Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 13.08.2020 - 5 K 1228/18
U = SIS 20 12 56 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten im
Revisionsverfahren nur noch darüber, ob die Einräumung
einer Berechtigung zum Eintritt in einen Freizeitpark mit diversen
Fahrgeschäften dem ermäßigten Steuersatz
unterliegt.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist alleinige
Gesellschafterin und seit dem xx.xx.2011 umsatzsteuerrechtliche
Organträgerin der N-GmbH. Die Klägerin betrieb im Jahr
2011 (Streitjahr) einen Freizeitpark mit diversen
Fahrgeschäften. Die Eintrittskarten, die zum Eintritt in den
Park berechtigten, verkaufte sie vor Ort sowie online.
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Daneben verkaufte die N-GmbH sog.
Kombitickets. Dieses Ticket berechtigte in der Regel zum Besuch des
Freizeitparks sowie zur Übernachtung in einem Hotel, mit
dessen Inhaber die N-GmbH eine wirtschaftliche Partnerschaft
unterhielt. Die N-GmbH betrieb selbst keine Hotels. Die Kunden
konnten den Inhalt des Kombitickets um weitere Komponenten (z.B.
Verpflegung oder privilegierte Inanspruchnahme von
Fahrgeschäften) erweitern. Um die Leistungen, zu deren Bezug
das Kombiticket berechtigte, an die Kunden erbringen zu
können, erwarb die N-GmbH von der Klägerin
Eintrittskarten zum Preis von ... EUR pro Stück. Die
Hotelbetreiber stellten der N-GmbH ihre Beherbergungsleistungen in
Rechnung.
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Die Umsätze aus dem Verkauf der
Eintrittskarten meldete die Klägerin in ihrer
Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 06.12.2013
zum Regelsteuersatz an. Auf die Umsätze der N-GmbH ab dem
xx.xx.2011 wendete die Klägerin (wie zuvor die N-GmbH) die
Margenbesteuerung für Reiseleistungen nach § 25 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) an. Die von der Klägerin bezogenen
Eintrittsberechtigungen sowie die Beherbergungsleistungen der
Hoteliers seien als Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 3
Satz 1 UStG anzusehen, so dass die Aufwendungen für die
Reisevorleistungen von den Erlösen aus dem Verkauf der
Kombitickets abzuziehen seien. Die verbleibende Differenz sei
Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer.
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Im Rahmen einer Außenprüfung bei
der Klägerin und bei der N-GmbH für die Jahre 2010 bis
2013 vertrat der Prüfer die Auffassung, aufgrund der
Organschaft seien seit dem xx.xx.2011 die Eintrittsberechtigungen
der Klägerin keine Reisevorleistungen mehr, sondern nicht
steuerbare Innenumsätze, so dass sie nicht mehr margenmindernd
zu berücksichtigen seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) folgte dieser Auffassung und erließ am
02.05.2016 Änderungsbescheide wegen Umsatzsteuer 2010 bis
2013. Die Umsatzsteuer 2011 setzte er auf ... EUR fest. Der
Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
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Mit ihrem Einspruch begehrte die
Klägerin neben der Einstufung der Eintrittsberechtigungen als
Reisevorleistungen über den xx.xx.2011 hinaus erstmals die
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 12 Abs.
2 Nr. 7 Buchst. d UStG auf ihre Umsätze aus dem Verkauf der
Eintrittskarten.
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Das FA wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 19.03.2018 als unbegründet
zurück. Es verteidigte in Bezug auf die geltend gemachten
Reisevorleistungen die Auffassung des Prüfers. Die Anwendung
des ermäßigten Steuersatzes auf die Umsätze aus dem
Verkauf der Eintrittskarten sei zu versagen, da die Klägerin
als ortsgebundenes Unternehmen keine Schaustellerin i.S. des §
12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG sei.
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Das Finanzgericht (FG) Münster wies
die Klage mit seinem in EFG 2020, 1548 = SIS 20 12 56
veröffentlichten Urteil vom 13.08.2020 - 5 K 1228/18 U ab. Es
entschied, der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2011 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung sei rechtmäßig. Die
Aufwendungen der N-GmbH für den Erwerb der Eintrittskarten von
der Klägerin seien seit dem xx.xx.2011 nicht mehr
margenmindernd zu berücksichtigen. Die Einräumung von
Eintrittsberechtigungen in den Freizeitpark der Klägerin
unterliege dem Regelsteuersatz. Die Klägerin erbringe mit dem
Betrieb des Freizeitparks keine Leistungen als Schaustellerin i.S.
des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Das FG verwies
dazu u.a. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 02.08.2018
- V R 6/16 (BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293 = SIS 18 15 75).
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringt vor,
die restriktive Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG
durch den BFH sei nicht mehr zeitgemäß und
verstoße gegen Unionsrecht. Der Begriff des Schaustellers
umfasse bei zutreffender Auslegung auch einen ortsgebundenen
Vergnügungspark, der vergleichbare Leistungen wie ein
reisender Schausteller erbringe. Deshalb erfordere auch das
Unionsrecht eine Gleichstellung, was das FG Köln mit seinem
Vorlagebeschluss vom 25.08.2020 - 8 K 1092/17 (EFG 2020, 1638 = SIS 21 15 75) zutreffend den Gerichtshof der Europäischen Union
(EuGH) gefragt habe.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG und die Einspruchsentscheidung vom 19.03.2018 aufzuheben sowie
die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 unter Abänderung des
Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 2011 vom 02.05.2016 um ...
EUR herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom
06.04.2021 - XI R 4/21 das Ruhen des Verfahrens bis zur
Entscheidung des EuGH in dem Verfahren C-406/20 angeordnet und nach
Ergehen des EuGH-Urteils Phantasialand vom 09.09.2021 - C-406/20
(EU:C:2021:720 = SIS 21 14 63) das Verfahren unter dem Aktenzeichen
XI R 23/21 (XI R 4/21) fortgesetzt.
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Die Klägerin rügt ergänzend,
das FG habe nicht geprüft, ob die von ihm festgestellten
Unterschiede die Wahl des Durchschnittsverbrauchers, welche
Leistung er in Anspruch nehme, beeinflussen könne.
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II. Die Revision ist unbegründet; sie ist
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat rechtsfehlerfrei
entschieden, dass der angefochtene Umsatzsteuerbescheid
rechtmäßig ist; diese Beurteilung ist außerdem mit
Unionsrecht vereinbar.
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1. Die Beteiligten und das FG sind zu Recht
übereinstimmend davon ausgegangen, dass seit dem xx.xx.2011
der Klägerin als Organträgerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG die Umsätze der N-GmbH als Organgesellschaft zuzurechnen
sind. Dies entspricht der Beurteilung nach nationalem Recht (vgl.
allgemein BFH-Beschluss vom 11.12.2019 - XI R 16/18, BFHE 268, 240
= SIS 20 02 82, Rz 47, m.w.N.). Auf eine mögliche
Unionsrechtswidrigkeit dieser Rechtsgrundsätze hat sich die
Klägerin nicht berufen.
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2. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die
Eintrittsberechtigungen, die die Klägerin zivilrechtlich an
die N-GmbH verkauft hat, ab dem xx.xx.2011 keine Reisevorleistungen
mehr sind.
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a) Umsatzsteuerrechtlich gehen die
Eintrittsberechtigungen in die (nach den Ausführungen unter
II.1. der Klägerin zuzurechnenden) Reiseleistungen an die
Erwerber der Kombitickets ein. Insoweit ist der Verkauf der
Kombitickets seit dem xx.xx.2011 als Innenumsatz der Klägerin
an die N-GmbH nicht steuerbar (vgl. zur Nichtsteuerbarkeit
allgemein BFH-Urteile vom 18.09.2019 - XI R 39/17, BFH/NV 2020, 246
= SIS 20 00 45, Rz 26; XI R 33/18, BFHE 266, 448, BStBl II 2021,
243 = SIS 20 00 15, Rz 16). Da in Fällen der Organschaft nur
die von Dritten bezogenen Leistungen Reisevorleistungen i.S. des
§ 25 Abs. 1 und 3 UStG sein können, sind die hier
streitigen Innenumsätze nicht in die sog. Margenbesteuerung
einzubeziehen (s. allgemein BFH-Urteil vom 01.03.2018 - V R 23/17,
BFHE 261, 369, BStBl II 2018, 503 = SIS 18 08 75, Rz 18). Als
Ausgangsleistungen mit eigenen Mitteln (Eigenleistungen)
unterliegen sie auch nicht der Margenbesteuerung des § 25 Abs.
1 UStG (s. allgemein BFH-Urteil vom 23.09.1993 - V R 132/89, BFHE
172, 240, BStBl II 1994, 272 = SIS 94 07 28, unter 1.; EuGH-Urteil
Madgett und Baldwin vom 22.10.1998 - C-308/96 und C-94/97,
EU:C:1998:496 = SIS 98 23 41, Rz 35). Da dies mit der Revision
nicht mehr angegriffen wird, sieht der Senat von weiteren
Ausführungen dazu ab.
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b) Auf die verbleibenden Leistungen der
Klägerin an die Erwerber der Kombitickets, die unter § 25
Abs. 1 UStG fallen, ist der Regelsteuersatz anzuwenden, weil
Reiseleistungen weder in § 12 Abs. 2 UStG noch in Art. 98 Abs.
2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als
ermäßigt zu besteuernde Umsätze aufgeführt
sind (vgl. EuGH-Urteil Alpenchalets Resorts vom 19.12.2018 -
C-552/17, EU:C:2018:1032 = SIS 18 20 98, Rz 36 ff., 39; BFH-Urteil
vom 27.03.2019 - V R 10/19 (V R 60/16), BFHE 264, 377, BStBl II
2021, 497 = SIS 19 05 52).
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3. Ebenfalls zu Recht hat das FG entschieden,
dass die Einräumung der Eintrittsberechtigung in den von der
Klägerin betriebenen Freizeitpark nicht nach § 12 Abs. 2
Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt ist.
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a) Nach dieser Vorschrift ermäßigt
sich der Steuersatz auf sieben Prozent u.a. für die Leistungen
aus der Tätigkeit als Schausteller. Gemäß § 30
UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller
i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG Schaustellungen,
Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige
Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten,
Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.
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b) § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG
beruhte im Streitjahr auf Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III
Kategorie 7 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union ermächtigt sind, auf
Eintrittsberechtigungen für Veranstaltungen, Theater, Zirkus,
Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen,
Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle
Ereignisse und Einrichtungen den ermäßigten Steuersatz
vorzusehen. Die Regelung ist deshalb richtlinienkonform auszulegen
(vgl. BFH-Urteil vom 05.11.2014 - XI R 42/12, BFHE 248, 382, BStBl
II 2017, 849 = SIS 14 33 27, Rz 21). Dabei ist u.a. der Grundsatz
der steuerlichen Neutralität zu beachten, wonach es nicht
zulässig ist, gleichartige und deshalb miteinander in
Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der
Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (BFH-Urteil in BFHE
248, 382, BStBl II 2017, 849 = SIS 14 33 27, Rz 22).
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c) Der BFH hat
„Schausteller“ als Personen
definiert, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen
gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw.
beschicken, damit von Ort zu Ort ziehen (z.B. BFH-Urteile vom
22.10.1970 - V R 67/70, BFHE 100, 420, BStBl II 1971, 37 = SIS 71 00 22; vom 22.06.1972 - V R 36/71, BFHE 106, 148, BStBl II 1972,
684 = SIS 72 03 99; vom 20.04.1988 - X R 20/82, BFHE 153, 454,
BStBl II 1988, 796 = SIS 88 16 47; vom 25.11.1993 - V R 59/91, BFHE
173, 249, BStBl II 1994, 336 = SIS 94 12 34; in BFHE 248, 382,
BStBl II 2017, 849 = SIS 14 33 27, Rz 23).
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aa) Dabei kommt es nicht darauf an, ob der
Schausteller seine Darbietungen in eigener Regie selbst
veranstaltet oder ob er seine Leistungen im Rahmen eines
fremdveranstalteten Volksfestes erbringt; Erfüllungsgehilfen
der an die Besucher der Veranstaltungen erbrachten Leistungen
können auch zu diesem Zweck engagierte Schaustellergruppen
sein (BFH-Urteile vom 18.07.2002 - V R 89/01, BFHE 199, 93, BStBl
II 2004, 88 = SIS 02 98 79, unter II.1.; in BFHE 248, 382, BStBl II
2017, 849 = SIS 14 33 27, Rz 25; s.a. BFH-Urteil in BFHE 262, 272,
BStBl II 2019, 293 = SIS 18 15 75, Rz 22).
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bb) Begünstigt ist jedoch nur eine
tätigkeits- und nicht eine personenbezogene Leistung, die
voraussetzt, dass der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d.h.
nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung beruht
(vgl. BFH-Urteile in BFHE 248, 382, BStBl II 2017, 849 = SIS 14 33 27, Rz 24; in BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293 = SIS 18 15 75, Rz
23).
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cc) Diese tätigkeitsbezogene
Differenzierung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH
mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität vereinbar
(BFH-Urteile in BFHE 248, 382, BStBl II 2017, 849 = SIS 14 33 27,
Rz 27 ff.; in BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293 = SIS 18 15 75, Rz
23).
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d) Auf dieser Grundlage hat das FG zu Recht
entschieden, dass Eintrittsberechtigungen in einen ortsgebundenen
Freizeitpark nicht dem ermäßigten Steuersatz des §
12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG unterliegen. Nach den
tatsächlichen Feststellungen des FG sind die von der
Klägerin erbrachten Leistungen zwar Schaustellungen,
Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige
Lustbarkeiten, aber sie werden nicht auf Jahrmärkten,
Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbracht; denn der
Freizeitpark der Klägerin als Schaustellungsunternehmen ist
ortsgebunden.
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4. Dem steht - entgegen der Auffassung der
Revision und derjenigen des FG Köln in EFG 2020, 1638 = SIS 21 15 75 - das Unionsrecht nicht entgegen.
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a) Der EuGH hat in seinem Urteil Phantasialand
(EU:C:2021:720 = SIS 21 14 63, Leitsatz) entschieden, dass Art. 98
i.V.m. Anhang III Nr. 7 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass er
einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die
Leistungen von ortsungebundenen Schaustellern einerseits und
ortsgebundenen Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks
andererseits unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen unterliegen,
nämlich einem ermäßigten Satz und dem
Regelsteuersatz, sofern der Grundsatz der steuerlichen
Neutralität beachtet wird.
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b) Dies ist nach den Ausführungen unter
II.3.b und II.3.c cc der Fall. Der BFH wendet die nationale
Steuersatzermäßigung in richtlinienkonformer Auslegung
an. Er hat die Vereinbarkeit seiner ständigen Rechtsprechung
mit dem Unionsrecht erst unlängst erneut geprüft und
bejaht. Die Ausführungen des EuGH geben keinen Anlass, von
dieser Sichtweise abzurücken; denn die Beurteilung der
Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der in einem Freizeitpark
einerseits und auf einem Jahrmarkt andererseits dargebotenen
Schaustellerleistungen ist Sache des nationalen Gerichts
(EuGH-Urteil Phantasialand, EU:C:2021:720 = SIS 21 14 63, Rz
43).
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c) Soweit die Klägerin meint, das FG habe
nicht festgestellt, ob die von ihm festgestellten Unterschiede die
Wahl des Durchschnittsverbrauchers, welche Leistung er in Anspruch
nehme, beeinflussen könne, ist ihr nicht zu folgen.
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aa) Das FG hat ausgeführt, die Leistungen
des Betreibers eines Vergnügungsparks und die im Zusammenhang
mit einem zeitlich beschränkten Volksfest oder Jahrmarkt
ausgeführten Leistungen seien aus Sicht eines
Leistungsempfängers nicht gleichartig. Dies gelte entgegen der
Auffassung der Klägerin auch für den Vergleich ihrer
Leistungen mit den Leistungen, die von ortsungebundenen
Schaustellern auf Jahrmärkten, Volksfesten,
Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbracht
werden. Denn insoweit bestünden ebenfalls im Hinblick auf die
jeweiligen Leistungen und ihren Kontext aus Sicht des
Leistungsempfängers Unterschiede, die einer Vergleichbarkeit
der Leistungen entgegenstehen. So zeichne sich die
Leistungserbringung der ortsungebundenen Schausteller dadurch aus,
dass sie im Regelfall an zeitlich und grundsätzlich auf ein
übliches Einzugsgebiet beschränkten Veranstaltungen
teilnehmen. Die temporäre Erbringung ihrer Leistungen
„vor Ort“ sei ein wesentlicher
Bestandteil der Leistungen der ortsungebundenen Schausteller, der
sich in dem mit dem Betrieb eines Reisegewerbes verbundenen Aufwand
widerspiegele. Die Leistungen richteten sich im Regelfall an die im
Einzugsgebiet der Veranstaltung ansässigen
Leistungsempfänger. Für diese sei es ein Unterschied, ob
ein Schausteller seine Attraktion auf einer Veranstaltung
temporär „vor Ort“ anbiete
oder hierfür einen festen und dauerhaften Ort auswähle.
Die Leistung von Schaustellern werde den Leistungsempfängern
„wohnortnah“ angeboten. Dadurch
unterscheide sich die Leistung der ortsgebundenen von den
ortsungebundenen Unternehmern.
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bb) Das FG hat im Rahmen seines Urteils weiter
erörtert, dass dieser Unterschied im Hinblick auf das von der
Klägerin angeführte Münchner Oktoberfest sowie
vergleichbar große Veranstaltungen (z.B. das Cannstatter
Volksfest in Stuttgart) wegen deren Größe, Bekanntheit
und überregionalen Einzugsgebiets gemindert sein möge,
diese mit ihrer Größe jedoch eine Ausnahme darstellten.
Außerdem unterscheide sich der Betrieb des Freizeitparks der
Klägerin von den Leistungen einzelner ortsungebundener
Schausteller auch dahingehend, dass es dem Besucher des
Freizeitparks auf die Kombination der vielfältigen
Leistungsangebote des Freizeitparks ankomme.
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cc) Diese auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abstellende Beurteilung ist als
tatsächliche Würdigung des FG möglich,
verstößt nicht gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze und bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2
FGO).
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Soweit die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung gerügt hat, das FG-Urteil sei am
Ende seiner tatsächlichen Würdigung (in EFG 2020, 1548 =
SIS 20 12 56, Rz 42) von den Grundsätzen der Rechtsprechung
des EuGH und des BFH abgewichen, teilt der Senat diese Auffassung
nicht. Vielmehr bleibt seine tatsächliche Würdigung
aufgrund des von ihm bejahten Ausnahme-Charakters der dort
genannten Veranstaltungen möglich. Darauf, dass auch auf den
genannten Veranstaltungen der jeweilige Schausteller mit seiner
einzelnen schaustellerischen Leistung (z.B. Fahrt auf seinem
Fahrgeschäft) eine andere Leistung erbringt als die
Klägerin mit ihrem Leistungsbündel (Einräumung einer
Eintrittsberechtigung in einen Freizeitpark), kommt es deshalb
nicht mehr an.
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dd) Im Übrigen ist ein nationales FG im
Allgemeinen in der Lage, die Sicht des Durchschnittsverbrauchers
aufgrund eigener Sachkunde festzustellen (vgl. EuGH-Urteil
Phantasialand, EU:C:2021:720 = SIS 21 14 63, Rz 47). Denn es
handelt sich bei dem Begriff des Durchschnittsverbrauchers
lediglich um eine gedankliche Perspektive (vgl. BFH-Urteile vom
17.04.2008 - V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, Rz 40;
vom 23.11.2011 - XI R 6/08, BFHE 235, 563, BStBl II 2013, 253 = SIS
12 01 03, Rz 47), bei der normativ auf
einen gedachten, objektivierten Durchschnittsverbraucher abgestellt
wird (vgl. Lange, UR 2009, 289, 291
f.). Der Begriff des Durchschnittsverbrauchers beruht nicht auf
einer statistischen Grundlage (vgl. in anderem Zusammenhang den 18.
Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere
Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen
Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern,
Amtsblatt der Europäischen Union 2005, Nr. L 149 vom
11.06.2005, S. 22 ff.), so dass sich Gerichte und Behörden
insoweit auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BFH
verlassen müssen. Sowohl der EuGH als auch die nationalen
Gerichte können selbst entscheiden, ohne ein
Sachverständigengutachten einzuholen oder eine
Verbraucherbefragung in Auftrag zu geben (vgl. EuGH-Urteil Gut
Springenheide vom 16.07.1998 - C-210/96, EU:C:1998:369, Rz 30 bis
32). Gehören die entscheidenden Richter selbst zu den
angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen keines
(durch eine Meinungsumfrage o.Ä. untermauerten)
Sachverständigengutachtens (vgl. auch Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 24.01.2019 - I ZR 200/17, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report 2019, 813, Rz 34).
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5. Da sowohl auf die Reiseleistungen der
Klägerin (II.2.) als auch auf deren Eigenleistungen im Rahmen
der Kombitickets gemäß den Ausführungen unter II.3.
der Regelsteuersatz anwendbar ist, bedarf es keiner Aufteilung des
Entgelts der Kombitickets (vgl. dazu allgemein EuGH-Urteil Mytravel
vom 06.10.2005 - C-291/03, EU:C:2005:591 = SIS 05 46 14).
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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