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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden.
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In den Jahren 2007 bis 2009 schloss der
Kläger mit der Klägerin schriftliche Verträge
über die Gewährung fest verzinslicher Darlehen ab. Die
teilweise besicherten Darlehen dienten der Anschaffung und
Renovierung des fremd vermieteten Elternhauses durch die
Klägerin, die mangels eigener finanzieller Mittel und
Kreditwürdigkeit auf die Darlehensgewährung durch den
Kläger angewiesen war. Die Darlehensvaluta belief sich zum
31.12.2009 auf insgesamt 283.203 EUR. Der vereinbarte Zinssatz lag
zwischen 4 % und 5,35 %. Die in den Jahren 2007 und 2008
fälligen Zinsen waren bis zum Jahr 2009 gestundet und wurden
von der Klägerin im Jahr 2009 an den Kläger
gezahlt.
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Der Kläger erklärte in der
Einkommensteuererklärung für 2009 Kapitalerträge aus
den der Klägerin gewährten Darlehen in Höhe von
27.196 EUR, die dem gesonderten Steuertarif für
Kapitaleinkünfte gemäß § 32d Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG) unterliegen. Die Klägerin
machte einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 42.520
EUR bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.
Der Verlust beruhte in Höhe von 27.196 EUR auf den an den
Kläger gezahlten Schuldzinsen für die Jahre 2007 bis
2009.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid
für das Streitjahr die Zinserträge des Klägers als
Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer
unterliegen. Den von den Klägern hiergegen erhobenen Einspruch
wies es mit der Begründung zurück, dass gemäß
§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Anwendung des
Abgeltungsteuersatzes ausgeschlossen sei, wenn Gläubiger und
Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen
seien. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit
seinem in EFG 2014, 1393 = SIS 14 17 77 veröffentlichten
Urteil vom 28.1.2014 12 K 3373/12 als unbegründet ab.
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Die Kläger tragen zur Begründung
ihrer Revision vor, dass der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes
nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bei der
Darlehensgewährung zwischen Ehegatten Art. 6 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) verletze, wenn die Darlehensverträge einem
Fremdvergleich standhielten und ein Gestaltungsmissbrauch
ausgeschlossen sei. Dies sei vorliegend der Fall. Die Darlehen
entsprächen hinsichtlich der Vertragsgestaltung,
Finanzierungskonditionen und Sicherheiten dem zwischen fremden
Dritten Üblichen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die
Klägerin den Erwerb und die Renovierung des von den Eltern
hinterlassenen Vermietungsobjekts mangels eines festen
Arbeitseinkommens weder aus eigenen Mitteln hätte bezahlen
noch von einer Bank finanzieren lassen können, so dass
hinsichtlich der Finanzierung keinerlei Gestaltungsspielraum
bestanden habe.
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Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Köln vom 28.1.2014 12 K 3373/12, den Ablehnungsbescheid des
FA vom 16.1.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 5.10.2012
aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom
25.1.2012 die tariflich besteuerten Einkünfte aus
Kapitalvermögen um 27.196 EUR zu verringern, die nach §
32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte unter Gewährung des
Sparer-Pauschbetrags um diesen Betrag zu erhöhen und die
Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das angefochtene Urteil des FG ist
rechtmäßig. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon
ausgegangen, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs
für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d
Abs. 1 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst.
a EStG ausgeschlossen ist (1.). Dies verletzt weder Art. 6 Abs. 1
GG noch Art. 3 Abs. 1 GG (2.). Dabei kann die Frage, ob die
Darlehensverhältnisse überhaupt einem Fremdvergleich
standhalten, im Ergebnis offen bleiben (3.).
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1. Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs
für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d
Abs. 1 EStG ist gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a EStG ausgeschlossen.
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a) Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d
Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der
Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das
Bundesministerium der Finanzen hat die Anwendung dieses
Ausnahmetatbestands in seinen Schreiben vom 22.12.2009 IV C 1-S
2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94 = SIS 09 37 93) und vom 9.10.2012
IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953 = SIS 12 30 48) - jeweils
Rz 134 - für das Streitjahr in verfassungskonformer
Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der
Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den
Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner
Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit
Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung
unterliegen. Dies war bei der Einkommensteuerfestsetzung der
Klägerin hinsichtlich der an den Kläger gezahlten
Kapitalerträge der Fall.
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b) Wie der Senat in seinen Urteilen vom
29.4.2014 VIII R 9/13 (BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986 = SIS 14 21 88), VIII R 35/13 (BFHE 245, 357, BStBl II 2014, 990 = SIS 14 21 86) und VIII R 44/13 (BFHE 245, 361, BStBl II 2014, 992 = SIS 14 21 87) entschieden hat, fallen unter den Begriff der
„nahestehenden Person“ nach dem Wortsinn alle
natürlichen Personen, die zueinander in enger Beziehung
stehen. Diese Voraussetzung ist bei den Klägern als Eheleuten
erfüllt, da bereits das auf der Eheschließung beruhende
Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen
lässt.
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c) Indes reicht nach dem in der
Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a
EStG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BTDrucks
16/4841, S. 61) ein lediglich aus der Eheschließung
abgeleitetes persönliches Interesse nicht aus, um ein
Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a EStG zu begründen. Danach liegt ein
Näheverhältnis u.a. nur dann vor, wenn der
Steuerpflichtige auf die Person des Darlehensnehmers einen
beherrschenden Einfluss ausüben kann (Senatsurteile in BFHE
245, 343, BStBl II 2014, 986 = SIS 14 21 88; in BFHE 245, 357,
BStBl II 2014, 990 = SIS 14 21 86, und in BFHE 245, 361, BStBl II
2014, 992 = SIS 14 21 87).
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Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Vortrag
der Kläger verblieb der Klägerin hinsichtlich der
Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder
Dritter den Erwerb und die Renovierung des Objekts durch die
Klägerin nicht zu 100 % finanziert hätte. Danach war die
Klägerin bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger als
Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig, so dass ein
Beherrschungsverhältnis vorliegt, das gemäß §
32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung des
gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führt.
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2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes
nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG in der vorstehenden
Auslegung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art.
3 Abs. 1 GG.
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer
strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Eine
Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt dabei nicht nur vor, wenn der
Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund
verschieden behandelt, sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege
der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem
Gesetzgeber verwehrten gerichtlichen Differenzierung gelangen.
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Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG
verbietet es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb
steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die
Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und
Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der
Ehegatten darf nicht dazu führen, dass eine
missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes
unwiderlegbar vermutet wird (Senatsurteil in BFHE 245, 343, BStBl
II 2014, 986 = SIS 14 21 88, m.w.N.).
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Liegen jedoch unabhängig von der
ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen vor, die für die
Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen sprechen, ist
der Einwand, Verheiratete seien gegenüber Ledigen schlechter
gestellt, unbegründet; denn insoweit folgt die Benachteiligung
der Verheirateten im Verhältnis zu Ledigen nicht aus einer
unwiderlegbaren Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs, die an die
Ehe anknüpft, sondern ergibt sich aufgrund von konkreten
Anhaltspunkten, die für eine enge Wirtschaftsgemeinschaft der
Ehegatten im Einzelfall sprechen (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 12.3.1985 1 BvR 571/81, BVerfGE 69,
188 = SIS 85 12 15).
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b) Nach diesen Grundsätzen wird im
vorliegenden Fall der Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) durch
den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nicht verletzt. Denn
dieser beruht bei verfassungskonformer Auslegung des § 32d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht auf dem aufgrund der
Eheschließung vermuteten persönlichen
Näheverhältnis der Kläger, sondern auf dem
wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis der
Klägerin von dem Kläger. Da kein fremder Dritter der
Klägerin eine Gesamtfinanzierung zum Erwerb und der Sanierung
des Elternhauses gewährt hätte und die Klägerin im
Streitjahr kaum in der Lage war, die für das Jahr 2009
vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen,
waren die Chancen und Risiken bei der Gewährung der Darlehen
durch den Kläger nicht in fremdüblicher Weise verteilt.
Es liegen somit Beweisanzeichen vor, die - unabhängig von der
ehelichen Lebensgemeinschaft - für die Annahme einer
personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche
Interessen und gegen eine fremdübliche Kreditgewährung
sprechen. Die Kläger werden hierdurch gegenüber Ledigen
nicht schlechter gestellt, weil sie verheiratet sind, da auch bei
diesem Personenkreis ein wirtschaftliches
Abhängigkeitsverhältnis der vorliegenden Art ein
Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a EStG begründen würde, mit der Folge, dass der
Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen wäre.
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c) Zudem würde im vorliegenden Fall bei
einer Gewährung des gesonderten Steuertarifs für
Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d
Abs. 1 EStG das vom Gesetzgeber mit der Einführung des
Abgeltungsteuersatzes verfolgte Lenkungsziel verfehlt, die
Standortattraktivität der Bundesrepublik Deutschland im
internationalen Wettbewerb für private Anleger zu
erhöhen, die ihr Kapital ohne größere
Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten (s. hierzu im
Einzelnen Senatsurteil vom 29.4.2014 VIII R 23/13, BFHE 245, 352,
BStBl II 2014, 884 = SIS 14 21 83); denn ist der Erwerb einer
Immobilie durch einen Ehegatten nur dann möglich, wenn ihm der
andere Ehegatte die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt,
ist weder die Verlagerung des Kapitals in das Ausland, noch eine
Anlage des Kapitals und eine Kreditaufnahme im Inland eine
Alternative zu dieser Investition. Die Anwendung des allgemeinen
Steuertarifs führt hier zu keiner Ungleichheit, sondern stellt
im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
durch den Ausschluss von Mitnahmeeffekten eine größere
Gleichheit her (Senatsurteil in BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884 =
SIS 14 21 83).
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3. Offen bleiben kann, ob die
Darlehensverhältnisse der Besteuerung deshalb nicht zugrunde
gelegt werden können, weil sie einem Fremdvergleich nicht
standhalten. Das FG hat in seiner Entscheidung hierzu keine
Feststellungen getroffen, sondern dies lediglich unterstellt. Zwar
wären, wenn die Darlehensverhältnisse einem
Fremdvergleich nicht standhalten, die streitigen
Kapitaleinkünfte des Klägers der Besteuerung nicht
zugrunde zu legen, so dass die Klage insoweit Erfolg hätte.
Jedoch wären in diesem Fall im Rahmen der bei der
Zusammenveranlagung vorzunehmenden Fehlersaldierung nach § 177
der Abgabenordnung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.6.2003 X R
66/00, BFH/NV 2004, 19 = SIS 03 52 44) die Einkünfte der
Klägerin aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich des
gewährten Schuldzinsenabzugs in gleicher Höhe zu
erhöhen. Danach würde die Versagung der steuerlichen
Berücksichtigung der Darlehensverhältnisse zu demselben
Ergebnis führen wie der Ausschluss des gesonderten Tarifs
für die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach §
32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, so dass die Revision in
jedem Fall keinen Erfolg hat.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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