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I. Streitig ist die Berücksichtigung
von Aufwendungen für eine Dichtheitsprüfung der privaten
Abwasserleitung als steuerermäßigende Handwerkerleistung
nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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In der Einkommensteuererklärung 2010
beantragte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger)
für eine Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung seines
privat genutzten Wohnhauses eine Steuerermäßigung nach
§ 35a Abs. 3 EStG in der im Streitjahr (2010) geltenden
Fassung. In der entsprechenden Rechnung sind Arbeitskosten von
357,36 EUR ausgewiesen.
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In dem Einkommensteuerbescheid 2010 vom
8.5.2012 blieben die Aufwendungen unberücksichtigt. Die
Einkommensteuer wurde auf 6.160 EUR festgesetzt.
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Hiergegen sowie gegen die
Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung bei den
Krankheitskosten richtete sich der fristgerecht eingelegte
Einspruch. Hinsichtlich der zumutbaren Belastung wurde das
Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO) ruhend gestellt. Hinsichtlich der
Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG wies der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den
Einspruch durch Teileinspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a Satz
1 AO) vom 14.6.2012 zurück. Die Dichtheitsprüfung sei wie
die vom TÜV oder anderen autorisierten Fachkräften
durchzuführende Sicherheitsprüfung einer Heizungsanlage
im Gegensatz zu einer Wartung der Heizungsanlage mit einer
Gutachtertätigkeit vergleichbar. Nach Rdnr. 12 des Schreibens
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15.2.2010 IV C 4 - S
2296 - b/07/0003 (BStBl I 2010, 140 = SIS 10 00 72; ersetzt durch
BMF-Schreiben vom 10.1.2014 IV C 4 - S 2296 - b/07/0003:004, BStBl
I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Rdnr. 22) seien Aufwendungen, bei denen
eine Gutachtertätigkeit im Vordergrund stehe, nicht nach
§ 35a EStG begünstigt.
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Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin
erhobenen Klage statt. Entgegen der Auffassung des FA habe bei der
Dichtheitsprüfung nicht die Gutachtertätigkeit im
Vordergrund gestanden. Zielrichtung der Maßnahme sei die
Instandhaltung der Abwasserleitung gewesen. Deshalb seien die
streitgegenständlichen Aufwendungen für die
Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung als
steuerermäßigende Handwerkerleistung
anzuerkennen.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG Köln
vom 18.10.2012 14 K 2159/12 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Aufwendungen des Klägers für die Dichtheitsprüfung
der Abwasserleitungen seines privat genutzten Wohnhauses als
steuerermäßigende Handwerkerleistungen nach § 35a
Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sind.
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1. Nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG
ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer
für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für
Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20
%, höchstens um 1.200 EUR. Die Steuerermäßigung
kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Handwerkerleistung
in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen
Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht
wird (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG), und gilt nach § 35a Abs.
5 Satz 2 EStG nur für Arbeitskosten.
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a) Handwerkerleistungen sind einfache wie
qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig
davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende
Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. Senatsurteil vom
6.5.2010 VI R 4/09, BFHE 229, 534, BStBl II 2011, 909 = SIS 10 22 80). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von
Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken
genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und
Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer
Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden,
Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der
Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen
für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf
dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks
16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur,
Wartung und der Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein
in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §
35a EStG Rz 27).
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b) Die sachliche Begrenzung der
begünstigten Maßnahme ist allein aus dem
Tatbestandsmerkmal „im Haushalt“ zu bestimmen
(Senatsurteil vom 13.7.2011 VI R 61/10, BFHE 234, 391, BStBl II
2012, 232 = SIS 11 39 43; BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Rdnr. 20). Insbesondere unterscheidet das Gesetz weder
nach Wortlaut noch nach Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck
zwischen sachlich begünstigten und nicht begünstigten
Handwerkerleistungen. § 35a Abs. 3 EStG gilt vielmehr insoweit
(nicht aber räumlich, vgl. Senatsurteil vom 20.3.2014 VI R
56/12, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882 = SIS 14 15 64) ausnahmslos
für alle handwerklichen Tätigkeiten. So ist
beispielsweise nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in
die Handwerksrolle eingetragen ist. Auch Kleinunternehmer i.S. des
§ 19 des Umsatzsteuergesetzes (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I
2014, 75 = SIS 14 04 30, Rdnr. 23) oder die öffentliche Hand
können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen
(Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35a EStG Rz 21; Eversloh
in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 86; Wüllenkemper, EFG
2013, 52; vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30,
Rdnr. 22, 58 <Schornsteinfeger>).
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2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die
Dichtheitsprüfung der Abwasserleitungen des privat genutzten
Wohnhauses zu Recht als steuerbegünstigte Handwerkerleistungen
i.S. des § 35a Abs. 3 EStG beurteilt. Denn die
Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung diente nach den
Feststellungen des FG der Überprüfung der
Funktionsfähigkeit einer Hausanlage und ist damit als
(vorbeugende) Erhaltungsmaßnahme zu beurteilen (vgl. Fischer
in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 35a Rz 10).
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a) Die Erhebung des unter Umständen noch
mangelfreien Istzustandes, beispielsweise die Prüfung der
ordnungsgemäßen Funktion einer Anlage durch einen
Handwerker, ist ebenso Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs.
3 EStG wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens
oder Maßnahmen zur vorbeugenden Schadensabwehr. Dies gilt
auch dann, wenn der Handwerker über den
ordnungsgemäßen Istzustand eines Gewerkes/einer Anlage
eine Bescheinigung „für amtliche Zwecke“
erstellt. Denn durch das Ausstellen einer solchen Bescheinigung
verliert eine dahingehende handwerkliche Leistung ihren
Instandhaltungscharakter nicht. Denn die regelmäßige
Überprüfung von Geräten und Anlagen auf deren
Funktionsfähigkeit (einschließlich Dokumentation)
erhöht deren Lebensdauer, sichert deren nachhaltige
Nutzbarkeit, dient überdies der vorbeugenden Schadensabwehr
und zählt damit zum Wesen der Instandhaltung. Das verkennt die
Revision, wenn sie fordert, zwischen begünstigten
Handwerkerleistungen, durch die ein Objekt in seinem Zustand
beeinflusst (verändert) werde, und nicht begünstigten
Leistungen eines Handwerkers (Untersuchungen und Gutachten), die
lediglich dazu dienten, den aktuellen Zustand eines Objekts
festzustellen, zu unterscheiden. Im Übrigen ist die Erhebung
des Istzustandes regelmäßig Voraussetzung für eine
spätere - nicht unbedingt unmittelbar zeitlich nachfolgende
und u.U. durch einen anderen Handwerksbetrieb durchgeführte -
Beseitigung des Schadens oder für Maßnahmen zur
vorbeugenden Schadensabwehr und insoweit ohnehin als Annex, also
Nebenleistung, zu der damit einhergehenden steuerbegünstigten
Handwerkerleistung ebenfalls begünstigt (Bode, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 6, Rz F 5;
vgl. auch Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 86;
differenzierend Barein, a.a.O., § 35a EStG Rz 28).
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b) Wortlaut sowie Sinn und Zweck des §
35a EStG stehen dieser Auslegung der Vorschrift nicht entgegen.
Denn das Gesetz unterscheidet tatbestandlich nicht zwischen
steuerbegünstigten Handwerkerleistungen, die zur
Bekämpfung der Schwarzarbeit/Förderung der
Beschäftigung förderungsbedürftig sind, und solchen
Handwerkerleistungen, die einer solchen Förderung nicht
bedürfen, weil sie ohnehin oder regelmäßig nicht
„ohne Rechnung“ in Anspruch genommen werden. Der
Gesetzgeber hat vielmehr eine generalisierende, typisierende und
pauschalierende Regelung getroffen, ohne bei den materiellen und
„formellen Voraussetzungen“ des § 35a EStG,
etwa die Einbindung eines Kreditinstituts oder einer Bank in den
Zahlungsvorgang, nach für Schwarzarbeit anfälligeren oder
weniger anfälligen Berufsgruppen und Tätigkeiten zu
unterscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2013 VI B 31/13,
BFH/NV 2013, 1786 = SIS 13 28 00).
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