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Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf von Mietwagenunternehmern durchgeführte Krankentransporte
Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf von Mietwagenunternehmern durchgeführte Krankentransporte: 1. Der im nationalen Recht vorgesehene ermäßigte Umsatzsteuersatz für Personenbeförderungsleistungen im Nahverkehr durch Taxen ist unionsrechtskonform und gilt grundsätzlich nicht für entsprechende von Mietwagenunternehmern erbrachte Leistungen. - 2. Anders kann es sein, wenn von einem Mietwagenunternehmer durchgeführte Krankentransporte auf mit Krankenkassen geschlossenen Sondervereinbarungen, die ebenfalls für Taxiunternehmer gelten, beruhen. - Urt.; BFH 2.7.2014, XI R 39/10; SIS 14 28 01
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Ermäßigter Umsatzsteuersatz
-
BFH 02.07.2014, XI R 39/10
BStBl 2015 II S. 421
DStR 2014 S. 2174
BFH/NV 2014 S. 2019
BFHE 246 S. 549
Anmerkungen:
zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 20.4.2015
wt in UVR 12/2014 S. 357
H.F.L. in BFH/PR 1/2015 S. 26
[RL 77/388/EWG] Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5
[UStG] § 12 Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b
[PBefG] § 47, § 49 Abs. 4
[RL 2006/112/EG] Art. 98 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Nr. 5
- vor: Sächsisches FG, 21.09.2010, SIS 11 14 22, Steuersatz, Mietwagen, Taxiunternehmen, Wettbewerb, Rechtsschutz, ermäßigter Steuersatz, Umsatzsteuer
- BFH 12.10.2023, SIS 24 00 34, Steuerbare Leistungserbringung durch Gesellschafter nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 5 des Umsatzsteue...
- Niedersächsisches FG 11.6.2020, SIS 20 13 74, Ermäßigter Steuersatz bei Personenbeförderung durch Pferdekutschen: Personenbeförderungen auf einer autof...
- BFH 13.11.2019, SIS 19 19 24, Taxiverkehr mit Pferdefuhrwerken: Ist im Gebiet einer Gemeinde der Verkehr mit PKW allgemein unzulässig, ...
- FG Münster 10.10.2019, SIS 19 17 68, Steuerbefreiung von Beförderungsumsätzen, Ermittlung der Umsätze im Schätzungswege: 1. Die Voraussetzunge...
- BFH 28.8.2019, SIS 19 18 93, Ermäßigter Steuersatz für genehmigungsfreien Linienverkehr mit Schiffen: 1. Die Voraussetzungen für die S...
- BMF 2.1.2019, SIS 19 00 00, Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf von Mietwagenunternehmen durchgeführte Krankenfahrten (Abschnit...
- Niedersächsisches FG 24.1.2018, SIS 18 16 17, Personenbeförderung durch Pferdekutschen, ermäßigter Steuersatz: 1. Die Personenbeförderung mittels Pferd...
- OFD Karlsruhe 31.1.2017, SIS 17 04 32, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der im BStBl veröffentlichten Urteile ...
- Schleswig-Holsteinisches FG 15.9.2016, SIS 16 26 87, Umsatzsteuerlich begünstigter Verkehr mit Taxen bei Mitteilung des Fahrziels von einer dritten Person: Ei...
- BMF 2.6.2016, SIS 16 11 83, Steuersatz für die Beförderung von (kranken und verletzten) Personen mit Taxen und Mietwagen: Im Hinblick...
- OFD Karlsruhe 29.2.2016, SIS 16 04 70, Umsatzsteuer, Rechtsprechung: Die OFD Karlsruhe hat ihre Übersicht der seit 1.1.2000 im BStBl veröffentli...
- FG München 16.7.2015, SIS 15 24 11, Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung für ein bezahltes, aber tatsächlich wegen Betrugsabsicht des ...
- FG Baden-Württemberg 15.7.2015, SIS 15 21 96, Ermäßigter Steuersatz für mit Taxen durchgeführte Krankenfahrten: 1. Gegenüber einer gesetzlichen Kranken...
- FG Mecklenburg-Vorpommern 18.3.2015, SIS 15 17 31, Steuerbefreiung bzw. ermäßigter Steuersatz für gegenüber gesetzlicher Krankenkasse erbrachte Patienten- b...
- BFH 5.11.2014, SIS 14 33 27, Ermäßigter Umsatzsteuersatz auf Eintrittsgelder für ein Dorffest: Eintrittsgelder, die eine Gemeinde von ...
1 |
I. Streitig ist, ob für Umsätze aus Personenbeförderungsleistungen mit Mietwagen - im Streitfall Krankenfahrten mit nicht hierfür besonders eingerichteten Fahrzeugen im Auftrag von Krankenkassen - der ermäßigte Steuersatz anwendbar ist, der nach nationalem Recht für Personenbeförderungsleistungen mit Kraftdroschken (Taxen) im Nahverkehr gilt. |
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2 |
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die u.a. über eine Genehmigung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, §§ 9 ff., § 46 Abs. 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) für den Verkehr mit Mietwagen verfügt, nicht jedoch über eine Genehmigung für den Verkehr mit Taxen (§ 47 PBefG). |
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In den Streitjahren 2006 und 2007 führte die Klägerin im Auftrag von Krankenkassen Krankenfahrten mit hierfür nicht besonders eingerichteten Fahrzeugen durch. |
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Sie erkannte am 27.11.2007 gegenüber der Krankenkasse A den zum 1.10.2007 zwischen dieser und dem Taxi- und Mietwagenunternehmerverband (V) geschlossenen Vertrag zur Durchführung von Krankenfahrten für Versicherte der Krankenkasse A mittels Taxiunternehmen an und verpflichtete sich, alle in diesem Vertrag vereinbarten Bedingungen zu erfüllen. Gegenstand des Vertrages ist nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 die Beteiligung der im V organisierten Taxiunternehmen an der Durchführung von planbaren Krankenfahrten, die für die Versicherten der Krankenkasse A im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendig werden. Gemäß § 5 Abs. 1 des Vertrages gilt für die Vergütung der Krankenfahrten die Gebührenvereinbarung nach Anlage 1 des Vertrages. |
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Die Klägerin erklärte die Umsätze entsprechend einer Beanstandung durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) mit dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - ). Ihre Einsprüche, mit denen sie eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG) begehrte, blieben ohne Erfolg. Der Klage wurde nur aus anderen, hier nicht streitigen Gründen teilweise stattgegeben. |
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Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klägerin könne für die betreffenden Beförderungsleistungen nicht den ermäßigten Steuersatz beanspruchen, da sie mangels entsprechender Genehmigung keine Beförderung im Verkehr mit Taxen erbracht habe. Eine Ausdehnung der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG auf die von der Klägerin als Mietwagenunternehmerin durchgeführten Fahrten sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Allerdings handele es sich bei den vorliegenden Krankenfahrten im Auftrag von Krankenkassen um eine besondere Fallkonstellation, in der eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung möglich erscheine. Für Taxiunternehmen mit Betriebssitz in X bestehe aufgrund der Verordnung der Stadt X über die Beförderungsentgelte und -bedingungen für den Verkehr von Taxen nach entsprechender Genehmigung die Möglichkeit, Beförderungsleistungen gegenüber Krankenkassen zu erbringen, die nicht der strengen Bindung an Beförderungspreise unterlägen, sondern auf Vereinbarungen mit den Krankenkassen beruhten. Beförderungsleistungen von Taxiunternehmern, die derartigen Verträgen unterfielen, fehlten die wesentlichen Merkmale des öffentlichen Nahverkehrs, auf denen die Begünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ihrem Sinn und Zweck nach beruhe. |
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7 |
Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, da auch eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führe. Die Klägerin werde durch die zu niedrige Besteuerung ihrer Konkurrenten nicht rechtsschutzlos gestellt, sondern könne ihr Recht außerhalb dieses Verfahrens mit einem Antrag auf volle Besteuerung der in Rede stehenden „Taxi“-Umsätze verfolgen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewährleiste den Schutz vor zu niedriger Besteuerung von Konkurrenten (Hinweis auf Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - vom 8.6.2006 C-430/04 - Feuerbestattungsverein Halle e.V. -, Slg. 2006, I-4999, UR 2006, 459, HFR 2006, 830 = SIS 06 29 77; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5.10.2006 VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl II 2007, 243 = SIS 06 48 80). |
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8 |
Schließlich begründe auch das Unionsrecht keinen Anspruch der Klägerin auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die von ihr erbrachten Leistungen. |
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9 |
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) könnten die Mitgliedstaaten auf die Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Die Umsatzsteuer müsse jedoch auch hier wettbewerbsneutral ausgestaltet sein. Die vorliegende Wettbewerbsverzerrung könne dadurch beseitigt werden, dass ihr - der Klägerin - durch Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG über den Wortlaut hinaus auch als Mietwagenunternehmerin der ermäßigte Steuersatz gewährt werde. Dies sei auch geboten, da anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten wie Konkurrentenklagen wegen zu niedriger Besteuerung erst noch zu ermittelnder konkurrierender Taxiunternehmer ihr nicht zumutbar seien. |
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10 |
Der Senat hat mit Beschluss vom 10.7.2012
XI R 39/10 (BFHE 239, 164, BStBl II 2013, 296 = SIS 12 26 97) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt: |
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“1. Stehen Art. 12 Abs. 3 Buchst. a
Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
und Art. 98 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Kategorie 5 der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L
347/1) unter Beachtung des Neutralitätsprinzips einer
nationalen Regelung entgegen, die für die Beförderung von
Personen im Verkehr mit Taxen im Nahverkehr den
ermäßigten Umsatzsteuersatz vorsieht, wohingegen für
die Beförderung von Personen mit sog. Mietwagen im Nahverkehr
der Regelsteuersatz gilt? |
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11 |
Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom
27.2.2014 in den verbundenen Rechtssachen C-454/12 - Pro Med
Logistik GmbH und C-455/12 - Eckard Pongratz - (Der
Betrieb—DB - 2014, 581, HFR 2014, 470 = SIS 14 08 10) wie
folgt beantwortet: |
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“1. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a
Unterabs. 3 in Verbindung mit Anhang H Kategorie 5 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie
2001/4/EG des Rates vom 19.1.2001 geänderten Fassung und Art.
98 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 5 der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem sind unter Beachtung des Grundsatzes der
steuerlichen Neutralität dahin auszulegen, dass sie der
Anwendung unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze, eines
ermäßigten und des normalen Steuersatzes, auf zwei Arten
von Dienstleistungen der Beförderung von Personen und des
mitgeführten Gepäcks im Nahverkehr, nämlich zum
einen per Taxi und zum anderen per Mietwagen mit Fahrergestellung,
nicht entgegenstehen, sofern zum einen aufgrund der
unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen, denen diese beiden
Beförderungsarten unterliegen, die Tätigkeit der
Beförderung von Personen im Nahverkehr per Taxi einen
konkreten und spezifischen Aspekt der Dienstleistungskategorie der
Beförderung von Personen und des mitgeführten
Gepäcks im Sinne von Kategorie 5 bzw. Nr. 5 der Anhänge
dieser Richtlinien darstellt und zum anderen die fraglichen
Unterschiede maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des
durchschnittlichen Nutzers für die eine oder die andere
Beförderungsart haben. Es ist Sache des vorliegenden Gerichts,
zu prüfen, ob dies in den Ausgangsverfahren der Fall ist. |
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12 |
Die Klägerin begehrt insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des EuGH unter Rz 4 seiner Entscheidung die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die von ihr im Rahmen des Patiententransports durchgeführten Krankentransporte. |
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13 |
Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und für 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsätze aus Krankenfahrten dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. |
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14 |
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. |
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15 |
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). |
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16 |
Das FG ist bei seiner Entscheidung zum Teil von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die bislang vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht aus, um eine abschließende Entscheidung zur Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die streitbefangenen Umsätze zu treffen. |
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17 |
1. Nach der in den Streitjahren 2006 und 2007 geltenden Fassungen des § 12 Abs. 1 UStG betrug die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16 % (2006) bzw. 19 % (2007) der Bemessungsgrundlage. |
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18 |
Der Steuersatz ermäßigte sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG in der für das Streitjahr 2006 geltenden Fassung auf 7 % für die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr mit Ausnahme der Bergbahnen, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kfz, im Kraftdroschkenverkehr und die Beförderungen im Fährverkehr |
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aa) innerhalb einer Gemeinde oder |
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bb) wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km betrug. |
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19 |
Mit Wirkung vom 19.12.2006 wurde der Begriff „Kraftdroschkenverkehr“ durch die Wörter „Verkehr mit Taxen“ ersetzt (Art. 7 Nr. 5 Buchst. b des Jahressteuergesetzes 2007). Dabei handelt es sich „um eine redaktionelle Änderung“, da die Verwendung des Begriffs „Kraftdroschke“ bei Einführung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG in Anlehnung an das PBefG erfolgte, und in diesem Gesetz der Begriff „Kraftdroschke“ zwischenzeitlich durch den Begriff „Taxen“ ersetzt worden war (BTDrucks 16/2712, S. 75). |
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20 |
2. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der im Streitjahr 2006 geltenden Richtlinie 77/388/EWG und nach Art. 98 Abs. 1 der im Streitjahr 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) können die Mitgliedstaaten (neben dem Normalsatz) einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H (Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) bzw. der in Anhang III (Art. 98 Abs. 2, Art. 99 Abs. 1 der MwStSystRL) genannten Kategorien anwendbar. |
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21 |
Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Anhang III der MwStSystRL enthält ein Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können. Kategorie 5 des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Nr. 5 des Anhangs III der MwStSystRL lässt dies für die „Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks“ zu. Darunter fallen die Umsätze der Klägerin, die unstreitig in der Beförderung von Personen bestehen. Insoweit wäre die Bundesrepublik Deutschland befugt, dafür in ihrem nationalen Umsatzsteuerrecht einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. |
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22 |
3. Das PBefG in der in den Streitjahren geltenden Fassung vom 8.8.1990 (BGBl I 1990, 1690) definiert den Verkehr mit Taxen als die Beförderung von Personen mit PKW, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt (§ 47 Abs. 1 PBefG). Der Unternehmer kann Beförderungsaufträge auch während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegennehmen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG). |
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23 |
Die Beförderungsentgelte und -bedingungen werden gemäß § 51 Abs. 1 PBefG für Taxen durch Rechtsverordnung festgesetzt. Für den Pflichtfahrbereich, dem räumlichen Geltungsbereich der festgesetzten Beförderungsentgelte (§ 47 Abs. 4 PBefG), sind Sondervereinbarungen - zwischen dem örtlichen Taxigewerbe und Großkunden - unter den weiteren Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 PBefG zulässig. |
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24 |
Im Pflichtfahrbereich besteht nach § 22 i.V.m. § 47 Abs. 4 PBefG eine Beförderungspflicht. Die Unternehmer des Taxenverkehrs unterliegen einer Betriebspflicht, die allgemein auf die ordnungsmäßige Einrichtung und Aufrechterhaltung des Betriebs gerichtet ist (§ 21 PBefG) und deren Umfang durch Rechtsverordnung noch weiter ausgestaltet werden kann, insbesondere auch durch Vorschriften über das Bereithalten von Taxen in Sonderfällen einschließlich eines Bereitschaftsdienstes (§ 47 Abs. 3 Nr. 1 PBefG). |
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25 |
Verkehr mit Mietwagen ist nach § 49 Abs. 4 Satz 1 PBefG die Beförderung von Personen mit PKW, die nur im Ganzen zur Beförderung angemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG sind. |
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26 |
Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind (§ 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG). Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten (§ 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG). Der Eingang des Beförderungsauftrages am Betriebssitz oder in der Wohnung hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig zu erfassen und die Aufzeichnung ein Jahr aufzubewahren (§ 49 Abs. 4 Satz 4 PBefG). Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen (§ 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG). Den Taxen vorbehaltene Zeichen und Merkmale dürfen für Mietwagen nicht verwendet werden (§ 49 Abs. 4 Satz 6 PBefG). |
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27 |
Für Unternehmer des Mietwagenverkehrs besteht keine Betriebs- und Beförderungspflicht (§ 49 Abs. 4 Satz 7 PBefG). Sie unterliegen anders als die Taxiunternehmer (§ 51 PBefG) keinen Tarifvorschriften, sondern können ihr Entgelt frei vereinbaren. |
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28 |
Die Beförderung von Personen mit Kraftdroschken (Taxen) und mit Mietwagen bedarf der Genehmigung (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 46 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 PBefG), wobei für den Verkehr mit Taxen eine besondere Zulassungsschranke besteht, wonach die Genehmigung zu versagen ist, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt werden, dass durch die Ausübung des beantragten Verkehrs das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wird (§ 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG). |
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29 |
4. Soweit die Klägerin im Streitfall Personenbeförderungsleistungen erbracht hat, die nicht ebenfalls für Taxen geltenden Sondervereinbarungen unterliegen, sind diese Umsätze - wie das FG zu Recht angenommen hat - nach § 12 Abs. 1 UStG dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen (vgl. den in dieser Sache ergangenen Vorlagebeschluss in BFHE 238, 551, BStBl II 2013, 296 = SIS 12 26 97, unter II.2.a, m.w.N.). |
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30 |
5. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Unionsrecht. |
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31 |
a) Der EuGH hat in seinem Urteil - Pro Med
Logistik GmbH und Eckard Pongratz - in DB 2014, 581, HFR 2014, 470
= SIS 14 08 10 u.a. ausgeführt: |
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“43. Der Gerichtshof hat zu Art. 12 Abs.
3 Buchst. a Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie bereits
ausgeführt, dass der Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu der
Auslegung zwingt, dass der ermäßigte Steuersatz nur dann
angewandt werden kann, wenn er sich auf alle Aspekte einer
Kategorie von Leistungen im Sinne des Anhangs H dieser Richtlinie
bezieht, so dass eine selektive Anwendung eines
ermäßigten Satzes nicht ausgeschlossen ist, sofern sie
keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht (vgl.
Urteil vom 6.5.2010, Kommission/ Frankreich, C-94/09, Slg. 2010,
I-4261 = SIS 10 18 78, Rn. 25 und die dort angeführte
Rechtsprechung). Der Gerichthof hat ebenfalls klargestellt, dass
seine Auslegung von Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten
Richtlinie auf die im Wesentlichen gleichlautenden Abs. 1 und 2 von
Art. 98 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu erstrecken ist (Urteil
Kommission/Frankreich, Rn. 27). |
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b) Soweit der EuGH es in Rz 46 und 51 dem nationalen Gericht aufgegeben hat, zu prüfen, ob die Beförderung von Personen im Nahverkehr per Taxi einen konkreten und spezifischen Aspekt der von den Unternehmern erbrachten Leistungen der Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks darstellt, ist dies im Streitfall zu bejahen, soweit die Klägerin Personenbeförderungsleistungen durchgeführt hat, für die keine gleichermaßen für Taxiunternehmer geltenden Sondervereinbarungen bestanden. |
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33 |
Denn die Taxiunternehmer gelten in vollem Umfang als Erbringer einer öffentlichen Dienstleistung der Beförderung von Personen, deren Tätigkeit von der Erteilung einer Genehmigung durch die zuständige Behörde abhängig ist und erheblichen weiteren Verpflichtungen unterliegt. Dazu gehört u.a., dass sie ihre Tätigkeit entsprechend den öffentlichen Verkehrsinteressen aufrechterhalten (§ 21 PBefG), ihrer Beförderungspflicht i.S. von § 22 PBefG nachkommen und die festgesetzten Beförderungsentgelte beachten (§ 47 Abs. 4 und § 51 Abs. 1 PBefG). |
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34 |
Der EuGH hat insoweit ausgeführt, dass ein entsprechender rechtlicher Rahmen, der nur für Taxiunternehmen und nicht für Mietwagenunternehmen mit Fahrergestellung gilt, geeignet ist, unterschiedliche Leistungen im vorstehenden Sinne zu kennzeichnen, so dass diese Tätigkeit einen konkreten und spezifischen Aspekt der genannten Kategorie darstellen kann (vgl. Rz 49 und 50 des EuGH-Urteils - Pro Med Logistik GmbH und Eckard Pongratz - in DB 2014, 581, HFR 2014, 470 = SIS 14 08 10). |
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35 |
c) Zur unionsrechtlich darüber hinaus
gebotenen Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen
Neutralität hat der EuGH ferner ausgeführt: |
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“52. Nach gefestigter Rechtsprechung
lässt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität
insbesondere nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in
Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der
Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. Urteil vom
10.11.2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, Slg. 2011,
I-10947 = SIS 11 39 83, Rn. 32 und die dort angeführte
Rechtsprechung). |
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36 |
d) Hiernach liegt ein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip nicht vor, soweit die Klägerin ihre Personenbeförderungsleistungen außerhalb von auch für Taxen geltenden Sondervereinbarungen erbracht hat. |
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37 |
Denn aus maßgeblicher Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist ein Unterschied zwischen den streitbefangenen Beförderungsarten gegeben, wobei jede geeignet ist, unterschiedlichen Bedürfnissen des Nutzers zu entsprechen, und somit auf seine Entscheidung, die eine oder die andere Beförderungsart zu wählen, erheblichen Einfluss haben kann (vgl. Rz 59 des EuGH-Urteils - Pro Med Logistik GmbH und Eckard Pongratz - in DB 2014, 581, HFR 2014, 470 = SIS 14 08 10). |
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38 |
Der EuGH hält die unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen, denen die beiden genannten Beförderungsarten unterliegen, für maßgeblich (vgl. Rz 57 des EuGH-Urteils). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des EuGH unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 238, 551, BStBl II 2013, 291 = SIS 12 26 96 verwiesen (vgl. Rz 58 des EuGH-Urteils). |
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39 |
6. Zu den mit Taxen und Mietwagen im Rahmen
von vertraglich vereinbarten Krankentransporten hat der EuGH
Folgendes ausgeführt: |
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“61. Mit seiner zweiten Frage in der
Rechtssache C-454/12 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
bei der Beantwortung der ersten Frage in der Rechtssache C-454/12
und der einzigen Frage in der Rechtssache C-455/12 zu
berücksichtigen ist, dass Taxiunternehmen und
Mietwagenunternehmen mit Fahrergestellung ihre Leistungen auf der
Grundlage einer Sondervereinbarung erbringen, die unterschiedslos
und unter nahezu gleichlautenden Bedingungen auf diese
verschiedenen Unternehmen Anwendung findet. |
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7. Insoweit ist das FG bei seiner Entscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben. |
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8. Der Senat kann nicht durcherkennen, weil die Sache nicht spruchreif ist. |
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Denn den tatsächlichen Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, ob und in welchem Umfang die Klägerin die streitbefangenen Krankentransporte auch auf der Grundlage von gleichermaßen für Taxen geltenden Sondervereinbarungen erbracht hat. Festgestellt ist bislang lediglich, dass die Klägerin am 27.11.2007 gegenüber der Krankenkasse A einen für Taxiunternehmer geltenden Vertrag zur Durchführung von Krankenfahrten anerkannt und sich verpflichtet hat, alle in diesem Vertrag vereinbarten Bedingungen zu erfüllen. Hingegen ergibt sich daraus nicht, ob und in welchem Umfang die Klägerin nach Maßgabe dieser Vereinbarung tatsächlich Personenbeförderungsleistungen erbracht hat. Ob es für den Streitzeitraum vor dem 27.11.2007 eine entsprechende verbindliche Vereinbarung und darauf beruhende Fahrten gab, ist bislang gleichfalls noch nicht festgestellt. Im Tatbestand des FG-Urteils ist insoweit nur von - unverbindlichen - Vertragsentwürfen der AOK Y die Rede. Das FG wird die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. |
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a) Sollten die Personenbeförderungsleistungen der Klägerin außerhalb von ebenfalls für Taxiunternehmer geltenden Sondervereinbarungen erbracht worden sein, wäre die Klage insoweit nach Maßgabe der vom EuGH aufgestellten Rechtsgrundsätze zur ersten Vorlagefrage abzuweisen (vgl. vorstehend unter II.1. bis 5.). |
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b) Soweit die von der Klägerin durchgeführten Krankentransporte in den Streitjahren hingegen auf ebenfalls für Taxen geltenden Sondervereinbarungen beruhen, ist die vom EuGH aufgegebene Prüfung (vgl. Leitsatz 2 und Rz 63, 64 des EuGH-Urteils - Pro Med Logistik GmbH und Eckard Pongratz - in DB 2014, 581, HFR 2014, 470 = SIS 14 08 10) durch das FG vorzunehmen. |
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9. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
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