 2006, 2878) - EStG - zu berücksichtigen sind. Streit
besteht insbesondere auch darüber, ob hierzu ein für die
Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindender Feststellungsbescheid
gemäß § 15b Abs. 4 EStG vorliegt.
|
|
|
2
|
Der Kläger, der im Streitjahr zusammen
mit der Klägerin zur Einkommensteuer veranlagt wurde, hatte
mit der Einkommensteuererklärung 2006 Werbungskosten zu
inländischen Kapitalerträgen in Höhe von rund 14,9
Mio. EUR geltend gemacht. Der Betrag resultiert im Wesentlichen aus
vorschüssig gezahlten Zinsen sowie einem Disagio für ein
Darlehen, das der Kläger zum Erwerb einer Schuldverschreibung
der M-Bank am 21.11.2006 aufgenommen hatte. Das FA
berücksichtigte die Werbungskosten im Einkommensteuerbescheid
vom 10.11.2008 unter Verweis auf das Vorliegen eines sog.
Steuerstundungsmodells i.S. von § 15b i.V.m. § 20 Abs. 2b
EStG nicht.
|
|
|
3
|
Am 2.1.2009 erließ das FA einen mit
„Bescheid über die Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2006“
überschriebenen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden Bescheid. Dieser stellte unter „A.
Feststellungen“ den „verbleibenden Verlustvortrag [...]
nach § 15b Abs. 4 EStG [...] für die
[Einkunftsart/-quelle] Kap.vermögen, Asset Linked Note“
der M-Bank „vom 28.11.2006 auf 14.895.445 EUR“ fest.
Unter „B. Feststellungsgrundlagen“ wird ein
„nicht ausgeglichener Verlustvortrag zum 31.12.2006“ in
Höhe von 14.895.445 EUR ermittelt, und zwar ausgehend von
nicht ausgeglichenen negativen Einkünften im Jahr 2006 (lfd.
Veranlagungszeitraum) in Höhe von 14.895.445 EUR unter
„Hinzurechnung“ eines festgestellten verbleibenden
Verlustvortrags zum 31. Dezember des Vorjahres (§ 15b Abs. 4
EStG) in Höhe von 0 EUR sowie unter „Abzug“ der im
Jahr 2006 (lfd. Veranlagungszeitraum) verrechneten Einkünfte
(„Verlustvortrag“) in Höhe von 0 EUR. Unter
„D. Wichtige Hinweise“ ist erläutert, dass der
Feststellungsbescheid Grundlagenbescheid sowohl des
Einkommensteuerbescheides des darauf folgenden Jahres als auch
eines zum Schluss des darauf folgenden Jahres ergehenden Bescheides
über die verbleibenden Verlustvorträge i.S. der
§§ 2b, 15 Abs. 4 EStG und/oder § 15b EStG
(Folgebescheid) sei. Den Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 hat der
Kläger nicht angefochten. Einen Änderungsantrag
gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) hat er
ebenfalls nicht gestellt.
|
|
|
4
|
Der gegen den
Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr vom
10.11.2008 eingelegte Einspruch der Kläger blieb ohne
Erfolg.
|
|
|
5
|
Mit in EFG 2013, 1014 = SIS 13 15 47
veröffentlichtem Urteil vom 10.1.2013 5 K 4513/09 E hat das
Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen.
|
|
|
6
|
Während des Revisionsverfahrens hat
das FA die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr mit
Bescheiden vom 6.2.2014, 9.5.2014 und 10.9.2014 aus nicht mehr
streitbefangenen Gründen erneut geändert.
|
|
|
7
|
Die Kläger sind der Auffassung, der
Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 stehe der Berücksichtigung
des streitigen Verlustes aus der Asset Linked Note nicht entgegen,
denn er enthalte keine für die Einkommensteuerfestsetzung des
Streitjahres bindende Feststellung des gemäß § 15b
Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes. Sie sind
weiterhin der Meinung, die Regelung des § 15b EStG sei
verfassungswidrig und greife im Streitfall zudem nicht ein, weil es
an einer modellhaften Gestaltung fehle.
|
|
|
8
|
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die
Einkommensteuer 2006 unter Änderung des
Einkommensteuerbescheides vom 10.9.2014 unter Berücksichtigung
eines Verlustes im Zusammenhang mit dem Erwerb der
Schuldverschreibung in Höhe von 14.895.445 EUR niedriger
festzusetzen.
|
|
|
9
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen und die Klage gegen den
Einkommensteuerbescheid vom 10.9.2014 abzuweisen.
|
|
|
10
|
Es ist unter Verweis auf die
Ausführungen des angefochtenen Urteils der Auffassung, dass
über die streitige Frage, ob ein nicht ausgleichsfähiger
Verlust i.S. des § 15b Abs. 1 EStG vorliege, in dem - für
den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres bindenden -
Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 entschieden worden sei. Zudem
seien die Voraussetzungen des § 15b EStG erfüllt.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
|
|
|
12
|
Das Urteil des FG ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Während des
Revisionsverfahrens ist zuletzt der geänderte
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 10.9.2014 an
die Stelle des ursprünglich angefochtenen
Einkommensteuerbescheides getreten und zum Gegenstand des
Verfahrens geworden (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 68 FGO),
sodass die Vorentscheidung keinen Bestand haben kann (vgl. Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.5.2015 IV R 27/12, BFHE 249,
544, BStBl II 2015, 837 = SIS 15 16 24, unter Rz 17 f.). Der Senat
kann über den geänderten Einkommensteuerbescheid vom
10.9.2014 für das Streitjahr nicht abschließend
entscheiden, da die Sache nicht spruchreif ist. Denn der Senat kann
aufgrund des Fehlens der vorgreiflichen gesonderten Feststellung
des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Klägers
gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG über
die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung nicht
abschließend entscheiden (s. nachfolgend unter 1. und 2.).
Die Sache wird aus diesem Grund an das FG zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung zurückverwiesen (§ 127 FGO).
|
|
|
13
|
1. Die angefochtene Entscheidung ist
aufzuheben, weil eine für die streitige
Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindende gesonderte Feststellung
eines gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht
ausgleichsfähigen Verlustes (§ 15b Abs. 4 EStG)
fehlt.
|
|
|
14
|
a) Die Entscheidung über den
gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht
ausgleichsfähigen Verlust für das Streitjahr hat im
Rahmen eines Feststellungsbescheides gemäß § 15b
Abs. 4 Satz 1 EStG zu erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine
gesonderte Feststellung i.S. der §§ 179 ff. AO (vgl.
Hallerbach in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 15b EStG Rz 53;
Reiß in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 15b Rz 57; Kaeser,
in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15b Rz D 21; FG
Münster, Urteil vom 18.6.2015 12 K 689/12 F, EFG 2015, 1696 =
SIS 15 25 32, nicht rechtskräftig, Az. des beim BFH
anhängigen Revisionsverfahrens VIII R 29/15).
|
|
|
15
|
Die in § 15b Abs. 1 EStG vorgesehene
Verlustverrechnungsbeschränkung erfasst grundsätzlich
auch Investitionen von Einzelpersonen mit modellhaftem Charakter
(s.a. BTDrucks 16/107, S. 6; Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542 = SIS 07 24 69, unter Rz
7). Da § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG die Feststellung des nicht
ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 1
EStG anordnet, ohne dabei die Fälle der Einzelinvestition
auszunehmen, ist auch für Investitionen von Einzelpersonen das
in § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG vorgesehene Feststellungsverfahren
durchzuführen (so i.E. auch Urteil des FG Münster in EFG
2015, 1696 = SIS 15 25 32; anders ohne Begründung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.9.2013 3 K 12341/11, EFG
2014, 131 = SIS 14 01 75). Dass § 15b Abs. 4 EStG verschiedene
verfahrensrechtliche Regelungen enthält (insbesondere §
15b Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG), die auf Fälle zugeschnitten
sind, in denen es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine
Gesellschaft oder Gemeinschaft mit gesondert und einheitlich
festzustellenden Einkünften handelt, steht dem nicht entgegen.
Vielmehr ist auch im Falle einer Einzelinvestition zur Vermeidung
widersprüchlicher rechtlicher Wertungen eine klare und
verbindliche Regelung in einem Feststellungsbescheid
gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG sachgerecht und
geboten.
|
|
|
16
|
b) Der gemäß § 15b Abs. 1 EStG
nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert
festzustellen (§ 15b Abs. 4 Satz 1 EStG), und zwar auch dann,
wenn der Steuerpflichtige nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb
erzielt, sondern - wie im Streitfall - Einkünfte aus
Kapitalvermögen. § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG ist
gemäß § 20 Abs. 2b EStG (eingefügt durch Art.
1 Nr. 13 Buchst. b JStG 2007 und gemäß § 52 Abs.
37d EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2006 anwendbar)
sinngemäß anzuwenden. Aufgrund der in § 15b Abs. 1
Satz 2 EStG geregelten engen Verlustverrechnungsmöglichkeit
hat die gesonderte Feststellung für je eine Einkunftsquelle zu
erfolgen (Kaeser, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O.,
§ 15b Rz D 3).
|
|
|
17
|
c) Die gesonderte Feststellung des nicht
ausgleichsfähigen Verlustes umfasst bei Einzelinvestitionen
mehrere Elemente.
|
|
|
18
|
§ 15b Abs. 1 Satz 1 EStG regelt, dass
Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit
Einkünften aus Gewerbebetrieb, noch mit anderen Einkunftsarten
ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden
dürfen. Nach Satz 2 der Vorschrift mindern diese Verluste
jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den
folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle
erzielt.
|
|
|
19
|
Die gesetzlichen Regelungen zum
Verfahrensrecht in § 15b Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG sind
für Einzelinvestitionen widersprüchlich. Das Gesetz
spricht in Satz 1 von der Feststellung „nicht
ausgleichsfähiger Verluste“, die gesondert
festzustellen sind. Hiermit bezieht es sich auf die materielle
Regelung des § 15b Abs. 1 EStG, die im Verlustentstehungsjahr
den Abzug der Verluste aus dem jeweiligen Steuerstundungsmodell
verbietet. Zudem setzt das Gesetz in § 15b Abs. 4 Satz 2 und 3
EStG voraus, dass die fortzuentwickelnden „verrechenbaren
Verluste“ festzustellen und nur hinsichtlich der
Differenzbeträge eines Verlustentstehungsjahres anfechtbar
sind.
|
|
|
20
|
Aus Sicht des Senats meint die gesonderte
Feststellung des § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG damit für
Einzelinvestitionen nur eine Feststellung, die sowohl die
Einordnung der Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell i.S. von
§ 15b Abs. 2, § 20 Abs. 2b EStG - das als solches
hinreichend genau bezeichnet werden muss (vgl. Kaeser, in:
Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15b Rz D 2) -, die
Höhe des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des
Verlustentstehungsjahres und den zum Ende eines
Veranlagungszeitraums ermittelten verrechenbaren Verlust als
Einzelelemente umfasst. Einer Auslegung, dass es sich bei den
Einzelelementen um jeweils verfahrensrechtlich abgrenzbare
eigenständige Feststellungen wie bei gesonderten und
einheitlichen Feststellungen gemäß §§ 179 ff.
AO handelt, die in einem Bescheid verbunden werden können,
steht der unklare Gesetzeswortlaut entgegen, der nur die gesonderte
Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes anordnet
und in der Folge Bestimmungen zu verrechenbaren Verlusten
enthält.
|
|
|
21
|
d) Hiernach kann ein solcher
Feststellungsbescheid für Einzelinvestitionen auf der Ebene
des Einkommensteuerbescheides für ein Verlustentstehungsjahr
Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 AO nur dann
entfalten, wenn seinem Regelungsgehalt (auch) zu entnehmen ist, in
welcher Höhe ein nicht ausgleichsfähiger Verlust
gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG aus einem
Steuerstundungsmodell entstanden ist. Eine solche - für die
streitgegenständliche Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindende
- Feststellung eines nicht ausgleichsfähigen Verlustes
gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG lässt sich dem
Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 jedoch nicht entnehmen.
|
|
|
22
|
aa) Der Umfang der Bindungswirkung eines
Feststellungsbescheides bestimmt sich grundsätzlich nach
dessen Verfügungssatz und damit danach, in welchem Umfang und
mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den
Tenor dieses Verwaltungsaktes aufgenommen hat (z.B. BFH-Urteil vom
8.11.2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253 = SIS 06 03 71).
|
|
|
23
|
Die demnach erforderliche Abgrenzung zwischen
den bindenden Verfügungssätzen eines
Feststellungsbescheides und dessen (bloßer) Begründung
erfolgt durch - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang
überprüfbare (s. z.B. BFH-Urteile in BFHE 211, 277, BStBl
II 2006, 253 = SIS 06 03 71; vom 12.6.1997 I R 72/96, BFHE 183, 30,
BStBl II 1997, 660 = SIS 97 22 91) - Auslegung des
Feststellungsbescheides. Dabei ist entsprechend § 133 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs darauf abzustellen, wie ein
verständiger Empfänger nach den ihm bekannten
Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu
und Glauben verstehen musste (s. BFH-Urteile in BFHE 211, 277,
BStBl II 2006, 253 = SIS 06 03 71; vom 11.12.1997 III R 14/96, BFHE
185, 177, BStBl II 1999, 401 = SIS 98 07 37). Dementsprechend kommt
es nicht darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer
Erklärung gewollt hat. Es kommt auch nicht darauf an, wie ein
außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde
auffassen konnte bzw. musste. Unerheblich ist auch, ob die
notwendige Feststellung unbewusst unterblieben ist oder ob das FA
auch dann eine Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nach
§ 179 Abs. 3 AO treffen kann, wenn es zuvor bewusst auf diese
Feststellung verzichtet hat. Weil der Verwaltungsakt nur mit dem
bekannt gegebenen Inhalt wirksam wird (vgl. § 124 Abs. 1 Satz
2 AO), muss aber die Auslegung zumindest einen Anhalt in der
bekannt gegebenen Regelung haben. Maßgebend sind deshalb auch
nicht die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zutage
tretenden Umstände. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger
belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger
einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der
Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht
benachteiligt werden darf (z.B. BFH-Urteile vom 11.7.2006 VIII R
10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96 = SIS 06 37 93, mit
zahlreichen Nachweisen, und vom 11.11.2014 VIII R 37/11).
|
|
|
24
|
bb) Nach diesen Maßstäben fehlt es
in dem Bescheid vom 2.1.2009 an der Feststellung eines nicht
ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 4
Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 EStG.
|
|
|
25
|
In dem mit „Bescheid über die
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des
Veranlagungszeitraums 2006“ überschriebenen Bescheid
vom 2.1.2009 ist unter „A. Feststellungen“ - und
damit im bindenden Verfügungssatz (Tenor) - lediglich der
„verbleibende Verlustvortrag [...] nach § 15b Abs. 4
EStG [...] für die [Einkunftsart/-quelle] Kap.vermögen,
Asset Linked Note“ der M-Bank vom „28.11.2006
auf 14.895.445 EUR“ zum 31.12.2006 festgestellt. Der
Bescheidtenor enthält indes keine - der Feststellung des
Verlustvortrags sachlogisch vorgeschaltete - ausdrückliche
Feststellung des gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG im
Feststellungszeitraum (dem Verlustentstehungsjahr) nicht
ausgleichsfähigen Verlustes. Ihm ist damit nicht mit
hinreichender Deutlichkeit eine für die
Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindende Feststellung des nicht
ausgleichsfähigen Verlustes zu entnehmen.
|
|
|
26
|
Die ausdrückliche Feststellung des
„verbleibenden Verlustvortrages“ zum Ende des
Streitjahres beinhaltet auch keine konkludente Feststellung des
gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht
ausgleichsfähigen Verlustes für das Streitjahr als
Verlustentstehungsjahr (vgl. zur konkludenten Feststellung im
Zusammenhang mit vorgreiflichen Umständen z.B. BFH-Urteil in
BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253 = SIS 06 03 71; s.a. BFH-Urteil
vom 11.11.2014 VIII R 37/11, zur Auslegung eines einen anteiligen
Gewinn von 0 EUR feststellenden Bescheides).
|
|
|
27
|
Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die
Feststellung eines gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG
nicht ausgleichsfähigen Verlustes für den
„verbleibenden Verlustvortrag“ gemäß
§ 15b Abs. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich nur
beschränkt vorgreiflich ist. Denn die Höhe des
verbleibenden Verlustvortrags zum Ende des jeweiligen
Feststellungszeitraums ergibt sich nur aus der Gesamtschau des
verbleibenden Verlustvortrags zum Ende des Vorjahres und des nicht
ausgleichsfähigen Verlustes des Verlustentstehungsjahres. Nur
im Erstjahr der Investition entsprechen sich der nicht
ausgleichsfähige Verlust und der verbleibende Verlustvortrag
zum Ende diesen Jahres.
|
|
|
28
|
Eine bindende Feststellung des nicht
ausgleichsfähigen Verlustes für den
Einkommensteuerbescheid des Streitjahres lässt sich gleichwohl
dem Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 nicht entnehmen, obwohl es
sich um das Erstjahr der Investition handelt.
|
|
|
29
|
Unter „B.
Feststellungsgrundlagen“ wird zwar ausgehend von nicht
ausgeglichenen negativen Einkünften im Jahr 2006 (lfd.
Veranlagungszeitraum) in Höhe von 14.895.445 EUR die
Ermittlung des „nicht ausgeglichenen Verlustvortrags zum
31.12.2006“ durchgeführt. In der Begründung des
Bescheides wird demnach die Ermittlung des im Tenor festgestellten
Verlustvortrags erläutert. Hieraus mag folgen, dass das FA im
Rahmen der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags zum
31.12.2006 von einem nicht ausgleichsfähigen Verlust i.S. des
§ 15b Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 14.895.445 EUR
ausgegangen ist. Nicht erkennbar ist indes, dass es diesen damit
zugleich für die Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindend
festgestellt hat. Auch bei einer solchen Auslegung konnte der
Kläger dem Tenor des Bescheides lediglich entnehmen, dass das
FA die Verluste nur als im Folgejahr mit Einkünften aus der
streitgegenständlichen Asset Linked Note verrechenbar ansah
(§ 15b Abs. 1 Satz 2 EStG). Für ihn ergab sich damit eine
bindende Feststellung für das Folgejahr, nicht aber eine mit
bindender Wirkung für den Einkommensteuerbescheid 2006
getroffene Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes
gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG.
|
|
|
30
|
Dies entnimmt der Senat auch den im
Feststellungsbescheid unter D. zu findenden „Wichtigen
Hinweisen“, die lediglich auf eine Wirkung des
Feststellungsbescheides als Grundlagenbescheid für Folgejahre
- und damit den ausdrücklich festgestellten Verlustvortrag -
hinweisen, nicht aber Ausführungen zur Bindungswirkung des
Bescheides für das Verlustentstehungsjahr beinhalten.
|
|
|
31
|
Auch aus den weiteren Umständen des
Streitfalles ergab sich für den Kläger kein hinreichender
Anlass, den Inhalt des Feststellungsbescheides vom 2.1.2009 anders
zu verstehen. Die Tatsache, dass das FA den streitigen Verlust als
gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht
ausgleichsfähig behandelt und daher im Einkommensteuerbescheid
2006 unberücksichtigt gelassen hat, führt zu keinem
anderen Ergebnis. Denn mit Blick auf die auch im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzung 2006 erfolgten Ausführungen zum
Vorliegen der Voraussetzungen des § 15b EStG und den
zeitlichen Ablauf war für den Kläger nicht zweifelsfrei
erkennbar, in welchem Bescheid das FA mit bindender Wirkung
für das Jahr 2006 über die Berücksichtigung des
streitigen Verlustes entschieden hat.
|
|
|
32
|
2. Wegen der danach fehlenden gesonderten
Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des
Klägers gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG
wird die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 127 FGO). Das
Fehlen der entsprechenden Feststellung steht einer Entscheidung des
Senats über die Klage entgegen. Denn die Beachtung der
Vorgreiflichkeit des Feststellungsverfahrens für das
Einkommensteuerveranlagungsverfahren hinsichtlich der gesondert
festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehört zu der auch im
Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Grundordnung des
Verfahrens (z.B. BFH-Urteile vom 14.2.2008 IV R 44/05, BFH/NV 2008,
1156 = SIS 08 24 89; vom 20.8.2015 IV R 41/12, BFH/NV 2016, 227 =
SIS 16 00 58). Das FG muss das Verfahren im zweiten Rechtsgang
gemäß § 74 FGO aussetzen und damit dem FA
Gelegenheit geben, die fehlende Feststellung des verrechenbaren
Verlustes gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG
nachzuholen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61/97, BFHE
187, 526, BStBl II 1999, 390 = SIS 99 06 13).
|
|
|
33
|
3. Die Entscheidung über die Kosten des
Verfahrens wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).
|