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Nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: 1. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. § 52 a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 steht dem nicht entgegen. - 2. Eine Option zur Regelbesteuerung gemäß § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist nicht eröffnet, wenn keine Kapitalerträge aus der Beteiligung mehr fließen und ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 2 und 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt. - Urt.; BFH 21.10.2014, VIII R 48/12; SIS 15 03 12

Kapitel:
Unternehmensbereich > Betriebsaufgabe, Veräußerung, Anteilsübertragung
Fundstellen
  1. BFH 21.10.2014, VIII R 48/12
    BStBl 2015 II S. 270
    DStR 2015 S. 350

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 12.3.2015
    H.J.P. in BFH/PR 6/2015 S. 196
    Th.G. in FR 12/2015 S. 564
    N.B. in AktStR 2/2015 S. 277
    F.W. in DStR 25/2015 S. 1343
    Ch.L. in HFR 7/2015 S. 663
Normen
[EStG 2009] § 17, § 20 Abs. 9, § 32 d, § 52 a
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 04.10.2012, SIS 13 02 89, Werbungskosten, Schuldzinsen, Bürgschaft, Insolvenz, Regelbesteuerung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Köln 14.11.2023, SIS 24 01 62, Gesetzliche Fiktion der Tatbestandsvoraussetzungen des Optionsrechts zur tariflichen Besteuerung in den v...
  • Niedersächsisches FG 14.6.2023, SIS 23 14 73, Rechtmäßigkeit der Besteuerung fiktiver Übergangsgewinne durch Investmentsteuerreform: Die Besteuerung fi...
  • BFH 9.7.2021, SIS 21 12 85, Nachlaufende Schuldzinsen, Abgeltungsteuer: Es ist höchstrichterlich geklärt, dass Schuldzinsen für die A...
  • FG Berlin-Brandenburg 3.5.2021, SIS 21 13 25, Keine Anwendung des § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a auf vorweggenommene Werbungskosten: 1. § 32 d Abs. 2 Nr...
  • OFD Frankfurt 12.2.2021, SIS 21 05 65, Kapitalgesellschaft, Auflösungsgewinn: Die OFD Frankfurt a.M. hat ihre Verfügung zur Auflösung einer Kapi...
  • FG Köln 15.12.2020, SIS 21 07 97, Option zur tariflichen Besteuerung nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG: § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ...
  • BFH 9.7.2019, SIS 19 18 51, Ausfall von Gesellschafterdarlehen und Refinanzierungszinsen: 1. Die Hingabe von Gesellschafterdarlehen a...
  • Thüringer FG 23.5.2019, SIS 19 21 02, Refinanzierungszinsen für ein Darlehen eines mit mindestens 10 % beteiligten Gesellschafters nach Eröffnu...
  • BFH 14.5.2019, SIS 19 11 77, Zum Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bei nachträglich festgestellter vGA: 1. Der Antrag a...
  • FG Hamburg 22.3.2019, SIS 19 21 27, Grobes Verschulden eines Steuerberaters bei unterlassener Geltendmachung eines Auflösungsverlustes: Ein S...
  • BFH 27.3.2018, SIS 18 08 77, Voraussetzungen des Antrags auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buc...
  • BFH 28.2.2018, SIS 18 07 94, Abgeltungsteuer-Anwendung von § 20 Abs. 9 EStG auch bei fehlendem Zufluss von Kapitalerträgen nach dem 1....
  • FG Rheinland-Pfalz 11.11.2015, SIS 16 26 70, Berücksichtigung von Gesellschafter-Darlehen bei der Ermittlung eines Auflösungsverlustes, keine zwangslä...
  • BFH 9.6.2015, SIS 16 01 46, Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG für Aufwendungen im Jahr 2009, die im Zusammenhan...
  • OFD Nordrhein-Westfalen 22.4.2015, SIS 15 08 89, Beteiligung, nachträgliche Schuldzinsen, Veranlagungsoption: Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 21.10...
Fachaufsätze
  • LIT 03 06 51 N. Bolz, AktStR 2/2015 S. 277: Werbungskostenabzug bei Einkünften aus Kapitalvermögen - Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 21.10.2014, VIII ...
  • LIT 03 07 01 Th. Gebhardt, FR 12/2015 S. 564: Nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen - Kommentar zum BFH-Urteil vom 21.10....
Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

 

1

I. Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) aus Kapitalvermögen in den Streitjahren 2009 und 2010.

 

 

2

Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit dem Jahr 2002 war der Kläger am Stammkapital der C GmbH (GmbH) mit einer Stammeinlage von 37,5 % beteiligt. Nachdem mit Beschluss vom 1.2.2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, wurde am darauffolgenden Tage im Handelsregister die Auflösung der GmbH eingetragen. Die GmbH ist im Handelsregister nicht gelöscht. Im Rahmen der Insolvenz wurde der Kläger aus einer für die GmbH geleisteten Bürgschaft in Anspruch genommen, deren Kosten der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) im Rahmen des im Veranlagungszeitraum 2007 ermittelten Verlustes gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG) erklärungsgemäß berücksichtigte. Die Zahlung auf die Bürgschaft finanzierte der Kläger durch ein Darlehen, für das er in den Jahren 2009 und 2010 Zinsen in Höhe von 9.375 EUR und 9.372 EUR entrichtete.

 

 

3

Unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG machte der Kläger die Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten wegen seiner Beteiligung an der GmbH in Höhe von 60 % (Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG) geltend. Bei der Veranlagung versagte das FA den Schuldzinsenabzug mit der Begründung, seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe eine wesentliche Beteiligung des Klägers i.S. des § 17 EStG an der GmbH nicht mehr bestanden. Damit hätten die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht vorgelegen.

 

 

4

Im Verlaufe des gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 gerichteten Einspruchsverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen mit Bescheid vom 8.6.2011. Mit Einspruchsentscheidung vom 7.2.2012 wies das FA den Einspruch der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 als unbegründet zurück. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2013, 122 = SIS 13 02 89 veröffentlichten Urteil vom 4.10.2012 12 K 993/12 E statt.

 

 

5

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG.

 

 

6

Das FA beantragt, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

7

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

9

Die Auffassung des FG, § 20 Abs. 9 EStG, welcher den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ausschließe, komme nicht zur Anwendung, da der Kläger wirksam gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG zur Regelbesteuerung optiert habe, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

 

 

10

1. Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung zum Abzug von Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanlage - darunter fallen auch Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG - mit Urteilen vom 16.3.2010 VIII R 20/08 (BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787 = SIS 10 20 99) und VIII R 36/07 (BFH/NV 2010, 1795 = SIS 10 27 21) geändert. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können danach wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden. Das gilt entsprechend für Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Gesellschafters aus einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterbürgschaft (vgl. BFH-Urteil vom 20.8.2013 IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310 = SIS 14 03 80, m.w.N.).

 

 

11

So lag die Situation im Streitfall. Der Kläger war seit 2002 mit 37,5 % an der GmbH beteiligt. Damit hat er die für § 17 EStG erforderliche Wesentlichkeitsgrenze erfüllt. Die nach Auflösung der GmbH im Februar 2007 in späteren Jahren anfallenden Schuldzinsen stehen nach wie vor in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung.

 

 

12

2. Trotz dieser Änderung der Rechtsprechung kann der Kläger die ihm in den Streitjahren 2009 und 2010 tatsächlich erwachsenen Schuldzinsen nicht mehr als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG geltend machen. Denn mit der Einführung einer Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) hat der Gesetzgeber ein umfassendes Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet: Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 EUR, der bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, auf 1.602 EUR verdoppelt wird (Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 20 Rz 206; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 20 Rz 186; Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 457 f.; Moritz/Strohm in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 20 n.F. Rz 43 f.).

 

 

13

An der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen keine Zweifel. Insoweit nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf seine Entscheidung vom 1.7.2014 VIII R 53/12 (BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975 = SIS 14 27 73). Das gilt gleichermaßen für die Frage, ob die Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG durch § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG ausgeschlossen ist.

 

 

14

3. Entgegen der Auffassung des FG steht die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG im Streitfall der Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG nicht entgegen.

 

 

15

a) Danach gilt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen von lediglich 25 % auf Antrag für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist. Gemäß Satz 2 der Vorschrift finden § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG keine Anwendung.

 

 

16

Für sog. unternehmerische Beteiligungen eröffnet der Gesetzgeber Steuerpflichtigen damit die Möglichkeit, zwischen dem gesonderten Steuertarif mit pauschalem Werbungskostenabzug (Steuer 25 %, abzugsfähig nur der Sparer-Pauschbetrag) und der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (progressiver Tarif verbunden mit der Möglichkeit, Finanzierungsaufwendungen in voller Höhe auch oberhalb des Sparer-Pauschbetrags geltend zu machen) zu wählen (vgl. dazu Moritz/Strohm, BB 2012, 3107, m.w.N.). Diese Regelung gilt gemäß § 52a Abs. 15 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009. Mit ihr wollte der Gesetzgeber die Gefahr abwenden, dass das Werbungskostenabzugsverbot im Rahmen der Abgeltungsteuer bei aus unternehmerischen Motiven erworbenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu einer Übermaßbesteuerung führt (Storg in Frotscher, a.a.O., § 32d Rz 37, m.w.N.). Dass der Gesetzgeber diese Regelung an das Vorhandensein einer Beteiligung knüpft, macht deutlich, dass er bei nicht mehr existenter Beteiligung und nachlaufenden Schuldzinsen keine Option zur Anwendung des progressiven Tarifs bewilligen will, sondern an den allgemeinen Regeln der Abgeltungsteuer und damit auch am Ausschluss des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten festzuhalten gedenkt (vgl. Moritz/Strohm, BB 2012, 3107).

 

 

17

b) Im Streitfall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht erfüllt.

 

 

18

(1) Der Kläger war im Veranlagungszeitraum 2009 zwar mit 37,5 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt und der Antrag auf Regelbesteuerung ist unstreitig zusammen mit der Einkommensteuererklärung 2009 gestellt worden. Dass im Februar 2007 über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und die Auflösung der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen worden ist, widerstreitet dem nicht.

 

 

19

Eine GmbH wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) aufgelöst. Die Auflösung hat indes nicht die Beendigung der Gesellschaft zur Folge. Diese tritt erst ein mit Löschung im Handelsregister nach Abschluss des Liquidationsverfahrens gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG oder nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gemäß § 394 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 60 Rz 18, wonach erst die sog. Amtslöschung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zur Beendigung der Gesellschaft führt). Bis zur Löschung besteht die aufgelöste GmbH fort, es wird lediglich der werbende Zweck der Gesellschaft durch den der Abwicklung überlagert (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rz 9; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 69 Rz 2; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 60 Rz 14 ff., m.w.N.; MünchKommGmbHG/Berner, § 60 Rz 16 f.). Die GmbH bleibt bis zur Beendigung als juristische Person und als Handelsgesellschaft erhalten (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 60 Rz 9, m.w.N.; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), 7. Aufl., § 60 Rz 6, § 69 Rz 1, 2; Michalski/Nerlich, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rz 4, 145, § 74 Rz 31; Ulmer/Casper, GmbHG, § 60 Rz 11); auch kann die aufgelöste Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen durch Fortsetzungsbeschluss in eine werbende Gesellschaft zurückverwandelt werden (Haas in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 60 Rz 91; MünchKommGmbHG/Berner, a.a.O., § 60 Rz 240; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 60 Rz 29; Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 3.1.2008 9 W 124/07, GmbHR 2008, 211). Als juristische Person nicht mehr existent ist eine GmbH erst nach ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister (BFH-Urteil vom 9.6.2010 IX R 52/09, BFHE 230, 326, BStBl II 2010, 1102 = SIS 10 33 20; Scholz/ Bitter, a.a.O., Vor § 64 Rz 176; Ulmer/Paura, a.a.O., § 74 Rz 31).

 

 

20

Nach den vorstehend genannten Grundsätzen war der Kläger in den Streitjahren an einer zwar aufgelösten aber noch bestehenden Gesellschaft beteiligt. Eine Kapitalbeteiligung i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist daher zu bejahen.

 

 

21

(2) Die Rechtsprechung des BFH zum Zeitpunkt der Realisation eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlustes i.S. des § 17 Abs. 2 und 4 Satz 1 EStG führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist ein Auflösungsverlust erst festzustellen, wenn der Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen kann und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286 = SIS 01 05 20, m.w.N.).

 

 

22

Gerade im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation sind diese Voraussetzungen häufig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt. Nur wenn diese mangels Masse nicht stattfindet, ist der auf einen Zeitpunkt zu ermittelnde Auflösungsverlust bereits bei Ablehnung des Antrags auf Insolvenzeröffnung entstanden (BFH-Beschluss vom 27.11.1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406).

 

 

23

Von dem Grundsatz, dass bei Auflösung der Kapitalgesellschaft mit anschließender Liquidation für die Entstehung eines Auflösungsverlustes der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation maßgeblich ist, weicht der BFH nur ab, wenn die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 = SIS 02 06 22). Das ist z.B. der Fall bei Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens mangels Masse (BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 406), bei eindeutiger Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses (BFH-Urteil vom 4.11.1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344 = SIS 98 04 27) oder wenn der Gesellschafter mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Vermögensverteilung nach § 72 GmbHG nicht mehr rechnen konnte (BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761 = SIS 01 65 39; davon ist auszugehen, wenn ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr deckt).

 

 

24

Im Streitfall hat das FA den Auflösungsverlust des Klägers gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG bereits im Veranlagungszeitraum 2007 (antragsgemäß) berücksichtigt und damit nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation abgestellt. Das allein reicht indes nicht aus, eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zu verneinen. Denn die Erwägungen, hinsichtlich der Erfassung des Auflösungsverlustes ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt der Liquidation abzustellen, sondern auf den Moment, in dem die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 = SIS 02 06 22), beruhen auf der besonderen Zwecksetzung des § 17 EStG (BFH-Urteil vom 21.1.2004 VIII R 8/02, BFH/NV 2004, 947 = SIS 04 22 74). Nach dieser Zwecksetzung ist eine Kapitalgesellschaft - anders als nach dem Gesellschaftsrecht - bereits dann vermögenslos, wenn die Aktiva zwar für eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, nicht aber auch für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichen (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 947 = SIS 04 22 74). Überlegungen zur zutreffenden zeitlichen Erfassung eines Auflösungsverlustes i.S. des § 17 Abs. 2 und 4 EStG bieten aber keinen Anlass, auch für die Option zur Regelbesteuerung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG bereits vor Abschluss der Beendigung der Gesellschaft vom Wegfall der Kapitalbeteiligung auszugehen und die Möglichkeit der Option zu versagen (vgl. Levedag, Anmerkung zum Urteil der Vorinstanz in EFG 2013, 123).

 

 

25

Dafür spricht auch, dass § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG keinen Verweis auf § 17 Abs. 2 und 4 EStG enthält und die Erwägungen zum Zeitpunkt der Realisation eines Auflösungsverlustes zumindest auch von bilanzrechtlichen Überlegungen beeinflusst sind, welche im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG keine Bedeutung haben. Denn bei § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG geht es letztlich nur um die Frage, ob ein gemäß § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnendes Wirtschaftsgut (hier: GmbH-Beteiligung) überhaupt noch vorhanden ist, während § 17 Abs. 2 und 4 EStG ein gänzlich anders gelagertes Problem behandelt, nämlich den Zeitpunkt der Realisation eines Auflösungsverlustes.

 

 

26

(3) Gegen die Option zur Regelbesteuerung streitet indes, dass der Kläger in den Streitjahren aus seiner Beteiligung keine Erträge mehr erzielt hat, denn der Wortlaut der Vorschrift spricht von „Kapitalerträge(n) im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 2 aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn (...)“. Es fehlt damit an den für die Anwendung der Vorschrift erforderlichen Kapitalerträgen.

 

 

27

Zwar ist auch im Falle der Auflösung einer Kapitalgesellschaft durch Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht von einem endgültigen Verlust der Einkunftsquelle im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Nichtabziehbarkeit nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen auszugehen (zu diesen Grundsätzen vgl. BFH-Urteile in BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 = SIS 02 06 22; vom 2.5.2001 VIII R 32/00, BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668 = SIS 01 10 67, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 406, unter 2.c der Gründe, m.w.N.), denn in diesem Zeitpunkt lässt sich die künftige Entwicklung der Gesellschaft noch nicht zweifelsfrei absehen (BFH-Urteil vom 25.1.2000 VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343 = SIS 00 07 80). Ohne Auflösungsbeschluss, mit dem die Gesellschafter dokumentieren, dass sie die Gesellschaft nicht mehr fortführen wollen, ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass die Einkünfteerzielungsabsicht i.S. der §§ 17, 20 EStG fortbesteht.

 

 

28

In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG das Ziel verfolgt, Erträge aus einer unternehmerischen Beteiligung gegenüber solchen aus einer Beteiligung zu privilegieren, die sich als lediglich private Vermögensverwaltung darstellt (vgl. BTDrucks 16/7036, S. 14). Nur für diese Fälle soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Erträge - vergleichbar einer Beteiligung im Betriebsvermögen - dem progressiven Einkommensteuertarif (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG) unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG) zu unterwerfen (BTDrucks 16/7036, S. 14). Nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG eröffnet der Gesetzgeber die Optionsmöglichkeit zur Regelbesteuerung damit gezielt für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, d.h. der Gesetzgeber geht davon aus, dass entsprechende Erträge erzielbar sind.

 

 

29

Der Senat muss im Streitfall nicht darauf eingehen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich bereits das abstrakte Vorliegen von Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG dem Steuerpflichtigen die Ausübung der Option selbst dann ermöglicht, wenn im jeweiligen Veranlagungszeitraum Erträge tatsächlich nicht vorhanden sind und die Option nur dazu dient, die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zu 60 % im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9.10.2012 IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953 = SIS 12 30 48, Rz 143). Denn jedenfalls in Fällen wie dem hier vorliegenden, in dem die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass Kapitalerträge aus der Beteiligung weder jetzt noch künftig fließen und deshalb ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 EStG ausnahmsweise nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation (nach Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister) festgestellt wird, sondern - wie vom Steuerpflichtigen beantragt - bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt, weil die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist das für die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG erforderliche Tatbestandsmerkmal der „Kapitalerträge im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 2“ nicht gegeben. Eine andere Auslegung der Norm wäre mit dem Willen des Gesetzgebers, zufließende Kapitalerträge aus unternehmerischen Beteiligungen zu begünstigen, nicht vereinbar. Sind aber die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm nicht erfüllt - kann der Kläger also nicht zur Regelbesteuerung optieren -, sondern ist die Abgeltungsteuer anzuwenden, muss auch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG Anwendung finden.

 

Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

1. Die Entscheidung stellt klar, dass § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG als Ausnahme von der Werbungskostenabzugsbeschränkung in § 20 Abs. 9 EStG für Kapitalerträge (Wahlmöglichkeit zwischen dem gesonderten Steuertarif mit pauschalem Werbungskostenabzug –Steuer 25 %, abzugsfähig nur der Sparer-Pauschbetrag – und der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – progressiver Tarif – mit der Möglichkeit, Finanzierungsaufwendungen in voller Höhe auch oberhalb des Sparer-Pauschbetrags geltend zu machen) nur für unternehmerische Beteiligungen einräumt.

2. Diese Voraussetzung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auch gegeben, wenn nur „abstrakt“ Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG vorliegen, d.h. selbst dann, wenn im jeweiligen VZ Erträge tatsächlich nicht vorhanden sind und mit der Option lediglich tatsächlich entstandene Werbungskosten zu 60 % im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigt werden sollen (BMF-Schreiben vom 9.10.2012 IV C 1 S 2252/10/10013 = SIS 12 30 48, BStBl 2012 I S. 953, Rz 143).

3. Zu dieser Auffassung steht die BFH-Entscheidung schon deshalb nicht in Widerspruch, weil im Streitfall sowohl für die betroffenen Veranlagungszeiträume als auch die Zukunft die Auskehrung von weiterem Vermögen nach Eintragung der Auflösung der (insolventen) Kapitalgesellschaft im Handelsregister mit Sicherheit auszuschließen war. Damit stand für die Streitzeiträume wie auch für die Folgezeit „absolut“ fest, dass weitere Einkünfte aus unternehmerischer Beteiligung nicht mehr erzielt wurden.